Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit Hauptberuf
Normenkette
BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 305, 611, 612 Abs. 2, § 242
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 12.11.1991; Aktenzeichen 1 Sa 381/91) |
ArbG Aachen (Urteil vom 04.04.1991; Aktenzeichen 2 Ca 2071/90) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. November 1991 – 1 Sa 381/91 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 4. April 1991 – 2 Ca 2071/90 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt verpflichtet ist, der Klägerin aufgrund einer nebenberuflichen Teilzeittätigkeit für die Zeit ab 1. Januar 1988 anteilige Vergütung nach der VergGr. V b BAT zu zahlen.
Die am 8. Februar 1952 geborene Klägerin, die verheiratet und Mutter von zwei unterhaltsberechtigten Kindern ist, ist seit 1977 hauptberuflich Mitglied eines Orchesters in Maastricht, das vom niederländischen Staat unterhalten wird. Ihre monatliche Bruttovergütung beläuft sich gegenwärtig auf 5.200 Gulden. Seit dem 1. Oktober 1978 erteilt die Klägerin nebenberuflich an der Städtischen Musikschule der Beklagten Musikunterricht mit sechs Wochenstunden. Grundlage für die Rechtsbeziehungen der Parteien ist ein mit „Beschäftigungsauftrag” überschriebener Vertrag vom 6. September 1978, der sich stillschweigend von Jahr zu Jahr verlängert und in dem es heißt, ein Beschäftigungsverhältnis werde durch diesen Auftrag nicht begründet; tarifliche Vorschriften und die Bestimmungen der §§ 616 bis 622 BGB fänden keine Anwendung (§ 2). Die Klägerin erhält eine Vergütung nach Jahreswochenstunden. Diese liegt unter der anteiligen Vergütung eines vollbeschäftigten im Angestelltenverhältnis stehenden Musiklehrers auf der Grundlage des BAT.
Die Klägerin hält die zwischen den Parteien getroffene Vergütungsabrede für rechtsunwirksam. Sie hat geltend gemacht, diese Regelung verstoße gegen § 2 BeschFG. Sie müsse hinsichtlich der Vergütung mit den vollzeitbeschäftigten Musiklehrern gleichbehandelt werden. Sie habe daher gemäß § 612 Abs. 2 BGB Anspruch auf anteilige Vergütung nach dem BAT. Die Ausübung einer anderweitigen Tätigkeit stelle keinen sachlichen Grund für eine Differenzierung dar. Hinzu komme, daß die im Musikerberuf Beschäftigten im fortgeschrittenen Alter den beruflichen Anforderungen oft nicht mehr entsprechen könnten, so daß sie das normale Ende ihres Arbeitslebens in dieser Position nur selten erreichten. Daher müßten Orchestermusiker sich frühzeitig eine weitere berufliche Basis, wozu gerade die Musiklehrertätigkeit sich eigne, schaffen.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an sie Vergütung nach der VergGr. V b BAT (Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeine Zulage) vom 1. Januar 1988 unter Anrechnung der ihr für diesen Zeitraum bereits geleisteten Zahlungen nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an sie anteilige Zuwendung (13. Monatsgehalt) nach der Vergütung nach VergGr. V b BAT (Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeine Zulage) nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an sie ein anteiliges Urlaubsgeld gemäß BAT nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, eine ungünstigere Bezahlung der Teilzeitbeschäftigung sei gerechtfertigt, wenn die Teilzeitbeschäftigung lediglich als Nebentätigkeit neben einer anderen hauptberuflichen Tätigkeit ausgeübt werde.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der beklagten Stadt zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die zwischen den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung im Beschäftigungsauftrag vom 6. September 1978 verstößt nicht gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985, sie ist vielmehr wirksam.
I. Das Landesarbeitsgericht hat unter Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats vom 25. Januar 1989 – 5 AZR 161/88 – (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) auf den von ihm festgestellten Sachverhalt die Vorschriften des § 2 BeschFG 1985 und der §§ 134, 611, 612 Abs. 2 BGB angewandt und die Ansprüche der Klägerin als begründet angesehen. Bei seinen Überlegungen hat das Landesarbeitsgericht entscheidend darauf abgestellt, daß die Klägerin in ihrem Hauptberuf nicht über eine soziale Sicherung in dem Umfang verfüge, wie es bei dem Kläger in dem vom Senat am 22. August 1990 – 5 AZR 543/89 – entschiedenen Rechtsstreit der Fall gewesen sei. Sie sei nicht Beamtin und habe keine Anstellung auf Lebenszeit. Ihre finanziellen Einkünfte aus ihrer Haupttätigkeit erreichten deutlich nicht das Einkommen im höheren Dienst. Schließlich müsse auch davon ausgegangen werden, daß der soziale Status eines Berufsmusikers deshalb unsicher sei, weil sich für physische Belastung und künstlerische Potenz Grenzen einstellen könnten, die zu einer vorzeitigen Beendigung der Tätigkeit im Hauptberuf führten.
Dieser Begründung kann nicht beigepflichtet werden. Sie stellt zu stark auf die Überlegungen ab, die der Senat am 22. August 1990 im Fall eines landeskirchlichen Pfarrers angestellt hat und die ganz auf die damalige besondere Fallgestaltung zugeschnitten waren. Allerdings konnte dem Landesarbeitsgericht die weitere einschlägige Rechtsprechung des Senats von März und August 1992 noch nicht bekannt sein.
II.1. Nach § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, die Schaffung weiterer Teilzeitarbeitsplätze zu fördern, aber auch, die Teilzeitbeschäftigten, deren Zahl in den Jahren vor Erlaß des Beschäftigungsförderungsgesetzes insbesondere wegen der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt stark, zugenommen hatte, zu schützen und zu verhindern, daß sie zusätzlich zu ihrer geringeren Verdienstmöglichkeit auch noch weitere Schlechterstellungen im Vergleich zu den Vollzeitbeschäftigten hinnehmen müssen. Dieser Schutzzweck der Norm entfällt aber bei denjenigen Teilzeitbeschäftigten, die ihre Tätigkeit nur nebenberuflich ausüben, in erster Linie aber einem Vollzeitberuf nachgehen.
In dieser Hinsicht kann die hauptberufliche Tätigkeit einen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darstellen, der die unterschiedliche vergütungsmäßige Behandlung eines Teilzeitbeschäftigten mit Hauptberuf gegenüber einem Teilzeitbeschäftigten ohne Hauptberuf nicht als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der Vorschrift erscheinen läßt. Das hat der Senat unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Beschäftigungsförderungsgesetzes und weiter auf Hanau (NZA 1984, 345, 347) im Urteil vom 22. August 1990 (BAGE 66, 17 = AP Nr. 8 zu § 2 BeschFG 1985) im tatbestandlich besonders gelagerten Falle eines im landeskirchlichen Dienst stehenden Pfarrers, der sechs Wochenstunden Religionsunterricht erteilte, näher ausgeführt und in weiteren Urteilen vom 11. März 1992 (– 5 AZR 237/91 –, für die Amtliche Sammlung bestimmt, selbständiger Bäckermeister mit eigenem Betrieb) und vom 19. August 1992 (– 5 AZR 95/92 –, nicht veröffentlicht. Notar mit eigener Praxis) bestätigt. In den beiden letztgenannten Urteilen ist ferner hervorgehoben, es sei nicht entscheidend, welche Einkünfte der Betreffende im Hauptberuf jeweils erziele und welche soziale Absicherung er sich tatsächlich geschaffen habe oder hätte schaffen können, vielmehr sei darauf abzustellen, ob er als hauptberuflich Tätiger über eine dauerhafte Existenzgrundlage verfüge.
2. Wendet man diese Grundsätze auf den vom Landesarbeitsgericht als Teilzeitarbeitsverhältnis eingeordneten Streitfall an, so ergibt sich, daß die von den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung vom 6. September 1978 über Jahreswochenstunden auch im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschäftigungsförderungsgesetzes (1.1.1985) keinen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darstellt. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt wie auch zu jedem anderen Tage der streitbefangenen Zeit als angestellte Musikerin bei einem staatlich unterhaltenen Orchester vollbeschäftigt. Sie verfügte damit über eine Existenzgrundlage, wie sie eine Erwerbstätigkeit im Hauptberuf allgemein ermöglicht. Bei dieser Sachlage wird ihr Teilzeitrechtsverhältnis zu der Beklagten aber nicht von dem Schutzzweck des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 erfaßt. Die Vergütungsabrede der Parteien ist daher wirksam. Ein Gesetzesverstoß mit der Folge der Rechtsunwirksamkeit ist zu verneinen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Koffka, Schütters
Fundstellen