Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsgewährung durch Freistellungserklärung im Aufhebungsvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Eine in einem Aufhebungsvertrag enthaltene Klausel, nach der alle gegenseitigen Forderungen erledigt sind, bewirkt nicht das Erlöschen des gekürzten Vollurlaubsanspruchs nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG.
2. Die Urlaubsgewährung nach § 7 Abs. 1, 2 BUrlG setzt voraus, daß der Arbeitgeber hinreichend erkennbar macht, er befreie den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht, um den Urlaubsanspruch zu erfüllen. Deshalb ist der Schluß unzulässig, daß mit einer im Aufhebungsvertrag vereinbarten Freistellung stets die Erfüllung des Urlaubsanspruchs verbunden ist.
Normenkette
BGB §§ 362, 397; BUrlG §§ 1, 3, 5, 13
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 20. November 1996 - 7 Sa 416/96 - aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23. November 1995 - 8 Ca 10427/94 - abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 830,77 DM brutto nebst 4 % Zinsen vom Nettobetrag seit dem 1. Oktober 1994 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen werden die Berufung und die Revision zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu 7/10, der Beklagte zu 3/10 zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Urlaubsabgeltung zu gewähren.
Die Parteien haben am 31. März 1993 einen Arbeitsvertrag geschlossen, in dem unter anderem ein Jahresurlaub in Höhe von 30 Tagen und nach Ablauf der Probezeit die Zahlung eines Gehalts von 6.000,00 DM im Monat vereinbart ist. Der Kläger nahm am 1. Juni 1993 die Arbeit auf. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 15. Mai 1994. Am 1. Juni 1994 einigten sich die Parteien in einem sog. "Auseinandersetzungsvertrag" auf folgende Abwicklung:
Das Arbeitsverhältnis ... endet am 30. Juni 1994 im gegenseitigen Einvernehmen. Bis zu diesem Termin ist H. G von seinen Aufgaben freigestellt. Mit Zahlung des Gehalts Juni und Aushändigung der Papiere sowie einem qualifizierten Zeugnis sind alle gegenseitigen Forderungen erledigt.
Nach erfolgloser Mahnung hat der Kläger am 1. Dezember 1994 Klage auf Urlaubsabgeltung erhoben. Zunächst hat er die Abgeltung für 15 Urlaubstage verlangt. Zuletzt hat er eingeräumt, daß ihm bereits sechs Urlaubstage für das Urlaubsjahr 1994 vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden sind.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.727,27 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag ab dem 1. Oktober 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den zuletzt gestellten Sachantrag.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Klägers ist nur teilweise begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger drei Tage Urlaub, die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1994 nicht mehr gewährt werden konnten, durch die Zahlung von 830,77 DM nebst Verzugszinsen abzugelten. Im übrigen ist die Revision unbegründet.
1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, daß ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers nicht entstanden ist. Der Urlaubsanspruch sei vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die im Auseinandersetzungsvertrag vereinbarte Freistellung von der Arbeitspflicht erfüllt worden.
2. Hiergegen wendet sich zu Recht die Revision.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Urlaubsanspruch ein durch das Bundesurlaubsgesetz bedingter Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von den vertraglichen Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne daß die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts berührt wird (vgl. BAGE 45, 184, 187 = AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; BAGE 54, 59, 62 = AP Nr. 19 zu § 11 BUrlG; BAGE 59, 154, 161 = AP Nr. 22 zu § 11 BUrlG; BAGE 75, 294, 296).
b) Die zur Erfüllung des Anspruchs erforderliche Erklärung des Arbeitgebers muß hinreichend deutlich erkennen lassen, daß durch die zeitliche Festlegung der Arbeitsbefreiung Urlaub gewährt wird (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BUrlG). Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken (§ 362 Abs. 1 BGB), den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers z. B. zur besseren Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme verzichten will (§ 615 BGB).
c) Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Es hat, ohne die Zweckbestimmung der Freistellung zu prüfen, pauschal auf den "Sinn und Zweck des Auseinandersetzungsvertrages" abgestellt. Seine Auslegung, mit der Freistellung seien die Urlaubsansprüche erledigt, hat im Auseinandersetzungsvertrag keinen Ausdruck gefunden. Die Parteien haben vielmehr vereinbart: "Mit Zahlung des Gehalts Juni und Aushändigung der Papiere sowie einem qualifizierten Zeugnis sind alle gegenseitigen Forderungen erledigt". Diese Formulierung spricht dafür, daß die Parteien von der Vorstellung ausgegangen sind, sämtliche nicht ausdrücklich aufgeführten Ansprüche einschließlich der Urlaubsansprüche würden mit der Erledigungsklausel erlassen. Das Landesarbeitsgericht hat somit unzulässigerweise die Frage nach der Geltung dieser Erledigungsklausel mit der Urlaubsgewährung verknüpft.
3. Der Kläger hat Anspruch auf Abgeltung von drei restlichen Tagen gesetzlichen Mindesturlaub, der durch die vereinbarte Erledigungsklausel nicht erloschen ist.
a) Der Kläger kann nicht die Abgeltung des vertraglich vereinbarten Urlaubs verlangen. Der die Dauer des gesetzlichen Urlaubs überschreitende Anspruch ist vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 397 BGB erloschen.
Mit der vereinbarten Erledigung aller gegenseitigen Forderungen hat der Kläger nach § 397 Abs. 2 BGB anerkannt, daß aus dem Arbeitsverhältnis keine Ansprüche mehr bestehen. Ein derartiges negatives Schuldanerkenntnis bringt alle Ansprüche, die den Erklärenden bekannt waren oder mit deren Bestehen zu rechnen war, zum Erlöschen (vgl. BAG Urteil vom 21. Juli 1978 - 6 AZR 1/77 - AP Nr. 5 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit; BAG Urteil vom 31. Mai 1990 - 8 AZR 132/89 - BAGE 65, 171, 173 = AP Nr. 13 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit; Senatsurteil vom 20. Januar 1998 - 9 AZR 812/96 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Das schließt auch den Erlaß von Urlaubsansprüchen im bestehenden Arbeitsverhältnis ein, soweit sie den gesetzlichen Mindesturlaub nach §§ 1, 3 BUrlG übersteigen. Der gesetzliche Mindesturlaub ist demgegenüber nach § 13 Abs. 1 BUrlG unabdingbar (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 20. Januar 1998 - 9 AZR 812/96 -).
b) Zwar betrug der unabdingbare gesetzliche Mindesturlaubsanspruch im Jahr 1994 nach § 3 Abs. 1 BUrlG in der in den alten Bundesländern geltenden Fassung vom 26. Mai 1994 18 Werktage. Dieser auf das gesamte Urlaubsjahr bezogene sog. Vollurlaubsanspruch war aber für den zum Ende des ersten Halbjahres ausscheidenden Kläger nach § 5 Abs. 1 c BUrlG auf neun Werktage zu kürzen. Auch der gekürzte Vollurlaubsanspruch unterliegt dem Schutz der Unabdingbarkeit nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG (BAG Urteil vom 18. Juni 1980 - 6 AZR 328/78 - AP Nr. 6 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit; BAG Urteil vom 31. Mai 1990 - 8 AZR 132/89 - BAGE 65, 171, 174). Der gesetzliche Anspruch des Klägers auf neun Werktage Urlaub blieb deshalb vom Erlaßvertrag unberührt.
c) Von den bei Abschluß der Auseinandersetzungsvereinbarung zustehenden neun Werktagen Urlaub sind sechs Tage nach § 362 BGB durch Erfüllung erloschen. Der Kläger hat die Gewährung von insgesamt sechs Tagen Urlaub in der Revisionsverhandlung zugestanden.
d) Die drei restlichen Tage Urlaub konnten dem Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 1994 nicht mehr gewährt werden. Nach § 7 Abs. 4 BUrlG sind sie deshalb mit dem in rechnerischer Höhe unstreitigen Betrag von 830,77 DM abzugelten.
4. Die Beklagte war nach § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Zahlung der Urlaubsabgeltung im Verzug. Sie hat nach § 288 Abs. 1 Satz 1 die Geldschuld mit 4 v.H. für das Jahr zu verzinsen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits waren entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.
Unterschriften
Leinemann Reinecke Düwell R. Trümner H. Unger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.06.1998 durch Brüne, Reg.-Obersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436538 |
BAGE, 91 |
BB 1998, 1480 |
BB 1999, 159 |
DB 1998, 1288 |
DB 1999, 52 |
DStR 1998, 1276 |
NJW 1999, 1496 |
ARST 1998, 240 |
ARST 1999, 89 |
FA 1998, 266 |
FA 1999, 16 |
JR 2000, 43 |
NZA 1999, 80 |
RdA 1999, 225 |
SAE 1999, 116 |
ZTR 1999, 42 |
AP, 0 |
ArbuR 1998, 284 |
PersR 1998, 257 |
LL 1999, 156 |
SPA 2002, 7 |