Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Betrieb fällt nach § 1 Abs. 2 Abschn. II des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe unter dessen betrieblichen Geltungsbereich, wenn bauliche Leistungen gewerblich erbracht werden. Dabei verwenden die Tarifvertragsparteien den Gewerbegriff in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung (Bestätigung von BAG Urteil vom 20. April 1988 - 4 AZR 646/87 - BAGE 58, 116 = AP Nr. 95 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
2. Setzt ein Grundstückseigentümer mit von ihm beschäftigten Arbeitnehmern ein Gebäude instand, um dieses zu Wohnzwecken und für seine künstlerische Tätigkeit zu nutzen, so erbringt er damit nicht gewerblich bauliche Leistungen.
3. Erfolgt die Instandsetzung darüber hinaus zu dem Zweck, einen weiteren Teil des Gebäudes zu vermieten, so läßt dies den Schluß auf eine baugewerbliche Tätigkeit nur zu, wenn durch die Vermietung eine berufsmäßige, auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtete Erwerbsquelle geschaffen werden soll. Dabei ist das Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 25.11.1996; Aktenzeichen 16 Sa 1732/95) |
Tatbestand
Die Klägerin (ZVK) ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes für den Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes zuständig. Sie nimmt den Beklagten aus dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 in der jeweils gültigen Fassung auf Auskunft und Beitragszahlung für die Zeit von April 1990 bis Mai 1993 in Anspruch.
Der Beklagte ist Grafikdesigner und Inhaber einer Werbeagentur. Im Februar 1990 erwarb er vom Land Schleswig-Holstein das weitgehend verfallene Schloß H zum Preis vom 300.000,00 DM. Es handelt sich um ein Grundstück von 62.178 m2 mit einem Herrenhaus, zwei Torhäusern, einem Verwalterhaus und einem Gärtnerhaus.
In der Zeit von April 1990 bis Mai 1993 setzte der Beklagte das Schloß mit von ihm beschäftigten Arbeitnehmern unter den Auflagen des Landesamtes für Denkmalschutz in Stand. Die Wiederherstellungskosten beliefen sich auf mehrere Millionen DM. Der Beklagte setzte hierzu sein gesamtes Vermögen ein. Er nutzt nunmehr das Herrenhaus zu etwa 1/4 zu privaten Wohnzwecken. Auf 5/8 der Nutzfläche betreibt er seine Werbeagentur. Bereits im Jahre 1975 teilte ihm das Finanzamt H mit, daß eine Gutachterkommission seine Künstlereigenschaft bejaht habe und entband ihn deshalb von der Gewerbesteuerpflicht. Die Restfläche des Herrenhauses sowie die zwei Torhäuser sind an seine Ehefrau vermietet, die dort ein Hotel, ein Restaurant und eine Reithalle betreibt. Die hierfür erforderliche Verwaltungstätigkeit des Beklagten beschränkt sich auf die Verbuchung des eingehenden Mietzinses und die Abrechnung der Nebenkosten.
Die ZVK hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe im Klagezeitraum einen Betrieb des Baugewerbes unterhalten, da die Sanierungsarbeiten an dem Schloß mit dem Zweck dauernder Gewinnerzielung durchgeführt worden seien.
Die ZVK hat zunächst zwei getrennte Klagen erhoben. In dem Rechtsstreit - 5 Ca 3424/94 - hat sie zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 137.051,-- DM zu zahlen,
und in dem Rechtsstreit - 5 Ca 3353/94 - hat sie beantragt,
1. an sie 545.840,43 DM zu zahlen;
2. der ZVK auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wieviele Angestellte insgesamt und wieviele Angestellte mit Ausnahme derjenigen, die eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV ausüben, in den Monaten Dezember 1990 bis einschl. April 1992 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttogehaltssumme und in welcher Höhe Vorruhestands- sowie Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;
3. für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die ZVK folgende Entschädigung zu zahlen: 7.860,-- DM.
Der Beklagte hat in beiden Prozessen beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, er sei bei der Instandsetzung des Schlosses nicht gewerblich tätig geworden. Seine künstlerische Tätigkeit in seinem Werbeatelier stelle kein Gewerbe dar. Im übrigen fehle ihm die Gewinnerzielungsabsicht. Der Verwaltungsaufwand für die Vermietung sei sehr gering.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Verfahren verbunden und die Berufungen der ZVK zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die ZVK ihr Klagebegehren weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Beklagte habe im Klagezeitraum keinen Betrieb des Baugewerbes unterhalten, weil er keine gewerblichen Bauleistungen erbracht habe. Zweck der Instandsetzung der privat und für die Werbeagentur genutzten Räumlichkeiten sei die Befriedigung des Eigenbedarfs gewesen. Die Vermietung eines Teils des Herrenhauses und der zwei Torhäuser an seine Ehefrau stelle lediglich eine Form der Nutzung des Grundstückes dar und sei deshalb zum Zweck der Kapitalanlage erfolgt. Er habe nicht die Absicht gehabt, sich durch die Vermietung eine auf Gewinn gerichtete dauernde Erwerbsquelle zu verschaffen.
Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
II. Die ZVK hat keinen Anspruch auf Beitragszahlung gemäß §§ 24, 25 VTV und auf Auskunft gemäß § 27 VTV. Der Beklagte unterfällt nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Dieser umfaßt gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die u.a. der Instandsetzung von Bauwerken dienen.
1. Der Beklagte hat mit der Instandsetzung des Schlosses H in der Zeit von April 1990 bis Mai 1993 mit eigenen Arbeitnehmern keinen Betrieb des Baugewerbes im tariflichen Sinne unterhalten. Die baulichen Leistungen zur Instandsetzung des Schlosses wurden von ihm nicht gewerblich durchgeführt, da sie nicht zur Schaffung einer berufsmäßigen, auf Gewinnerzielung gerichteten Erwerbsquelle dienen sollten.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwenden die Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 2 VTV den Begriff des Gewerbes in seiner allgemeinen Bedeutung als Fachbegriff des öffentlichen Rechts, insbesondere des Gewerberechts. Danach umfaßt der Gewerbebegriff alle selbständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet sind und fortgesetzt ausgeübt werden, unter Ausschluß der Urproduktion (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei), des öffentlichen Dienstes, der freien Berufe (freie wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Tätigkeit höherer Art sowie persönliche Dienstleistungen höherer Art, die eine höhere Bildung erfordern) und der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens.
Bei der Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens steht der Zweck der Kapitalanlage im Vordergrund. Eine solche Zwecksetzung kann allerdings dann nicht mehr angenommen werden, wenn durch die baulichen Leistungen eine berufsmäßige, auf nachhaltige Gewinnerzielung ausgerichtete Erwerbsquelle geschaffen werden soll. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Verwaltung bzw. die Vermietung des Bauwerks eine besonders umfangreiche berufsmäßige Tätigkeit erfordert, so daß die zu beurteilende Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild den allgemeinen Vorstellungen von einem Gewerbe entspricht (vgl. BAG Urteile vom 17. Februar 1987 - 3 AZR 197/85 - AP Nr. 9 zu § 161 HGB; vom 20. April 1988 - 4 AZR 646/87 - BAGE 58, 116 = AP Nr. 95 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; vom 26. April 1989 - 4 AZR 17/89 - AP Nr. 115 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau und vom 7. April 1993 - 10 AZR 506/91 - n.v.; BVerwG Urteil vom 24. Juni 1976 - I C 56/74 - NJW 1977, 772; vom 26. Januar 1993 - I C 25/91 - DÖV 1993, 616 und vom 19. Dezember 1995 - I C 3/93 - BVerwGE 100, 187 = DÖV 1996, 962; BGHZ 74, 273, 276, m.w.N.; BGH Urteile vom 18. April 1963 - VII ZR 37/62 - LM Nr. 9 zu § 196 BGB; vom 8. Juli 1968 - VII ZR 65/66 - NJW 1968, 1962 und vom 12. März 1981 - VII ZR 117/80 - NJW 1981, 1665).
Soweit die ZVK demgegenüber die Auffassung vertritt, eine baugewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV liege schon dann vor, wenn von Arbeitnehmern in gewissem Umfang bauliche Leistungen erbracht werden, weil es aus der Sicht der Arbeitnehmer nicht darauf ankomme, welche Zwecke der Arbeitgeber mit den baulichen Leistungen verfolge, kann dem nicht zugestimmt werden.
Nach § 1 Abs. 2 VTV werden vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nur "Betriebe des Baugewerbes" erfaßt. Dies sind nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV solche, die "gewerblich" bauliche Leistungen erbringen. Damit bringen die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes - wie schon der Vierte Senat im Urteil vom 20. April 1988 (aaO) eingehend ausgeführt hat - deutlich zum Ausdruck, daß sie mit den von ihnen abgeschlossenen Tarifverträgen nicht jeden Betrieb erfassen wollen, in dem Bauarbeiten verrichtet werden, sondern nur solche, die terminologisch dem Baugewerbe zuzurechnen sind. Dabei hat der Vierte Senat auf den Gewerbebegriff in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung Bezug genommen. Die Tarifvertragsparteien haben auch in Kenntnis dieser Rechtsprechung in der Folgezeit keine Veranlassung gesehen, vom Erfordernis der gewerblichen Ausführung baulicher Leistungen abzurücken, soweit dies im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit überhaupt möglich wäre. Deshalb ist weiterhin davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes bauliche Tätigkeiten im Wirtschaftsleben nur insoweit erfassen wollen, als sie von Gewerbetreibenden und damit als Gewerbe ausgeführt werden.
b) Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, daß die baulichen Leistungen zur Instandsetzung des Schlosses nicht dazu dienten, dem Beklagten eine berufsmäßige, auf nachhaltige Gewinnerzielung ausgerichtete Erwerbsquelle zu verschaffen.
aa) Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts diente ein Viertel des Hauses privaten Wohnzwecken. Insoweit bezweckte die Instandsetzung ausschließlich die Befriedigung von Eigenbedarf. Auch die Renovierung des Herrenhauses zur Unterbringung der Werbeagentur des Beklagten auf etwa 5/8 der Nutzfläche läßt nicht den Schluß zu, daß der Beklagte sich durch die baulichen Leistungen eine berufsmäßige Erwerbsquelle verschaffen wollte. Dies folgt schon daraus, daß er als Grafikdesigner in dem Werbeatelier, wie er unwidersprochen vorgetragen hat, eine künstlerische und keine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Dies hat er auch durch den Bescheid des Finanzamts H in steuerrechtlicher Hinsicht belegt. Deshalb kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht davon ausgegangen werden, daß die baulichen Leistungen insoweit mittelbar dazu dienten, dem Beklagten eine gewerbliche Tätigkeit zu ermöglichen und deshalb selbst als gewerblich einzustufen wären.
bb) Die Ausübung einer baugewerblichen Tätigkeit durch den Beklagten folgt auch nicht daraus, daß er 1/8 der Nutzfläche des Herrenhauses und die beiden Torhäuser zum Zwecke der Vermietung an seine Ehefrau instand gesetzt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 74, 273, 276 f., m.w.N.), der sich der Senat anschließt, ist die Errichtung von Gebäuden, der die Instandsetzung gleichzustellen ist, zum Zwecke der Vermietung und Verpachtung durch den Eigentümer kein Gewerbetrieb des Vermieters, sondern eine Art der Nutzung des Eigentums am Grundstück. Sie dient gewöhnlich nicht der Absicht, sich aus der Vermietung eine berufsmäßige Erwerbsquelle zu verschaffen (BGHZ 63, 32, 33), sondern der Kapitalanlage. Eine Ausnahme besteht allerdings dann, wenn die Verwaltung des Bauwerks eine besonders umfangreiche berufsmäßige Tätigkeit erfordert, so daß nach dem Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit auch die zur Schaffung dieser Erwerbsquelle notwendigen baulichen Leistungen als gewerblich einzustufen sind.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beschränkte sich die vom Beklagten bei der Vermietung der Räumlichkeiten an seine Ehefrau erforderliche Verwaltungstätigkeit auf die Verbuchung des eingehenden Mietzinses und die Abrechnung der Nebenkosten. Dies ist keine über die übliche Verwaltungstätigkeit eines Hauseigentümers und Vermieters hinausgehende Tätigkeit und deshalb der Verwaltung des eigenen Vermögens zuzurechnen.
Die Vermietung an seine Ehefrau stellte zudem nur ein Ziel dar, das der Beklagte mit der Instandsetzung des Schlosses verfolgte. Dieses stand unter Berücksichtigung der Gesamtumstände jedenfalls nicht in der Weise im Vordergrund, daß der Schluß gerechtfertigt wäre, der Beklagte habe sich durch die Instandsetzung und Vermietung eine berufsmäßige, auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtete Erwerbsquelle verschaffen wollen. Aus diesem Grunde können die von ihm erbrachten baulichen Leistungen insgesamt nicht als baugewerbliche Tätigkeit angesehen werden.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 436598 |
BB 1998, 1540 |
FA 1998, 200 |
NZA 1998, 949 |
RdA 1998, 318 |
SAE 1999, 80 |
ArbuR 1998, 334 |