Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Verlust eines Reinigungsauftrags. Betriebsübergang
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.06.1997; Aktenzeichen 13 Sa 126/96) |
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 26.06.1996; Aktenzeichen 10 Ca 56/96) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 19. Juni 1997 – 13 Sa 126/96 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die das beklagte Reinigungsunternehmen wegen des Verlustes eines Reinigungsauftrags ausgesprochen hat, sowie über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Die im Jahre 1944 geborene Klägerin war seit dem 1. März 1990 als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden bei der Beklagten beschäftigt. Sie wurde ausschließlich im Rehabilitationskrankenhaus K… eingesetzt. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag hatte die Beklagte das Recht, die Klägerin jederzeit aus betrieblichen Gründen in ein anderes zumutbares Reinigungsobjekt zu versetzten.
Das genannte Krankenhaus kündigte den mit der Beklagten abgeschlossenen Reinigungsvertrag am 15. September 1995 zum 31. Dezember 1995 und beauftragte die C… GmbH & Co. KG (künftig: Firma C…) mit denselben Reinigungsarbeiten ab dem 1. Januar 1996. Die Firma C… übernahm von der Beklagten Reinigungsgeräte, Reinigungsmittel, Spinde, Einzelfächer, Garderoben und sonstige Ausstattungsgegenstände zu einem Kaufpreis von 25.300,00 DM.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich zum 31. Dezember 1995.
Mit der am 27. Oktober 1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Der Verlust des Reinigungsauftrags rechtfertige keine Kündigung. Die Beklagte habe in ganz Baden-Württemberg und insbesondere auch im Raum K… vielfältige Reinigungsverträge mit Krankenhäusern und anderen Auftraggebern und setze dort ihre Arbeitnehmer ein. Es stelle für sie kein Problem dar, die Klägerin an einer dieser Stellen einzusetzen. Eine Sozialauswahl sei überhaupt nicht getroffen worden. Die Arbeitnehmer an anderen Arbeitsorten hätten in die Sozialauswahl einbezogen werden müssen. Das Arbeitsverhältnis bestehe auch mit der Beklagten fort. Es sei nicht ab dem 1. Januar 1996 auf die Firma C… übergegangen. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs lägen nicht vor, da die Beklagte nur einen Auftrag verloren und die Firma C… einen neuen Reinigungsvertrag abgeschlossen habe.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 1995 nicht beendet worden sei.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise:
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht über den 31. Dezember 1995 hinaus mit der Beklagten fortbestehe.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Kündigung sei wegen dringender betrieblicher Erfordernisse gerechtfertigt. Durch den Verlust des Reinigungsauftrags seien alle Arbeitsplätze im Reha-Krankenhaus L… weggefallen. Es habe sich hier um einen eigenständigen Betrieb der Beklagten gehandelt. Eine Möglichkeit, der Klägerin einen anderen Arbeitsplatz anzubieten, habe nicht bestanden. Der Vortrag der Klägerin hierzu sei unsubstantiiert. Andere im Raum K… beschäftigte Arbeitnehmer seien nicht in eine Sozialauswahl einzubeziehen. Das Arbeitsverhältnis bestehe jedenfalls nicht mit ihr, der Beklagten, fort. Es liege ein Betriebsübergang auf die Firma C… vor. Doch habe die Klägerin durch ihre Klageerhebung und ihre Weigerung, sich an die Firma C… zu halten, dem Betriebsübergang – ohne sachlichen Grund – konkludent widersprochen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision hält die Beklagte an ihrem Klageabweisungsantrag und Hilfsantrag fest.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung der Beklagten sei schon deswegen gem. § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, weil die Beklagte angenommen habe, das Arbeitsverhältnis sei mit der Übertragung des Reinigungsauftrags auf die Firma C… übergegangen. Ob tatsächlich ein Betriebsübergang vorliege, sei dagegen unerheblich. Die Beklagte habe auch die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung nicht hinreichend vorgetragen; denn die Klägerin habe eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit geltend gemacht, deren Unmöglichkeit die Beklagte näher hätte vortragen müssen. Auch der Hilfsantrag der Beklagten sei nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestehe fort und sei nicht zum 31. Dezember 1995 auf die Firma C… übergegangen. Selbst wenn ein Betriebsübergang anzunehmen sei, hätte die Klägerin diesem widersprochen und seinen Eintritt dadurch verhindert. Sie habe nämlich den angebotenen Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen, um den Verlust des Kündigungsschutzes zu vermeiden. Hieraus und aus ihrem Prozeßverhalten sei zu schließen, daß sie nicht zur Firma C… wechseln wollte.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen nicht die Annahme, die Kündigung vom 10. Oktober 1995 sei wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils erfolgt und deshalb gem. § 613a Abs. 4 BGB unwirksam.
a) Wegen eines Betriebsübergangs im Sinne von § 613a BGB wird eine Kündigung dann ausgesprochen, wenn der Betriebsübergang die überwiegende Ursache der Kündigung bildet. Der Betriebsübergang muß Beweggrund für die Kündigung sein. Dabei ist ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung abzustellen. Damit kann ein bevorstehender Betriebsübergang nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 613a Abs. 4 BGB führen, wenn die den Betriebsübergang ausmachenden Tatsachen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung feststehen und bereits greifbare Formen angenommen haben (vgl. nur Senatsurteil vom 13. November 1997 – 8 AZR 295/95 – AP Nr. 169 zu § 613a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1 der Gründe, m.w.N.).
Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. In Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung von deren Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte (BAG Urteil vom 11. Dezember 1997 – 8 AZR 729/96 – AP Nr. 172 zu § 613a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 2 a, b der Gründe).
b) Allein die Übernahme der Reinigungstätigkeit durch die Firma C… war danach nicht geeignet, einen Betriebsübergang zu begründen. Deshalb konnte auch nicht eine Kündigung “wegen eines Betriebsübergangs” darin liegen, daß die Beklagte annahm, mit dieser Übernahme der Reinigungstätigkeit werde ein Betriebsübergang verbunden sein. Überhaupt kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nur auf die der Beklagten zum Kündigungszeitpunkt bekannten Tatsachen, nicht auf deren rechtliche Bewertung durch die Beklagte an. Ebenso wie die unrichtige Subsumtion der einen Betriebsübergang ausmachenden Tatsachen die Rechtsfolgen des § 613a Abs. 4 BGB nicht auszuschließen vermag, greift umgekehrt das Kündigungsverbot nicht deshalb ein, weil der Arbeitgeber fälschlich von einem Betriebsübergang ausgegangen ist. Dem Vortrag beider Parteien lassen sich über den Wechsel des Reinigungsauftrags hinausgehende Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Betriebsübergang zum Kündigungszeitpunkt nicht entnehmen. Insbesondere ist weder von einer am 10. Oktober 1995 absehbaren Übernahme der Hauptbelegschaft die Rede, noch von einer anstehenden Übernahme materieller oder immaterieller Betriebsmittel.
2. Ob die Kündigung vom 10. Oktober 1995 gem. § 1 KSchG rechtsunwirksam ist, kann nach den festgestellten Tatsachen noch nicht abschließend beurteilt werden.
a) Indem die Beklagte den Reinigungsvertrag mit dem Rehabilitationskrankenhaus … verloren hat, verringerte sich entsprechend ihr Beschäftigungsbedarf an Reinigungskräften. Daraus können sich dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung ergeben. Ob eine Betriebsstillegung, eine Teilbetriebsstillegung oder nur ein verringerter Beschäftigungsbedarf im Betrieb vorliegt, ist in diesem Zusammenhang nicht maßgebend. Da unstreitig gerade der Arbeitsbereich der Klägerin weggefallen ist, muß die Klägerin konkret darlegen, wie sie sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt (vgl. nur BAG Urteil vom 3. Februar 1977 – 2 AZR 476/75 – AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 25. Februar 1988 – 2 AZR 500/87 – n.v., zu B II 2c der Gründe; BAG Urteil vom 20. Januar 1994 – 2 AZR 489/93 – AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Konzern = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 74, zu B III 2d der Gründe, m.w.N.; KR-Etzel, 5. Aufl., § 1 KSchG Rz 574 f., m.w.N., 4. Aufl. § 1 KSchG Rz 510 ff.).
Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Klägerin entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bisher nicht gerecht. Die Klägerin hat nur vorgetragen, die Beklagte habe “in ganz Baden-Württemberg” und insbesondere auch “im Raum …” vielfältige Reinigungsverträge, ein Einsatz auf einer dieser Stellen bedeute für die Beklagte kein Problem. Damit wird nicht einmal klar, ob die Klägerin eine freie Stelle behaupten will. Unklar ist weiter, was sie unter dem “Raum K…” versteht. Die Klägerin muß bestimmte Objekte, zumindest aber bestimmte Gemeinden, die für sie in Frage kommen, benennen. Anderenfalls kann die Beklagte nur – wie geschehen – pauschal erwidern, ein anderer freier Arbeitsplatz habe nicht existiert. Der Beklagten kann nicht ohne näheren Vortrag der Klägerin zugemutet werden, sämtliche Reinigungsobjekte “im Raum K…” aufzulisten und das Fehlen freier Arbeitsplätze im einzelnen darzulegen und zu beweisen.
b) Nach dem festgestellten Sachverhalt kann nicht zugunsten der Klägerin angenommen werden, die Kündigung sei nach § 1 Abs. 3 KSchG sozialwidrig. Ob die Arbeitnehmer in anderen Reinigungsobjekten in die Sozialauswahl einzubeziehen waren, hängt von der betrieblichen Organisation der Reinigungsobjekte der Beklagten ab. Dazu hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Organisation jeweils als selbständiger Betrieb wird freilich eher die Ausnahme sein. Das Landesarbeitsgericht muß den Parteien noch Gelegenheit geben, hierzu vorzutragen. Gegebenenfalls mag die Klägerin die Rüge einer fehlerhaften sozialen Auswahl präzisieren.
3. Wurde das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 1995 zum 31. Dezember 1995 beendet, kommt es im vorliegenden Rechtsstreit auf die Frage des Betriebsübergangs auf die Firma C… nicht mehr an. Ebenso ist dann ein etwaiger Widerspruch der Klägerin gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ohne Bedeutung. War die Kündigung dagegen unwirksam, ist zu prüfen, ob dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ein Betriebsübergang (auf die Firma C…) entgegensteht. Das Landesarbeitsgericht wird den Betriebsübergang nicht erneut mit der Begründung dahingestellt lassen können, die Klägerin habe dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprochen, weil sie den angebotenen Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen und im vorliegenden Rechtsstreit am Arbeitsverhältnis mit der Beklagten festgehalten habe; denn die Ablehnung der Klägerin bezog sich gerade darauf, daß die Firma C… das Arbeitsverhältnis allenfalls unter erheblich geänderten Bedingungen fortsetzen wollte. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs auf die Firma C… am 1. Januar 1996 sind ggf. nach den Grundsätzen der Senatsurteile vom 13. November 1997 und vom 11. Dezember 1997 (– 8 AZR 295/95 – bzw. – 8 AZR 729/96 – AP Nr. 169 und AP Nr. 172 zu § 613a BGB, jeweils auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) zu beurteilen. Auch hierzu können die Parteien wieder neu vortragen. Kommt das Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren danach zur Annahme eines Betriebsübergangs, ergibt sich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten. Ob allein dies dem Erfolg der Feststellungsklage der Klägerin entgegenstehen könnte, so daß die Hilfswiderklage gegenstandslos wäre, oder ob die Hilfswiderklage dann vielmehr zulässig und begründet wäre, bedarf hier nicht der Entscheidung.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, P. Knospe, Dr. E. Vesper
Fundstellen