Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine soziale Auswahl bei Einstellungen
Leitsatz (redaktionell)
Das Gebot der sozialen Auswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung (§ 1 Abs 3 KSchG) gilt nicht entsprechend für Fälle, in denen der Arbeitgeber im Anschluß an eine betriebsbedingte Kündigung wegen Arbeitsmangels später wegen verringerten Personalbedarfes nur einen Teil der bisherigen Belegschaft erneut einstellt.
Normenkette
BGB §§ 611, 242; KSchG § 1 Abs. 3 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Entscheidung vom 16.08.1982; Aktenzeichen 4 Sa 75/81) |
ArbG Weiden (Entscheidung vom 09.07.1981; Aktenzeichen 3 Ca 360/81) |
Tatbestand
Der im Jahre 1939 geborene Kläger war seit Juni 1964 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin als Baumaschinenführer beschäftigt. Zum 1. Mai 1970 wurde er zum Stammarbeiter ernannt. Der Kläger wurde in der Vergangenheit jedes Jahr für die Dauer der Winterpause von etwa Jahresende bis Ostern des folgenden Jahres entlassen und bezog in dieser Zeit Arbeitslosengeld. Im Anschluß daran wurde er regelmäßig wieder eingestellt, und zwar zuletzt im Frühjahr 1980. Mit Schreiben vom 25. November 1980 kündigte die Beklagte dem Kläger wiederum wegen Arbeitsmangels zum 31. Dezember 1980. Der Kläger hat diese Kündigung nicht mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen.
Als sich der Kläger nach Ostern 1981 bei der Beklagten nach dem Zeitpunkt der Wiedereinstellung erkundigte, hatte die Beklagte, die wegen der Auftragslage eine Reduzierung des Personals beschlossen hatte, bereits alle verfügbaren Arbeitsplätze im Bezirk Weiden besetzt. Sie lehnte eine Weiterbeschäftigung des Klägers im bisherigen Bezirk ab, bot ihm jedoch an, ihn als Stammarbeiter für den Bezirk Frankfurt einzustellen. Dieses Angebot lehnte der Kläger ab, weil er es aus persönlichen Gründen für unzumutbar hielt. Neben dem Kläger wurden von der Beklagten weitere vierundzwanzig Arbeitnehmer, die zum Jahresende 1980 entlassen worden waren, im Bezirk Weiden nicht wieder übernommen. Sie hatte aber mehrere Baumaschinenführer wieder eingestellt, die erst seit etwa vier bis fünf Jahren bei ihr gearbeitet hatten.
Der Kläger hat Klage mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verurteilen, ihn ab 12. Mai 1981 als Baumaschinenführer einzustellen und ihm eine Vergütung nach einem Stundenlohn von derzeit 13,99 DM brutto zu zahlen. Er hat vorgetragen, die Beklagte habe ihm ausdrücklich zugesagt, ihn nach der Winterpause 1980/1981 wieder einzustellen. Als langjähriger Mitarbeiter habe er zudem bei der Wiedereinstellung den Vorrang vor Arbeitskräften mit kürzerer Beschäftigungsdauer gehabt. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Grundsätze der sozialen Auswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) auch bei der Entscheidung darüber zu beachten, welche Arbeitnehmer im Mai 1981 wieder eingestellt werden sollten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, dem Kläger sei keine Wiedereinstellung zugesagt worden. Er sei für den bisherigen Bezirk nicht wieder eingestellt worden, weil er sich als Baggerführer geweigert habe, Walzen zu fahren. Die Arbeitsleistungen des Klägers hätten sich zudem in letzter Zeit immer mehr verschlechtert.
Das Arbeitsgericht hat nach der Vernehmung des Zeugen K der Klage stattgegeben. Es hat einen Anspruch des Klägers auf Wiedereinstellung anerkannt, weil aus der jahrzehntelangen Ausstellung und Wiedereinstellung des Klägers und aus seiner Ernennung zum Stammarbeiter die stillschweigende Vereinbarung einer Weiterbeschäftigung zum nächsten Saisonbeginn folge. In der formellen Kündigung liege in Wahrheit die Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses für die Wintermonate. Die Beklagte sei zumindest verpflichtet gewesen, in entsprechender Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes die Wiedereinstellung des Klägers pflichtgemäß zu prüfen. Sie hätte ihn deswegen vor den Baumaschinenführern einstellen müssen, die eine kürzere Betriebszugehörigkeit aufzuweisen hatten.
Die Beklagte hat ihre Berufung damit begründet, der Kläger habe keinen Anspruch auf Wiedereinstellung, weil er bereits Ende 1980 darauf hingewiesen worden sei, daß er wegen der schlechten Auftragslage nicht mit einer Wiedereinstellung rechnen könne. Gleichwohl habe es der Kläger nicht für notwendig gehalten, sich noch vor Ostern 1981 nach einer Wiedereinstellung zu erkundigen. Eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 3 KSchG sei bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses nicht möglich. Sie habe im übrigen auch bei der Auswahl der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt.
Der Kläger hat das Urteil des Arbeitsgerichts mit dem Hinweis verteidigt, er sei in den letzten zwölf Jahren jeweils nach der Winterpause wieder eingestellt worden, ohne daß es einer besonderen Nachfrage durch ihn bedurft habe.
Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Bestätigung des Urteils des Arbeitsgerichts, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist unbegründet. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht für den vom Kläger geltend gemachten Einstellungsanspruch keine Rechtsgrundlage.
1. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe dem Kläger anläßlich seiner Kündigung zum 31. Dezember 1980 weder ausdrücklich noch konkludent zugesagt, ihn im Frühjahr 1981 bei Fortsetzung der Bauarbeiten wieder einzustellen, ist frei von Rechtsfehlern.
Eine derartige Zusage liegt nicht bereits deswegen vor, weil die Beklagte den Kläger seit 1964 jeweils nach Beendigung der Winterpause bislang immer wieder neu eingestellt hatte. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr zu Recht darauf abgestellt, nach der Aussage des Zeugen K fehle für eine solche Zusicherung jeder Anhaltspunkt. Nach der Würdigung der Aussage dieses Zeugen wurde den Arbeitnehmern auch in den früheren Jahren bei Ausspruch der Kündigung die Wiedereinstellung nie schriftlich oder auch nur mündlich zugesichert. Darüber hinaus hat der Zeuge dem Kläger im November 1980 erklärt, bei einem weiteren Absinken der Konjunktur sei seine Wiedereinstellung fraglich. Dieser Vorbehalt schließt eine auch nur konkludente Zusage der Wiedereinstellung eindeutig aus.
Der Senat ist an die dieser Würdigung zugrunde liegenden Feststellungen nach § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, weil sie vom Kläger nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Die Rüge, das Landesarbeitsgericht hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, daß es von einer fehlenden Wiedereinstellungszusage ausgehe bzw. einen Hinweis auf die nichtbeabsichtigte Wiedereinstellung für entbehrlich halte, ist unzulässig. Der Kläger hat in der Revisionsbegründung nicht angegeben, was er auf einen solchen Hinweis nach § 139 ZPO vorgetragen hätte (vgl. zu diesem Erfordernis: BAG 13, 340, 344 = AP Nr. 37 zu § 233 ZPO). Die erst weit nach Ablauf der Begründungsfrist in der Revisionsverhandlung aufgestellte Behauptung des Klägers, ihm sei zugesichert worden, er könne sich auch noch nach der Wiederaufnahme der Arbeit melden und werde auch dann noch weiterbeschäftigt, konnte als unzulässiger neuer Tatsachenvortrag nicht mehr berücksichtigt werden (§ 561 Abs. 1 ZPO).
2. Da es an einer vertraglichen Vereinbarung des Klägers über die Weiterbeschäftigung nach der Beendigung der Winterpause fehlt, käme ein Anspruch auf Wiedereinstellung nur dann in Betracht, wenn a) die Grundsätze der Vertrauenshaftung oder b) der nachwirkenden Fürsorgepflicht erfüllt wären, wenn c) die Weigerung der Beklagten gegen das Gleichbehandlungsgebot verstieße (vgl. Sieg, SAE 1978, 122 - Anm. zu BAG Urteil vom 10. November 1977 - 3 AZR 329/76, aaO, und AP Nr. 1 zu § 611 BGB Einstellungsanspruch) oder wenn d) zugunsten des Klägers auch bei einer Wiedereinstellung die für eine betriebsbedingte Kündigung geltenden Grundsätze der sozialen Auswahl entsprechend anzuwenden wären. Die Voraussetzungen für die Gründe a) - c) sind jedoch vorliegend nicht erfüllt und der vom Arbeitsgericht angenommene Grundsatz zu d) kann nicht als weitere Voraussetzung für einen Anspruch auf Wiedereinstellung anerkannt werden.
a) Auch eine vom Arbeitgeber veranlaßte oder bestätigte Erwartung des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber sei zu einem künftigen Vertragsabschluß bereit, kann zwar unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium schutzwürdig sein und einen Vertrauenstatbestand begründen, der den Arbeitgeber zur erneuten Einstellung des Arbeitnehmers verpflichtet (BAG und Sieg, aaO). Im Streitfall liegen aber keine vertrauenserzeugenden Tatbestandselemente vor.
Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Vertrauenshaftung ausnahmsweise nur im Anschluß an Entlassungen in Saison- und Kampagnebetrieben in Betracht kommt und ob das Baugewerbe nicht mehr zu den Saisonbetrieben zählt, wie das Landesarbeitsgericht unter Hinweis auf Hueck (KSchG, 10. Aufl., § 22 Rz 2 a, 2 c; § 22 a Rz 6) gemeint hat. Gegen diese Einschränkung bestehen Bedenken, weil sie nur die typischen Fälle der Vertrauenshaftung erfaßt und auch bei anderen besonders gelagerten Tatbeständen ein Vertrauensschutz geboten sein kann. Der Anwendungsbereich dieser Art von Vertrauenshaftung braucht jedoch nicht abschließend geklärt zu werden. Der dem Kläger im November 1980 erklärte Vorbehalt, seine Wiedereinstellung sei fraglich, steht nicht nur einer entsprechenden vertraglichen Zusage entgegen, sondern hat zugleich auch die Entstehung eines Vertrauenstatbestandes verhindert.
Eine Vertrauenshaftung des Arbeitgebers setzt eine berechtigte Erwartung des Arbeitnehmers auf eine spätere Wiedereinstellung voraus (BAG, aaO). Diese Voraussetzung hat entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht nur dann gefehlt, wenn der Zeuge K dem Kläger auch die Gründe für die "fragliche Wiedereinstellung" im einzelnen mitgeteilt hätte. Schon sein Hinweis auf die unsichere Konjunktur und die deswegen fragliche Wiedereinstellung reichte aus, dem Kläger deutlich zu machen, er könne nicht wie in den Vorjahren mit einiger Sicherheit damit rechnen, im nächsten Frühjahr wieder von der Beklagten herangezogen zu werden.
Die Beklagte hat zudem das schon wegen der gebotenen Zweifel nicht schutzwürdige Vertrauen des Klägers auch deswegen nicht verletzt, weil sie es nur abgelehnt hat, den Kläger nach Besetzung der verringerten Arbeitsplätze im bisherigen Bezirk einzusetzen. Sie hat ihm dagegen unstreitig vergeblich die Einstellung für einen entsprechenden Arbeitsplatz im Raum Frankfurt angeboten. Wenn der Kläger dieses Angebot ausgeschlagen hat, weil er es aus persönlichen Gründen (Nebenbeschäftigung an seinem Wohnort, Hausbau) für unzumutbar hielt, dann kann er der Beklagten jedenfalls nicht vorwerfen, er sei nur deswegen nicht für seinen bisherigen Bezirk wieder eingestellt worden, weil die Beklagte ihm keine bei einer Betriebsstillegung oder -einschränkung fällige Sozialplanabfindung habe zahlen wollen (vgl. für einen ähnlichen Sachverhalt: BAG Urteil vom 25. Oktober 1983 - 1 AZR 280/82 - DB 1984, 725, die Entscheidung ist auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
b) Mit ihrem Angebot, den Kläger für den Bezirk Frankfurt einzustellen, hat die Beklagte auch einer etwa bestehenden nachwirkenden Fürsorgepflicht entsprochen. Es kann deswegen vorliegend auf sich beruhen, ob der Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht bei der vorliegenden Fallgestaltung überhaupt eine Grundlage für einen Wiedereinstellungsanspruch sein könnte. Das ist zweifelhaft, weil die nachwirkende Fürsorgepflicht den Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10. November 1977, aaO, m.w.N.) nur dann verpflichtet, den Arbeitnehmer später wieder einzustellen, wenn er ein besonderes Kündigungsrecht (z.B. bei einer Verdachtskündigung) für sich beansprucht hatte, dessen Voraussetzungen später wegfallen. Demgegenüber hat die Beklagte im Streitfall die vom Kläger nicht angegriffene und damit nach § 7 KSchG wirksam gewordene Kündigung vom 25. November 1980 mit einem Arbeitsmangel begründet, der auch im Frühjahr 1981 in einem, wenn auch verringerten Umfang, fortbestand und die Wiedereinstellung von 25 früher beschäftigten Arbeitnehmern entbehrlich machte.
c) Da die Beklagte im Frühjahr 1981 nicht alle bis zur Winterpause beschäftigten Arbeitnehmer wieder eingestellt, sondern neben dem Kläger noch 24 anderen Arbeitnehmern keine Weiterbeschäftigung angeboten hat, kann der Kläger sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Es sind zwar Fallgestaltungen denkbar, in denen ein ausgeschiedener Arbeitnehmer seine Wiedereinstellung verlangen kann, weil der Arbeitgeber alle anderen vergleichbaren Arbeitnehmer wieder eingestellt hat (BAG Urteil vom 10. November 1977, aaO). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil die Beklagte unstreitig nur einen Teil der zum Jahresende 1980 entlassenen Arbeitnehmer wieder eingestellt und der Kläger nicht dargelegt hat, die Beklagte habe dabei zumindest alle Arbeitnehmer berücksichtigt, die mit ihm hinsichtlich der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der sozialen Verhältnisse vergleichbar waren. Er hat insoweit nur geltend gemacht, die Beklagte habe mindestens fünf Baumaschinenführer wieder übernommen, die noch nicht länger als fünf Jahre bei ihr beschäftigt gewesen seien. Damit spricht der Kläger keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, sondern die Frage der "sozialen Auswahl" bei der Einstellung an (vgl. dazu unten zu d). Es ist deswegen in diesem Zusammenhang unerheblich, ob die Beklagte andere Arbeitnehmer mit geringerer Dauer der Betriebszugehörigkeit deswegen bevorzugt hat, weil sie leistungsstärker waren als der Kläger.
d) Auch die Begründung des Klägers, die Beklagte habe bei der Einstellung die Grundsätze der sozialen Auswahl verletzt, rechtfertigt seinen Klageantrag nicht.
Das Arbeitsgericht hat die gegenteilige Auffassung vertreten und dazu ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Einstellung des Klägers in entsprechender Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes zu prüfen. Diese Prüfung habe sich an dem Rechtszustand des Kündigungsschutzgesetzes, das eine Wertentscheidung enthalte, zu orientieren gehabt. Da die Beklagte mehrere Baumaschinenführer mit erheblich kürzerer Betriebszugehörigkeit und geringerem Lebensalter wieder eingestellt habe, sei die soziale Auswahl analog § 1 Abs. 3 KSchG nicht gewahrt.
Dieser Würdigung ist das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht gefolgt. Es hat zutreffend betont, das geltende Arbeitsrecht kenne weder eine "sozialwidrige Einstellung" noch eine "sozial ungerechtfertigte Nichteinstellung". Anders als bei der Beendigung habe bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses der Grundsatz der Vertragsfreiheit den Vorrang vor der Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte. Bei der Einstellung müsse der Arbeitgeber Bewerber nicht nach sozialen Gesichtspunkten auswählen. Selbst bei einer betriebsbedingten Kündigung seien zudem soziale Gesichtspunkte, die sich erst nach Zugang der Kündigung ergeben, nicht mehr zu berücksichtigen. Das verbiete die modifizierte Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes bei einer späteren Neu- oder Wiedereinstellung auch dann, wenn sie in sachlichem Zusammenhang mit einer früheren Beschäftigung und in einem nicht zu langen zeitlichen Abstand nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses begehrt werde.
Der Senat stimmt auch dieser Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu. Die vom Kläger begehrte und vom Arbeitsgericht gebilligte entsprechende Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes bei der Einstellung geht weit über den von Woltereck/Lewerenz entwickelten Lösungsvorschlag für den Bestandsschutz in Saison- oder Kampagnebetrieben hinaus (AR-Blattei, Saisonarbeit I, B IV 6). Nach diesen Autoren soll die Wirksamkeit einer Kündigung zum Ende der Saison oder Kampagne davon abhängig sein, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zugleich das Angebot zum Abschluß eines Vorvertrages über eine Einstellung zur nächsten Saison macht. Der Senat braucht nicht abschließend dazu Stellung zu nehmen, ob eine derartige entsprechende Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes möglich und vertretbar ist. Auch nach dieser Betrachtung hat ein Arbeitnehmer nämlich dann keinen Anspruch auf Wiedereinstellung, wenn er die Kündigung nicht fristgerecht gerichtlich angegriffen hat, oder wenn er seine Arbeitskraft erst anbietet, nachdem die verfügbaren Arbeitsplätze bereits besetzt sind. Beide Einschränkungen würden vorliegend einen Anspruch des Klägers ausschließen, wenn der Auffassung von Woltereck/Lewerenz (aaO) zu folgen wäre.
Eine noch über die genannten Voraussetzungen hinausgehende entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 3 KSchG bei Einstellungen ist abzulehnen, weil sie eine unzulässige Rechtsfortbildung bedeutet, für die es im geltenden Recht keine erweiterungsfähigen Ansätze (vgl. § 78 a BetrVG) gibt (Hueck, aaO, § 22 Rz 6; KR-Gröninger, § 22 KSchG Rz 14).
3. Unzutreffend ist schließlich auch die Hauptbegründung, mit der das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hat. Es hat ausgeführt, in der äußerlich als Kündigung ausgestalteten Beendigung des Arbeitsverhältnisses liege sachlich die Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Winterpause. Es sei aber allgemein anerkannt, daß bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers bestehe.
Das Landesarbeitsgericht hat diese Auffassung zwar nicht ausdrücklich behandelt und abgelehnt. Wie sich aus seiner Begründung ergibt, hat es aber die Kündigung zum 31. Dezember 1980 als Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechtes der Beklagten gewertet, das nicht nur formal, sondern auch inhaltlich auf die Beendigung und nicht nur auf die Suspendierung des Arbeitsverhältnisses gerichtet gewesen ist.
Nur diese Auslegung wird der Sachlage und den Interessen der Parteien gerecht. Hätten die Parteien das Arbeitsverhältnis für die Dauer der Winterpause nur suspendieren wollen, dann entspräche zunächst der vom Kläger gestellte Antrag nicht der aus einer solchen Vereinbarung abzuleitenden Rechtsfolge. Der Kläger begehrt mit seinem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, ihn ab 12. Mai 1981 als Baumaschinenführer einzustellen, sachlich die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Angebotes zum Abschluß eines Arbeitsvertrages nach § 894 ZPO (vgl. Sieg, aaO). Für diese Klage bestünde aber kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Parteien für die Winterpause nur das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart hätten, weil dann bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nur die gegenseitigen Hauptpflichten befristet suspendiert gewesen wären (BAG Urteil vom 26. Januar 1959 - 1 AZR 355/55 - AP Nr. 3 zu § 7 AltbankenG Berlin) und die Beklagte den Kläger nach Beendigung der Winterpause hätte weiterbeschäftigen müssen. Selbst wenn der Klageantrag dahin auszulegen wäre, der Kläger begehre in Wahrheit die "Umgestaltung" eines ruhenden in ein voll wirksames Arbeitsverhältnis (BAG, aaO), wäre seinem Antrag auch nicht mit dieser Maßgabe zu entsprechen.
Für die Annahme, die Parteien hätten im Anschluß an die ordentliche betriebsbedingte Kündigung nur das vorübergehende Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart, fehlen geeignete Anhaltspunkte. Eine derartige Übergangsregelung ist schon grundsätzlich selten anzunehmen, weil der Arbeitnehmer bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und einer Unterbrechung nur der tatsächlichen Beschäftigung dem Arbeitsmarkt nur beschränkt zur Verfügung steht und deswegen der Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung zweifelhaft wird (KR-Hillebrecht, § 620 BGB Rz 182 m.w.N.). Vorliegend ist die Auslegung der betriebsbedingten Kündigung der Beklagten als Angebot zur Suspendierung der gegenseitigen Hauptpflichten nicht mit dem Hinweis auf die zweifelhafte Wiedereinstellung zu vereinbaren, der dem Kläger erteilt worden war. Die Beklagte wollte mit ihrer Kündigung zum 31. Dezember 1980 ersichtlich alle vertraglichen Beziehungen zum Kläger beenden. Da die "Winterpause" sich nicht mit dem Zeitraum der gesetzlichen Schlechtwetterzeit (1. November/31. März) deckt (vgl. § 4 Nr. 5.4 des BRT für das Baugewerbe vom 5. Juni 1978), spricht auch nichts dafür, daß die Kündigung der Beklagten gegen den genannten Tarifvertrag verstößt und die Beschäftigung nur aus witterungsbedingten Gründen unterbrochen wurde. Das ist auch vom Kläger nicht behauptet worden.
II. Die Revision war demgemäß mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller
Thieß Dr. Bensinger
Fundstellen
Haufe-Index 437670 |
BB 1985, 57-59 (LT1) |
DB 1984, 2354-2355 (LT1) |
NJW 1985, 342 |
NJW 1985, 342-343 (LT1) |
AuB 1985, 88-88 (T) |
Stbg 1985, 228-228 (T) |
ARST 1985, 4-5 (LT1) |
NZA 1984, 226-228 (LT1) |
SAE 1985, 302-305 (LT1) |
ZIP 1984, 1265 |
ZIP 1984, 1265-1268 (LT1) |
AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl (LT1), Nr 2 |
AR-Blattei, ES 640 Nr 14 (LT1) |
AR-Blattei, Einstellung Entsch 14 (LT1) |
EzA § 611 BGB Einstellungsanspruch, Nr 2 (LT1) |
ZfA 1985, 602-603 (T) |