Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag nach dem Hochschulrahmengesetz
Leitsatz (amtlich)
- Besondere Kenntnisse und Erfahrungen im Sinne des § 57b Abs. 2 Nr. 3 HRG erwirbt ein wissenschaftlicher Mitarbeiter nicht bereits dann, wenn er seine Kenntnisse und Erfahrungen in seinem allgemeinen Forschungsgebiet fortlaufend erweitert und vertieft.
- Dieser Befristungsgrund setzt voraus, daß der Arbeitnehmer besondere Kenntnisse in der Forschungsarbeit erwerben soll, die einer Tätigkeit außerhalb des bisherigen Arbeitsbereichs dienlich sind (Bestätigung des Senatsurteils vom 6. November 1996 – 7 AZR 126/96 –, zur Veröffentlichung bestimmt).
Normenkette
HRG § 57 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. Dezember 1995 – 9 Sa 893/95 – wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis wirksam bis zum 15. Februar 1995 befristet war.
Der Kläger war aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge vom 1. März 1978 bis zum 30. September 1989 bei der Beklagten am Lehrstuhl Physik 1 der Technischen Hochschule A… als wissenschaftlicher Angestellter beschäftigt. In dieser Zeit wurde der Kläger promoviert und habilitiert. In der Zeit vom 1. Oktober 1989 bis zum 15. Februar 1990 wurde er aufgrund eines Erlasses des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung als Vertreter des Amtes eines Universitätsprofessors für Physik beschäftigt. Ab 16. Februar 1990 wurde er auf die Dauer von vier Jahren in ein Beamtenverhältnis auf Zeit als Oberassistent übernommen.
Am 3. Februar 1994 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 16. Februar 1994 bis zum 15. Februar 1995. In § 4 dieses Vertrages heißt es u.a., die Beschäftigung erfolge für Aufgaben oder Dienstleistungen, die zugleich der eigenen wissenschaftlichen Weiterbildung dienten. Grund für die Befristung sei u.a., möglichst vielen Mitarbeitern Gelegenheit zu wissenschaftlicher Weiterbildung zu geben. Im vorliegenden Falle erfolge die befristete Beschäftigung, da der Mitarbeiter besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Forschungsarbeit erwerben solle (§ 57b Abs. 2 Ziffer 3 HRG).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Befristung des letzten Arbeitsvertrages sei unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht befristet ist;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 15. Februar 1995 hinaus zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrages sei wirksam. Eine Überschreitung der Höchstgrenze des § 57c Abs. 2 HRG scheide aus, da die Beschäftigung des Klägers als Zeitbeamter vom 16. Februar 1990 bis zum 15. Februar 1994 außer Betracht bleiben müsse. Der im letzten Arbeitsvertrag angegebene Befristungsgrund des § 57b Abs. 2 Ziff. 3 HRG habe vorgelegen. Forschung werde ganz allgemein betrieben, um den Erkenntnisstand zu erweitern. Dies führe zu einer Zunahme des persönlichen Kenntnisstandes des beteiligten Forschers. Dem stehe die bereits durch Erlangung der Habilitation erreichte Qualifikation nicht entgegen, da die Erreichung einer formalen akademischen Qualifikation den Erwerb weiterer Kenntnisse anhand von neuen Forschungsergebnissen nicht ausschließe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und nach den Klageanträgen erkannt. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des beklagten Landes, mit der es die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils beantragt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß die Befristung des letzten Arbeitsvertrages mangels eines sachlichen Grundes nach dem Hochschulrahmengesetz, auf das sich das beklagte Land allein berufen hat, unwirksam ist.
I.1. Die Befristung kann nicht auf die erste Alternative des § 57b Abs. 2 Nr. 3 HRG, den Erwerb besonderer Kenntnisse und Erfahrungen in der Forschung, gestützt werden. Der Wortlaut der Vorschrift läßt es zwar zu, daß auch ein hochqualifizierter Wissenschaftler wie der Kläger noch besondere Kenntnisse und Erfahrungen erwerben kann. Wie sich aber aus dem Sinn und Zweck der Norm ergibt, soll § 57b Abs. 2 Nr. 3 HRG den Personalaustausch zwischen Hochschul- und übriger Forschung, insbesondere der Industrie- und Wirtschaftsforschung, erleichtern (BT-Drucks. 10/2283, S. 10). Es geht um den Export von Theorie in die Praxis und den Import von Praxis in die Theorie, also um eine Erleichterung des Wissenstransfers (Dallinger, NZA 1985, 648, 650; KR-Lipke, 4. Aufl., § 57b HRG Rz 17). Sinn beider Alternativen des § 57b Abs. 2 Nr. 3 HRG ist damit ein Transfer zwischen Bereichen innerhalb und außerhalb der Hochschule, jedenfalls aber von einem Forschungsgebiet der Hochschule in einen anderen Arbeitsbereich der Hochschule.
Dies wird durch den systematischen Zusammenhang zwischen § 57b Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 HRG bestätigt. Die grundsätzliche Weiterbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses wird bereits durch § 57b Abs. 2 Nr. 1 HRG erfaßt, so daß für Nr. 3 kein eigenständiger Anwendungsbereich verbliebe, wenn ein allgemeiner Kenntnis- oder Erfahrungszuwachs für die Anwendung des § 57b Abs. 2 Nr. 3 HRG ausreichen würde (Senatsurteil vom 6. November 1996 – 7 AZR 126/96 –, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
Im Entscheidungsfalle fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt dafür, welche über seine bisherigen Forschungstätigkeiten hinausgehenden besonderen Kenntnisse bzw. Erfahrungen der Kläger während des letzten befristeten Arbeitsvertrages für eine andere Tätigkeit innerhalb und außerhalb der Hochschule hätte erwerben sollen. Der Kläger war auch während seines befristeten Arbeitsverhältnisses im selben Forschungsbereich wie in den Jahren zuvor tätig. Für die Absicht, ihn nach Erwerb weiterer Kenntnisse anderweitig einzusetzen, fehlt jegliches Vorbringen des beklagten Landes.
2. Auch auf § 57b Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. HRG kann das beklagte Land die Befristung nicht stützen. In § 4 des letzten Arbeitsvertrages heißt es zwar, die Beschäftigung erfolge für Aufgaben und Dienstleistungen, die zugleich der eigenen wissenschaftlichen Weiterbildung dienen. Dieser Befristungsgrund setzt indessen voraus, daß durch die Tätigkeit gerade eine Qualifikation als wissenschaftlicher Nachwuchs angestrebt wird; diese Qualifikation muß Ziel der Tätigkeit sein. So verhält es sich im Streitfall nicht. Der Kläger hatte mit der Habilitation die abschließende förmliche Qualifikation erreicht. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die erneute befristete Beschäftigung seiner weiteren Qualifizierung als Nachwuchswissenschaftler hätte dienen können.
II. Ist die Befristung bereits wegen Fehlens eines sachlichen Grundes unwirksam, so kommt es nicht mehr darauf an, ob die Befristungshöchstgrenze des § 57c Abs. 2 HRG überschritten war oder nicht. Der Senat weist allerdings darauf hin, daß die nicht tragenden Überlegungen des Landesarbeitsgerichts zur Überschreitung der Befristungshöchstgrenze des § 57c Abs. 2 HRG unzutreffend sind. Der Einbeziehung der Tätigkeit des Klägers als Beamter auf Zeit in die Befristungshöchstdauer steht der klare Wortlaut des § 57c Abs. 2 Satz 2 HRG entgegen, nach dem nur mehrere Arbeitsverträge zusammenzurechnen sind.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Nottelmann, Bea
Fundstellen
Haufe-Index 885469 |
JR 1997, 528 |
NZA 1997, 940 |