Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzung zu einer außerordentlichen Änderungskündigung gegenüber einem Betriebsratsmitglied (Begrenzung von Lohnkosten)
Leitsatz (amtlich)
Die Gleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern stellt kein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG dar, das die Verschlechterung einer arbeitsvertraglichen Vergütungsregelung im Wege der Änderungskündigung bedingen kann (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 1. Juli 1999 – 2 AZR 826/98 – BB 1999, 2562, mwN); auch daß sich der Arbeitgeber auf eine die angestrebte Neuregelung vorgebende (Gesamt-)Betriebsvereinbarung berufen kann, erleichtert die Änderungskündigung nicht.
Normenkette
BetrVG § 103 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 2, § 2 S. 1, § 15 Abs. 1; BGB § 626; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Mai 1999 – 13 (3) TaBV 141/98 – wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die antragstellende Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats der Niederlassung Dortmund zu einer außerordentlichen Änderungskündigung gegenüber einem Betriebsratsmitglied, der Beteiligten zu 3) (im folgenden: Frau S.).
In der Niederlassung Dortmund der Arbeitgeberin werden etwa 490 Arbeitnehmer beschäftigt. Davon sind etwa 200 kaufmännische Angestellte. Unter dem 7. Mai 1997 schlossen die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Effizienzsteigerung und zur Standortsicherung. Unter anderem ist in Nr. 2 der Betriebsvereinbarung vorgesehen, daß ab 1. Januar 1998 Tariferhöhungen bei Angestellten und Arbeitern bis zu einem Umfang von 3 % mit übertariflichen Vergütungsbestandteilen verrechnet werden sollen; dabei sollen nur 50 % der jeweiligen Tariferhöhung verrechnet werden. Mit Schreiben vom 23. September 1997 unterrichtete die Arbeitgeberin alle Arbeitnehmer über den Inhalt der Betriebsvereinbarung und bat um deren Zustimmung.
Bei den gewerblichen Arbeitnehmern war die Umsetzung der in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Verrechnungsmöglichkeit unproblematisch. Die Arbeitsverträge von kaufmännischen Angestellten, die erst in den letzten drei Jahren vor Abschluß der Betriebsvereinbarung eingetreten waren, sehen ausdrücklich die Verrechnungsmöglichkeit von Tariferhöhungen vor. Bei diesen Angestellten war die Verrechnung daher ebenfalls ohne weiteres möglich. Bei kaufmännischen Angestellten, deren Arbeitsverhältnisse schon länger bestehen, sehen die Arbeitsverträge dagegen keine uneingeschränkte Verrechnungsmöglichkeit vor. Zu den letztgenannten Angestellten gehört auch Frau S. Sie ist seit 1. September 1982 im Unternehmen beschäftigt und stellvertretende Betriebsratsvorsitzende. Ihrem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 13. Juni 1985 zugrunde. Dieser sieht unter anderem die Zahlung einer außertariflichen Zulage vor. Weiter heißt es dort:
„Die außertarifliche Zulage kann nur in folgenden Fällen auf tarifliche Vergütungsbestandteile angerechnet werden: Bei tariflich ausdrücklich vereinbarter Anrechnungsmöglichkeit, bei einer Höhergruppierung, einem Vorrücken innerhalb der Tarifgruppe, der Einführung oder Durchführung einer Leistungszulagenregelung sowie sonstigen tariflichen Änderungen struktureller Art.”
Die übrigen Angestellten, deren Arbeitsverträge derartige Regelungen enthalten, stimmten einer Änderung ihrer Arbeitsverträge nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung vom 7. Mai 1997 zu. Die Arbeitgeberin bemühte sich bis 18. Februar 1998, auch Frau S. zur Zustimmung zu bewegen, blieb damit aber erfolglos.
Mit einem dem Betriebsrat am 18. Februar 1998 zugeleiteten Schreiben vom 11. Februar 1998 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat ihre Absicht mit, der Arbeitnehmerin S. eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist auszusprechen und ihr gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Maßgabe anzubieten, daß ab 1. Januar 1998 Tariferhöhungen bis zu einem Umfang von 3 % mit übertariflichen Bestandteilen verrechnet werden. Der Betriebsrat erklärte mit Schreiben vom 20. Februar 1998, der Arbeitgeberin am selben Tag zugegangen, er verweigere die Zustimmung. Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin ist am 3. März 1998 beim Arbeitsgericht eingegangen.
Sie hat vorgetragen, Anlaß für den Abschluß der Betriebsvereinbarung vom 7. Mai 1997 sei das schlechte wirtschaftliche Ergebnis im Niederlassungsbereich gewesen. Nachdem bereits zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit vereinbart worden seien, sei als zusätzliche Maßnahme vor einem drohenden weiteren Personalabbau nur die Anrechnung von Tariferhöhungen geblieben. Wichtiger Grund für die beabsichtigte Änderungskündigung sei die in der Gesamtbetriebsvereinbarung festgeschriebene Unternehmerentscheidung, entweder in den Niederlassungen weiterhin Personal abzubauen oder solche Maßnahmen durch Entgeltanrechnungen auszuschließen. Zu beachten sei auch, daß die Betriebsvereinbarung umfangreiche Maßnahmen der Beschäftigungssicherung vorsehe. Es bestehe ein dringendes betriebliches Erfordernis auf Seiten der Arbeitgeberin an der Einhaltung der in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Gegenleistung. Da sie die ihr nach der Betriebsvereinbarung obliegenden Maßnahmen im vollen Umfang umgesetzt habe, habe sie Anspruch gegenüber allen Arbeitnehmern, also auch gegenüber Frau S., daß diese die ihnen nach der Betriebsvereinbarung obliegenden Verpflichtungen einlösten. Für Frau S. folge aus der Betriebsvereinbarung die Verpflichtung, einzelvertraglich der Entgeltanrechnung zuzustimmen. Hinzu komme, daß ansonsten Frau S. unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bevorzugt würde.
Für Frau S. sei die teilweise Anrechnung bis zur Gesamthöhe von 3 % auch zumutbar. Frau S. sei ledig und habe keine Unterhaltspflichten. Sie beziehe eine monatliche Vergütung von 5.233,00 DM (4.562,00 DM Tarifgehalt und 671,00 DM übertarifliche Zulage).
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Änderungskündigung dahingehend, daß die in Ziffer 2 des Anstellungsvertrages der Betriebsrätin S. vom 13. Juni 1985 geregelte Anrechnungsmöglichkeit von außertariflichen Zulagen auf tarifliche Vergütungsmodelle insoweit möglich ist, daß Tariferhöhungen ab 1. Januar 1998 bis zu einem Umfang von 3 % mit übertariflichen Vergütungsbestandteilen verrechnet werden, beschränkt aber auf 50 % einer jeweiligen Tariferhöhung, zu ersetzten.
In der Rechtsbeschwerdeinstanz hat die Arbeitgeberin zudem einen um die Worte „ab 1. Januar 1998” gekürzten, im übrigen aber gleichlautenden Hilfsantrag gestellt.
Der Betriebsrat und die Beteiligte Frau S. haben beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie haben ua. vorgetragen, die Änderungskündigung sei für die Arbeitgeberin nicht unabweisbar notwendig. Die Arbeitgeberin habe keinen wichtigen Grund für die beabsichtigte außerordentliche Änderungskündigung dargetan. Weder die Änderungskündigung selbst noch der bloße Entschluß der Arbeitgeberin, die Lohnkosten zu senken, stellten eine bindende Unternehmerentscheidung dar.
Das Arbeitsgericht hat den Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Ihre Beschwerde blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin weiter die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der von ihr beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung.
II. Die Vorinstanzen habe eine Zustimmungsersetzung gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG mit Recht abgelehnt.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Arbeitgeberin habe nicht ausreichend dargelegt, daß der beabsichtigte Eingriff in die arbeitsvertraglich vereinbarte Regelung zur Anrechnung von Tariferhöhungen unabweisbar notwendig sei. Deshalb könne nicht angenommen werden, für die beabsichtigte außerordentliche Änderungskündigung gegenüber Frau S. bestehe ein wichtiger Grund. Ein solcher ergebe sich weder schon aus der mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung, noch aus dem Umstand, daß sich die anderen Arbeitnehmer mit einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Position mit der Änderung ihres Arbeitsvertrages einverstanden erklärt haben.
2. Dem folgt der Senat im Ergebnis und überwiegend auch in der Begründung.
a) In § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG sind ohne eigenständige Definition die in § 626 Abs. 1 BGB verwandten Formulierungen übernommen worden. Da der Gesetzgeber in § 626 BGB geregelt hat, unter welchen Voraussetzungen eine „Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist” gerechtfertigt ist, sind die in § 626 BGB enthaltenen und daraus abgeleiteten Regeln zur Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung auch im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzuwenden (vgl. BAG 18. Februar 1993 – 2 AZR 526/92 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 35, zu II 1 der Gründe, mwN; BAG 21. Juni 1995 – 2 ABR 28/94 – BAGE 80, 185, 189). Der in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB verwandte Begriff des wichtigen Grundes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Beschwerdegericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen von § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (ständige Rechtsprechung, vgl. ua. BAG 21. Juni 1995 – 2 ABR 28/94 – BAGE 80, 185, 189, mwN). Dieser eingeschränkten Überprüfung hält der angefochtene Beschluß stand.
b) Das Beschwerdegericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, eine Angleichung der Arbeitsbedingungen der nach § 15 KSchG geschützten Frau S. an die der anderen Arbeitnehmer, die ursprünglich dieselbe Anrechnungsklausel im Arbeitsvertrag hatten wie Frau S., könne auch durch eine außerordentliche – gegebenenfalls befristete – Änderungskündigung (§ 2 Satz 1 KSchG 1. Halbsatz) erreicht werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB vorliege und der Betriebsrat zuvor zugestimmt habe oder die Zustimmung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ersetzt worden sei. Zwar ist der wichtige Grund einer außerordentlichen Kündigung nicht unabhängig vom Änderungsangebot, aber – auf Seiten des Arbeitgebers – im ersten Prüfungsabschnitt zunächst unabhängig von den Auswirkungen der Änderungen für den Arbeitnehmer zu prüfen (BAG 21. Juni 1995 – 2 ABR 28/94 – BAGE 80, 185, 190, mwN). Danach liegt für die beabsichtigte außerordentliche Änderungskündigung ein wichtiger Grund dann vor, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar notwendig ist (BAG, aaO).
c) Anders als in dem der Entscheidung BAGE 80, 185 zugrundeliegenden Fall will hier die Arbeitgeberin mit der beabsichtigten Vertragsänderung nicht den Erfordernissen einer geänderten Betriebsorganisation Rechnung tragen, sondern lediglich durch Änderung der arbeitsvertraglichen Regelung zur Anrechnung von Tariferhöhungen betriebliche Lohnkosten begrenzen. Die Anforderungen an einen wichtigen Grund im Sinne von § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB hierfür können jedenfalls dann nicht erfüllt sein, wenn schon keine dringenden betrieblichen Erfordernisse für die beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen.
Zur Verschlechterung arbeitsvertraglicher Vergütungsregelungen mittels ordentlicher Änderungskündigung aus betrieblichen Gründen hat der Senat in ständiger Rechtsprechung erkannt, die Änderung könne sozial gerechtfertigt sein, wenn die Unrentabilität des Betriebes einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen entgegenstehe, wenn also durch die Senkung der Personalkosten die Stillegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden könne und solle und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken seien (BAG 26. Januar 1995 – 2 AZR 371/94 – BAGE 79, 159; BAG 20. August 1998 – 2 AZR 84/98 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 50; BAG 12. November 1998 – 2 AZR 91/98 – AP, aaO, Nr. 51). Stets müssen die betrieblichen Erfordernisse dringend sein. Bei der betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist zu berücksichtigen, daß der Arbeitgeber nachhaltig in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung hingreift, wenn er die vereinbarte Vergütung reduziert. Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten und es ist anerkannt, daß Geldmangel den Schuldner nicht entlastet. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen. Regelmäßig setzt eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft. Als solche milderen Mittel können etwa in Betracht kommen die Absenkung von freiwilligen Zulagen, Rationalisierungsmaßnahmen und sonstige Einsparungen, wobei auch die Sanierungsfähigkeit des Betriebes und eigene Sanierungsbeiträge des Arbeitgebers bzw. Dritter (Banken) zu bewerten sind (BAG 20. August und 12. November 1998, aaO).
Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, daß das Beschwerdegericht auch für den vorliegenden Fall von den zur Vergütungsreduzierung mittels Änderungskündigung entwickelten Grundsätzen ausgegangen ist. Zwar ist der Rechtsbeschwerdeführerin zuzugeben, daß es hier – sieht man von der mit dem Hauptantrag intendierten Rückwirkung auf den 1. Januar 1998 ab – nicht um eine aktuelle Vergütungsreduzierung, sondern nur um die Begrenzung künftiger Lohnzuwächse geht. Übereinstimmung besteht jedoch insoweit, als die Arbeitgeberin in die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütungsregelung zu Lasten von Frau S. eingreifen, also den einmal geschlossenen Vertrag so nicht einhalten will, obwohl Geldmangel den Schuldner grundsätzlich nicht entlastet. Der Senat hat deshalb schon in seinem Urteil vom 1. Juli 1999 (– 2 AZR 826/98 – BB 1999, 2562) die genannten Grundsätze angewandt, obwohl dem von der Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer eine Besitzstandssicherung gewährt werden sollte.
Für den verschlechternden Eingriff in die arbeitsvertragliche Vergütungsregelung besteht vorliegend jedenfalls dann kein wichtiger Grund im Sinne von § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB, wenn nicht zumindest die vom Senat für erhebliche Lohnsenkungen mittels ordentlicher Änderungskündigung entwickelten Voraussetzungen vorliegen. Nur als Sanierungsbeitrag zur Vermeidung einer Betriebsschließung oder einer Reduzierung der Belegschaft könnte eine solche Vertragsänderung je nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbar notwendig sein. Der Arbeitgeber müßte darlegen, daß die Sanierung mit den Eingriffen in die Arbeitsverträge steht oder fällt und alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausgeschöpft sind. Dies hat die Arbeitgeberin vorliegend, wie das Beschwerdegericht mit Recht angenommen hat, nicht ausreichend vorgetragen. Insoweit kann offenbleiben, ob sich die entsprechenden Darlegungen gerade auf den Sanierungsbeitrag von Frau S. beziehen müßten oder ob es genügen würde, schlüssig darzulegen, daß die Sanierung jedenfalls bei Ausklammerung aller Arbeitnehmer mit vergleichbarer Vertragsgestaltung (Einschränkung der Anrechnungsmöglichkeit von Tariferhöhungen) nicht gelingen könnte. Auch bei einer solch kollektiven Betrachtung wäre das Vorbringen der Beklagten unzureichend.
d) Allein mit dem Hinweis auf die entsprechende Gesamtbetriebsvereinbarung und Gleichbehandlungsgesichtspunkte läßt sich, wie das Beschwerdegericht ebenfalls richtig erkannt hat, ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen. Was die Gesamtbetriebsvereinbarung angeht, folgt dies schon aus dem Günstigkeitsprinzip (vgl. BAG 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, 60). Würde die Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG trotz günstigerer arbeitsvertraglicher Regelung unmittelbar und zwingend gelten, bedürfte es schon keiner Änderungskündigung, die jedoch auch die Arbeitgeberin zutreffend für notwendig erachtet hat. Soweit es um unterschiedliche arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarungen (Anrechnungsmöglichkeiten) geht, greift der Gleichbehandlungsgrundsatz weder in seiner allgemeinen Ausprägung noch in der speziellen Ausprägung des § 78 Satz 2 BetrVG. Insoweit gehen die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG; vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 1999 – 2 AZR 826/98 – BB 1999, 2562, 2564, mwN) und § 15 Abs. 1 KSchG vor. Anders als in dem der Entscheidung BAGE 80, 185 zugrundeliegenden Fall geht es hier nicht um eine Herausnahme von Frau S. aus der tariflichen Vergütungsautomatik bei geänderter Tätigkeit.
e) Auch der Hinweis der Arbeitgeberin, die Alternative zum Abschluß der Gesamtbetriebsvereinbarung und deren Umsetzung, wo nötig durch Änderungskündigung, sei ein weiterer Personalabbau gewesen, führt nicht weiter. Zwar kann ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Entgeltreduzierung durch ordentliche Änderungskündigung unter Umständen auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung getroffen hat, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, und sich erst später – etwa auf Iniative des Betriebsrats – entschließt, als milderes Mittel eine Senkung der Personalkosten notfalls durch Änderungskündigung vorzunehmen. Zu der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gehört grundsätzlich auch das Recht des Unternehmers, sein Unternehmen aufzugeben und selbst darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll (vgl. – allerdings für den Entschluß zur Stillegung einer Betriebsabteilung – BAG 12. November 1998 – 2 AZR 91/98 –, aaO). Zum einen sind jedoch die Anforderungen an eine derartige Änderungskündigung jedenfalls nicht geringer anzusetzen als die Anforderungen an eine Beendigungskündigung wegen der ursprünglich durch den Arbeitgeber beabsichtigten Personalreduzierung (vgl. BAG aaO). Es ist deshalb in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Umsetzung der ursprünglich vom Arbeitgeber getroffenen Unternehmerentscheidung nach § 1 Abs. 2 KSchG eine Beendigungskündigung sozial gerechtfertigt hätte, was bei Frau S. wieder wegen ihres besonderen Kündigungsschutzes nach § 15 KSchG zu verneinen gewesen wäre. Zum anderen müßte wegen der Nähe der Entscheidung über eine dauerhafte Personalreduzierung ohne Änderung der Betriebsorganisation zum bloßen Kündigungsentschluß vom Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlicht werden, wie die Unternehmerentscheidung durchgeführt werden soll (vgl. Senatsurteile vom 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – und – 2 AZR 141/99 – AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102 und Nr. 101, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dazu fehlt vorliegend jegliches Vorbringen der Arbeitgeberin; sie hat im Gegenteil nicht einmal behauptet, sie habe sich zunächst zu einer weiteren Personalreduzierung entschlossen gehabt und sich erst danach mit der in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehenen Alternative der Begrenzung der Lohnzuwächse begnügt.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Engel, Sieg
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.01.2000 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436332 |
BB 2000, 981 |
DB 2000, 1666 |
DB 2000, 284 |
NWB 2000, 2342 |
EBE/BAG 2000, 76 |
FA 2000, 100 |
FA 2000, 136 |
FA 2000, 253 |
JR 2001, 308 |
NZA 2000, 592 |
ZTR 2000, 334 |
AP, 0 |
AuA 2000, 336 |