Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Sozialplans. rückwirkende Gehaltserhöhung nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Übergang von Arbeitsverhältnissen bei Verschmelzung. Betriebsverfassungsrecht. Umstrukturierung. Ausschlußfristen. Prozeßrecht
Leitsatz (amtlich)
- In einem einvernehmlich zustande gekommenen Sozialplan können die Betriebsparteien vorsehen, daß dieser bei einer Eigenkündigung eines Arbeitnehmers dann gilt, wenn der Arbeitgeber der Kündigung nicht binnen einer bestimmten Frist widerspricht und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbietet.
- Eine vertragliche Bezugnahme auf den jeweils geltenden Gehaltstarifvertrag kann im Falle einer rückwirkenden Tariferhöhung zu Nachzahlungsansprüchen des Arbeitnehmers auch dann führen, wenn das Arbeitsverhältnis bei Tarifabschluß bereits beendet war.
Orientierungssatz
- Mit der Eintragung einer Verschmelzung durch Aufnahme gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwG gehen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG die beim übertragenden Rechtsträger bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den übernehmenden Rechtsträger über. Ob daneben wegen § 324 UmwG stets auch ein Übergang nach § 613a Abs. 1 BGB stattfindet, bleibt unentschieden.
- In einem einvernehmlich zustande gekommenen Sozialplan können die Betriebsparteien die Klärung der Frage, ob die Eigenkündigung eines Arbeitnehmers vom Arbeitgeber veranlaßt war, dadurch herbeiführen, daß der Arbeitgeber der Kündigung innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbieten kann.
- Eine tarifliche Gehaltserhöhung, die auf den Beginn des Nachwirkungszeitraums des vorausgegangenen Tarifvertrags zurückwirken soll, begegnet in der Regel keinen rechtlichen Bedenken.
- Eine normative Rückwirkung setzt dabei beidseitige Tarifbindung sowohl zum Zeitpunkt des – rückwirkenden – Inkrafttretens als auch des Tarifbeschlusses voraus. Für die Rückwirkung auf Grund vertraglicher Verweisung auf den Tarifvertrag kommt es nicht darauf an, ob das Arbeitsverhältnis bei Tarifabschluß noch besteht. Ob die Rückwirkung vertraglich gelten soll, ist durch Auslegung zu ermitteln.
Normenkette
BetrVG § 112 Abs. 1, 5, § 75 Abs. 1; BGB §§ 133, 157; ZPO §§ 240, 250; InsO § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2, § 123 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung und Vergütungsansprüche.
Die Klägerin war seit dem 1. April 1992 bei der S… Bank AG, München und deren Rechtsvorgängerin als Sachbearbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag wurde vereinbart:
“§ 4 Vergütung
(1) Die monatliche Vergütung setzt sich z. Zt. wie folgt zusammen:
Einstufung in die tarifliche Gehaltsgruppe VII
Berufsjahre 7 – 8
Grundgehalt |
DM 3.814,00 |
vermögenswirksame Leistung |
DM 78,00 |
Insgesamt |
DM 3.892,00 |
…
(3) Das Grundgehalt ändert sich zu demselben Zeitpunkt und um denselben absoluten Betrag, um den sich die in Abs. 1 bezeichnete Tarifgruppe verändert.
…
§ 12 Verfallfrist
(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.
(2) Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab …, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten … gerichtlich geltend gemacht wird.…
§ 15 Sonstige Hinweise
…
(2) Im übrigen gelten die Bestimmungen des Tarifvertrages für das private Bankgewerbe.”
Die Klägerin wurde 1994 Mitglied der Deutschen Angestellten Gewerkschaft. Die S… Bank AG war nicht tarifgebunden.
Mit Schreiben vom 18. Januar 1998 wurde der Klägerin “bis auf weiteres die kommissarische Leitung der Einlagenabteilung übertragen”.
Mit Vertrag vom September 1999 wurde die S… Bank AG rückwirkend zum 30. September 1998 auf die B… GmbH & Co. KG a.A., Ba… (künftig: B… ) verschmolzen und fortan als Niederlassung M… geführt. Das B… übernahm dort am 2. September 1999 die tatsächliche und rechtliche Leitung.
Schon am 19. Mai 1999 hatte die S… Bank AG mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbart. Im Interessenausgleich heißt es:
“Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen vorgesehen:…
4. Organisatorische und personelle Maßnahmen am Standort M…
4.1 Die organisatorische Struktur der Niederlassung M… ist wie folgt vorgesehen:
– 1 Niederlassungsleiter
– Altbank (incl. Gruppenkreditgeschäft, …)
1 Leiter mit 3 Mitarbeitern …
– Anlagebereich (Einlagen, Wertpapiere, Provisionsgeschäft, Immobilien)
1 Leiter mit 5 Mitarbeitern …
Die Niederlassung ist somit mit 19 Mitarbeitern besetzt.
4.2 Beschreibung der Fachbereiche
4.2.1 Der Anlagebereich (Kundencenter) beinhaltet die bisherige Einlagenabteilung. …
Der Bereich soll zusätzlich durch 1 Kundenberater mit speziellen Fachkenntnissen im Wertpapiergeschäft sowie um 1 Immobilienverkäufer ergänzt werden. …
4.3 Personelle Veränderungen
– 2 Mitarbeiter … werden nach München versetzt und übernehmen Leitungsfunktionen …
– 15 Mitarbeiter der S… Bank AG bleiben für den Bereich der Niederlassung weiterhin in München angesiedelt
– 2 Mitarbeitern der S… Bank AG wird eine angemessene Tätigkeit in der Zentrale in Ba… angeboten …
– 2 befristete Arbeitsverhältnisse … werden nicht fortgeführt
– 2 Arbeitsplätze in der Niederlassung M… werden neu besetzt.
– Für 10 Mitarbeiter stehen keine ihrer Qualifikationen entsprechenden Arbeitsplätze … zur Verfügung. In diesen Fällen müssen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden.… ”
Der Sozialplan enthält ua. folgende Regelungen:
“Präambel
Dieser Sozialplan wird zum Ausgleich bzw. zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen geschlossen, die den Arbeitnehmern infolge der im Interessenausgleich vom 19.05.1999 beschriebenen Maßnahmen entstehen. Er berücksichtigt sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer als auch die wirtschaftliche Lage des Unternehmens.…
1.1 Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer der S… Bank AG mit Ausnahme der leitenden Angestellten im Sinne von § 5 III BetrVG, die am 31.03.1999 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen, keinen Aufhebungsvertrag zu diesem Zeitpunkt geschlossen hatten und die durch die im Interessenausgleich vom 19.05.1999 beschriebenen Maßnahmen betroffen sind und die
– betriebsbedingt gekündigt werden
– einen Aufhebungsvertrag schließen
– selbst kündigen, vorbehaltlich Ziff. 1.2
– von Versetzungsmaßnahmen betroffen sind.
1.2 Dieser Sozialplan gilt nicht für Mitarbeiter
– deren Arbeitsverhältnis nach den am Standort M… geltenden bzw. angewandten Regelungen über das vorzeitige Ausscheiden älterer Mitarbeiter beendet wird
– deren Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt wird
– deren Arbeitsverhältnis aus Gründen in der Person oder im Verhalten gekündigt wird
– bei Eigenkündigung des Mitarbeiters, wenn dieser von der Betriebsänderung nicht betroffen ist und die S… Bank AG oder der Rechtsnachfolger den Mitarbeitern dies innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Kündigung schriftlich mitteilt und zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbietet
– deren Arbeitsverhältnis nicht länger als 6 Monate besteht
– deren Arbeitsverhältnis befristet ist.
1.3 Der Sozialplan ist zeitlich begrenzt auf die Durchführung der im Interessenausgleich beschriebenen Betriebsänderung. …
2.1 Vorrangiges Ziel ist die Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters. …
8.1 … Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis wegen der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen beendet wird, erhalten eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes. …”
Mit Schreiben vom 24. September 1999 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis “aufgrund der Betriebsänderung/Fusion” fristgerecht zum 31. Dezember 1999.
Durch Gehaltstarifvertrag vom 25. Januar 2000 wurden die Gehälter für die Beschäftigten des privaten Bankgewerbes rückwirkend ab dem 1. April 1999 linear erhöht, zugleich wurde eine Einmalzahlung in Höhe von 350,00 DM für die Monate Januar bis März 1999 vereinbart. Auch das B… war nicht tarifgebunden.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe aus dem Sozialplan ein Anspruch auf Abfindung in Höhe von 102.038,05 DM und auf Grund der nachträglichen Gehaltserhöhung ein Anspruch auf Gehaltsnachzahlung für das gesamte Jahr 1999 in Höhe von 1.994,39 DM brutto zu. Sie hat behauptet, der Geschäftsführer des Bankhauses habe ihr am 23. September 1999 mitgeteilt, es sei beabsichtigt, ihre Position mit einem Wertpapierspezialisten zu besetzen und sie selbst künftig wieder als Kundenberaterin zu beschäftigen. Darauf beruhe der Ausspruch ihrer Kündigung. Sie hat gemeint, ihr Ausscheiden am 31. Dezember 1999 stehe ihrer Teilnahme an der im Januar 2000 vereinbarten rückwirkenden Erhöhung der Tarifgehälter nicht im Wege.
Das B… hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Abfindung, da sie selbst gekündigt habe und wirtschaftliche Nachteile für sie nicht eingetreten seien. Im übrigen habe ihr Kündigungsentschluß auf dem Wunsch beruht, den väterlichen Betrieb zu übernehmen. Mögliche Gehaltsansprüche seien zumindest verwirkt.
Das Arbeitsgericht hat die auf 104.432,44 DM (53.190,95 Euro) nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit gerichtete Zahlungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage mit Urteil vom 21. Februar 2001 in vollem Umfang stattgegeben. Die Revision erstrebt die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Mit Beschluß des Amtsgerichts Crailsheim vom 22. August 2001 wurde über das Vermögen des B… das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2002 nahm die Klägerin das Verfahren gegen ihn auf. Sie beantragt,
die Revision des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß ihre Forderung in Höhe von 56.431,90 Euro (Hauptforderung einschließlich 3.240,96 Euro Zinsen) im Insolvenzverfahren über das Vermögen der B… GmbH & Co. KG als Insolvenzforderung festgestellt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Der Klägerin steht die Klageforderung in vollem Umfang zu. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens war die Forderung gegenüber dem Beklagten zur Insolvenztabelle festzustellen.
- Der Senat war zu einer Sachentscheidung befugt. Zwar wurde das Verfahren im August 2001 gem. § 240 ZPO unterbrochen. Die Klägerin hat es jedoch mit Schriftsatz vom 3. Januar 2002 wirksam gegenüber dem Beklagten aufgenommen. Die nach § 250 ZPO gebotene förmliche Zustellung dieses Schriftsatzes ist gem. § 187 ZPO aF als bewirkt anzusehen; zumindest wurde ihr Fehlen durch die mündliche Verhandlung vor dem Senat nach § 295 Abs. 1 ZPO geheilt.
Die ursprünglich als Leistungsklage erhobene Klage ist als Feststellungsklage zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus § 179 Abs. 1 InsO. Die Klägerin macht Ansprüche aus einem mehr als drei Monate vor Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Sozialplan und Gehaltsansprüche für das Jahr 1999 geltend. Beides sind einfache Insolvenzforderungen nach § 38 InsO. Für die Sozialplanansprüche folgt dies aus einem Umkehrschluß aus § 123 Abs. 2 Satz 1 InsO (vgl. Zwanziger Das Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 2. Aufl. § 124 Rn. 13), für die Gehaltsansprüche aus § 108 Abs. 2 InsO.
Insolvenzforderungen können gem. § 87 InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden. Nach § 174 Abs. 1 InsO haben Insolvenzgläubiger ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden. Dies hat die Klägerin getan. Der Beklagte hat die Forderungen bestritten. Gem. § 179 Abs. 1 InsO kann die Klägerin damit deren Feststellung gegen den Beklagten betreiben. Da zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Rechtsstreit bereits anhängig war, ist die Feststellung gem. § 180 Abs. 2 InsO durch dessen Aufnahme zu betreiben. Die gebotene Antragsänderung ist auch im Revisionsverfahren zulässig.
Die Klage ist begründet.
Für die Klageforderungen war das B… als Insolvenzschuldnerin passivlegitimiert. Damit ist es wegen § 80 Abs. 1 InsO auch der Beklagte.
Zwar macht die Klägerin Forderungen aus einem Sozialplan geltend, den nicht die Insolvenzschuldnerin, sondern die S… Bank AG als deren Rechtsvorgängerin abgeschlossen hatte. Auch erhebt sie Gehaltsansprüche, die zumindest teilweise aus der Zeit stammen, zu der noch die S… Bank AG ihre Arbeitgeberin war. Für diese Forderungen haben jedoch die Insolvenzschuldnerin bzw. der Beklagte einzustehen. Für die Gehaltsansprüche folgt dies aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Die S… Bank AG und die Insolvenzschuldnerin wurden nach § 2 Nr. 1 UmwG im Wege der Aufnahme durch letztere verschmolzen. Mit Eintragung der Verschmelzung in das Register der Insolvenzschuldnerin ging das Vermögen der S… AG einschließlich der Verbindlichkeiten gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf die Insolvenzschuldnerin über. Für mögliche Gehaltsforderungen aus der Zeit nach dem Vermögensübergang folgt dies aus § 611 BGB iVm. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Von der mit der Verschmelzung verbundenen Gesamtrechtsnachfolge werden auch die bestehenden Arbeitsverhältnisse erfaßt (BAG 24. Juni 1998 – 4 AZR 208/97 – BAGE 89, 193, zu 2a der Entscheidungsgründe; 25. Februar 1981 – 5 AZR 991/78 – BAGE 35, 104, zu 2c der Entscheidungsgründe; Dehmer Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz 2. Aufl. 1996 UmwG § 20 Rn. 78). Ob die Arbeitsverhältnisse auch nach § 324 UmwG iVm. § 613a Abs. 1 BGB auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen, kann dahinstehen (vgl. dazu BAG 25. Mai 2000 – 8 AZR 416/99 – BAGE 95, 1; 5. Oktober 1993 – 3 AZR 586/92 – AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 42 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 6).
Für die Sozialplanforderungen haftet der Beklagte bereits auf Grund des Umstandes, daß die Insolvenzschuldnerin mit der Übernahme der Ordnungs- und Leitungsmacht im M… er Betrieb in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der S… Bank AG eingetreten ist. Die im Zeitpunkt eines Betriebsinhaberwechsels bestehenden Betriebsvereinbarungen wirken unmittelbar für und gegen den neuen Inhaber. Mit der Identität des Betriebs bleibt die entscheidende Grundlage für ihre normative Fortgeltung aufrechterhalten (BAG 15. Januar 2002 – 1 AZR 58/01 – AP SozplKonkG § 2 Nr. 1 mwN). Abfindungsansprüche vermag die Klägerin deshalb auch gegenüber der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Beklagten unmittelbar aus dem Sozialplan herzuleiten.
Der Abfindungsanspruch besteht. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
- Nach Nr. 1.1 seiner Regelungen gilt der Sozialplan für Arbeitnehmer, die am 31. März 1999 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und zu diesem Zeitpunkt auch keinen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten. Dies ist bei der Klägerin der Fall.
Die Arbeitnehmer müssen außerdem “durch die im Interessenausgleich vom 19.05.1999 beschriebenen Maßnahmen betroffen” sein. Auch diese Voraussetzung ist bei der Klägerin erfüllt. Nach Nr. 4 des Interessenausgleichs sind die “beschriebenen Maßnahmen” organisatorische und personelle Veränderungen im Betrieb M…. Erstere erfassen ua. die bisherige Abteilung Einlagen, die die Klägerin kommissarisch leitete. Sie sollte in den neuen “Anlagebereich” mit seinen weiteren Untergliederungen Wertpapiere, Provisionsgeschäfte und Immobilien integriert werden. Von den geplanten Maßnahmen war deshalb auch der Arbeitsbereich der Klägerin berührt.
Dies ist für ein “Betroffensein” der Klägerin im Sinne der Nr. 1.1 des Sozialplans ausreichend. Die Regelung ist dahin zu verstehen, daß Arbeitnehmer dann von den im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen betroffen sind, wenn jedenfalls ihr Arbeitsbereich von den geplanten Veränderungen erfaßt wird. Die Betriebsparteien haben die Erfüllung des Merkmals nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht. Insbesondere ist nicht erforderlich, daß die Arbeitnehmer von den im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen “wirtschaftlich nachteilig” betroffen sein müßten. Zwar ist der Wortsinn nicht eindeutig. Mit ihm ließe es sich verbinden, für ein “Betroffensein” über das bloße gegenständliche “Berührtsein” hinaus die negative Auswirkung einer Maßnahme zu verlangen. Systematische Gesichtspunkte sprechen aber gegen ein solches Wortverständnis. Die Betriebsparteien haben nämlich die Geltung des Sozialplans an das Vorliegen weiterer Voraussetzungen geknüpft: Das Arbeitsverhältnis muß auf bestimmte Weise beendet worden oder der Arbeitnehmer muß “von Versetzungsmaßnahmen betroffen” sein. Mit dieser Umsetzung der im Interessenausgleich abstrakt beschriebenen Maßnahmen gehen notwendig wirtschaftliche Nachteile einher. Danach ist nicht anzunehmen, daß die Betriebsparteien schon das bloße “Betroffensein” vom Vorliegen solcher Nachteile haben abhängig machen wollen. Dementsprechend heißt es in der Präambel in Übereinstimmung mit § 112 Abs. 1 BetrVG, der Sozialplan werde zum Ausgleich und zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen geschlossen, die den Arbeitnehmern “infolge” der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen entstünden.
- In der Person der Klägerin ist auch die weitere Geltungsvoraussetzung erfüllt. Zwar ist ihr gegenüber weder eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden noch hat sie einen Aufhebungsvertrag geschlossen oder war von Versetzungsmaßnahmen betroffen. Sie hat jedoch selbst gekündigt. Auch dadurch wird nach Nr. 1.1 der Geltungsbereich des Sozialplans eröffnet. Mit der Eigenkündigung ist der Verlust des Arbeitsplatzes und damit der von § 112 Abs. 1 BetrVG und der Präambel des Sozialplans geforderte wirtschaftliche Nachteil verbunden.
Im Fall der Eigenkündigung ist der Geltungsbereich des Sozialplans allerdings nur “vorbehaltlich Ziff. 1.2” eröffnet. Dort ist bestimmt, für welche Mitarbeiter der Sozialplan nicht gilt. Bei diesen Ausnahmen handelt es sich teilweise um die bloße Beschreibung der Konsequenzen aus den Anforderungen der Nr. 1.1, teilweise nimmt Nr. 1.2 des Sozialplans bestimmte Arbeitnehmer, die nach Maßgabe von Nr. 1.1 in den Geltungsbereich fallen würden, davon wieder aus.
Für einen selbst kündigenden Arbeitnehmer gilt der Sozialplan dann nicht, wenn er “von der Betriebsänderung nicht betroffen ist”, die Arbeitgeberin ihm dies innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Kündigung schriftlich mitteilt und ihm zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbietet. Der erste Satzteil dieser Geltungsausnahme legt die Annahme nahe, auch bei ihr handele es sich um die spiegelbildliche negative Beschreibung der positiven Geltungsanforderungen der Nr. 1.1. Damit würde jedoch der Sinn der Ausnahmeregelung verfehlt. Wenn sich das Nicht-Betroffensein in Nr. 1.2 des Sozialplans auf dieselben Maßnahmen bezöge wie das Betroffensein in Nr. 1.1, wäre unverständlich, weshalb die Betriebsparteien für die Nichtgeltung des Sozialplans im Fall der Eigenkündigung zusätzliche Voraussetzungen aufgestellt haben. Nach Nr. 1.2 ist die Geltung des Sozialplans nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß der selbst kündigende Arbeitnehmer von der Betriebsänderung nicht betroffen ist. Er soll vielmehr den Arbeitnehmer erst dann nicht erfassen, wenn die Arbeitgeberin dies binnen 14 Tagen bei gleichzeitiger Unterbreitung eines Angebots zur Fortsetzung des gekündigten Arbeitsverhältnisses mitteilt. Ist aber die Erfüllung einer Bedingung notwendige Geltungsvoraussetzung einer Regelung, so genügt ihre Nichterfüllung für die Nichtgeltung. Die Nichtgeltung an weitere Voraussetzungen zu knüpfen, wäre widersprüchlich.
Es kann nicht angenommen werden, daß den Betriebsparteien ein solcher Widerspruch verborgen geblieben wäre. Auch sind Betriebsvereinbarungen – wie Tarifverträge – möglichst dahin auszulegen, daß sie sich als eine in sich widerspruchsfreie, praktikable Regelung der betreffenden Angelegenheit erweisen (BAG 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308 mwN). Danach ist eine Auslegung von Nr. 1.2 des Sozialplans geboten, die es möglich sein läßt, daß ein Arbeitnehmer zwar “nicht von der Betriebsänderung betroffen”, aber doch im Sinne der Nr. 1.1 “durch die im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen betroffen” ist. Beides ist dann miteinander vereinbar, wenn das Nicht-Betroffensein in Nr. 1.2 in einem engeren Sinne und nicht als bloße Negation des Betroffenseins in Nr. 1.1 verstanden wird. Eine entsprechende Differenzierung ist im Interessenausgleich selbst angelegt. Nr. 4 des Interessenausgleichs unterscheidet zwischen organisatorischen und personellen Maßnahmen. Die vorgesehenen organisatorischen Veränderungen standen bei Abschluß des Interessenausgleichs und Sozialplans im Mai 1999 weitgehend fest. Dagegen ließen die beabsichtigten personellen Veränderungen seinerzeit offen, welche konkreten Personen von ihnen betroffen sein würden. Diese Unterscheidung nimmt Nr. 1.2 des Sozialplans auf. Er sollte danach nicht für solche Mitarbeiter gelten, deren Arbeitsbereich zwar von den organisatorischen Veränderungen betroffen wäre, für die sich aber persönliche Veränderungen nicht ergeben würden.
Bei dieser Auslegung ergeben die Regelungen über den Geltungsbereich des Sozialplans bei Eigenkündigungen einen in sich widerspruchsfreien Sinn. Der Mitarbeiter, der personelle Maßnahmen seitens der Arbeitgeberin abwartet, erfährt durch deren Vornahme, daß er von den organisatorischen Maßnahmen auch persönlich betroffen ist. Der selbst kündigende Mitarbeiter hat darüber im Zeitpunkt der Eigenkündigung noch keine Gewißheit. Diese Gewißheit herzustellen, ist Zweck der sich anschließenden Regelung in Nr. 1.2. Die Arbeitgeberin hat die Möglichkeit, dem selbst kündigenden Mitarbeiter binnen 14 Tagen nach Kündigungszugang mitzuteilen, daß er persönlich von den organisatorischen Maßnahmen nicht betroffen ist, und ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anzubieten. Gibt die Arbeitgeberin diese Erklärungen ab, vermag der Mitarbeiter zu erkennen, daß seine Eigenkündigung “unnötig” und durch die organisatorischen Maßnahmen objektiv nicht veranlaßt war. Er hat dann die Möglichkeit, seine Kündigung ungeschehen zu machen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Tut er dies nicht, fällt er aus dem Geltungsbereich des Sozialplans heraus. Erfolgt eine entsprechende Mitteilung seitens der Arbeitgeberin nicht, steht damit umgekehrt fest, daß die Eigenkündigung durch die Betriebsänderung veranlaßt war. Der Arbeitnehmer verbleibt im Geltungsbereich des Sozialplans. Die Betriebsparteien haben auf diese Weise ein Verfahren zur Herstellung von Rechtssicherheit darüber vereinbart, ob eine Eigenkündigung arbeitgeberseitig veranlaßt worden ist oder nicht.
Das B… hat Erklärungen nach Nr. 1.2 des Sozialplans nicht, jedenfalls nicht schriftlich abgegeben. Es hat mit Schreiben vom 1. Oktober 1999 die Eigenkündigung der Klägerin lediglich bestätigt. Die Kündigung der Klägerin ist damit als durch die Arbeitgeberin veranlaßt anzusehen. Der in Nr. 1.1 für die Geltung des Sozialplans bei Eigenkündigungen statuierte Vorbehalt wirkt sich nicht aus.
- Bedenken gegen die in Nr. 1.2 getroffene Verfahrensregelung aus § 112 Abs. 5 Nr. 2 BetrVG bestehen nicht. Der Sozialplan ist nicht von der Einigungsstelle gegen den Willen der Arbeitgeberin aufgestellt, sondern von den Betriebsparteien einvernehmlich vereinbart worden. Der Beklagte vermag sich deshalb nicht darauf zu berufen, die Belange des Unternehmens würden von dieser Regelung nicht hinreichend berücksichtigt.
- Der Sozialplan verstößt auch nicht gegen § 75 Abs. 1 BetrVG. Die Grundsätze von Recht und Billigkeit sind nicht verletzt. Dadurch, daß sich der Geltungsbereich nach Maßgabe der Nr. 1.1 und 1.2 auch auf Personen erstreckt, deren Eigenkündigung möglicherweise nicht “objektiv” von der Arbeitgeberin veranlaßt war, sondern mangels entsprechender Reaktion der Arbeitgeberin nur als solche gilt, werden andere Mitarbeiter nicht benachteiligt. Eine mögliche “Benachteiligung” des Arbeitgebers selbst liegt außerhalb des Schutzbereichs des § 75 Abs. 1 BetrVG.
- Gem. Nr. 8.1 des Sozialplans steht der Klägerin ein Abfindungsanspruch zu. Ihr Arbeitsverhältnis ist – durch Eigenkündigung – “wegen der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen beendet” worden. Nr. 8.1 stellt für die Entstehung von Abfindungsansprüchen keine eigenständigen, über die Anforderungen der Nr. 1.1 und Nr. 1.2 hinausgehenden Voraussetzungen auf. Erforderlich ist nur, daß das Arbeitsverhältnis beendet und der Mitarbeiter nicht etwa nur versetzt worden ist. Über die Höhe des nach den weiteren Regelungen der Nr. 8 mit 52.171,23 Euro zu errechnenden Abfindungsanspruchs besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Auch der Anspruch auf Gehaltsnachzahlung ist zur Insolvenztabelle festzustellen. Er folgt aus §§ 4, 15 des Arbeitsvertrags in Verbindung mit dem Gehaltstarifvertrag für das private Bankgewerbe vom 25. Januar 2000.
Die Zinsansprüche sind begründet. Sie bestehen gemäß § 288 Abs. 1, § 291 BGB für die Zeit ab Rechtshängigkeit. Die Klage wurde am 12. Februar 2000, die Klageerweiterung vom 3. März 2000 wurde am 9. März 2000 zugestellt. Gemäß § 187 Abs. 1 BGB beginnt der Zinsanspruch mit dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit folgenden Tag (so auch BGH 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88 – NJW-RR 1990, 518).
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO gehören Zinsen für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu den nachrangigen Insolvenzforderungen. Im Streitfall können deshalb nur die in der Zeit vom 12. Februar bzw. 10. März 2000 bis zum 21. August 2001 aufgelaufenen Zinsen zur Insolvenztabelle festgestellt werden. Nur sie sind Insolvenzforderungen iSv. § 38, § 108 Abs. 2 InsO. Daraus errechnet sich bei einem Zinssatz von 4 % ein Betrag in Höhe von 3.182,44 Euro als Zins aus der Sozialplanforderung und von 59,26 Euro aus der Gehaltsforderung.
Unterschriften
Wißmann, Schmidt, Kreft, Büßenschütt, Rath
Fundstellen
BB 2003, 908 |
JR 2004, 44 |
KTS 2004, 150 |
NZA 2003, 449 |
SAE 2003, 231 |
ZTR 2003, 250 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 16 |
MDR 2003, 513 |
ArbRB 2003, 107 |
RdW 2003, 339 |
BAGReport 2003, 381 |