Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalratsmitglied-Entgeltschutz
Leitsatz (redaktionell)
Auch unter der Voraussetzung, daß § 37 Abs 4 BetrVG auf den Entgeltanspruch eines freigestellten Personalratsmitglieds entsprechend anzuwenden ist, umfaßt dieser den Mehrerlös, den andere Arbeitnehmer erzielen nur, wenn feststeht, daß das Personalratsmitglied ohne die Freistellung die Mehrarbeit ebenso geleistet hätte.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 2, 4; BPersVG § 46 Abs. 3
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 26.11.1981; Aktenzeichen 9 Sa 500/81) |
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 26.02.1981; Aktenzeichen 2 Ca 447/80) |
Tatbestand
Der Kläger ist vom 6. Juni 1979 bis zum 31. Mai 1982 als Vorsitzender des Personalrats bei einer Dienststelle der Beklagten von seinen dienstlichen Verpflichtungen freigestellt worden.
Zuvor war er seit 1. Januar 1965 als Fährenarbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der MTB II und die diesen ergänzenden Tarifverträge anzuwenden.
Dem Kläger ist am 5. April 1967 die Befugnis eines Wachhabenden nach dem "Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen vom 12. August 1965" übertragen worden.
Die Teilnahme am Wachdienst bestimmt sich nach § 2 des Tarifvertrags über die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit für Arbeitnehmer des Brückeneinsatzverbandes beim sPiBtl vom 12. Juni 1974. Diese Bestimmung lautet:
§ 2
"(1) Die regelmäßige Arbeitszeit eines Arbeiters
(§ 15 Abs. 1 MTB II) kann in der Weise verlän-
gert werden, daß der Arbeiter in jeder zweiten
Woche von Montag bis einschließlich Donnerstag
im Anschluß an die tägliche Arbeitszeit von
17.00 Uhr bis 7.30 Uhr und am Freitag von 16.00
Uhr bis Montag 7.30 Uhr zum Brückenwachdienst
herangezogen wird.
(2) Der monatliche Lohn wird in der Weise berechnet,
daß für 174 Stunden der monatlichen Arbeitszeit
der Monatstabellenlohn, für jede darüber hinaus-
gehende Stunde 50 v.H. des auf eine Stunde ent-
fallenden Anteils des Monatstabellenlohnes ge-
zahlt werden. Bei Vorliegen der Voraussetzungen
werden Zeitzuschläge nach § 27 Abs. 1 Buchst. a
bis d MTB II sowie 50 v.H. des Zeitzuschlages
nach § 27 Abs. 1 Buchst. e MTB II gezahlt. Der
Zeitzuschlag nach § 27 Abs. 1 Buchst. f MTB II
wird nicht gezahlt."
Der Umfang des von dazu befugten Arbeitnehmern zu leistenden Wachdienstes ist unterschiedlich. Die Beklagte kommt den Einsatzwünschen dieser Arbeitnehmer nach Möglichkeit entgegen mit der Folge, daß eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern zeitweilig überhaupt keinen Wachdienst leistet.
Der Kläger hat in den Jahren 1965, 1966 und 1967 regelmäßig je eine Woche Wachdienst geleistet. 1968 hat er in jedem Halbjahr je eine Woche, 1969 in jedem viertel Jahr je eine Woche und 1970 in jedem Halbjahr eine Woche am Wachdienst teilgenommen. In der Folgezeit war er vom 24. Mai bis 29. Mai 1978 zur Wache eingeteilt. 1979 leistete er vom 9. Februar bis zum 12. Februar lediglich Bereitschaftsdienst. Nach Angaben der Beklagten vor dem Landesarbeitsgericht hat er seit 1971 im Juli 1977 14 1/4 Stunden und im Juni 1978 88 1/2 Stunden Wachdienst geleistet. Der Kläger hat von der Beklagten für die Dauer seiner Freistellung (erstmals schriftlich am 2. August 1979) die Zahlung einer zusätzlichen Wachdienstvergütung für die Zeit vom 1. Juli 1979 bis zum 30. September 1980 begehrt, wie sie von den Arbeitern C, K, Ku und Z erzielt wurde. Diese Arbeitnehmer haben durchweg 80 bzw. 87 Stunden Wachdienst im Monat verrichtet.
Unter Verwertung der von der Beklagten errechneten Zusatzverdienste dieser Arbeiter hat der Kläger seine Klagforderung mit 9.720,-- DM (brutto) beziffert.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.720,-- DM (brutto) nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Anspruch nicht zu.
1. Das Landesarbeitsgericht ist für die Prüfung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs von § 46 Abs. 3 BPersVG ausgegangen und hat in Übereinstimmung mit Dietz/Richardi (BPersVG, 2. Aufl., § 46 Rz 63) angenommen, daß § 37 Abs. 4 BetrVG auf die Entgeltansprüche von Personalratsmitgliedern während der Freistellung von ihrer dienstlichen Tätigkeit entsprechend anwendbar sei.
§ 46 BPersVG enthält keine ausdrückliche Regelung, wie § 37 Abs. 4 BetrVG für den Entgeltschutz von Betriebsratsmitgliedern, so daß die Frage zu stellen ist, ob auch für Mitglieder des Personalrats ein solcher Anspruch wie im Betriebsverfassungsgesetz besteht oder ggf. unter Zuhilfenahme anderer Vorschriften zu prüfen ist. Einer abschließenden Beurteilung durch den Senat bedarf diese Frage nicht. Auch wenn mit dem Landesarbeitsgericht und insoweit auch der Revision davon ausgegangen wird, daß § 37 Abs. 4 BetrVG auf Entgeltansprüche von Personalratsmitgliedern entsprechend anzuwenden ist, kann der vom Kläger begehrte Zahlungsanspruch nicht bejaht werden.
Nach § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung (§ 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG); diese Arbeitsentgeltgarantie erstreckt sich auch auf allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers (§37 Abs. 4 Satz 2 BetrVG).
2. Zu Unrecht meint der Kläger, das ihm von der Beklagten weiterzuzahlende Entgelt sei auch nach dem Mehrarbeitserlös zu bemessen, das die von ihm benannten Arbeitnehmer im Durchschnitt erzielt haben.
a) Mit seiner Freistellung hat der Kläger gegen die Beklagte Anspruch darauf, daß ihm sein bisheriges Entgelt auch für seine Amtszeit als Personalratsmitglied weitergezahlt wird (§ 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Durch diese Regelung wird für Personalratsmitglieder ebenso wie durch § 37 Abs. 2 BetrVG für Betriebsratsmitglieder kein eigenständiger Lohnanspruch begründet, sondern es bleiben die dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zustehenden Ansprüche erhalten (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 29. Juli 1980 - 6 AZR 1098/78 -, AP Nr. 1 zu § 46 BPersVG m.w.N.). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das dem Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsverhältnisses geschuldete Arbeitsentgelt trotz Nichterbringung der Arbeitsleistung für die Dauer der Personalratstätigkeit weiterzuzahlen. Auszugehen ist dabei von dem Entgelt, welches das Betriebs- oder Personalratsmitglied vor Beginn seiner Freistellung erhalten hat (vgl. BAG, Urteil vom 17. Mai 1977 - 1 AZR 458/74 -, AP Nr. 28 zu § 37 BetrVG 1972).
Dieses Arbeitsentgelt erhält der Kläger von der Beklagten weiter. Er hat vor seiner Freistellung als Personalratsmitglied keine Mehrarbeitsstunden in nennenswertem Umfang geleistet, so daß diese nicht in den ihm vom Arbeitgeber weiterzuzahlenden Lohn einzubeziehen sind (zu § 37 Abs. 2 BetrVG allgemeine Meinung: vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 57, § 38 Rz 50 m.w.N.; unklar dagegen Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 46 Rz 65). Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit.
b) Dieses dem Kläger weiterzuzahlende Entgelt ist auch unter Berücksichtigung von § 37 Abs. 4 BetrVG nicht an das Einkommen anzupassen, daß die vom Kläger benannten Arbeitnehmer aufgrund der von ihnen geleisteten Mehrarbeit erhalten.
Die vom Kläger benannten Arbeitnehmer sind hinsichtlich der von ihnen geleisteten Mehrarbeit nicht mit dem Kläger vergleichbar. Davon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn der Kläger geltend machen könnte, daß nunmehr die Beklagte gleichmäßig die in den Tätigkeitsmerkmalen mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer zur Mehrarbeit heranziehen würde. Das trifft nicht zu. Der Kläger hat sich darauf beschränkt, lediglich auf die Mehrarbeit einzelner von ihm benannter Arbeitnehmer hinzuweisen (die sich im übrigen dadurch auszeichnen, daß sie eine weit höhere Anzahl von Mehrarbeitsstunden erbringen, als andere Arbeitnehmer, die ebenfalls Brückenwachdienst als Mehrarbeit verrichten). Nach dem zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt hängt die Leistung von Mehrarbeit vor und nach der Freistellung des Klägers weitgehend individuell von der Bereitschaft der einzelnen Arbeitnehmer ab, sich am Brückenwachdienst zu beteiligen. Damit kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag oder nach tarifvertraglichen Regelungen zur Mehrarbeit herangezogen werden könnte.
c) Die Auffassung des Klägers läuft auf eine Vermischung der gesetzlichen Regelungen in § 37 Abs. 2 und § 37 Abs. 4 BetrVG hinaus.
Hätte der Kläger im vergleichbaren Umfang wie die von ihm benannten Arbeitnehmer vor seiner Freistellung Mehrarbeit geleistet, müßte ihm nunmehr die entsprechende Vergütung weitergezahlt werden. Das würde auch dann zutreffen, wenn er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen (etwa Krankheit) diese Tätigkeit vorübergehend nicht wahrgenommen hat. Tatsachen dafür hat der Kläger nicht dargetan. Er hat sich vielmehr darauf beschränkt, allgemein zu erklären, vor seiner Freistellung dazu gesundheitlich nicht in der Lage gewesen zu sein. Das ist nicht ausreichend. Abgesehen davon, daß er zu seinem Gesundheitszustand und zu dessen positiver Veränderung nach der Freistellung keine näheren Darlegungen gemacht hat, würde dies nur beachtlich sein, wenn er Tatsachen geltend machen könnte, daß er - abgesehen von der gesundheitlichen Behinderung - die Tätigkeit auch tatsächlich erbracht hätte.
Daß die Beklagte ihn etwa gegen seinen Willen oder aus sachfremden Erwägungen vor der Freistellung nicht zur Mehrarbeit herangezogen hätte, ist ebenfalls nicht ersichtlich (vgl. hierzu BAG Urteil vom 17. Mai 1977, aa0). Diesen rechtlichen Zusammenhang kann der Kläger nicht unter Hinweis auf § 37 Abs. 4 BetrVG dadurch ersetzen, daß andere Arbeitnehmer Mehrarbeitsvergütung erhalten. Insoweit wäre der Kläger jedenfalls verpflichtet, Tatsachen anzugeben, aus denen sich ergibt, daß er - vorausgesetzt, er wäre nicht freigestellt - ebenso diese Mehrarbeiten leisten würde. Dafür hat der Kläger nichts dargetan.
Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann
Hohnheit Fischer
Fundstellen
BAGE 48, 76-81 (LT1) |
BAGE, 76 |
BB 1985, 1396-1397 (LT1) |
DB 1985, 1699-1700 (LT1) |
JR 1986, 352 |
AP § 46 BPersVG (LT1), Nr 3 |
AR-Blattei, Personalvertretung VII Entsch 9 (LT1) |
PersV 1987, 512-513 (LT) |
RiA 1986, 84-85 (T) |