Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwendung bei Arbeitgeberwechsel im öffentlichen Dienst
Leitsatz (redaktionell)
Der BAT und diesen ergänzende Tarifverträge werden auch dann von einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Sinne von § 1 Abs 4 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte angewendet, wenn arbeitsvertraglich die "Beschlüsse" einer bestimmten Stelle vereinbart sind, diese Beschlüsse die Anwendung des BAT und der diesen ergänzenden Tarifverträge vorschreiben.
Normenkette
TVG § 1; BAT §§ 29, 20; ZuwAngTVtr § 1 Abs. 4
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 28.03.1990; Aktenzeichen 3 Sa 10/90) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 27.01.1988; Aktenzeichen 4 Ca 101/88) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung einer Zuwendung für das Jahr 1986.
Die Klägerin war beim beklagten Landkreis im Kreiskrankenhaus P als Krankenschwester beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) einschließlich der ändernden und ergänzenden Tarifverträge Anwendung. Die Klägerin kündigte ihr Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. Dezember 1986. Seit dem 1. Januar 1987 ist sie als Krankenschwester bei der katholischen Kirchengemeinde W , die zur Diözese Rottenburg-Stuttgart gehört, beschäftigt. In Ziffer 1 des formularmäßigen Dienstvertrages ist bestimmt:
"Der materielle Inhalt des Dienstverhältnisses
bestimmt sich nach den vom Bischof gemäß der Bis-
tums-KODA-Ordnung in Kraft gesetzten Beschlüs-
sen."
Der Beschluß der "Bistums-KODA" (Kommission zur Ordnung des diözesanen Dienst- und Arbeitsvertragsrechts) vom 31. August 1981, der vom Bischof zum 30. September 1981 in Kraft gesetzt wurde, lautet:
1. Für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter
der in § 3 Nr. 1 - 4 der Bistums-KODA-Ordnung
genannten Anstellungsträger gilt der BAT
Bund/Land bzw. MTL und der Vergütungstarifver-
trag nach dem Stand vom 1.5.1981.
2. Alle künftigen Änderungen oder Ergänzungen der
in Ziffer 1 genannten Regelungen werden
rechtswirksam, soweit vom Bischof keine ei-
genen Regelungen gemäß der Bistums-KODA-Ord-
nung in Kraft gesetzt werden.
3. Ferner gelten die bis zum 1. Apri 1981 in
Kraft getretenen kirchlichen Regelungen."
Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf eine Zuwendung für das Jahr 1986 gegenüber dem Beklagten auf den Tarifvertrag über eine Zuwendung an Angestellte (Zuwendungs-TV). Die maßgebenden tariflichen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:
§ 1
Anspruchsvoraussetzungen
(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr
eine Zuwendung, wenn er
1. am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und
nicht für den ganzen Monat Dezember ohne Ver-
gütung zur Ausübung einer entgeltlichen Be-
schäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt
ist
und
2. seit dem 1. Oktober ununterbrochen als An-
gestellter, Arbeiter, Beamter ... im
öffentlichen Dienst gestanden hat
...
und
3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März
des folgenden Kalenderjahres aus seinem Ver-
schulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.
...
(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und des
Absatzes 3 Satz 1 letzter Halbsatz wird die Zu-
wendung auch gezahlt, wenn
1. der Angestellte im unmittelbaren Anschluß an
sein Arbeitsverhältnis von demselben Arbeitge-
ber oder von einem anderen Arbeitgeber des öf-
fentlichen Dienstes in ein Rechtsverhältnis
der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Art übernommen
wird,
...
Protokollnotizen:
...
2. Öffentlicher Dienst im Sinne des Absatzes 1
Nr. 2, des Absatzes 2 Satz 1 und des Absatzes
4 Nr. 1 ist eine Beschäftigung
a) beim Bund, bei einem Land, bei einer Ge-
meinde oder bei einem Gemeindeverband oder
bei einem sonstigen Miglied eines Arbeit-
geberverbandes, der der Vereinigung der
kommunalen Arbeitgeberverbände angehört,
b) bei einer Körperschaft, Stiftung oder An-
stalt des öffentlichen Rechts, die den BAT
oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen
Inhalts anwendet.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß die tariflichen Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Zuwendung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV erfüllt seien. Sie sei in unmittelbarem Anschluß an ihr Arbeitsverhältnis als Krankenschwester beim beklagten Landkreis von der Kirchengemeinde in ein Angestelltenverhältnis übernommen worden. Die Kirchengemeinde sei ein Arbeitgeber des öffentlichen Rechts i.S. der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b Zuwendungs-TV. Es handele sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die den BAT anwende. Die Anwendung des BAT ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf den vom Bischof in Kraft gesetzten Beschluß der Bistums-KODA vom 31. August 1981. Außerdem sei die Diözese Rottenburg-Stuttgart, zu der die katholische Kirchengemeinde W gehöre, in der Anlage 1 (Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die den BAT oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwenden, § 20 Buchst. c BAT) im Anhang zu §§ 19, 20 BAT aufgeführt.
Die Klägerin hat beantragt,
den beklagten Landkreis zu verurteilen, an sie
1.517,48 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem
16. Januar 1987 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die tariflichen Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Zuwendung seien nicht erfüllt. Die Kirchengemeinde sei kein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der den BAT anwende. Dies folge daraus, daß der BAT arbeitsvertraglich nicht - wie sonst im öffentlichen Dienst allgemein üblich - ausdrücklich in Bezug genommen sei. Die Verweisung auf die Beschlüsse der Bistums-KODA, die jederzeit einseitig geändert werden könnten, könne einer unmittelbaren arbeitsvertraglichen Bezugnahme nicht gleichgesetzt werden. Eine Bindung an die Bewertung der Arbeitgebereigenschaft in der Anlage 1 im Anhang zu §§ 19, 20 BAT bestehe für die Mitglieder der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VkA) nicht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht angenommen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf eine Zuwendung für das Jahr 1986 gegen den Beklagten zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die tariflichen Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Zuwendung seien erfüllt. Zwar sei die Klägerin vor dem 31. März 1987 aus ihrem Arbeitsverhältnis bei dem Beklagten auf eigenen Wunsch ausgeschieden (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuwendungs-TV). Ihr stehe jedoch gleichwohl ein Anspruch auf die Zuwendung zu, da sie in unmittelbarem Anschluß von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in ein Arbeitsverhältnis übernommen worden sei (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV). Die katholische Kirchengemeinde W sei ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV. Es handele sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die den BAT anwende (Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b Zuwendungs-TV). Zur Anwendung des BAT im tariflichen Sinne sei ausreichend, daß die Geltung der vom Bischof in Kraft gesetzten Beschlüsse der Bistums-KODA vereinbart sei und diese wiederum die Geltung des BAT auch mit künftigen Änderungen und Ergänzungen vorsähen. Der im Beschluß der Bistums-KODA vorgesehene Vorbehalt der Inkraftsetzung eigener Regelungen durch den Bischof sei bisher nicht ausgeübt worden.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Die Klägerin erfüllt die tariflichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Zuwendung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV.
1. Die Klägerin war bei dem Beklagten länger als seit dem 1. Oktober 1986 in einem Beschäftigungsverhältnis als Angestellte beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis bestand auch am 1. Dezember 1986. Zwar wurde ihr Arbeitsverhältnis vor dem 31. März 1987 auf ihren Wunsch beendet. Dies steht jedoch dem Anspruch auf die Zuwendung nicht entgegen, da sie in unmittelbarem Anschluß von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in ein Beschäftigungsverhältnis als Angestellte übernommen wurde.
2. Die katholische Kirchengemeinde W ist ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV.
Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff des öffentlichen Dienstes im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV in der Protokollnotiz Nr. 2 erläutert. Die katholische Kirchengemeinde W erfüllt die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b Zuwendungs-TV.
a) Die Kirchengemeinde ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Aus der tariflichen Bestimmung der Protokollnotiz Nr. 2 ergeben sich ebenso wie aus der inhaltsgleichen tariflichen Bestimmung des § 20 Abs. 2 Buchst. c BAT keine Anhaltspunkte dafür, daß öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften und die ihrer Aufsicht unterliegenden Einrichtungen, auch wenn sie die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, vom Anwendungsbereich der tariflichen Bestimmungen ausgeschlossen sein sollen (vgl. Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand April 1992, § 20 Anm. 2 zu Buchst. c; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Juli 1992, § 20 BAT Rz 21). Anders als in der tariflichen Bestimmung des § 29 Abschnitt B Abs. 7 BAT haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 2 zum Zuwendungs-TV bzw. in § 20 Abs. 2 Buchst. c BAT nämlich allein auf die Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts abgestellt und öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften nicht ausgenommen.
b) Die Kirchengemeinde ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die den BAT anwendet. Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht aus, daß die Anwendung des BAT i.S. der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b Zuwendungs-TV nicht voraussetzt, daß der BAT aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend gilt (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Vielmehr reicht es aus, daß die tariflichen Bestimmungen des BAT als Vertragsrecht auf die Arbeitsverhältnisse der bei der betreffenden Körperschaft des öffentlichen Rechts Beschäftigten Anwendung finden.
aa) Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Der materielle Inhalt der Dienstverhältnisse der bei der Kirchengemeinde beschäftigten Arbeitnehmer richtet sich, wie auch mit der Klägerin im formularmäßigen Dienstvertrag vereinbart, nach den vom Bischof in Kraft gesetzten Beschlüssen der Bistums-KODA. Nach dem maßgeblichen vom Bischof in Kraft gesetzten Beschluß der Bistums-KODA vom 31. August 1981 gilt für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter u.a. der BAT mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen. Damit gelten die tariflichen Bestimmungen des BAT als Vertragsrecht auch für die Arbeitsverhältnisse der bei der katholischen Kirchengemeinde W beschäftigten Angestellten und somit für das Arbeitsverhältnis der Klägerin.
bb) Mit Recht führt das Landesarbeitsgericht aus, daß der im Beschluß der Bistums-KODA vorgesehene Vorbehalt der Inkraftsetzung anderweitiger Regelungen der Annahme, daß die Kirchengemeinde den BAT i.S. der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b Zuwendungs-TV anwende, nicht entgegenstehe. Zwar verweist der Beklagte zutreffend darauf, daß bei einer im öffentlichen Dienst sonst allgemein üblichen arbeitsvertraglichen Vereinbarung des BAT Änderungen und Ergänzungen des Vertragsinhalts nur im Einvernehmen oder durch Änderungskündigung bewirkt werden können, während die vorliegende Vertragsgestaltung einseitige Änderungen und Ergänzungen durch den Bischof zuläßt. Die Tarifvertragsparteien fordern in der Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. b Zuwendungs-TV jedoch keine unmittelbare arbeitsvertragliche Vereinbarung des BAT, sondern setzen lediglich voraus, daß das Tarifwerk als solches auf die Arbeitsverhältnisse Anwendung findet. Die tarifliche Bestimmung erfaßt deshalb auch Vertragsgestaltungen, die zu einer Geltung des BAT als Vertragsrecht unter dem Vorbehalt anderweitiger einseitiger Regelungen führen, solange diese nicht in Kraft gesetzt sind.
Da nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Kirchengemeinde W am 1. Januar 1987 der BAT uneingeschränkt als Vertragsrecht galt, handelt es sich insoweit auch nicht um einseitige Arbeitgeberrichtlinien, wie z.B. die Arbeitsvertragsrichtlinien des Caritas-Verbandes oder der BAT-Kirchliche Fassung für die evangelische Kirche, die zwar in Anlehnung an den BAT, aber als eigene spezielle Rechtsetzung kirchlicher Institutionen den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestalten (vgl. BAG Urteil vom 28. Oktober 1987 - 5 AZR 518/85 - AP Nr. 1 zu § 7 AVR Caritasverband; BAGE 60, 344 = AP Nr. 37 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz).
cc) Daß die katholische Kirchengemeinde W zu den Körperschaften des öffentlichen Rechts gehört, die den BAT anwenden, wird durch die Anlage I (Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die den BAT oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwenden (§ 20 Abs. 2 Buchst. c BAT)) im Anhang zu §§ 19, 20 BAT bestätigt. Dort ist die Diözese Rottenburg-Stuttgart, zu der die katholische Kirchengemeinde W gehört, ausdrücklich genannt. Zwar weist der beklagte Landkreis zutreffend darauf hin, daß eine unmittelbare Bindung an diese Bewertung, die auf einem Rundschreiben des Bundesministers des Innern beruht, nicht besteht. Der Beklagte vermochte aber keine Tatsachen vorzutragen, die eine davon abweichende, anderweitige Bewertung gerechtfertigt hätten.
III. Der Beklagte hat die Kosten seiner Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Matthes Dr. Freitag Hauck
Bacher Harnack
Fundstellen
DOK 1993, 796 (K) |
NZA 1993, 471 |
NZA 1993, 471-472 (LT1) |
RdA 1992, 406 |
USK, 9261 (LT) |
WzS 1994, 55 (L) |
ZTR 1993, 159-161 (LT1) |
AP Nr 4 zu §§ 22, Zuwendungs-TV (LT1) |
EzBAT, TV Zuwendung Nr 22 (LT1) |
PersV 1995, 528 (L) |