Leitsatz (amtlich)
- Ein faktisches Arbeitsverhältnis kann von jedem Partne jederzeit durch einseitige Erklärung beendet werden, ohne daß die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung vorzuliegen brauchen.
- Die Auslegung der Satzung einer rechtsfähigen Stiftung durch das Berufungsgericht unterliegt der freien Nachprüfung des Revisionsgerichts.
Normenkette
BGB §§ 133, 164 Abs. 1; ZPO §§ 549-550, 554 Abs. 1, § 554a Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 27.09.1960; Aktenzeichen 7 Sa 707/59) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf – 7. Kammer – vom 27. September 1960 – 7 Sa 707/59 – insoweit aufgehoben, als die Feststellungsanträge, der Antrag auf Zahlung des Gehalts für September 1959 und der Antrag auf Zahlung von Trennungsentschädigung für die Zeit vom 14. bis zum 31. August 1959 abgewiesen worden sind. Ebenso wird die Kostenentscheidung aufgehoben.
Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war seit Januar 1958 Verwaltungsdirektor des beklagten St. A…-Hospitals in B…, einer rechtsfähigen Stiftung des privaten Rechts. Er war leitender Angestellter mit selbständiger Einstellungs- und Entlassungsbefugnis im Sinne des § 12 Buchst. c KSchG.
Im Jahre 1959 kam es zwischen dem Vorstand der Beklagten und dem Kläger zu Differenzen anläßlich der Neubesetzung der Chefarztstelle der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses. Um diese Stelle hatte sich u.a. der damalige Oberarzt und Stellvertreter des Chefarztes, Dr. L…, beworben. Der Kläger bezweifelte die ordnungsmäßige Approbation und Promotion dieses Bewerbers und zog darüber bei verschiedenen Universitäten und staatlichen Dienststellen Erkundigungen ein, auch nachdem der Vorstand der Beklagten Dr. L… zum Chefarzt gewählt und dem Kläger untersagt hatte, weiterhin Zweifel an der Echtheit der Bewerbungsunterlagen zu äußern, Daraufhin kündigte die Beklagte am 14. August 1959 das Anstellungsverhältnis des Klägers fristlos mit der Begründung, der Kläger habe sich in diesem und auch in anderen Fällen vertragswidrig über Anweisungen ihres Vorstandes hinweggesetzt.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung des Fortbestehens seines Anstellungsverhältnisses sowie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung seines Gehalts für den Monat September 1959 in Höhe von 1.054,– DM brutto und zur Zahlung einer vertraglich vereinbarten Trennungsentschädigung für die Monate Juli und August 1959 in Gesamthöhe von 570,– DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung.
Die Parteien streiten außer über die sachliche Berechtigung der fristlosen Entlassung insbesondere darüber, ob der Vorstand der Beklagten beim Abschluß des Anstellungsvertrages mit dem Kläger am 19. August 1957 und beim Ausspruch der fristlosen Kündigung am 14. August 1959 satzungsgemäß bestellt und deshalb überhaupt zur Vertretung der Beklagten befugt war.
In der im Jahre 1848 von den Stiftern der Beklagten beschlossenen Satzung ist bestimmt, daß die Beklagte von dem aus einem ständigen Direktor und zwei wechselnden Mitgliedern bestehenden Vorstand vertreten wird. Nach § 16 der Satzung soll der jeweilige katholische Pfarrer der St.-G…-Kirche, der z.Zt. der Gründung der Beklagten einzigen katholischen Pfarrkirche in B…, das Amt des ständigen Vorstandsdirektors ausüben, während das eine der beiden übrigen Vorstandsmitglieder aus der Hilfsgeistlichkeit an derselben Pfarrkirche, das andere aus den römischkatholischen Einwohnern der Stadt B… zu wählen ist. Im Jahre 1902 wurden jedoch in B… durch Abpfarrung von der Urpfarrei St. G… zwei neue Katholische Pfarreie – die Pfarrei St. L… und die Pfarrei St. J… errichtet. Seither wurde stets der jeweilige Pfarrer von St. L…, in deren Pfarrbezirk das beklagte Hospital jetzt liegt, ohne Satzungsänderung zum wechselnden geistlichen Vorstandsmitgliede gewählt. Beim Abschluß des Anstellungsvertrages mit dem Kläger bestand der für die Beklagte aufgetretene Vorstand aus dem Pfarrer A… von St. G… als ständigem Direktor, dem Pfarrer von St. L…, Dechant D…, als zweitem geistlichen Vorstandsmitglied sowie dem unter Mitwirkung des Dechanten D… zum wechselnden Vorstandsmitglied gewählten Fabrikanten B….
Zur Zeit der Abgabe der Kündigungserklärung setzte sich der Vorstand aus dem Pfarrer A… von St. G… als Vorstandsdirektor, dem Kaplan Sch…, einem Hilfsgeistlichen von St. G…, und dem Kaufmann P… zusammen. Die beiden letztgenannten Vorstandsmitglieder warer am 22. April 1959 nach dem Rücktritt des Dechanten D… und des Fabrikanten B… durch den Bischof von M… zu Vorstandsmitgliedern der Beklagten ernannt worden.
Der Kläger hat vorgetragen, wegen der im Jahre 1902 vorgenommenen Veränderung der Pfarrorganisation in B… müsse § 16 der Satzung nunmehr dahin ausgelegt werden, daß auch die an den neu errichteten Pfarreien angestellten Geistlichen zu wechselnden Vorstandsmitgliedern der Beklagten bestellt werden könnten; die Zusammensetzung des Vorstandes beim Abschluß seines Anstellungsvertrages habe somit der Satzung entsprochen. Dagegen sei die Kündigungserklärung wegen satzungswidriger Bestellung des neuen Vorstandes unwirksam, weil dem Bischof von M… im vorliegenden Falle kein Ernennungsrecht zugestanden habe; die neuen Vorstandsmitglieder Sch… und P… hätten vielmehr durch Wahl des Vorstandes unter Mitwirkung der zurückgetretenen Vorstandsmitglieder nach § 24 der Satzung in ihr Amt berufen werden müssen. Nach § 23 der Satzung stehe dem Bischof nur dann ein Ernennungsrecht zu, wenn beide wechselnden Vorstandsmitglieder verstorben seien.
Demgegenüber hat die Beklagte ausgeführt, Dechant D… sei niemals Hilfsgeistlicher von St. G… gewesen und habe deshalb auch nicht zum Vorstandsmitgliede gewählt werden dürfen. Seine Wahl und auch die unter seiner Mitwirkung vorgenommene Wahl des Fabrikanten B… seien daher ungültig gewesen. Da aber die letzten satzungsmäßig bestellten wechselnden Vorstandsmitglieder längst verstorben seien, habe der Bischof von M… nach § 23 der Satzung das Recht gehabt, zwei neue Vorstandsmitglieder zu ernennen, so daß die Zusammensetzung des Vorstandes bei Abgabe der Kündigungserklärung der Satzung entsprochen habe.
Das Arbeitsgericht hat sich der Auffassung des Klägers angeschlossen und der Klage stattgegeben.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Schreiben vom 13. September 1960 die fristlose Kündigung vom 14. August 1959 bestätigt und wiederholt, nachdem das Amtsgericht B… durch Beschluß vom 10. September 1960 gemäß den §§ 86, 29 BGB den Kaplan Sch… und den Kaufmann P… zu wechselnden Vorstandsmitgliedern bestellt hatte. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz auch um Feststellung der Unwirksamkeit dieser erneuten Kündigung gebeten.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit Ausnahme eines dem Kläger zugesprochenen Teilbetrages der für die Zeit vor der fristlosen Entlassung geforderten Trennungsentschädigung abgewiesen. Es ist der Ansicht der Beklagten gefolgt und hat den Anstellungsvertrag als unwirksam, die Kündigungserklärung jedoch als wirksam angesehen.
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Die Feststellungsanträge des Klägers sind zulässig. Der Kläger fällt zwar unstreitig unter den Personenkreis des § 12 Buchst. c KSchG, so daß § 3 Satz 1 KSchG keine Anwendung findet. Die Zulässigkeit der Feststellungsanträge ergibt sich aber aus der allgemeinen Vorschrift des § 256 ZPO. Das danach erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Ein im Wege der außerordentlichen Kündigung fristlos entlassener Arbeitnehmer hat trotz der Möglichkeit, eine Zahlungsklage zu erheben, stets ein berechtigtes Interesse daran, auf Feststellung des Weiterbestehens seines Arbeitsverhältnisses zu klagen. Ein Zahlungsurteil erzielt niemals die unmittelbare, ohne weiteres nach außen deutlich werdende Wirkung eines die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung rechtskräftig feststellenden Urteils. Eine solche rechtskräftige Feststellung ist für den Kläger aber gerade im Hinblick auf sein gesellschaftliches Ansehen und sein berufliches Fortkommen wichtig; es muß ihm daran gelegen sein können, die Berechtigung der Kündigung selbst klären zu las en (BAG AP Nr. 34 zu § 256 ZPO).
II. Die Begründetheit der Feststellungsanträge hängt zunächst davon ab, ob zwischen den Parteien ein rechtsgültiger Arbeitsvertrag zustande gekommen ist. Fehlt es an einem gültigen Arbeitsvertrag, dann bestand nur ein faktisches Arbeitsverhältnis ohne rechtliche Bindung, zu dessen Beendigung es keiner Kündigung im Rechtssinne bedurfte. Denn eine Kündigung zielt darauf ab, das rechtliche Band eines Dauerschuldverhältnisses zu lösen. Weil bei einem faktischen Arbeitsverhältnis eben dieses rechtliche Band von vornherein fehlt, kann es – wie das Landesarbeitsgericht mit Recht angenommen hat – jederzeit von jedem Partner durch einseitige Erklärung unmittelbar beendet werden, ohne daß die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer außerordentlichen fristlosen Kündigung vorzuliegen brauchen (Hueck-Nipperdey, Lehrb. d. Arbeitsr., 6. Aufl., Bd. I, § 32 III 3a, S. 174; Nikisch, Arbeitsr., 3. Aufl., Bd. I, § 19 IV 4, S. 175, 176). Die Partner sind nach der Rechtsordnung eben nicht miteinander verbunden.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht deshalb geprüft, ob die beim Abschluß des Anstellungsvertrages für die Beklagte aufgetretenen Vorstandsmitglieder Pfarrer A…, Dechant D… und Fabrikant B… zur Vertretung der Beklagten berechtigt waren; eine Willenserklärung, die jemand im Namen eines anderen abgibt, bindet nach § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB, den Vertretenen nur, wenn sich der Vertreter innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht gehalten hat. Die Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder richtet sich dabei allein nach der Satzung der beklagten Stiftung.
Das Landesarbeitsgericht hat die Bestellung des Dechanten D… und des Fabrikanten B… zu Vorstandsmitgliedern für ungültig gehalten. Die Wahl des Dechanten D… zum wechselnden Vorstandsmitglied habe gegen § 16 der Satzung verstoßen, wonach nur ein Hilfsgeistlicher von St. G… wechselndes Vorstandsmitglied werden könne. Diese Satzungsvorschrift sei nach ihrem Wortlaut zwingend. Sie könne nicht dahin ausgelegt werden, daß nach der Neuerrichtung der Pfarrei St. L… auch deren Pfarrer zu Vorstandsmitgliedern wählbar seien. Eine derartige Auslegung scheitere außer an dem klaren Wortlaut des § 16 der Satzung auch wegen der historischen Entwicklung des Kirchenwesens in B… Schon z.Zt. der Vornahme des Stiftungsgeschäfts im Jahre 1848 hätten nämlich Bestrebungen bestanden, die Kirche St. L… zur selbständigen Pfarrei zu erheben. Es sei davon auszugehen, daß die Stifter als alteingesessene B… Bürger oder aufgrund langjähriger Tätigkeit in B… mit diesen örtlichen Kirchenverhältnissen vertraut gewesen seien. Wenn § 16 der Satzung gleichwohl seine enge Fassung erhalten habe, so sei darin der Wille der Stifter zum Ausdruck gekommen, das in der Pfarrei bestehende Vorgesetztenverhältnis zwischen Pfarrer und Hilfsgeistlichen auch im Vorstande der Beklagten wirksam werden zu lassen. Da aber zwischen dem Pfarrer von St. G… und dem Pfarrer von St. L… keine rechtliche Abhängigkeit bestehe, könne der Pfarrer von St. L… auch nicht als Hilfsgeistlicher im Sinne des § 16 der Satzung angesehen werden. Die danach unwirksame Bestellung des Dechanten D… zum Vorstandsmitglied habe weiter zur Folge, daß auch die unter seiner Mitwirkung erfolgte Wahl des Fabrikanten B… zum zweiten wechselnden Vorstandsmitglied ungültig gewesen sei.
Diese von der Revision bekämpfte Auslegung der Satzung durch das Landesarbeitsgericht ist in der Revisionsinstanz nicht nur dahin nachzuprüfen, ob Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder anerkannte Auslegungsgrundsätze verletzt sind. Das Revisionsgericht hat die Stiftungsurkunde vielmehr selbständig auszulegen (BGH NJW 1957 S. 708; BGHZ 9, 279 [281]). Denn die Stiftungssatzung regelt nicht zuletzt die äußeren Rechtsbeziehungen der Stiftung in Gegenwart und Zukunft. Ihr kommt also eine über den Einzelfall oder eine begrenzte Zahl von Einzelfällen weit hinausgehende Bedeutung zu. Zwar hat der Senat in AP Nr. 2 zu § 549 ZPO ausgesprochen, die Auslegung der Satzung eines kleinen Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit unterliege nur in beschränktem Umfange der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Dort handelte es sich jedoch um Satzungsbestimmungen, die lediglich die internen Beziehungen des Vereins zu seinen Mitgliedern betrafen und daher nur für eine begrenzte Zahl von Einzelfällen Bedeutung hatten. Im vorliegenden Falle geht es dagegen um Satzungsvorschriften, die vor allem auch die äußeren Rechtsbeziehungen der Stiftung im Rechtsverkehr mit Dritten regeln.
Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung des § 16 der Satzung den Zweck der Stiftung außer acht gelassen und insoweit allerdings auch schon eine allgemeine Auslegungsregel verletzt. Gerade aus dem Zweck der Stiftung ergibt sich, daß das zweite geistliche Vorstandsmitglied der Beklagten nicht notwendig ein Hilfsgeistlicher der St. G… – Pfarrei sein muß. Es genügt vielmehr, wenn das zweite geistliche Vorstandsmitglied nur überhaupt ein in der Pfarrseelsorge in B… hauptamtlich tätiger katholischer Geistlichter ist. Nach dem in § 1 der Satzung niedergelegten Stiftungszweck ist das Hospital eine Anstalt, worin vorzugsweise arme Kranke der Stadt und des Kirchspiels B… – … durch römisch-katholische barmherzige Schwestern gepflegt werden. Das Hospital ist also eine Einrichtung, die den Bürgern der gesamten Stadt B… und darüber hinaus den Einwohnern des im Jahre 1848 kirchlich noch zu B… gehörenden Gebietes außerhalb der eigentlichen Stadtgrenzen (Kirchspiel) zugute kommen soll. Es handelt sich demnach nicht um eine Einrichtung allein der Pfarrei St. G… in ihrer jeweiligen räumlichen Ausdehnung. Diese Zweckbestimmung der Stiftung hat ihren Niederschlag auch in der Vorschrift des § 16 der Satzung über die Zusammensetzung des Vorstandes gefunden. Dort ist nämlich bestimmt, daß das einzige Laienmitglied des Vorstandes aus den römisch-katholischen Einwohnern der Stadt B… zu wählen ist. Seine Wählbarkeit wird nicht von der weiteren Voraussetzung abhängig gemacht, daß er zugleich auch gerade zur Pfarrei St. G… gehören muß. Wenn nun in § 16 der Satzung ferner vorgeschrieben ist, daß der Direktor des Vorstandes der jeweilige Pfarrer von St. G… und das andere Vorstandsmitglied Hilfsgeistlicher an dieser Pfarrkirche sein muß, so ist daraus im Hinblick auf den Zweck der Anstalt als einer zum Nutzen der ganzen Stadt und des Kirchspiels B… gegründeten Einrichtung zunächst nur der Wille der Stifter zu erkennen, daß die beiden geistlichen Vorstandsmitglieder in der Pfarrseelsorge des räumlichen Wirkungsbereichs der Anstalt hauptamtlich tätige und daher mit den Verhältnissen der von der Anstalt betreuten Bevölkerung besonders gut vertraute Geistliche sein sollen. Neben dem Pfarrer von St. G… gab es aber z. Zt. der Gründung der Beklagten im Jahre 1848 nur noch Hilfsgeistliche dieser Pfarrei, die in der Pfarrseelsorge der Stadt und des Kirchspiels B… tätig waren. Als zweites geistliches Vorstandsmitglied konnte deshalb auch nur ein Hilfsgeistlicher von St. G… in Frage kommen. Seitdem aber im Jahre 1902 in der Stadt B… zwei neue selbständige katholische Pfarreien errichtet worden sind, nehmen auch die an diesen Kirchen angestellten Pfarrer und Hilfsgeistlichen die Pfarrseelsorge innerhalb des räumlichen Wirkungsbereichs der beklagten Stiftung wahr. Wenn nun die Satzungsvorschrift über die Bestellung eines Hilfsgeistlichen von St. G… zum Vorstandsmitglied ihrem Sinne nach die Berufung eines in der Seelsorge hauptamtlich tätigen Geistlichen gewährleisten will, dann muß auch die Wahl des Pfarrers von St. L… zum Vorstandsmitglied als mit der Satzung vereinbar angesehen werden.
Wenn das Landesarbeitsgericht mit Rücksicht auf die historische Entwicklung des Kirchenwesens in B… angenommen hat, die in der Satzung vorgeschriebene Wahl eines Hilfsgeistlichen der Pfarrei St. G… solle nach dem Willen der Stifter gerade dazu dienen, das zwischen dem Pfarrer und seinem Hilfsgeistlichen bestehende Abhängigkeitsverhältnis auch innerhalb des Vorstandes wirksam werden zu lassen, so geht das fehl. Die Möglichkeit der Berufung eines überhaupt in der Seelsorge von B… hauptamtlich tätigen Geistlichen ist nicht eingeengt.
Ein Stiftungswille, wie ihn das Landesarbeitsgericht angenommen hat, wird gerade durch die vom Berufungsgericht übersehenen §§ 32 und 20b der Satzung eindeutig ausgeschlossen, wobei dieses Übersehen übrigens wiederum einen Verstoß gegen allgemeine Auslegungsregeln, hier nämlich gegen die Gesamtbetrachtung eines Rechtswerkes verstieß. Nach § 32 der Satzung handelt der Vorstand bei allen seinen Verfügungen über die Anstalt und deren Vermögen “völlig frei, bloß nach seinem Gewissen, und ist an keiner Behörde Aufsicht oder Genehmigung gebunden”. Diese Satzungsbestimmung will nicht nur die Unabhängigkeit des Vorstandes nach außen gegenüber dritten Personen oder Behörden sichern. Sie bedeutet darüber hinaus, daß die einzelnen Vorstandsmitglieder auch im Innenverhältnis frei und ohne gegenseitige Abhängigkeit ihre Entscheidungen treffen sollen. Das ergibt sich zwingend aus der Formulierung, der Vorstand solle “bloß nach seinem Gewissen” handeln. Das Gewissen ist aber ein Wesensmerkmal der Einzelpersönlichkeit; nur die Einzelperson kann für sich Gewissensentscheidungen treffen und danach handeln. Ein Kollektivgewissen gibt es nicht. Der Vorstand als solcher, nämlich als Personengesamtheit, kann also nicht gemeint sein, wenn die Satzung davon spricht, der Vorstand solle bei seiner Tätigkeit nur seinem Gewissen unterworfen sein. Das benutzte Wort “Vorstand” ist hier vielmehr im Sinne von “Vorstandsmitglieder” zu verstehen. Die Satzung selbst fordert also ausdrücklich die völlige Freiheit und Unabhängigkeit jedes einzelnen Vorstandsmitgliedes und damit auch die Unabhängigkeit des zum Vorstandsmitglied bestellten Hilfsgeistlichen von seinem als ständiger Direktor des Vorstandes amtierenden Pfarrer. Nach § 20b der Satzung ist den beiden wechselnden Vorstandsmitgliedern sogar das Recht eingeräumt, beim Bischof die Abberufung des Pfarrers aus seinem Amt als Vorstandsdirektor zu beantragen, wenn er nach ihrer gewissenhaften Überzeugung sein Amt nachlässig oder pflichtwidrig ausübt. Damit wird den beiden wechselnden Vorstandsmitgliedern eine gewisse Kontrollfunktion hinsichtlich der Amtsführung des Vorstandsdirektors zuerkannt. Diese Aufgabe würde wesentlich beeinträchtigt, wenn das zwischen dem Pfarrer und dem Hilfsgeistlichen sonst bestehende sehr weitgehende Vorgesetztenverhältnis – heute geregelt nach en 476 § 7 des Codex Iuris Canonici – auch im Vorstand wirksam werden sollte.
Die bereits im Jahre 1848 vorhanden gewesenen Abpfarrungsbestrebungen sind aber auch damals erfolglos geblieben, da die Aufteilung des seit Jahrhunderten einheitlichen Pfarrbezirks in B… erst mehr als ein halbes Jahrhundert später Wirklichkeit geworden ist. Die Abpfarrungsbestrebungen hatten im Jahre 1848 offenbar noch nicht einmal zu irgendwelchen vorbereitenden Maßnahmen geführt, die zu der begründeten Erwartung hätten Anlaß geben können, daß eine Veränderung der Pfarrorganisation in B… in absehbarer Zeit erfolgen werde. Die Errichtung einer neuen Pfarrei begegnete um die Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem nicht unerheblichen Schwierigkeiten Sie erforderte nach katholischem Kirchenrecht die Stiftung eines neuen Pfarrbeneficiums mit einer Sondervermögensmasse, deren laufende Erträgnisse hinreichten, den standesgemäßen Lebensunterhalt des jeweiligen Pfarrstelleninhaber dauernd zu gewährleisten. Das Kirchenvermögen, aus dem die für die Neugründung einer Pfarrei erforderlichen Mittel hätten aufgebracht werden können, hatte aber durch die Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhebliche Einbußen erlitten. Allgemeine Staatszuschüsse zu den Pfarrgehältern gab es damals in Preußen noch nicht. Erst seit dem Etatjahre 1889/90 zahlte der Preußische Staat den katholischen Pfarrern aus dem sog. königlichen Dispositionsfonds Gehaltszuschüsse, weil durch das Absinken des Geldwertes die Erträgnisse der kirchlichen Benefizien vielerorts so zusammengeschrumpft waren, daß sie keine ausreichende Lebensgrundlage mehr boten, und kirchliche Mittel zur Aufbesserung der Stelleneinkünfte nicht zur Verfügung standen (Wenner, Kirchliches Vermögensrecht, 3. Aufl. Paderborn 1940, S. 91). Durch das Preußische Pfarrbesoldungsgesetz vom 2. Juli 1898 (Preußische Gesetzessammlung S. 260) wurde dieses Verfahren zum ersten Male gesetzlich verankert. Erst kurz nach dieser gesetzlichen Sicherung der Pfarrerbesoldung wurden die beiden neuen Pfarreien in B… errichtet. Es muß angenommen werden, daß die Gründer der beklagten Stiftung und die Verfasser der Satzung, unter denen sich doch der damalige Pfarrer von St. G… und ein weiterer Geistlicher befanden, die finanziellen Schwierigkeiten, die der Neugründung einer Pfarrei begegneten, kannten und deshalb von den mangelnden, zumindest aber völlig ungewissen Erfolgsaussichten der Abpfarrungsbestrebungen überzeugt waren. Dann aber bestand für sie auch keine Veranlassung, eine in absehbarer Zeit nicht zu erwartende Umorganisation des Kirchenwesens in der Satzung schon zu berücksichtigen. Den damaligen Abpfarrungsbestrebunden kann also auch aus diesen Gründen für die Auslegung des § 16 der Satzung entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts keine Bedeutung beigemessen werden.
Schließlich führt auch der von der Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung noch angeführte Gesichtspunkt, die in der Satzung vorgeschriebene Wahl eines Hilfsgeistlichen von St. G… solle wegen des dem Pfarrer von St. G… durch § 19 der Satzung eingeräumten Rechts zur Verweigerung der Übernahme des Vorstandsamtes oder zum Rücktritt von diesem Amte auf jeden Fall die Besetzung des Vorstandes mit mindestens einem Geistlichen von St. G… garantieren, nicht zu der von der Beklagten gewünschten wörtlichen Auslegung des § 16 der Satzung. Ein solcher Stiftungswille ist der Satzung gar nicht zu entnehmen. § 21 der Satzung gibt vielmehr einen deutlichen Anhaltspunkt für das Gegenteil. Danach bekleiden die wechselnden Vorstandsmitglieder ihr Amt lebenslänglich oder bis zu ihrem freiwilligen Rücktritt. Das bedeutet selbst bei wörtlicher Auslegung des § 16, daß das wechselnde geistliche Vorstandsmitglied zwar bei seiner Wahl Hilfsgeistlicher von St. G… sein müßte, daß die Fortdauer seines Vorstandsamtes aber nicht von der Fortdauer seines Amtes als Hilfsgeistlicher von St. G… abhängt.
Die Satzung nimmt also durchaus die Möglichkeit in Kauf, daß beide geistlichen Vorstandsmitglieder der Beklagten zeitweise nicht der St. G…-Pfarrei angehören.
Aus diesen Gründen muß § 16 der Satzung nach der Veränderung der Pfarrorganisation in B… dahin ausgelegt werden, daß nunmehr auch die Pfarrgeistlichen der neuen Pfarreien innerhalb des Wirkungsbereichs der Beklagten Stiftung zu. wechselnden Vorstandsmitgliedern wählbar sind. Demnach war der Dechant D… als Pfarrer von St. L… satzungsmäßig bestelltes Vorstandsmitglied der Beklagten und damit auch der Fabrikant B…, an dessen Wahl zum Vorstandsmitglied der Dechant D… teilgenommen hat. Da hiernach die Zusammensetzung des Vorstandes der Beklagten beim Abschluß des Anstellungsvertrages mit dem Kläger der Satzung entsprach und auch sonst keine Hinderungsgründe ersichtlich sind, ist der Vertrag zwischen den Parteien entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts rechtsgültig zustande gekommen und konnte nur durch eine wirksame Kündigung aufgelöst werden.
III. Die vom Vorstand der Beklagten in neuer Besetzung am 14. August 1959 abgegebene Kündigungserklärung ist aber ebenfalls rechtswirksam; denn die beiden neuen wechselnden Vorstandsmitglieder Kaplan Sch… – Hilfsgeistlicher von St. G…- und Kaufmann P… sind satzungsgemäß durch den Bischof von M… ernannt worden und waren daher gemeinsam mit dem Pfarrer A… als Vorstandsdirektor zur Vertretung der Beklagten befugt. Zwar folgt das Ernennungsrecht des Bischofs nicht – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – unmittelbar aus § 23 der Satzung, der den Tod beider wechselnden Vorstandsmitglieder voraussetzt. Die bischöfliche Ernennung des Kaufmanns P… rechtfertigt sich jedoch aus den §§ 26 und 27, die des Kaplans Sch… aus § 24 i.V. mit § 23 der Satzung.
a) Der Kaufmann P… hat die Stelle des am 10. März 1959 zurückgetretenen Fabrikanten B… eingenommen. Nach dem 10. März 1959 bestand der Vorstand der Beklagten nur noch aus dem Pfarrer A… und dem Dechanten D… Gemäß § 24 der Satzung hat ein freiwillig zurückgetretenes wechselndes Vorstandsmitglied das Recht, seinen Nachfolger mitzuwählen. Danach hätte der Fabrikant B… bei einer Neuwahl mitwirken können. Ob er sich geweigert hat und deshalb die beiden übrigen Vorstandsmitglieder allein die Neuwahl hätten vornehmen können (§§ 25, 22 der Satzung), kann dahingestellt bleiben. Denn nach § 26 der Satzung sollen dem Bischof innerhalb von 14 Tagen die Rücktrittserklärung und innerhalb weiterer 14 Tage der Beschluß über die Neuwahl zur Bestätigung vorgelegt werden, widrigenfalls die Wahlrechte des Vorstandes erlöschen. Da innerhalb dieser vier Wochen unstreitig kein Nachwahlbeschluß des Vorstandes zustande gekommen ist, mußte nach § 27 der Satzung die freie bischöfliche Ernennung eintreten. Der Kaufmann P… ist also durch die bischöfliche Ernennung vom 22. April 1959 ordnungsgemäß zum Vorstandsmitglied berufen worden.
b) Ähnliches gilt für die bischöfliche Ernennung des Kaplans Sch… vom 22. April 1959. Dabei spielt es keine Rolle, ob sein Vorgänger, Dechant D…, sein Vorstandsamt – wie die Beklagte behauptet hat – bereits am 31. März 1959 oder – wie der Kläger behauptet hat – erst am 22. April 1959 niedergelegt hat. Denn die bischöfliche Ernennung des Kaplans Sch… ist nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils unstreitig im Einverständnis mit dem Dechanten D… erfolgt. War Dechant D… aber mit der bischöflichen Ernennung einverstanden, dann liegt darin zugleich sein Verzicht und seine Weigerung auf Mitwirkung bei der Wahl seines Nachfolgers, und es gilt § 25 i. V. mit § 23 der Satzung. Nach § 25 finden die für Sterbefälle geltenden Vorschriften der §§ 22 und 23 Anwendung, wenn ein freiwillig zurückgetretenes wechselndes Vorstandsmitglied sich weigert, von seinem Nachwahlrecht Gebrauch zu machen. Gemäß § 22 steht das Wahlrecht im Falle des Todes eines wechselnden Vorstandsmitgliedes den beiden übrigen Vorstandsmitgliedern zu. Nach § 23 ernennt im Falle des Todes beider wechselnder Vorstandsmitglieder der Bischof auf Vorschlag des Vorstandsdirektors zwei neue Vorstandsmitglieder. Diese letztere Vorschrift ist hier jedenfalls deswegen anzuwenden, weil das Wahlrecht sogar beider bisheriger Vorstandsmitglieder nicht mehr bestand. Das Wahlrecht des Fabrikanten B… war am 22. April 1959 bereits durch Zeitablauf, das Wahlrecht des Dechanten D… durch seinen Verzicht erloschen.
Da der Vorstand der Beklagten somit entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht nur bei der Abgabe der Kündigungserklärung vom 14. August 1959, sondern auch bei Abschluß des Arbeitsvertrages mit dem Kläger satzungsgemäß bestellt war, mußte das angefochtene Urteil, soweit es über die Feststellungsanträge des Klägers entschieden hat, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Das Berufungsgericht wird nunmehr prüfen müssen, ob die fristlose Entlassung des Klägers durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt ist.
IV. Der vom Landesarbeitsgericht ebenfalls abgewiesene Anspruch des Klägers auf sein Gehalt für September 1959 und auf Trennungsentschädigung für die Zeit vom 14. bis 31. August 1959 hängt von der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung ab. Daher war auch insoweit die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geboten.
V. Dagegen steht der weiter geltend gemachte Trennungsentschädigungsanspruch für die Zeit vom 1. Juli bis 13. August 1959 nicht im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung. Es handelt sich um einen Anspruch aus der Zeit vor der fristlosen Entlassung. Soweit die Revision auch die Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen der Teilabweisung der für die Zeit vor der fristlosen Entlassung geforderten Trennungsentschädigung begehrt, fehlt es jedoch an der nach § 554 Abs. 1 ZPO vorgeschriebenen Revisionsbegründung. Die Revision mußte deshalb in diesem Umfange gemäß § 554a ZPO als unzulässig verworfen werden.
Unterschriften
Dr. Müller, zugleich für den in Urlaub befindlichen Bundesrichter Dr. Joachim
Dr. Meier-Scherling, Dr. Zimmermann, Wendel
Fundstellen
Haufe-Index 1457543 |
BAGE, 104 |
NJW 1962, 555 |