Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung. regelmäßige Arbeitszeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine ständig erbrachte Mindestarbeitsleistung (Arbeitszeitsockel) kann als konkludent vereinbart angesehen werden, wenn der Arbeitgeber die entsprechende Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer erwartet und entgegennimmt. Sie ist Grundlage für einen Mindestumfang der Entgeltfortzahlung.
2. Überstunden iSv. § 4 Abs. 1a EFZG liegen vor, wenn die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers überschritten wird. Leistet der Arbeitnehmer ständig eine bestimmte Arbeitszeit, die mit der betriebsüblichen oder tariflichen Arbeitszeit nicht übereinstimmt, kann von Überstunden nicht gesprochen werden. Überstunden werden wegen bestimmter besonderer Umstände zusätzlich geleistet.
Normenkette
EFZG § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1a S. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 26. September 2001 – 7 Sa 1081/00 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger ist seit 1979 als LKW-Fahrer in der Abfallentsorgung bei der Beklagten beschäftigt. Er ist stellvertretender Vorsitzender des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundesmanteltarifvertrag vom 16. September 1996 für die Entsorgungswirtschaft (BMTV) in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 2. Februar 1999 Anwendung. § 4 BMTV setzt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden fest. Bei betrieblicher Mehrarbeit können Arbeitgeber und Betriebsrat eine wöchentliche Arbeitszeit zwischen 37 und 48 Stunden vereinbaren.
Im Betrieb der Beklagten galt ab 1. Oktober 1992 eine Betriebsvereinbarung, die die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Mitarbeiter im Bereich der Abfallentsorgung auf 45 Stunden, verteilt auf fünf Arbeitstage, festlegte. Die Beklagte kündigte diese Betriebsvereinbarung zum 31. Oktober 1996. Der Kläger erbrachte nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils auch anschließend regelmäßig neun Stunden und mehr Arbeitszeit täglich bei fünf Arbeitstagen/Woche.
Der Kläger erlitt am 30. November 1999 einen Arbeitsunfall. Er war dann bis zum 14. Januar 2000 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte leistete auf der Grundlage eines unstreitigen Stundenlohns von 21,71 DM und einer täglichen Arbeitszeit von 7,4 Stunden Entgeltfortzahlung. Für 23 Arbeitstage des Dezember zahlte sie 3.695,04 DM brutto und für sechs Arbeitstage des Januar 963,92 DM brutto.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Entgeltfortzahlung sei wegen seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 45 Stunden auf der Grundlage einer Arbeitsleistung von neun Stunden/Tag zu errechnen. Soweit er in einer Woche weniger als acht Stunden über die Tarifarbeitszeit hinaus gearbeitet habe, sei die Arbeit teilweise auf Grund von Urlaub, Sonderurlaub, krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder Feiertagen ausgefallen. Die Beklagte praktiziere den Arbeitseinsatz entsprechend der Betriebsvereinbarung von 1992 weiter.
Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, für insgesamt 30 Arbeitstage (einschl. Feiertage) der Monate Dezember 1999 und Januar 2000 restliche Entgeltfortzahlung von 798,93 DM bzw. 403,81 DM geltend gemacht und beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 1.202,74 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1. Februar 2000 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe Überstunden geleistet, die für die Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen seien. Maßgebend sei allein die tariflich geregelte Arbeitszeit. Die Betriebsvereinbarung entfalte keine Nachwirkung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach dem oben genannten Klageantrag erkannt. Mit der für die Beklagte zugelassenen Revision begehrt diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend auf die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers (§ 4 Abs. 1 EFZG) abgestellt. Diese beträgt mindestens 45 Stunden/Woche. Der Kläger hat insoweit keine Überstunden iSv. § 4 Abs. 1a EFZG geleistet.
I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG der BMTV vom 16. September 1996 für den Streitzeitraum Anwendung. Nach dessen § 10 Abs. 1 gelten bei Arbeitsunfähigkeit im Falle der Krankheit die gesetzlichen Regelungen über die Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfalle. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Da der Kläger am 30. November 1999 während der Arbeitszeit arbeitsunfähig krank wurde, zählt dieser Tag bei der Bemessung des 6-Wochen-Zeitraums nicht mit (vgl. Senat 26. Februar 2003 – 5 AZR 112/02 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Dem Kläger stand bis zum 11. Januar 2000 für insgesamt 30 Arbeits- und Feiertage der Monate Dezember 1999 und Januar 2000 Entgeltfortzahlung zu, die dem Grunde nach nicht streitig ist. Nach § 4 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.
II.1. a) § 4 Abs. 1 EFZG legt der Entgeltfortzahlung ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Maßgebend ist allein die individuelle Arbeitszeit des erkrankten Arbeitnehmers. Es kommt darauf an, welche Arbeitszeit auf Grund der Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist. Bei Schwankungen der individuellen Arbeitszeit ist zur Bestimmung der „regelmäßigen” Arbeitszeit eine vergangenheitsbezogene Betrachtung zulässig und geboten.
b) Die individuelle Arbeitszeit folgt in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag. Auf die allgemein im Betrieb geltende Arbeitszeit kommt es nicht entscheidend an, wie sich aus den Worten „bei der für ihn maßgebenden … Arbeitszeit” ergibt. Auch die kraft Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung im Betrieb geltende Arbeitszeit kann von der individuellen Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach oben oder nach unten abweichen. Grundlage hierfür kann eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung oder etwa eine betriebliche Übung sein. Eine wirksame Vereinbarung über die Arbeitszeit ist nicht erforderlich. Das Gesetz stellt dem Grundsatz nach entscheidend darauf ab, welche Arbeitsleistung tatsächlich ausgefallen ist. Es kommt darauf an, in welchem Umfang der Arbeitnehmer gearbeitet hätte, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre. Etwaige gesetzliche oder tarifliche Höchstarbeitszeiten dienen dem Schutz des Arbeitnehmers. Sie bewahren den Arbeitgeber nicht vor der Verpflichtung, die darüber hinausgehende Arbeitszeit zu vergüten.
c) Zur Berechnung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts ist bei einer Stundenvergütung die Zahl der durch die Arbeitsunfähigkeit ausfallenden Arbeitsstunden (Zeitfaktor) mit dem hierfür jeweils geschuldeten Arbeitsentgelt (Geldfaktor) zu multiplizieren. Bei einer verstetigten, also stets gleich bleibenden Arbeitszeit bereitet die Feststellung der maßgebenden Arbeitszeit keine Schwierigkeiten. Ist ein festes Monatsentgelt vereinbart, ist dieses bei gewerblichen Arbeitnehmern ebenso wie bei Angestellten bis zur Dauer von sechs Wochen fortzuzahlen. Unterliegt die Arbeitszeit und damit die Entgelthöhe vereinbarungsgemäß unregelmäßigen Schwankungen und kann deshalb der Umfang der ausgefallenen Arbeit nicht exakt bestimmt werden, bedarf es der Festlegung eines Referenzzeitraums, dessen durchschnittliche Arbeitsmenge maßgebend ist.
2. Nach § 4 Abs. 1a Satz 1 EFZG gehört nicht zum Arbeitsentgelt nach Abs. 1 das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt. Dieses ist im Krankheitsfall nicht fortzuzahlen.
a) Zusätzlich für Überstunden gezahltes Entgelt stellen nicht nur die Überstundenzuschläge dar. Auch die Grundvergütung für die Überstunden wird zusätzlich zum „normalen” Entgelt, und zwar für die Überstunden, gezahlt. Hätte der Gesetzgeber nur die Überstundenzuschläge aus der Entgeltfortzahlung herausnehmen wollen, hätte er das mit dem eingeführten Begriff „Überstundenzuschläge” klar ausdrücken können. Er hätte zumindest das Wort „zusätzlich” zwischen die Worte „Überstunden” und „gezahlte” stellen und damit ausdrücken können, dass eine Zusatzvergütung (zur Grundvergütung) gemeint sei. Das Gesetz klammert demgegenüber sowohl die Grundvergütung als auch die Zuschläge für Überstunden aus (so ausdrücklich BT-Drucks. 14/45 S. 24). Das kommt in dem Wortlaut und dem Zusammenhang der Norm hinreichend zum Ausdruck.
b) Beim Begriff der Überstunden geht es entscheidend um die Frage, ob an eine generelle, vornehmlich tarifliche bzw. betriebsübliche Arbeitszeit oder an die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers anzuknüpfen ist.
aa) Der Wortlaut ist nicht eindeutig. „Überstunden” könnte zum einen die Mehrarbeit bezeichnen, die über die regelmäßige Arbeitszeit nach dem im Betrieb angewendeten Tarifvertrag oder nach der sonst im Betrieb gehandhabten Regelung hinausgeht. Allerdings fragt sich, warum gerade die betriebsübliche Arbeitszeit und nicht etwa die Arbeitszeit im Unternehmen oder eine gesetzliche Arbeitszeit maßgebend sein soll. Überstunden können sich nach dem Wortlaut des Gesetzes aber ebenso gut auf den Arbeitnehmer beziehen, dem das Gesetz einen Anspruch auf die Entgeltfortzahlung einräumt; maßgebend ist dann dessen individuelle regelmäßige Arbeitszeit.
bb) Der Zusammenhang des Gesetzes, insbesondere von § 4 Abs. 1 und Abs. 1a EFZG, spricht für die Maßgeblichkeit der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit. Die Einschränkung des Abs. 1a bezieht sich auf den Arbeitnehmer, der auf Grund seiner in Abs. 1 zugrunde gelegten persönlichen regelmäßigen Arbeitszeit Ansprüche geltend macht. Es kann nur um seine Überstunden gehen. Diese richten sich nach seiner Arbeitszeit. Das Gesetz enthält keinen ausreichenden Anhaltspunkt, um an eine tarifliche Arbeitszeit anzuknüpfen. Tarifverträge gebrauchen auch nur zum Teil den Begriff der Überstunden. Der Gesetzgeber hätte den Zusammenhang der beiden ersten Absätze des § 4 EFZG auflösen können, wenn er statt „zusätzlich für Überstunden” formuliert hätte: „für über die betriebsübliche Arbeitszeit hinaus”.
cc) § 4 Abs. 1a EFZG erfasst nach seinem Wortlaut und nach Sinn und Zweck auch wiederholt geleistete Überstunden. Immer muss es sich aber um Überstunden handeln. Überstunden iSv. § 4 Abs. 1a EFZG liegen vor, wenn die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers überschritten wird. Damit fallen einerseits die bisher der regelmäßigen Arbeitszeit zugerechneten wiederholt anfallenden Überstunden aus der Entgeltfortzahlung heraus. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass es Fälle einer individuellen regelmäßigen Arbeitszeit gibt, die von der betriebsüblichen oder tariflichen Arbeitszeit abweicht. Leistet der Arbeitnehmer ständig eine bestimmte Arbeitszeit, die mit der betriebsüblichen oder tariflichen Arbeitszeit nicht übereinstimmt, kann von Überstunden nicht gesprochen werden. Überstunden werden wegen bestimmter besonderer Umstände zusätzlich geleistet. Die übliche Arbeitszeit wird vorübergehend verändert. Das ist für jeden Arbeitnehmer individuell zu beurteilen. Auch bei einer beständigen Arbeitszeit kommen (außerdem) Überstunden in Betracht, die für die Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen sind. Nur die hierfür geleistete Vergütung stellt für den Arbeitnehmer zusätzliches Entgelt dar.
dd) Allein diese Auslegung wird dem Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitnehmer gerecht, die einen festen Monatslohn oder ein festes Monatsgehalt für ihre ständig zu erbringende Arbeit erhalten. Die Entgeltfortzahlung für diese Arbeitnehmer richtet sich nach dem vereinbarten Entgelt auf der Basis der ständig geleisteten Arbeitszeit (siehe oben 1 c). Es würde eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bedeuten, wenn die zu berücksichtigende Arbeitszeit und damit die Höhe der Entgeltfortzahlung nur auf Grund einer unterschiedlichen Art und Weise der Abrechnung grundlegend differieren würde.
3. Arbeitet der Arbeitnehmer mit einer gewissen Stetigkeit über die tarifliche oder betriebsübliche Arbeitszeit hinaus, ist jedoch die ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung einer bestimmten ständigen Arbeitszeit in diesem Umfang nicht ohne weiteres festzustellen, gilt für die Abgrenzung der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit von den bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigenden Überstunden folgendes:
a) Eine ständig erbrachte Mindestarbeitsleistung (Arbeitszeitsockel) kann als konkludent vereinbart angesehen werden, wenn der Arbeitgeber die entsprechende Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer erwartet und entgegennimmt. Sie ist Grundlage für einen Mindestumfang der Entgeltfortzahlung.
b) Beruhen Schwankungen der Arbeitszeit darauf, dass der Arbeitnehmer vertragsgemäß bestimmte (wiederkehrende) Arbeitsleistungen erbringt, die je nach den Arbeitsumständen oder dem Arbeitsanfall kürzer oder länger dauern (z.B. bei einem Müllwerker oder einem Auslieferungsfahrer), geht die individuelle regelmäßige Arbeitszeit über den Arbeitszeitsockel hinaus; denn der Arbeitnehmer hat seine Arbeitsaufgabe stets vereinbarungsgemäß zu erledigen, ohne dass die Arbeitszeit von vornherein festliegt. Als geschuldete Arbeitszeit muss ein durchschnittlicher Wert angenommen werden. Das entspricht auch der gesetzlichen Wertung des § 4 Abs. 1a Satz 2 EFZG für ergebnisabhängige Vergütungen. Der Durchschnittswert der Arbeitszeit lässt sich nur nach einem zurückliegenden Zeitraum bestimmen. Darüber hinausgehende Überstunden können wegen besonderer Umstände, etwa bei einem unvorhergesehenen oder ungewöhnlichen, zusätzlich auftretenden Arbeitsanfall (z.B. im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, bei vorübergehenden Zusatzaufträgen usw.) auftreten.
c) Für den Umfang der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit ist auf das gelebte Rechtsverhältnis als Ausdruck des wirklichen Parteiwillens abzustellen. Wird regelmäßig eine bestimmte, erhöhte Arbeitszeit abgerufen und geleistet, ist dies Ausdruck der vertraglich geschuldeten Leistung. Daraus folgt, dass Krankheitstage und Urlaubstage nicht in die Durchschnittsberechnung einzubeziehen sind, soweit die ausgefallene Arbeitszeit selbst auf einer Durchschnittsbetrachtung beruht. Ebenso fallen Krankheits- oder Urlaubstage ohne Vergütungsanspruch heraus, wenn eine bestimmte ausgefallene Arbeitszeit nicht feststeht. Nur die konkret bestimmte, nicht eine fiktive Arbeitsleistung kann Ausdruck des gelebten Rechtsverhältnisses sein. Nimmt der Arbeitnehmer Freizeitausgleich in Anspruch, mindert das seine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit, soweit nicht nur Überstundenzuschläge „abgefeiert” werden; diese betreffen allein den Geldfaktor. Im Übrigen steht aber gerade der Umfang der Arbeitszeit in Rede, den der Arbeitnehmer regelmäßig zu leisten bereit ist. Die Tage des Freizeitausgleichs sind deshalb mit einer Arbeitszeit null in die Durchschnittsberechnung einzubringen. Hieraus resultiert die für die Entgeltfortzahlung maßgebliche im Durchschnitt tatsächlich angefallene Arbeitszeit.
d) Der Vergleichszeitraum in diesem Sinne bezweckt die sichere Erfassung dessen, was die Arbeitsvertragsparteien als regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers gewollt haben. Er ist so zu bemessen, dass das Arbeitsverhältnis mit seinen Besonderheiten möglichst umfassend in den Blick kommt und Zufallsergebnisse vermieden werden. Es handelt sich nicht lediglich um einen Referenzzeitraum zur praktikablen Berechnung des Lohnausfalls, sondern um die rechtsgeschäftliche Bestimmung der beständigen Arbeitszeit. Deshalb genügt es nicht, einen Zeitraum von drei Monaten zugrunde zu legen. Wie sich gerade auch aus § 4 Abs. 1a EFZG ergibt, muss die Beständigkeit der Arbeitsleistung – im Hinblick auf mögliche, eben nicht zu berücksichtigende Überstunden – für eine längere Dauer festgestellt werden. Nur dann lässt sich eine „Regelmäßigkeit” iSv. § 4 Abs. 1 EFZG annehmen. Das führt in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung zu § 2 ArbKrankhG und zu § 1 Abs. 3 Nr. 2 LohnFG dazu, grundsätzlich einen Vergleichszeitraum von zwölf Monaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit heranzuziehen. Dieser Zeitraum wird besonderen Eigenarten eines Arbeitsverhältnisses gerecht und vermeidet unbillige Zufallsergebnisse. Hat das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit weniger als ein Jahr gedauert, ist dessen gesamter Zeitraum maßgebend.
e) Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast zu der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit gemäß § 4 Abs. 1 EFZG im Normalfall dadurch, dass er den Arbeitszeitdurchschnitt der vergangenen zwölf Monate darlegt. Das Maß der zu fordernden Substantiierung richtet sich nach der Einlassung des Arbeitgebers. Überstunden hat der Arbeitgeber, wenn sie sich nicht bereits aus dem Vortrag des Arbeitnehmers ergeben, entsprechend der Fassung des § 4 Abs. 1a EFZG einzuwenden. Der Arbeitgeber, der eine aus Überstunden resultierende Minderung der zu berücksichtigenden durchschnittlichen Arbeitszeit geltend macht, trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast.
III. Der Senat hält an diesen unter anderem in den Urteilen vom 21. November 2001 (– 5 AZR 296/00 – AP EntgeltFG § 4 Nr. 56 = EzA EntgeltfortzG § 4 Nr. 4, mwN, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) und vom 26. Juni 2002 (– 5 AZR 100/01 – EEK 3085, mwN) entwickelten Grundsätzen fest. Die von der Revision demgegenüber hervorgehobenen Gesichtspunkte der Kostenbelastung der Wirtschaft und eines angeblich ungünstigen Einflusses auf den Krankenstand der Arbeitnehmer rechtfertigen keine andere Auslegung des Gesetzes. Für den Streitfall ergibt sich folgendes:
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die tarifliche Wochenarbeitszeit von 37 Stunden nicht maßgebend. Ebenso kommt es auf die Betriebsvereinbarung von 1992 nicht an.
2. Die Revision greift die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet habe, regelmäßig neun Stunden und mehr an Arbeitszeit erbracht, ohne Erfolg an. Wertet man den Vortrag der Revision als Verfahrensrüge, ist diese jedenfalls unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht auf die vom Kläger vorgelegten Lohnabrechnungen des Jahres 1999 hingewiesen. Auf deren Grundlage hat der Kläger im Jahre 1999 durchschnittlich 48,29 Stunden wöchentlich (entsprechend 9,66 Stunden arbeitstäglich) gearbeitet, wenn Urlaubstage, Sonderurlaubstage, Feiertage und Tage einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit außer Ansatz bleiben. Dabei ist unschädlich, dass der Kläger nicht alle Lohnabrechnungen ab Dezember 1998 vorgelegt hat. Seine Behauptung, er habe stets mindestens 45 Stunden wöchentlich gearbeitet, ist von der Beklagten nicht bestritten worden. Die Beklagte hat nur geltend gemacht, eine regelmäßige Arbeitszeit lasse sich nicht feststellen, weil die Arbeitszeiten der Fahrer sehr stark schwankten. Damit ist ein Arbeitszeitsockel von 45 Stunden wöchentlich unstreitig.
3. Der Kläger war angehalten, die Arbeit entsprechend den, Schwankungen unterliegenden, Verhältnissen durchzuführen. Auch das steht zwischen den Parteien außer Streit. Der Einwand der Revision, nach § 4 Abs. 6 BMTV bestehe eine Verpflichtung zur Leistung von Mehrarbeit nur bei dringenden betrieblichen Belangen, verfängt nicht. Überstunden im Sinne von oben II 2 b cc hat die Beklagte nicht konkret behauptet. Die Eigenart der Fahrertätigkeit im Versorgungsbereich bedingt nicht wöchentlich anfallende Überstunden, sondern hat zu einem wöchentlichen Arbeitsdurchschnitt über die durchschnittliche tarifliche Arbeitszeit hinaus geführt. Auf die tariflichen Obergrenzen der Arbeitszeit kommt es, wie ausgeführt, bei dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht an. Eine nach dem BMTV wirksame Vereinbarung der Parteien ist nicht Voraussetzung. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision nicht lediglich die tatsächlich erbrachten Stunden gemessen, sondern hieraus auch die gebotenen Schlüsse gezogen. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, diese Folgerungen durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Ihrem Vortrag, die täglichen Touren wären in 7,4 Stunden zu bewältigen gewesen, steht entgegen, dass sie die tatsächlich geleisteten Stunden und zudem tarifliche Überstundenzuschläge für die über 45 Stunden/Woche hinausgehende Arbeitszeit stets gezahlt hat.
4. Überstundenzuschläge sind in der Klageforderung, soweit sie in der Revisionsinstanz angefallen ist, nicht enthalten.
5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 284 Abs. 2, § 288 Abs. 1 BGB.
IV. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Heel, R. Rehwald
Fundstellen