Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsgeld. neues Beschäftigungsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
- Als Beschäftigungsverhältnis, das nach § 62 Abs. 2 Buchst. f BAT die Entstehung des Anspruchs auf Übergangsgeld hindert, ist jede abhängige Tätigkeit anzusehen, die innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes ausgeübt wird, ohne daß es auf den Status des früheren Angestellten ankommt.
- Ein neues Beschäftigungsverhältnis schließt sich auch dann im Sinne des § 62 Abs. 2 Buchst. f BAT unmittelbar an das beendete Arbeitsverhältnis an, wenn es sich mit diesem zeitlich überschneidet. Die Tarifnorm erfaßt nach ihrem Sinn und Zweck alle Fälle, in denen zwischen dem beendeten Arbeitsverhältnis und dem neuen Beschäftigungsverhältnis kein Zeitraum liegt, für den nach § 62 Abs. 4 BAT anteilig Übergangsgeld zu zahlen ist.
- Ein neues Beschäftigungsverhältnis ist auch dann im Sinne des § 62 Abs. 2 Buchst. f BAT mit Einkommen verbunden, wenn das vereinbarte Entgelt nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch einen Dritten geleistet wird. Dies folgt aus dem Zweck der Tarifnorm, den Übergangsgeldanspruch auszuschließen, wenn es seiner als Überbrückungs- und Umstellungshilfe nicht bedarf.
Normenkette
BAT § 62 Abs. 2 Buchst. f., Abs. 1, 4, § 63 Abs. 5 Unterabs. 1
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 05.03.1993; Aktenzeichen 10 Sa 139/92) |
ArbG Berlin (Urteil vom 07.05.1992; Aktenzeichen 19 Ca 16819/91) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. März 1993 – 10 Sa 139/92 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung von Übergangsgeld nach §§ 62, 63 Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT).
Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. April 1981 bis 31. März 1991 als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) gewährte dem Kläger auf seinen Antrag hin im Rahmen des Gastdozenten-Programms “Hochschulförderung DDR” eine Förderungszusage für eine Vollzeitdozentur an der Hochschule für Bauwesen C… während des Sommersemesters 1991 in der Zeit vom 1. März 1991 bis zum 31. Juli 1991. Dafür erhielt der Kläger monatlich einen Pauschalbetrag von 3.000,-- DM.
Mit der Hochschule für Bauwesen C… vereinbarte der Kläger am 25. Januar 1991 folgendes:
“Vereinbarung
zwischen der
Hochschule für Bauwesen C…
vertreten durch den
Rektor, Prof. Dr. sc. techn. B. W…-
und
Herrn Dr. E… F…, Berlin
über
Lehrtätigkeit im Studiengang Architektur im Sommersemester 1991
auf der Basis der Bedingungen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD)
Der Kläger hat gemeint, er habe bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegen die Beklagte nach § 62 Abs. 1 BAT einen Anspruch auf Übergangsgeld erworben. Der ihm vom DAAD monatlich gezahlte Pauschalbetrag in Höhe von 3.000,-- DM sei nicht als Einkommen nach § 62 Abs. 2 Buchst. f BAT anzusehen, sondern sei Ersatz für die mit der Tätigkeit in C… verbundenen besonderen Aufwendungen. Der Anspruch auf Übergangsgeld sei somit nicht nach dieser Bestimmung ausgeschlossen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, an ihn für den Zeitraum vom 1. April 1991 bis zum 31. Juli 1991 einschließlich Übergangsgeld gemäß §§ 62, 63 BAT zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Vereinbarung des Klägers mit der Hochschule für Bauwesen in C… und der Erhalt einer monatlichen Zahlung von 3.000,-- DM stelle ein neues mit Einkommen verbundenes Beschäftigungsverhältnis dar und hindere nach dem Tarifvertrag die Entstehung des Anspruchs auf Übergangsgeld.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei unmittelbar im Anschluß an das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ein neues mit Einkommen verbundenes Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 62 Abs. 2 Buchst. f BAT eingegangen. Ein solches umfasse jede Art einer abhängigen Tätigkeit, die innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes ausgeübt werden könne, ohne daß es auf den Status ankomme. Der vom DAAD gewährte Betrag von monatlich 3.000,-- DM habe Entgeltcharakter und führe zum Ausschluß des Anspruchs auf Übergangsgeld.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II. Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übergangsgeld, weil sich unmittelbar an das mit der Beklagten beendete Arbeitsverhältnis ein neues mit Einkommen verbundenes Beschäftigungsverhältnis anschloß (§ 62 Abs. 2 Buchst. f BAT).
1. Die Gastdozentur des Klägers in C… schloß sich unmittelbar an das beendete Arbeitsverhältnis an. Zwar überschnitten beide sich im Monat März 1991. Darauf kommt es jedoch nicht an. § 62 Abs. 2 Buchst. f BAT will seinem Sinn und Zweck nach alle Fälle erfassen, in denen zwischen dem beendeten Arbeitsverhältnis und dem neuen Beschäftigungsverhältnis kein Zeitraum liegt, für den nach § 62 Abs. 4 BAT anteilig Übergangsgeld zu zahlen ist. Dies trifft auch für die vorliegende Fallgestaltung zu.
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Tätigkeit des Klägers an der Hochschule für Bauwesen in C… als Beschäftigungsverhältnis angesehen. Als solches ist jede abhängige Tätigkeit anzusehen, die innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes ausgeübt wird, ohne daß es auf den Status ankommt. Von dieser Begriffsbestimmung ausgehend, die im Schrifttum geteilt wird (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Februar 1994, § 62 Erl. 9; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Mai 1994, § 62 Rz 33; Crisolli/Tiedtke/Ramdohr, BAT, Stand März 1994, § 62 Anm. 22), hat das Berufungsgericht zutreffend den Inhalt der zwischen dem Kläger und dem DAAD geschlossenen Vereinbarung ausgelegt, von der es mangels gegenteiliger Behauptungen des Klägers annehmen durfte, daß sie in tatsächlicher Hinsicht so vollzogen wurde, wie sie nach ihrem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt zu verstehen ist.
Zu Recht hat das Berufungsgericht den Status des Klägers nicht nach den Wünschen und Vorstellungen der Parteien bestimmt, sondern danach, wie die Vertragsbeziehungen nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen sind (vgl. BAG Urteil vom 13. November 1991 – 7 AZR 31/91 – AP Nr. 60 zu § 611 BGB Abhängigkeit, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Es hat dabei den Grundsatz, daß der wirkliche Geschäftsinhalt den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen ist (BAGE 41, 247 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAGE 65, 80 = AP Nr. 11 zu § 2 HAG und BAG Urteil vom 13. November 1991 – 7 AZR 31/91 –, aaO), beachtet.
Richtigerweise hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, in welchem Maße der Kläger nach dem Inhalt der Vereinbarung persönlich abhängig war, und dabei nicht verkannt, daß eine wirtschaftliche Abhängigkeit weder erforderlich noch ausreichend ist (vgl. BAGE 25, 505, 511 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 3b der Gründe und BAG Urteil vom 14. Dezember 1983 – 7 AZR 290/82 – EzBAT § 1 BAT Arbeitnehmerbegriff Nr. 8, zu 6 der Gründe). Die persönliche Abhängigkeit des Klägers ergab sich aus der Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation und den Umfang der Weisungsgebundenheit. Auch insoweit ist dem angefochtenen Urteil zu folgen.
Nach der Vereinbarung vom 25. Januar 1991 war dem Kläger der Inhalt seiner Tätigkeit im Studiengang Architektur, Fach Baugeschichte, genau vorgegeben, ebenso der Umfang seiner wöchentlichen Arbeitsleistungen, bestehend aus zwei Vorlesungen, einem Seminar, einem Kolloquium und zusätzlich einer Exkursion mit einer Dauer von einer Woche. In Ziff. 4 der Vereinbarung, wonach der Kläger die Möglichkeit eines tageweisen wissenschaftlichen Arbeitens in Berlin “in Abstimmung mit dem amterenden Fachbereichsleiter” erhielt, ansonsten aber in C… seine Tätigkeit erfüllte, hat der Kläger sich auch hinsichtlich des Arbeitsortes den Weisungen der Hochschule unterworfen. Dem Kläger als Gastdozenten sind danach im wesentlichen dieselben Arbeitspflichten und -möglichkeiten zugewiesen worden, wie den beamteten und angestellten Hochschullehrern. Damit war der Kläger in den Lehrbetrieb der Hochschule für Bauwesen C… integriert. Dies spricht für eine arbeitsorganisatorische Abhängigkeit und für die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers. Dieses Ergebnis wird gestützt durch die im Zweifel heranzuziehende Verkehrsanschauung. Dozenten an wissenschaftlichen Hochschulen, denen, wie dem Kläger eine Vollzeitdozentur übertragen ist, üben diese Tätigkeit nicht freiberuflich, sondern in abhängiger Stellung aus.
Soweit die Revision die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Klägers durch das Berufungsgericht mit der Rüge bekämpft, das Landesarbeitsgericht habe die Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Hochschule weiter im einzelnen belegen müssen, verkennt sie, daß dem Gericht lediglich der Text der Vereinbarung zur Verfügung stand und es Sache des Klägers gewesen wäre, Tatsachen zu behaupten aus denen sich ergab, daß in Wirklichkeit keine Eingliederung vorlag. Das Fehlen solcher Tatsachen in den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen.
Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses entfällt auch nicht deshalb, weil die Tätigkeit in C… nur befristet und von verhältnismäßig kurzer Dauer war, wie die Revision meint. Auf den Umfang des nachfolgenden Beschäftigungsverhältnisses kommt es nicht an. Entscheidend ist nur, daß es Sich bei ihm um ein “neues” Beschäftigungsverhältnis handelt (zu diesem Begriff vgl. heutiges Senatsurteil in der Sache – 6 AZR 373/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Auch daß der Kläger während der Tätigkeit an der Hochschule in C… weiterhin Arbeitslosengeld erhielt, ist entgegen der Auffassung der Revision unerheblich. Dies würde allenfalls zu einer Leistungskürzung nach § 63 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 1 BAT führen, wenn der Anspruch auf Übergangsgeld gegeben wäre.
3. Das Beschäftigungsverhältnis war auch mit Einkommen verbunden. Der monatliche Betrag von 3.000,-- DM war als Einkommen anzusehen. Auf seine Höhe kommt es nach dem Tarifwortlaut nicht an, ebensowenig auf einen Vergleich mit den bisherigen Angestelltenbezügen (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, aaO, § 62 Rz 33). Dies hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt.
Daß die Leistung durch einen Dritten, den DAAD, bewirkt wurde, steht ihrem Charakter als Entgelt für die geleistete Tätigkeit nicht entgegen. Nach Ziff. 5 der Vereinbarung gingen die Parteien von der Entgeltlichkeit der Tätigkeit des Klägers aus. Welcher Kostenträger letztlich die Finanzierung übernimmt, ist im Hinblick auf den Zweck des § 62 Abs. 2 Buchst. f BAT unbedeutend, der dahin geht, den Übergangsgeldanspruch auszuschließen, wenn es seiner als Überbrückungs- und Umstellungshilfe nicht bedarf.
Der Kläger kann sich auch nicht auf die Grundsätze des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 19. April 1983 (BAGE 42, 212 = AP Nr. 5 zu § 63 BAT) berufen. Dem dortigen Kläger wurde ein Auslandsstipendium zur wissenschaftlichen Ausbildung gewährt. Der mit einem Stipendium verfolgte Zweck ist nicht identisch mit einer Vergütung für geleistete Dienste. Der Kläger hat zwar behauptet, seine Gastdozentur in C… habe seiner eigenen Fortbildung gedient. Tatsachen, die den aus der Vereinbarung zu ziehenden gegenteiligen Schluß hätten entkräften können, hat er jedoch nicht vorgetragen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Spiegelhalter, Wax
Fundstellen
Haufe-Index 845969 |
BAGE, 91 |
BB 1994, 1792 |
NZA 1995, 475 |