Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Genehmigung einer Nebentätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
(Anspruch eines Jugendgerichtshelfers auf Genehmigung einer Nebentätigkeit als Astrologe und zur Erstellung von Horoskopen).
Normenkette
BAT § 11; LBG BW § 83; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.02.1988; Aktenzeichen 3 Sa 141/87) |
ArbG Ulm (Urteil vom 27.08.1987; Aktenzeichen 2 Ca 131/87) |
Tenor
1. Erstellung von Berichten zur Vorlage bei den Gerichten.
2. Teilnahme an Gerichtsterminen.
3. Die Überwachung gerichtlicher Auflagen.
4. Nachgehende Betreuung jugendlicher Straftäter.
5. Beratung und Unterstützung bei Erziehungsnotständen und Jugendproblemen.
6. Mitwirkung bei Unterbringung im Rahmen der Hilfe zur Erziehung, der freiwilligen Erziehungshilfe und der Fürsorgeerziehung.
7. Rückführung aufgegriffener Jugendlicher.
8. Jugendschutz.
Tatbestand
Der Kläger, der sich seit Jahren eingehend mit der Astrologie befaßt, beabsichtigt, sich in Zukunft hauptberuflich einer astrologischen Beratertätigkeit zuzuwenden. Zur Überbrückung der „Anlaufphase” hat er um Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung gebeten, die ihm der beklagte Landkreis – unter Zustimmung der Personalvertretung – mit Schreiben vom 10. November 1986 jedoch versagt hat. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat der beklagte Landkreis mit Schreiben vom 17. März 1987 zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der beklagte Landkreis sei verpflichtet, ihm die Nebentätigkeit zu genehmigen, da sie dienstliche Interessen nicht berühre. Er sei in der Lage zwischen beiden Bereichen zu unterscheiden. Astrologische Beratung seiner Probanden, wie auch deren Angehöriger, lehne er ab. Durch seine Tätigkeit werde die Zusammenarbeit mit den Kirchen und den Trägern der freier; Wohlfahrtspflege nicht beeinträchtigt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Nebentätigkeitsgenehmigung für die Erstellung von Horoskopen sowie eine astrologische Beratertätigkeit zu erteilen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Nebentätigkeitsgenehmigung für die Erstellung von Horoskopen sowie eine astrologische Beratertätigkeit mit der Einschränkung, daß diese Nebentätigkeit nicht im Bezirk des dienstlichen Bereiches des Klägers ausgeübt werden darf, zu erteilen.
Der beklagte Landkreis hat Klageabweisung beantragt und gemeint, angesichts der Besonderheiten in der Aufgabenstellung des Klägers seien dienstliche Interessen in mehrfacher Hinsicht gefährdet. Ein großer Teil der Bevölkerung stehe der Astrologie ablehnend gegenüber. Beide großen Kirchen hatten bereits jede dienstliche Zusammenarbeit mit Fürsorgern und Erziehern, die Anhänger einer dem christlichen Glauben zuwiderlaufenden Heilslehre seien, abgelehnt. Aufgrund der Aufgabenstellung eines Jugendgerichtshelfers nach § 38 JGG und der besonderen Struktur des Landkreises und seiner Bevölkerung sei aber eine besonders enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Trägern der Vereinigungen für Jugendhilfe, insbesondere den Kirchen, dringend erforderlich. Schließlich müsse auch mit Rücksicht auf das Ansehen der öffentlichen Verwaltung der Eindruck vermieden werden, das Jugendamt treffe seine Entscheidungen auf astrologischer Grundlage.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Hauptantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat den Hauptantrag als unbegründet, den Hilfsantrag als unzulässig abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der beklagte Landkreis beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Genehmigung der von ihm angestrebten Nebentätigkeit durch den beklagten Landkreis.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, sowohl die astrologische Beratung als auch die Erstellung von Horoskopen beeinträchtige die ordnungsgemäße Wahrnehmung des dem Kläger übertragenen Amtes eines Jugendgerichtshelfers. Der beklagte Landkreis sei nach § 83 LBG BW, der gemäß § 11 BAT anwendbar sei, nicht verpflichtet, dem Kläger die beantragte Nebentätigkeitsgenehmigung zu erteilen. Durch das Erfordernis der Genehmigung von Nebentätigkeiten werde das Grundrecht des Klägers nach Art. 12 GG nicht in verfassungswidriger Weise eingeschränkt. Ebensowenig sei der beklagte Landkreis verpflichtet, die Absicht des Klägers, sich selbständig zu machen, dadurch zu fördern, daß er aufgrund seiner Fürsorgepflicht die beantragte Nebentätigkeitsgenehmigung erteile.
Angesichts des Aufgabenbereiches des Klägers sei eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nicht ausgeschlossen, zumal er bei seiner Tätigkeit Tatsachen aus dem engsten persönlichen Lebenskreis der Jugendlichen ermitteln und, werten müsse, was ohne ausreichenden Zugang zu diesem Bereich, insbesondere zur Persönlichkeit des Betroffenen und seiner Umgebung, nicht zutreffend geschehen könne. Seine Aufgaben erfülle der Kläger auch nicht in der Anonymität einer Großstadt, sondern in einem noch weitgehend ländlich strukturierten und durch Überschaubarkeit geprägten Raum. Kirchliche Bindungen spielten weithin eine andere Rolle als anderswo. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung stehe den vom Kläger beabsichtigten Tätigkeiten ablehnend gegenüber. Da der Kläger in Zukunft zu Erwerbszwecken auch im Gebiet des beklagten Landkreises tätig werden wolle, müsse es sein Bestreben sein, sein Leistungsangebot bekannt zu machen. Deshalb werde der von ihm zu betreuende Personenkreis alsbald von der genehmigten Nebentätigkeit Kenntnis erhalten. Die Gefahr, daß der Kläger in Kürze als „Sterndeuter” angesehen und nicht mehr in erforderlichem Maße von den Betroffenen und ihren Angehörigen „akzeptiert” werde, sei nicht auszuschließen.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten den Revisionsangriffen stand.
1. Nach § 11 Satz 1 BAT, der kraft einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, sind für die Nebentätigkeit eines Angestellten die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen sinngemäß anzuwenden.
Diese Verweisung auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen (Gesetze, Erlasse und Rechtsverordnungen) ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zulässig (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 16. November 1989 – 6 AZR 168/89 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt; BAG Urteil vom 16. Februar 1989 – 6 AZR 289/87 – AP Nr. 9 zu § 42 BAT = ZTR 1989, 309; BAGE 41, 47, 50 = AP Nr. 7 zu § 44 BAT; Keymer, Das Nebentätigkeitsrecht der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, ZTR 1988, 193, 195).
2. Nach der danach anzuwendenden Vorschrift des § 83 LBG BW bedarf der Beamte zur Übernahme jeder Nebentätigkeit grundsätzlich der vorherigen Genehmigung seiner Dienstbehörde.
a) Die Genehmigung ist nach § 83 Abs. 2 Satz 1 LBG BW zu versagen, „wenn zu besorgen ist, daß durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden”. Die dadurch eintretende Einschränkung der Möglichkeiten des Beamten, seine Arbeitskraft außerhalb des öffentlichen Dienstes zu Erwerbszwecken auszunutzen, verstößt nicht gegen Art. 12 GG. Denn das Beamtenverhältnis ist nicht nur hinsichtlich seiner zeitlichen Dauer Hauptberuf, sondern nimmt auch die gesamte Arbeitskraft des Beamten in Anspruch (BVerfGE 9, 268, 286; Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand November 1988, Art. 33 Rz 66). Nebentätigkeiten sind daher grundsätzlich nur insofern zulässig, als sie die hauptberufliche Tätigkeit nicht beeinträchtigen. Sie können von einer Genehmigung abhängig gemacht werden (Thiele, DÖD 1956, 21; Maunz/Dürig, a.a.O.; BVerfGE 55, 207, 237 ff.). Diese Grundsätze gelten auch für Angestellte, die, wie der Kläger als Jugendgerichtshelfer, beamtengleiche Tätigkeiten ausüben (Keymer, a.a.O.).
b) Die Genehmigung darf allerdings nur aus sachlichen Gründen versagt werden. Insbesondere ist dem Dienstherrn kein Ermessensspielraum bei Erteilung oder Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung eingeräumt; es besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn nicht der Versagungsgrund „Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen” vorliegt (BVerwGE 60, 254, 255; Plog/Wiedow/Beck, BBG, Stand Dezember 1989, § 65 Rz 9; Müller/Beck, LBG BW, Stand September 1989, § 83 Rz 15; Mühl in Fürst, GKÖD, Bd. I, Teil II, Stand Oktober 1989, BBG, K § 65 Rz 10). Ein Versagungsgrund ist dann gegeben, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen bei verständiger Würdigung der im Zeitpunkt der Entscheidung erkennbaren Umstände und unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung wahrscheinlich ist (BVerwGE 31, 241, 247 f.). Dabei sind dienstliche Interessen im weitesten Sinne zu begreifen, nämlich soweit sie die auf die dienstliche Stellung des Beamten bezogenen Interessen der jeweiligen Verwaltung betreffen (BVerwG Urteil vom 17. September 1970 – II C 2.69 – NJW 1970, 2313 f.; BVerwGE 40, 11; 60, 254, 257; 67, 287, 295). Danach ist bei der Entscheidung eine Prognose aufzustellen, wobei einerseits die bloße nicht auszuschließende Möglichkeit einer fernliegenden Gefahr der Beeinträchtigung als nicht ausreichend anzusehen ist (BVerwGE 31, 241, 248; Mühl in Fürst, GKÖD, a.a.O., Rz 13), andererseits aber auch eine im hohen Maße bestehende Wahrscheinlichkeit einer solchen Beeinträchtigung in absehbarer Zeit nicht erforderlich ist (BVerwGE 60, 254, 256 f.; 67, 287, 293 f.; BVerwG Urteil vom 30. Juni 1976 – VI C 46.74 – ZBR 1977, 27; Plog/Wiedow/Beck, a.a.O., § 65 Rz 11; Mühl in Fürst, GKÖD, a.a.O., Rz 13; Müller/Beck, a.a.O., Rz 17).
3. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat das Landesarbeitsgericht zutreffend einerseits auf die besonderen Aufgaben eines Jugendgerichtshelfers, andererseits auf die Struktur und die Besonderheiten des beklagten Landkreises abgestellt.
a) Nach den in § 38 Abs. 2 JGG umschriebenen Aufgaben hat der Jugendgerichtshelfer das Jugendgericht zu unterstützen und die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung zu bringen. Er ist deshalb auch gehalten, bei der im Rahmen des § 43 JGG gebotenen Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Jugendlichen mitzuwirken; in Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer hat er auf die Einhaltung der vom Jugendgericht getroffenen Maßnahmen zu achten (Brunner, JGG, 8. Aufl., § 38 Rz 1). Ihm obliegt die erzieherische Betreuung der jugendlichen Straftäter, d.h. er hat sie zu unterstützen, zu beraten, zu leiten und ihre Wiedereingliederung in die Gemeinschaft zu fördern (Brunner, a.a.O., § 38 Rz 15 f.). Um diesen ihren Aufgaben erfolgversprechend nachkommen zu können, sind Jugendgerichtshelfer daher in besonderem Maße darauf angewiesen, von ihren zu betreuenden Jugendlichen und ihrem Umfeld (Angehörige, Nachbarn, Freunde) auch angenommen zu werden. Das setzt die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Jugendgerichtshelfer und Jugendlichen bzw. seines Umfeldes voraus. Im Interesse einer erfolgreichen Arbeit hat der Jugendgerichtshelfer darauf zu achten, daß durch sein Verhalten oder seine Maßnahmen das Vertrauensverhältnis nicht beeinträchtigt wird.
b) Die beabsichtigte Nebenbeschäftigung des Klägers läßt aufgrund der jeweils erforderlichen intensiven Beschäftigung mit den Jugendlichen und der Ausleuchtung ihrer Persönlichkeit sowie ihres engsten persönlichen Lebenskreises die berechtigte Besorgnis einer nachhaltigen Beeinträchtigung dienstlicher Interessen aufkommen. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Kirchen, die als Träger der freien Jugendhilfe (§§ 7, 9 JWG) zur Mitarbeit berufen sind, zu Recht oder, wie der Kläger meint, zu Unrecht eine Zusammenarbeit mit Astrologen und Personen, die Horoskope aufstellen, ablehnen. Die Gefahr einer Beeinträchtigung dienstlicher Interessen erscheint schon deswegen als naheliegend und wahrscheinlich, weil nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ein großer Teil der Bevölkerung des Landkreises derartigen Tätigkeiten ablehnend gegenübersteht, und der Kläger, wie er mehrfach selbst vorgetragen hat, mit seiner Nebentätigkeit seinen späteren Hauptberuf vorbereiten will. Unter diesen Umständen kann und muß davon ausgegangen werden, daß er die astrologische Beratertätigkeit immer mehr intensiviert, Werbung betreibt und für seine Nebentätigkeit erhebliche Zeit aufwenden wird, in der er seinen „Probanden” nicht zur Verfügung steht. Aber gerade wenn er diese leiten und überwachen soll, muß er ständig als Ansprechpartner bereit sein und kann sich nicht etwa nur auf das Ableisten der öffentlichen Dienststunden beschränken.
c) Die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ist nach alledem nicht nur eine fernliegende Möglichkeit, sondern es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, daß diese – auch wenn keine unmittelbare Verquickung der Nebentätigkeit mit den dienstlichen Aufgaben zu erwarten ist – in nachhaltiger Weise tangiert werden. Diese Prognose schließt einen Anspruch des Klägers auf Genehmigung der von ihm beabsichtigten Nebenbeschäftigung aus.
III. Nach den vorstehenden Ausführungen ist der Hilfsantrag des Klägers jedenfalls unbegründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu dem Hilfsantrag ausgeführt, er sei unzulässig. Gebe das Arbeitsgericht dem Hauptantrag statt, so falle auf die Berufung des Beklagten auch der Hilfsantrag des Klägers bei dem Berufungsgericht zur Entscheidung an. Der Antrag entbehre jedoch der erforderlichen Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Aus ihm sei nicht zu entnehmen, in welchem örtlichen Bereich außerhalb des beklagten Landkreises der Kläger seine Tätigkeit ausüben wolle. Im übrigen müsse der Kläger sein „Petitum” auch in örtlicher Hinsicht derart konkretisieren, daß dem beklagten Landkreis die Prüfung möglich sei, ob der in Aussicht genommene örtliche Tätigkeitsbereich zu einer im Sinne von § 83 LBG BW relevanten Beeinträchtigung dienstlicher Interessen führen könne. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nur im Ergebnis stand.
2. Der Antrag ist zulässig, da er bestimmt genug ist. Nach Wortlaut und Sinn wird mit ihm eine Genehmigung der Nebentätigkeit für alle Gebiete mit Ausnahme des beklagten Landkreises erstrebt. Dies ist ausreichend im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
3. Der Hilfsantrag ist jedoch aus den gleichen Gründen wie der Hauptantrag nicht begründet. Gerade wenn der Kläger beabsichtigt, die beantragte Nebentätigkeit zum Hauptberuf auszubauen, muß er überörtlich bekannt werden und u.a. auch Werbung betreiben. Dann läßt es sich aber überhaupt nicht verhindern, daß er als Astrologe oder „Sterndeuter” auch im Gebiet des beklagten Landkreises bekannt wird, mit allen sich daraus für seine dienstlichen Aufgaben ergebenden negativen Auswirkungen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Röhsler, Dörner, Schneider, Dr. Steinhauser, Schwarck
Fundstellen