Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf des Bezugsrechts im Konkurs bei Entgeltumwandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der Konkursverwalter das Bezugsrecht des Versorgungsberechtigten versicherungsvertraglich wirksam widerrufen hat, kann er nach §§ 985, 952 BGB die Herausgabe des Versicherungsscheins verlangen.
2. Der Senat hält daran fest, daß das Versicherungsverhältnis und das zwischen dem Unternehmer und dem Beschäftigten bestehende Versorgungsverhältnis voneinander unterschieden werden müssen. Welche Rechte dem Konkursverwalter und dem begünstigten Beschäftigten aus dem Versicherungsverhältnis zustehen, hängt allein von der Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses ab. Auch bei einer Entgeltumwandlung erfüllt der Konkursverwalter mit dem im Versicherungsvertrag vorbehaltenen Widerruf seine konkursrechtlichen Pflichten nach § 117 Abs. 1 KO (Fortführung des Urteils vom 17. Oktober 1995 - 3 AZR 622/94 - AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung).
3. Eine Entgeltumwandlung im Sinne des § 1 Abs. 5 BetrAVG setzt voraus, daß im Umwandlungszeitpunkt bereits eine Rechtsgrundlage für den betroffenen Entgeltanspruch bestand.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, § 5 Abs. 1 S. 3, § 65; ArbGG§ 73 Abs. 2; BetrAVG § 1 Abs. 5, §§ 1, 7; BGB §§ 134, 242, 273, 952, 985-986; GVG § 17a Abs. 5; KO §§ 49, 117 Abs. 1; VVG § 168
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 8. Januar 1998 - 4 Sa 360/97 - wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger ist der Konkursverwalter über das Vermögen der P Baugesellschaft mbH. Er verlangt vom Beklagten die Herausgabe des Versicherungsscheins für eine Direktversicherung.
Der Beklagte war als Maurermeister und stellvertretender Geschäftsführer bei der P Baugesellschaft mbH beschäftigt und an ihr mit einer Einlage von 5.000,00 DM beteiligt. Sie war mit Gesellschaftsvertrag vom 5. Oktober 1984 errichtet und am 2. Januar 1985 in das Handelsregister eingetragen worden. Im Vertrag vom 7. Dezember 1986 vereinbarte sie mit dem Beklagten, „daß in den kommenden Jahren auf eine Gehaltserhöhung verzichtet und dafür eine Direktversicherung als Altersversorgung abgeschlossen wird”. Daraufhin schloß sie auf das Leben des Beklagten den Versicherungsvertrag Nr. 8998 635-10. Die Bezugsberechtigung wurde im Versicherungsvertrag wie folgt geregelt:
„Der Versicherte ist sowohl für den Todes- als auch für den Erlebensfall unter den nachstehenden Vorbehalten unwiderruflich bezugsberechtigt. Die Abtretung oder Beleihung des unwiderruflichen Bezugsrechts wird ausgeschlossen.
Dem Arbeitgeber bleibt das Recht vorbehalten, alle Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn
- das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles endet, es sei denn, der Versicherte hat das 35. Lebensjahr vollendet und entweder die Versicherung hat 10 Jahre oder das Arbeitsverhältnis 12 und die Versicherung 3 Jahre bestanden.
- der Versicherte Handlungen begeht, die den Arbeitgeber berechtigen, die Versicherungsansprüche zu mindern oder zu entziehen.
- …”
Am 19. Januar 1993 schied der Beklagte aus den Diensten der P Baugesellschaft mbH aus. Am 12. Februar 1993 wurde über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Als Konkursverwalter hat der Kläger das Bezugsrecht des Beklagten widerrufen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe aufgrund der im Versicherungsvertrag enthaltenen Vorbehalte alle Versicherungsleistungen für die Konkursmasse in Anspruch nehmen können. Der Widerruf des Bezugsrechts sei wirksam. Entscheidend sei die Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses. Daß der Versicherungsvertrag auf einer Gehaltsumwandlung beruhe, sei unerheblich. Dem Beklagten stehe kein Aussonderungsrecht zu. Er müsse den Versicherungsschein herausgeben.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zur Herausgabe des von der IDUNA-NOVA Lebensversicherungs aG ausgestellten Versicherungsscheins über die Lebensversicherung mit der Nr. 8998 635-10 an den Kläger zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, er sei nicht zur Herausgabe des Versicherungsscheins verpflichtet. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag stünden ihm zu. Die Voraussetzungen der im Versicherungsvertrag aufgeführten Vorbehalte seien nicht erfüllt. Schon deshalb habe der Kläger das Bezugsrecht des Beklagten nicht widerrufen können. Abgesehen davon sei der Widerruf nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG, § 134 BGB unwirksam. Durch die Gehaltsumwandlung habe der Beklagte eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erlangt. Weder die Gemeinschuldnerin noch der Konkursverwalter habe ihm diese gefestigte Rechtsstellung wieder entziehen können. Die betriebliche Altersversorgung dürfe nicht künstlich in ein Versorgungsverhältnis und ein Versicherungsverhältnis aufgespalten werden. Der Widerruf des Bezugsrechts stelle eine vorsätzliche, rechtswidrige Handlung dar. Der Konkursverwalter könne nicht vollwertige Versicherungsrechte gegen nahezu wertlose Schadensersatzansprüche eintauschen. Im übrigen stehe dem Beklagten ein Aussonderungsrecht zu, weil der Arbeitgeber bei einer Gehaltsumwandlung wie ein Treuhänder zu behandeln sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben.
A. Der Senat hat über die Klage sachlich zu entscheiden. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG sind die Arbeitsgerichte für Rechtsstreitigkeiten zwischen einer juristischen Person und ihrem Vertretungsorgan nicht zuständig. Das gilt unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis darstellt (BAG Beschluß vom 13. Mai 1996 - 5 AZB 27/95 - AP Nr. 27 zu § 5 ArbGG 1979, zu II 2 der Gründe; Beschluß vom 11. April 1997 - 5 AZB 32/96 - AP Nr. 47 zu § 2 ArbGG 1979, zu II 2 der Gründe, m.w.N.). Auch stellvertretende Geschäftsführer sind Vertreter der GmbH (§§ 44, 35 GmbHG). Im Revisionsverfahren spielt es jedoch keine Rolle mehr, ob der Kläger Organvertreter war. Hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen stillschweigend durch Erlaß eines Urteils bejaht, so ist das Rechtsmittelgericht nach § 17 a Abs. 5 GVG, §§ 65, 73 Abs. 2 ArbGG gehindert, die Frage des Rechtswegs zu prüfen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn wegen der Rüge einer Partei eine Vorabentscheidung des Arbeitsgerichts geboten war (BAG Beschluß vom 9. Juli 1996 - 5 AZB 6/96 - AP Nr. 24 zu § 17 a GVG, zu II der Gründe; Urteil vom 21. August 1996 - 5 AZR 1011/94 - AP Nr. 42 zu § 2 ArbGG 1979, zu II 1 a der Gründe). Eine derartige Rüge ist nicht erhoben worden.
B. Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, den Versicherungsschein an den Konkursverwalter herauszugeben. Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, ergibt sich der geltend gemachte Anspruch aus § 985 BGB. Der Konkursverwalter übt nach § 6 Abs. 2 KO die Rechte der Gemeinschuldnerin aus. Sie ist Eigentümerin des Versicherungsscheins. Der Beklagte hat kein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB.
I. Der Gläubiger der Versicherungsleistungen ist nach § 952 BGB auch Eigentümer des Versicherungsscheins (vgl. dazu u. a. Palandt/Bassenge, BGB, 58. Aufl., § 952 Rz 2; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 3 Rz 45, m.w.N.). Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag stehen dem klagenden Konkursverwalter zu.
1. Für den geltend gemachten Anspruch ist es unerheblich, ob zwischen dem Beklagten und der Gemeinschuldnerin ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis bestand. Das Betriebsrentengesetz ist entweder nach § 17 Abs. 1 Satz 1 oder nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG anzuwenden. Welche Rechte dem Konkursverwalter und dem begünstigten Beschäftigten aus dem Versicherungsverhältnis zustehen, hängt jedoch allein von der Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses ab. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats müssen das Versicherungsverhältnis und das zwischen dem Unternehmer mit dem Beschäftigten bestehende Versorgungsverhältnis voneinander unterschieden werden (BAG Urteil vom 26. Februar 1991 - 3 AZR 213/90 - AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, zu I der Gründe; Urteil vom 28. März 1995 - 3 AZR 373/94 - BAGE 79, 360, 363 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, zu I der Gründe; Urteil vom 17. Oktober 1995 - 3 AZR 622/94 - AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, zu I 1 der Gründe).
a) An dieser Auffassung hat der Senat entgegen der Ansicht des Beklagten auch im Urteil vom 8. Juni 1993 (- 3 AZR 670/92 - BAGE 73, 209 = AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Unverfallbarkeit) festgehalten. Er hat auf die Notwendigkeit der Differenzierung ausdrücklich hingewiesen und aus ihr den Schluß gezogen, daß ein im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherer vereinbartes Widerrufsrecht dem Arbeitgeber nur im Verhältnis zum Versicherer die Möglichkeit zum Widerruf des Bezugsrechts gebe. Aus dem Arbeitsvertrag könne sich ergeben, daß der Arbeitgeber von dem ihm versicherungsrechtlich eingeräumten Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen dürfe. Widerrufe er dennoch, so sei der Widerruf versicherungsrechtlich wirksam, verpflichte den Arbeitgeber jedoch zum Schadensersatz (BAGE 73, 209, 213 f. = AP, aaO, zu 3 der Gründe). Auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 28. Juni 1994 - 1 C 20.92 - BVerwGE 96, 160, 164 f. = AP Nr. 3 zu § 10 BetrAVG, zu 2 c cc ccc) und der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19. Juni 1996 - IV ZR 243/95 - AP Nr. 25 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung) gehen von dieser Trennung aus. Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. März 1992 (- 17 U 201/91 - NJW-RR 1992, 798 ff.), auf das sich der Beklagte beruft, vermengt im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, Bundesgerichtshofs und Bundesverwaltungsgerichts die arbeitsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Rechtsbeziehungen (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 17. Oktober 1995 - 3 AZR 622/94 -, aaO, zu II 1 b der Gründe). Auch mit den Argumenten von Paulsdorff (Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, § 7 Rz 383 ff.) hat sich der Senat in seinen früheren Entscheidungen bereits auseinandergesetzt. Der Kläger hat keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht, die zu einer Änderung der Rechtsprechung Anlaß geben könnten.
b) Entgegen der Ansicht des Beklagten besteht bei einer Direktversicherung kein „einheitlich zu betrachtendes Rechtsverhältnis”, sondern eine Dreiecksbeziehung, die sich aus mehreren Rechtsverhältnissen zusammensetzt. Die Versorgungszusage begründet zwischen dem Unternehmer und dem Beschäftigten ein arbeits- bzw. dienstvertragliches Versorgungsverhältnis. Mit dem Abschluß des Versicherungsvertrages entstehen versicherungsrechtliche Rechtsbeziehungen. Der Unternehmer ist Versicherungsnehmer. Der Beschäftigte ist Versicherter. Ihm stehen nur die im Versicherungsvertrag vereinbarten Bezugsrechte zu. Stimmen diese Bezugsrechte nicht mit der Versorgungszusage überein, so hat der Unternehmer seine arbeits- bzw. dienstvertraglichen Versorgungspflichten nicht vollständig erfüllt. Der Beschäftigte hat dann gegen den Unternehmer einen Anspruch auf Abänderung des Bezugsrechts (Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung zur betrieblichen Altersversorgung, Kapitel C Rz 12; Ulrike Heither, Ergänzende Altersvorsorge durch Direktversicherung nach Gehaltsumwandlung, S. 171; Höfer, BetrAVG, Stand: 1999, § 1 Rz 1630.20).
2. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag hängen nur insoweit von den Rechten aus dem arbeits- bzw. dienstvertraglichen Versorgungsverhältnis ab, als dieses Rechtsverhältnis aufgrund einer versicherungsvertraglichen Vereinbarung oder kraft Gesetzes auf das Versicherungsverhältnis einwirkt. Im Streitfall fehlt eine derartige Verknüpfung.
a) Nach § 168 VVG sind die Versicherungsleistungen an den Versicherungsnehmer zu erbringen, wenn nicht ein Dritter bezugsberechtigt ist. Bei einer Direktversicherung ist der Arbeitgeber Versicherungsnehmer. Dem Beklagten wurde im Versicherungsvertrag nur ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt. Der Konkursverwalter konnte das Bezugsrecht aufgrund des im Versicherungsvertrag vereinbarten Vorbehalts widerrufen.
aa) Der Versicherungsvertrag enthält entgegen der Ansicht des Beklagten nicht einen Vorbehalt mit zwei kumulativen Voraussetzungen, sondern zwei alternative Vorbehalte. Der Wortlaut und die Textgestaltung sprechen gegen die Auslegung des Beklagten. Zwischen den beiden Vorbehalten fehlt das Wort „und”. Die Vorbehalte sind jeweils mit einem Spiegelstrich versehen. Nach dem ersten Vorbehalt ist ein Punkt gesetzt. Diese Form ist für alternative Voraussetzungen gebräuchlich. Inhaltlich knüpft die erste Alternative an die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG an und räumt dem Arbeitgeber versicherungsvertraglich den Zugriff auf die Versicherungsleistungen ein, wenn der Arbeitnehmer noch keine gesetzlich geschützte Versorgungsanwartschaft erlangt hat. Der weitere Vorbehalt setzt voraus, daß die Versorgungszusage wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers widerrufen werden kann. Diese Variante kommt auch dann zum Zuge, wenn die Versorgungsanwartschaft des Arbeitnehmers nach § 1 Abs. 1 BetrAVG unverfallbar geworden ist.
bb) Die Voraussetzungen der ersten Vorbehaltsalternative sind erfüllt. Der Kläger hatte zwar das 35. Lebensjahr vollendet. Die Versicherung bestand aber erst seit dem 1. Januar 1987 und damit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahre 1993 noch keine zehn Jahre. Das Beschäftigungsverhältnis mit der P Baugesellschaft mbH, die erst im Jahre 1984 gegründet worden war, hatte keine zwölf Jahre bestanden.
b) Der Konkursverwalter hat das Bezugsrecht des Beklagten versicherungsvertraglich wirksam widerrufen. Der Widerruf des Bezugsrechts ist nicht nach § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG nichtig. Zum einen verstößt der Widerruf nicht gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG. Zum anderen enthält diese Vorschrift kein gesetzliches Verbot.
aa) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG „ist der Arbeitgeber verpflichtet, wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Erfüllung der in § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrAVG genannten Voraussetzungen das Bezugsrecht nicht mehr zu widerrufen”. Diese gesetzliche Unterlassungspflicht setzt wegen der Verweisung auf § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrAVG eine gesetzlich unverfallbare Versorgungsanwartschaft voraus. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrAVG sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Beklagte hat die erforderliche Dauer der Versorgungszusage und der Betriebszugehörigkeit nicht erreicht.
bb) Ob die Versorgungsanwartschaft des Beklagten arbeits- bzw. dienstvertraglich unverfallbar war, ist fraglich, kann jedoch offen bleiben.
(1) Der Senat hat im Urteil vom 8. Juni 1993 (- 3 AZR 670/92 - BAGE 73, 209, 214 f. = AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Unverfallbarkeit, zu 4 b der Gründe) folgende Auslegungsregel entwickelt: Werden bei einer betrieblichen Altersversorgung in Form einer Direktversicherung die Prämien der Versicherung vereinbarungsgemäß anstelle einer Vergütung gezahlt (Versicherung nach Gehaltsumwandlung), so ist in der Regel davon auszugehen, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine von vornherein unentziehbare Rechtsposition einräumen und damit die Unverfallbarkeit der Anwartschaft zusagen wollte.
Im vorliegenden Fall ist zweifelhaft, ob überhaupt eine Gehaltsumwandlung vorlag. Dafür genügen bloße Chancen auf einen höheren Verdienst nicht. Der Senat ist im Urteil vom 8. Juni 1993 (aaO) davon ausgegangen, daß der Arbeitnehmer bei einer Gehaltsumwandlung „auf einen Teil des vertraglich vereinbarten Entgelts verzichtet”. Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich die Entgeltumwandlung als betriebliche Altersversorgung anerkannt. Der mit Wirkung zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene § 1 Abs. 5 BetrAVG verlangt, daß sich die Entgeltumwandlung auf „künftige Entgeltansprüche” bezieht. Sowohl nach der früheren Rechtsprechung des Senats als auch nach der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Definition der Entgeltumwandlung muß im Umwandlungszeitpunkt bereits eine Rechtsgrundlage für den betroffenen Entgeltanspruch bestanden haben (vgl. auch Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Ergänzungsheft, Stand: 1. Mai 1998, Einl. zu Rz 55; Höfer, BetrAVG, Stand: 1999, § 1 Rz 1630.9 ff.; Doetsch/Förster/Rühmann, DB 1998, 258; Wohlleben, DB 1998, 1230). Ob der Beklagte bereits bei Abschluß der Vereinbarung vom 7. Dezember 1986 eine derartige Rechtsstellung inne hatte, steht nicht fest.
(2) Für die versicherungsvertragliche Wirksamkeit des Widerrufs des Bezugsrechts kommt es jedoch nicht darauf an, ob der Beklagte im Zeitpunkt der Versorgungszusage lediglich eine rechtlich ungeschützte Aussicht auf zusätzliches Entgelt hatte und ob die vom Senat entwickelte Auslegungsregel auch in einem solchen Fall gilt. Die arbeits- bzw. dienstvertragliche Unverfallbarkeit kann unterstellt werden. Sie führt lediglich zu einer arbeits- bzw. dienstvertraglichen Verhaltenspflicht des Unternehmers gegenüber dem Beschäftigten.
cc) Jedenfalls schützt das Betriebsrentengesetz die lediglich vertraglich unverfallbaren Versorgungsanwartschaften nicht stärker als die gesetzlich unverfallbaren Versorgungsanwartschaften. Selbst für die gesetzlich unverfallbaren Versorgungsanwartschaften enthält § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG kein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB (BAG Urteil vom 26. Februar 1991 - 3 AZR 213/90 -, aaO, zu I 2 b der Gründe).
(1) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG ist der Unternehmer zu einem bestimmten Verhalten gegenüber dem Beschäftigten verpflichtet. Wann sich die versorgungsrechtlichen Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis auf das Versicherungsverhältnis auswirken sollen, hat dies der Gesetzgeber im Betriebsrentengesetz klar zum Ausdruck gebracht. Beispielsweise kann im Versicherungsvertrag nicht vereinbart werden, daß nach Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft das versicherungsvertragliche Bezugsrecht durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auflösend bedingt ist. Eine derartige Klausel im Versicherungsvertrag ist nach § 1 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG „unwirksam”. Im Gegensatz dazu erklärt § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG den Widerruf des Bezugsrechts nach Erfüllung der gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen nicht für unwirksam. § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG enthält auch nicht die für Verbotsnormen typischen Formulierungen. Der Gesetzgeber hat bewußt lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung des Unternehmers gegenüber dem versorgungsberechtigten Beschäftigten geschaffen.
(2) Nach § 7 Abs. 2 BetrAVG erhalten Personen mit einer gesetzlich unverfallbaren Versorgungsanwartschaft bei einem widerruflichen Bezugsrecht Insolvenzschutz. Dieser Schutz ist nur sinnvoll, wenn der Widerruf des Bezugsrechts trotz der gesetzlich unverfallbaren Versorgungsanwartschaft möglich ist.
3. Der Konkursverwalter handelt nicht rechtsmißbräuchlich, wenn er unter Verletzung seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis die versicherungsvertraglichen Möglichkeiten nutzt und das Bezugsrecht des Beschäftigten widerruft.
a) Auch eine Gehaltsumwandlung ändert nichts daran, daß der Konkursverwalter durch den Widerruf des Bezugsrechts seinen konkursrechtlichen Pflichten nach § 117 Abs. 1 KO nachkommt. Er muß Vermögensgegenstände, an denen kein Aus- oder Absonderungsrecht besteht, der Konkursmasse erhalten und für die möglichst weitgehende gleichmäßige Befriedigung der Konkursforderungen sorgen (BAG Urteil vom 26. Februar 1991 - 3 AZR 213/90 -, aaO, zu III der Gründe; Urteil vom 17. Oktober 1995 - 3 AZR 622/94 -, aaO, zu II 3 der Gründe). Soweit die von der Gemeinschuldnerin übernommenen vertraglichen Pflichten nicht erfüllt werden, verweist das Konkursrecht den Beklagten auf Schadensersatzansprüche, die zur Konkurstabelle anzumelden sind.
b) § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG trägt den konkursrechtlichen Pflichten des Konkursverwalters Rechnung. Diese Vorschrift verpflichtet lediglich dazu, das Bezugsrecht nicht „wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses” zu widerrufen. Die Bestimmung befaßt sich nicht mit dem Widerruf des Bezugsrechts zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Konkursgläubiger. Sie enthält keine dem Konkursrecht und dem Versicherungsvertragsrecht vorgehende Sonderregelung (BAG Urteil vom 17. Oktober 1995 - 3 AZR 622/94 -, aaO, zu I 2 der Gründe).
II. Der Beklagte kann die Herausgabe des Versicherungsscheins an den Konkursverwalter weder aufgrund eines Treuhandverhältnisses noch wegen eines Zurückbehaltungsrechts verweigern.
1. Dem Beklagten steht kein Aussonderungsrecht aus einem Treuhandverhältnis zu (BAG Urteil vom 26. Februar 1991 - 3 AZR 213/90, aaO, zu I 3 der Gründe; Urteil vom 17. Oktober 1995 - 3 AZR 622/94 -, aaO, zu II 1 c der Gründe). Bei einer Gehaltsumwandlung sind weder die Voraussetzungen eines echten, noch eines unechten Treuhandverhältnisses erfüllt. Bei einem unechten Treuhandverhältnis verbleibt die Forderung beim Treugeber. Der Treuhänder wird lediglich ermächtigt, über das Vermögen des Treugebers zu verfügen. Ein echtes Treuhandverhältnis, das den Treugeber zur Aussonderung des Treuguts im Konkurs des Treuhänders berechtigt, liegt nur vor, wenn der Treugeber einen ihm gehörenden Vermögensgegenstand dem Treuhänder mit der Abrede überträgt, die erlangte Rechtsmacht zwar im eigenen Namen, aber nur im Interesse des Treugebers auszuüben. Das sogenannte Treugut muß aus dem Vermögen des Treugebers in das des Treuhänders übertragen worden sein. Der Beklagte hat im Zuge der Gehaltsumwandlung keine versicherungsrechtlichen Ansprüche auf seinen Arbeitgeber übertragen. Vielmehr ergaben sich die Rechte der Gemeinschuldnerin unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag, den sie im eigenen Namen als Versicherungsnehmerin schloß und in dem sie sich selbst zu Beitragszahlungen verpflichtete. Der Beklagte hat lediglich auf künftige Gehaltserhöhungen verzichtet und statt dessen einen Versorgungsanspruch erhalten. Allein durch die Veränderung des Inhalts arbeitsrechtlicher Pflichten entsteht kein Treuhandverhältnis.
2. Die durch den Widerruf des Bezugsrechts ausgelösten arbeitsvertraglichen Schadensersatzansprüche können zwar zu einem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB führen. Im Konkurs sind aber nur die Zurückbehaltungsrechte mit Absonderungskraft (§ 49 KO) zu beachten. § 273 BGB beruht auf dem Gedanken, daß der Gläubiger treuwidrig handelt, wenn er von dem Schuldner eine Leistung verlangt, ohne die diesem gebührende Leistung zu erbringen. Eine Treuwidrigkeit liegt nicht vor, wenn der Konkursverwalter Gegenstände für die Masse in Anspruch nimmt, an denen ein Zurückbehaltungsrecht besteht, dem die Wirksamkeit im Konkurs versagt ist. Er hat die Pflicht, diese Gegenstände zur Verwaltung und Verwertung an sich zu ziehen (Kilger/Schmidt, KO, 17. Aufl., § 49 Anm. 8, m.w.N.).
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Kaiser, Martschin
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.06.1999 durch Freitag, Justizsekretärin z. A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436202 |
BAGE, 1 |
BB 1999, 1930 |
BB 1999, 2195 |
DB 1999, 2069 |
NWB 1999, 3661 |
EBE/BAG 1999, 138 |
EWiR 2000, 111 |
FA 1999, 333 |
KTS 1999, 547 |
NZA 1999, 1103 |
ZIP 1999, 1638 |
AP, 0 |
NZI 2000, 341 |
NZI 2001, 88 |
VersR 2000, 80 |