Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte
Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung der anteiligen Vergütung einer teilzeitbeschäftigten Lehrkraft ist zu berücksichtigen, ob einer vergleichbaren vollbeschäftigten Lehrkraft ein Anspruch auf altersbedingte Pflichtstundenermäßigung zusteht.
Normenkette
BeschFG § 2 Abs. 1; BGB § 242
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 25.03.1992; Aktenzeichen 11 Sa 1325/91) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 01.10.1991; Aktenzeichen 5 Ca 4137/91) |
Tenor
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. März 1992 – 11 Sa 1325/91 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 1. Oktober 1991 – 5 Ca 4137/91 – abgeändert:
Es wird festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, bei der Zahlung der anteiligen BAT-Vergütung an die Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis zum 31. Juli 1991 die Stundenentlastung wegen Altersermäßigung in der Form zu berücksichtigen, daß bei der Berechnung der Vergütung von 5/23tel Wochenstunden auszugehen ist.
- Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechnung der Vergütung der Klägerin.
Die am 1. März 1931 geborene Klägerin war vom 9. September 1974 bis zum 31. Juli 1991 als nebenberufliche Lehrkraft mit fünf Unterrichtsstunden in der Woche an den hauswirtschaftlichen und sozialpädagogischen Schulen der Stadt W… beschäftigt. Ihre Vergütung wurde zunächst unter Zugrundelegung fester Stundensätze berechnet. In einem Vorprozeß hat das Arbeitsgericht Düsseldorf durch rechtskräftig gewordenes Anerkenntnisurteil vom 22. Februar 1991 (– 3 Ca 490/91 –) festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab 1. Mai 1985 bis zum 31. Dezember 1990 eine anteilige monatliche Vergütung entsprechend der geleisteten Stundenzahl nach Vergütungsgruppe IIa BAT zu zahlen einschließlich der Sonderzuwendungen. Das beklagte Land hat die Vergütung sodann auf der Grundlage von 25 Wochenstunden (bzw. nach der Arbeitszeitverkürzung von 1990 von 24,5 Stunden) vorgenommen.
Unter Bezugnahme auf das Urteil und die Richtlinien der Beklagten zur Beschäftigung und Vergütung nebenberuflicher Lehrer haben die Parteien unter dem 10. April/31. Mai 1991 einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen, wonach die genannten Richtlinien Vertragsbestandteil sein sollen. Ziff. 2.3 der Richtlinien sieht vor, daß für nebenberufliche Lehrkräfte die für hauptberufliche Angestellte und beamtete Lehrer getroffenen Regelungen über Pflichtstundenermäßigungen nicht gelten. Die Klägerin hat dem Vertrag einen schriftlichen Vorbehalt beigefügt und darin zum Ausdruck gebracht, daß auch ihr als nebenberufliche Lehrkraft eine anteilige Pflichtstundenermäßigung zustehe. Die Klägerin war anschließend unter Geltung der übrigen Vereinbarungen des Arbeitsvertrages für die Beklagte tätig.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe Anspruch auf anteilige Pflichtstundenermäßigung gehabt. Soweit ihr diese nicht gewährt worden sei, hätte das beklagte Land bei der Berechnung ihrer Vergütung die Altersermäßigung der Regelstundenzahl der vollzeitbeschäftigten Lehrer vom Beginn des auf die Vollendung des 50. Lebensjahres folgenden Schuljahres um zwei Stunden berücksichtigen müssen. Die Ungleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigten durch den Ausschluß der Altersermäßigung nach Ziff. 2.3 der Richtlinien zur Beschäftigung und Vergütung nebenberuflicher Lehrkräfte sei sachlich nicht gerechtfertigt. Als Teilzeitlehrkraft werde sie gegenüber den Vollzeitlehrkräften bei der Vergütung schlechter behandelt. Die vollzeitbeschäftigten Lehrkräfte erhielten ab Vollendung des 50. Lebensjahres einen vollen Vergütungsausgleich bei einer allein altersabhängigen Arbeitszeitverkürzung von zwei Wochenstunden. Das bedeute eine Gehaltserhöhung von etwa 8 %. Die Stundenermäßigung habe somit eine Werterhöhung der Einzelstunde zur Folge. Sie werde aus sozialen Gründen erteilt; ältere Lehrkräfte seien nicht mehr so leistungsfähig wie jüngere. Das gelte in gleicher Weise aber auch für Teilzeitbeschäftigte. Auch diese brauchten ab Vollendung des 50. Lebenjahres eine längere Vorbereitungszeit.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, bei der Zahlung der anteiligen BAT-Vergütung an die Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis 31. Juli 1991 die Stundenentlastung wegen Altersermäßigung in der Form zu berücksichtigen, daß bei der Berechnung der Vergütung von 5/23tel Wochenstunden auszugehen ist.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, Ziff. 2.3 der Richtlinien zur Beschäftigung und Vergütung von nebenberuflichen Lehrern bedeute keine Ungleichbehandlung. Sinn der Pflichtstundenermäßigung aus Altersgründen sei die Gewährung eines höheren Freizeitanteils, um Belastungen durch das Alter auszugleichen. Bei geringen wöchentlichen Beschäftigungszeiten dagegen entfalle der Leistungszweck. Der Ausgleich der altersbedingten Erschwernisse solle nicht durch eine höhere Vergütung erreicht werden, sondern durch mehr freie Stunden. Zwar habe die Altersermäßigung indirekt eine Gehaltserhöhung zur Folge, dies sei aber nur eine Nebenwirkung und nicht ihr Ziel. So werde eine Erschwerniszulage gerade nicht gezahlt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin ihr Klageziel weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin könne nicht verlangen, daß bei der Nachberechnung und der weiteren Berechnung ihrer Vergütung für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Dienst die Altersermäßigung berücksichtigt werde. Ein derartiger Anspruch sei weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus dem Anerkenntnisurteil im Vorprozeß herzuleiten. Die Altersermäßigung sei nicht Bestandteil der Vergütung nach dem BAT. Ihr Zweck liege ausschließlich darin, die wöchentliche Pflichtstundenzahl der Lehrer dem altersbedingten Nachlassen der Leistungsfähigkeit anzupassen. Die Verminderung der Pflichtstundenzahl habe auch keinen Einfluß auf die Vergütung. Sofern man überhaupt von einer vergütungsmäßigen Verbesserung sprechen könne, sei dies nur eine Auswirkung der Regelung, nicht jedoch ihr Sinn. Die Versagung einer Altersermäßigung gegenüber den nebenberuflichen Lehrkräften stelle auch keinen Verstoß gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 dar. Denn der Leistungszweck bestehe in der arbeitsmäßigen Entlastung der zur Leistung von 25 Unterrichtsstunden verpflichteten Lehrkräfte. Die physischen und psychischen Anforderungen an Lehrer, die 25 bzw. 23 Wochenstunden zuzüglich der erforderlichen Vor- und Nacharbeiten leisten müßten, bedeuteten für die meisten über 50 Jahre alten Lehrer eine zu hohe Belastung. Dieser Umstand rechtfertige eine allgemeine Stundenentlastung. Für Lehrer, die lediglich fünf Stunden in der Woche unterrichten, bestehe jedoch auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Vor- und Nacharbeiten kein allgemeines Bedürfnis nach einer arbeitsmäßigen Entlastung jenseits des 50. Lebensjahres. Der geringe Umfang der Teilzeitarbeit rechtfertige demnach im Verhältnis zur Vollzeitarbeit eine unterschiedliche Behandlung.
Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden.
II. Die Vergütungsregelung der Beklagten für die älteren teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte (“Richtlinien”) verstößt gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und ist daher gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. BAGE 61, 43, 46 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985). Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 1. Mai 1985 bis zum 31. Juli 1991 gemäß § 612 Abs. 2 BGB Anspruch auf Zahlung der anteiligen BAT-Vergütung unter Berücksichtigung der Stundenentlastung wegen Altersermäßigung in der Form, daß bei der Berechnung der Vergütung von 5/23tel Wochenstunden auszugehen ist.
1. Gemäß § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Das Gebot der Gleichbehandlung gilt für einseitige Maßnahmen ebenso wie für vertragliche Vereinbarungen (BAGE 61, 43, 46 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 1 der Gründe).
Die Klägerin wird “wegen der Teilzeitarbeit” schlechter behandelt. Eine Ungleichbehandlung “wegen der Teilzeitarbeit” liegt immer dann vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an welches die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitszeit anknüpft (BAG Urteil vom 29. Januar 1992 – 5 AZR 518/90 – NZA 1992, 1037, 1039, m.w.N.; Wildschütz, NZA 1991, 925, 926). Das beklagte Land gewährt den vollzeitbeschäftigten Lehrkräften ab Vollendung des 50. Lebensjahres eine Altersermäßigung von zwei Regelwochenstunden unter Fortzahlung der bisherigen Vergütung. Die teilzeitbeschäftigte Klägerin, die am 1. Mai 1985 ebenfalls das 50. Lebensjahr vollendet hatte, ist weder in den Genuß einer anteiligen Arbeitszeitverkürzung gekommen noch hat sie eine entsprechende Erhöhung ihrer Vergütung bei gleichbleibender Arbeitszeit erhalten. Die Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit unter Beibehaltung der bisherigen Monatsvergütung bewirkt eine Erhöhung des Arbeitsentgeltes pro Zeiteinheit (zutreffend Wildschütz, NZA 1991, 925, 926). Wird die Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten nicht herabgesetzt und bleibt deren Monatsverdienst unverändert, so erhalten sie pro Arbeitsstunde eine geringere Vergütung als ihre vollzeitbeschäftigten Kollegen (vgl. BAG Urteil vom 29. Januar 1992 – 5 AZR 518/90 – NZA 1992, 1037, 1039). Die Klägerin erhält also einen geringeren Stundenlohn als vergleichbare Vollzeitlehrkräfte ab Vollendung des 50. Lebensjahres. Somit liegt eine Ungleichbehandlung “wegen der Teilzeitarbeit” vor. Auf die Absicht des beklagten Landes, primär nur eine Stundenentlastung für ältere vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte zu gewähren, kommt es nicht an. Es genügt, daß die unterschiedliche Vergütung als Begleiterscheinung objektiv gegeben ist.
2. Der in § 2 BeschFG 1985 zum Ausdruck gebrachte Gleichbehandlungsgrundsatz gilt auch im Bereich der Vergütung. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat danach Anspruch auf ein anteiliges Entgelt, das dem Verhältnis seiner Arbeitsleistung zu derjenigen eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht (vgl. statt vieler nur Senatsurteil vom 27. Juli 1988 – 5 AZR 244/87 – AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 2a und b der Gründe). Hieraus folgt aber auch, daß der Teilzeitbeschäftigte an einer Vergütungserhöhung für entsprechende Vollzeitbeschäftigte unmittelbar teilnimmt. Aus welchem Grund die Vergütung der Vollzeitbeschäftigten erhöht wird, ist für die anteilige Bemessung der Vergütung der Teilzeitbeschäftigten grundsätzlich unerheblich. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die Vergütung für Vollzeitbeschäftigte allgemein erhöht worden ist oder ob – wie vorliegend – eine Vergütungserhöhung dadurch eintritt, daß die Arbeitszeit bei gleichbleibender Vergütung sich verringert. Denn nach Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 muß die finanzielle Besserstellung auch dem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer anteilig zugute kommen (so BAG Urteil vom 29. Januar 1992 – 4 AZR 293/91 – zur Veröffentlichung bestimmt).
3. Einen sachlichen Grund, der die Ungleichbehandlung der Teilzeitlehrkräfte gegenüber den Vollzeitlehrkräften rechtfertigen könnte, liegt nicht vor.
Allerdings muß eingeräumt werden, daß die Arbeitszeitverkürzung für vollzeitbeschäftigte Lehrer dazu dienen soll, die altersmäßig bedingte Mehrbelastung (z. B. längere Vorbereitungszeit, größerer Kraftaufwand bei nachlassender Leistungsfähigkeit) auszugleichen. Dieser altersmäßig bedingten Mehrbelastung sind auch die teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte ausgesetzt. Auch sie brauchen eine längere Vorbereitungszeit und müssen ebenfalls das Nachlassen der physischen und geistigen Kräfte hinnehmen. Das wird sich bei ihnen nicht in der gleichen Weise auswirken wie bei vollzeitbeschäftigten Lehrkräften. Aber auch hier handelt es sich nur um einen graduellen, nicht aber um einen grundsätzlichen Unterschied. Vor allem geht es aber immer um eine anteilige Gleichbehandlung der teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte.
4. Da wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin eine anteilige zeitliche Verkürzung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit nicht mehr möglich ist, muß ihr ein Ausgleich in Geld gewährt werden. Das ist nur möglich in der von der Klägerin verlangten Abrechnungsrelation.
III. Das beklagte Land kann sich für die vor dem 1. Januar 1989 entstandenen Ansprüche nicht erfolgreich auf Verjährung berufen. Der im Grundsatz einschlägige § 196 Abs. 1 Nr. 13 BGB wird im vorliegenden Fall durch die 30jährige Verjährungsfrist des § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB verdrängt. Durch Anerkenntnisurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Februar 1991 (– 3 Ca 490/91 –) ist bereits rechtskräftig festgestellt worden, daß das beklagte Land für den Zeitraum vom 1. Mai 1985 bis 31. Dezember 1990 zur Zahlung einer anteiligen BAT-Vergütung verpflichtet ist. In dem nunmehr zu entscheidenden Rechtsstreit geht es nur noch um die Frage, auf welcher Basis diese anteilige BAT-Vergütung zu berechnen ist und somit nur noch um die Höhe. Der Fall ist daher vergleichbar mit denen vom Bundesgerichtshof und der ganz überwiegenden Meinung des Schrifttums anerkannten Fallgestaltungen zum Schadenersatzrecht, wonach unter § 218 BGB auch ein Feststellungsurteil fällt, das nur ganz allgemein die Ersatzpflicht des Schädigers ausspricht (vgl. BGH Urteil vom 3. November 1988 – IX ZR 203/87 – NJW-RR 1989, 215, m.w.N.).
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Rost, Heel, Arntzen
Fundstellen
BAGE, 305 |
BB 1993, 1661 |
NZA 1993, 839 |