Entscheidungsstichwort (Thema)
Überführung einer Teileinrichtung nach Art. 13 EV
Leitsatz (amtlich)
Macht ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR geltend, sein Arbeitsverhältnis sei gemäß Art. 13 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1 Einigungsvertrag (EV) in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 EV auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen und bestehe als aktives fort, hat er die Überführung seiner Beschäftigungs(Teil-)Einrichtung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 13 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1 in Verb. m Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 03.12.1991; Aktenzeichen 3 Sa 50/91) |
ArbG Berlin (Urteil vom 18.06.1991; Aktenzeichen 94 Ca 12779/90) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 3. Dezember 1991 – 3 Sa 50/91 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß Art. 20 Abs. 1 Einigungsvertrag (EV) in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 (im folgenden Nr. 1 Abs. 2 EV) ab 1. Januar 1991 geruht und mit Ablauf des 30. Juni 1991 geendet hat.
Der Kläger war seit dem 15. Oktober 1979 als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung (ASMW) beschäftigt. Seit Januar 1990 arbeitete er im Bereich Meßwesen und dort wiederum in der Abteilung 4610 (Umwelttechnik und Analytik). Diese Abteilung war in drei Arbeitsgruppen untergliedert. Neben zwei weiteren Arbeitnehmern war der Kläger der Arbeitsgruppe Umwelttechnologie zugeteilt. Dieser Arbeitsgruppe oblag die Beratung der Umweltämter in der Akkreditierung, Altlasterkundung und -bewertung. Das ASMW gehörte zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft (MfW) der ehemaligen DDR.
Mit Schreiben vom 27. September 1990 teilten die Präsidenten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) dem Kläger unter anderem mit, daß mit dem Tage der Einheit für den Geschäftsbereich des MfW der Bundesminister für Wirtschaft (BMWi) verantwortlich werde, daß dieser die Präsidenten beider Bundesanstalten mit der verwaltungsmäßigen Abwicklung des ASMW beauftragt habe und daß die Arbeitseinheit des Klägers nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages über den 3. Oktober 1990 hinaus zunächst fortgeführt werde, was zur Folge habe, daß das Ruhen seines Arbeitsverhältnisses am 1. Januar 1991 beginne, sofern eine Weiterbeschäftigung nicht möglich sei.
Am 3. Oktober 1990 erließ der BMWi eine Organisationsverfügung, wonach u.a. mit dem Wirksamwerden des Einigungsvertrages das ASMW als Einrichtung aufgelöst sei, die Überführung den nachgeordneten Behörden obliege und die Entscheidung nach Art. 13 EV über die Überführung oder Abwicklung der Einrichtung bis zum 31. Dezember 1990 erfolge. Der Beginn des Ruhens der Arbeitsverhältnisse werde bis zum 1. Januar 1991 hinausgeschoben. Die Überleitung des ASMW – Bereich Meßwesen – obliege der PTB. Für die Überleitung des Bereiches Materialprüfung sei die BAM verantwortlich, die eine Außenstelle in Königs Wusterhausen errichte.
Ebenfalls am 3. Oktober 1990 erließen die Präsidenten der PTB und der BAM eine Organisationsverfügung mit u.a. folgenden Bestimmungen:
- “…
- Die Organisationseinheiten des ASMW mit Ausnahme der in der Anlage aufgeführten Einrichtungen bleiben bis zur abschließenden Entscheidung über die Überführung oder Abwicklung, längstens bis zum 31. Dezember 1990, bestehen.
- …
Die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer der zunächst aufrechterhaltenen Organisationseinheiten bestehen nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages längstens bis zum 31. Dezember 1990 zur Bundesrepublik Deutschland fort. Anzuwenden sind die am 2. Oktober 1990 geltenden Arbeitsbedingungen der DDR nach den Maßgaben des Einigungsvertrages.
Soweit keine anderweitigen Regelungen getroffen werden, ruhen die Arbeitsverhältnisse spätestens ab 1. Januar 1991.
- … ”
Die Arbeitseinheit des Klägers wird in der Anlage zu dieser Organisationsverfügung nicht genannt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, es sei keine wirksame Auflösungs- und Abwicklungsentscheidung getroffen worden. Vielmehr sei die Organisationseinheit, in der er vor dem 3. Oktober 1990 beschäftigt gewesen sei, auf die BAM überführt worden. Dies folge bereits aus den Organisationsverfügungen vom 3. Oktober 1990. Die Überführung ergebe sich aber auch aus der tatsächlichen Fortführung der Abteilung, in der er zuletzt beschäftigt gewesen sei. In den bisherigen Räumlichkeiten sei der Bereich anorganische Analytik verblieben, während der Technologiebereich unter “Neugründung” einer Abteilung 3/6 auf das Gelände des ehemaligen militärtechnischen Institutes in Königs Wusterhausen verlagert worden sei. Die Abteilung 3/6 erstatte Gutachten und nehme neu gegründete Deponien ab. Damit nehme sie im wesentlichen dieselben Aufgaben wie die ehemalige Arbeitsgruppe Umwelttechnologie der Abteilung 4610 des ASMW wahr.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 1991 nicht ruht und über den 30. Juni 1991 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das ASMW sei aufgelöst und nicht – auch nicht in einzelnen Organisationseinheiten – überführt worden. Das Ruhen und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers seien mangels Überführungsentscheidung automatisch kraft Gesetzes eingetreten. Im übrigen trage der Kläger die Beweislast dafür, daß die Einrichtung, in der er vorher tätig gewesen sei, bzw. ein organisatorisch selbständiger Teil derselben, trotz vorangegangener Auflösungsentscheidung tatsächlich überführt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ruhte im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 1991 und endete mit Ablauf des 30. Juni 1991. Die Voraussetzungen nach Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 der Anlage I zum Einigungsvertrag lagen jeweils vor.
I. Gemäß Nr. 1 Abs. 2 EV bestanden die Arbeitsverhältnisse der in den gemäß Art. 13 Abs. 2 EV ganz oder teilweise auf den Bund überführten Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer nach Nr. 1 Abs. 1 EV zum Bund. Die Arbeitsverhältnisse der übrigen Arbeitnehmer ruhten vom Tage des Wirksamwerdens des Beitritts an.
Die Arbeitsverhältnisse der Werktätigen des öffentlichen Dienstes der DDR gingen nicht durch den Wegfall des ursprünglichen Vertragspartners am 3. Oktober 1990 unter. Das ergibt sich aus dem Einigungsvertrag selbst. Dem steht die frühere gesetzliche Regelung der ehemaligen DDR nicht entgegen. Nach § 38 Abs. 1 AGB-DDR waren die Arbeitsrechtsverhältnisse zwischen dem Werktätigen und dem “Betrieb” zu vereinbaren. Diese Bestimmung verlor allerdings mit dem Wirksamwerden des Beitritts ihre Geltung. Die nach bundesdeutschem Recht nicht rechtsfähigen Vertragsparteien auf Arbeitgeberseite gingen unter. Obgleich im Protokoll zum Einigungsvertrag zu Art. 13 Abs. 2 (BGBl. 1990 II S. 905) klarstellend ausgeführt ist, daß in überführten Einrichtungen “geeignetes Personal entsprechend den Notwendigkeiten der Aufgabenerfüllung in angemessenem Umfang zu übernehmen” sei, ist mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 84, 133, 147) im Ergebnis davon auszugehen, daß mit der Überführung der Arbeitsvertragsparteien auf neue Träger öffentlicher Verwaltung als juristische Personen bundesdeutschen Rechts die Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes übergingen. Die dazu notwendigen dienstrechtlichen Maßgaben des Kapitels XIX knüpfen an die organisationsrechtlichen Regelungen des Art. 13 EV an. Danach unterstehen Einrichtungen oder Teileinrichtungen, die bis zum Wirksamwerden des Beitritts Aufgaben erfüllten, die nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vom Bund wahrzunehmen sind, den zuständigen obersten Bundesbehörden. Diese hatten die Überführung oder Abwicklung zu regeln.
1. Die Überführung einer Einrichtung gemäß Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Die Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5/92 – ZIP 1992, 1275). Sie konnte formfrei ergehen, also auch konkludent verlautbart werden. Die bloße Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer indiziert allerdings nicht die Überführungsentscheidung, wenn die Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten befaßt wurden.
Die Entscheidung zur Überführung einer Einrichtung oder Teileinrichtung durfte von den zuständigen Bundesbehörden gemäß Art. 13 Abs. 2 EV bereits vor dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 gefällt werden. Hierzu ermächtigte der Einigungsvertrag selbst, wie sich aus der Fußnote zu Nr. 1 Abs. 2 EV ergibt. Danach gingen die Vertragsparteien des Einigungsvertrages davon aus, daß ein Hinausschieben des Ruhensbeginns besonders regelungsbedürftig sei. Folglich wurde die Entscheidung gemäß Art. 13 EV bis zum Wirksamwerden des Beitritts als Normalfall angesehen.
2. Die Überführungsentscheidung gemäß Art. 13 EV konnte eine Einrichtung als ganze oder eine Teileinrichtung betreffen, die ihre Aufgabe selbständig erfüllen konnte. Dies setzte eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit mit eigener Aufgabenstellung und der Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung voraus. Soweit Einrichtungen ganz oder teilweise überführt wurden, bestanden die Arbeitsverhältnisse gemäß Art. 20 EV in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 und 3 EV jeweils zum neuen Träger öffentlicher Verwaltung fort. Wenn Nr. 1 Abs. 2 EV eine teilweise Überführung einer Einrichtung als Grund des aktiven Fortbestehens der Arbeitsverhältnisse vorsieht, ist damit entsprechend dem dargestellten Normzweck die Überführung einer Einrichtung im Sinne von Art. 13 EV gemeint. Die Organisationsentscheidung nach Art. 13 EV war weder personen- noch arbeitsplatzbezogen. Sie betraf funktionsfähige Organisationseinheiten, die vor dem 3. Oktober 1990 die Fähigkeit zu aufgabenbezogener Eigensteuerung und selbständiger Aufgabenerfüllung besaßen. Dementsprechend gibt Art. 13 Abs. 1 Satz 3 EV in Verbindung mit den Regelungen der Anlage I die Mindesterfordernisse überführungsfähiger Teileinrichtungen vor.
Bei der Feststellung einer organisatorischen Abgrenzbarkeit der Teileinrichtung ist nicht abzustellen auf die für jede öffentliche Einrichtung typischen internen Untergliederungen wie Abteilung, Referat oder Dezernat, die lediglich zu Zwecken der Geschäftsverteilung gebildet werden. Entscheidend ist vielmehr, daß der betroffene Teil als organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit auch nach außen mit einem gewissen Grad an Selbständigkeit erscheint, ohne daß ihm damit zugleich eine eigene Rechtspersönlichkeit oder ein Behördencharakter zukommen müßte (vgl. BVerfGE 84, 133, 151). Auf eine organisatorische Eigenständigkeit lassen eine eigene interne Geschäftsverteilung sowie eine zumindest teilweise selbständige Wahrnehmung von Dienst- und Organisationsangelegenheiten innerhalb des der betroffenen Einheit zugewiesenen Aufgabenbereichs schließen.
3. Wurde bis zum 3. Oktober 1990 keine (positive) Überführungsentscheidung getroffen, trat kraft Gesetzes die Auflösung der Einrichtung bzw. der nicht überführten Teile ein. Die Abwicklung diente der Umsetzung dieser Auflösung und war auf die Liquidation der Einrichtung oder der nicht überführten Teile gerichtet. In diesem Falle ruhten die Arbeitsverhältnisse der in der abzuwikkelnden (Teil-)Einrichtung Beschäftigten gemäß Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 oder 3 EV kraft Gesetzes ab dem 3. Oktober 1990, sofern und soweit nicht durch eine Entscheidung gemäß Fußnote 2 zu Nr. 1 Abs. 2 EV der Beginn des Ruhens der Arbeitsverhältnisse um bis zu drei Monate hinausgeschoben worden war oder dies die Kündigungsvorschriften des Mutterschutzrechts durchbrochen hätte. Die ruhenden Arbeitsverhältnisse endeten kraft Gesetzes nach Ablauf von sechs bzw. neun Monaten Wartezeit, wenn nicht der einzelne Arbeitnehmer weiterverwendet wurde.
Die Voraussetzungen, unter denen eine Einrichtung abgewikkelt werden durfte, nennt der Einigungsvertrag nicht ausdrücklich. Sie ergeben sich aber aus der Wortwahl der Vertragsparteien, dem Normzusammenhang und den tatsächlichen Umständen, die Grund der Regelungen waren. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu klargestellt, daß die Abwicklung einer Einrichtung nach rechtlichem Sprachgebrauch ihre Auflösung voraussetzt. Eine Übertragung auf einen anderen Hoheitsträger reicht nicht aus. Die Einrichtung darf als organisatorische Einheit nicht fortbestehen (BVerfGE 84, 133, 150 ff.). Die Abwicklung einer Einrichtung ist jedoch nicht immer kurzfristig zu leisten. Ein derartiger Liquidationsvorgang kann vielfach erst nach Monaten abgeschlossen werden. Die am Ende stehende Auflösung der Einrichtung als realer Vollzug war deshalb keine Voraussetzung des Eintritts des Ruhens der Arbeitsverhältnisse am 3. Oktober 1990, 0.00 Uhr.
Die Auflösung trat automatisch ein, wenn keine Überführungsentscheidung getroffen wurde. Nach dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 EV waren sowohl die Überführung als auch die Abwicklung “zu regeln”. Diese Regelungspflicht bestand in jedem Falle. War entschieden worden, die Einrichtung vollständig oder teilweise zu überführen, war die Überführung zu regeln. Unterblieb die (positive) Überführungsentscheidung, war die Liquidation der Einrichtung zu regeln. Mangels Überführung ruhten die Arbeitsverhältnisse vom Tage des Wirksamwerdens des Beitritts an, auf jeden Fall aber drei Monate später. Diese gesetzliche Folge trat somit immer dann ein, wenn es an einer positiven Organisationsentscheidung fehlte, also auch im Falle bloßer Untätigkeit der Behörden. Dementsprechend hat das BVerwG (Urteil vom 12. Juni 1992, aaO, S. 1277) mit Recht ausgeführt, eine Zusammenschau von Art. 13 und 20 EV nebst den erwähnten dienstrechtlichen Vorschriften der Anlage I lasse keinen anderen Schluß zu, als daß eine Abwicklung der von diesen Vorschriften erfaßten Einrichtung nur durch ihre Überführung zu verhindern gewesen sei, die Abwicklung also keine hierauf gerichtete negative, sondern nur das Fehlen einer auf die Überführung gerichteten positiven Entscheidung oder eines entsprechenden konkludenten Handelns voraussetzte.
II. Der Kläger gehörte zu den “übrigen” Arbeitnehmern im Sinne von Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 EV, deren Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes ruhte und nach sechs Monaten endete.
1. Der Kläger war Arbeitnehmer im Sinne von Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 EV, denn er war aufgrund eines Arbeitsrechtsverhältnisses im Sinne der Vorschriften des AGB der DDR in der öffentlichen Verwaltung “beim Wirksamwerden des Beitritts” beschäftigt. Das ASMW gehörte zur öffentlichen Verwaltung der DDR.
2. Die Einrichtung, in der der Kläger tätig war, ist nicht überführt worden.
a) Das Berufungsgericht hat die Organisationsverfügungen vom 3. Oktober 1990 und das Schreiben vom 27. September 1990 dahin ausgelegt, daß sie nicht die Überführung, sondern im Gegenteil die Auflösung des ASMW für den Fall bestimmten, daß bis zum 31. Dezember 1990 keine Überführungsentscheidung gemäß Art. 13 Abs. 2 EV getroffen würde. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar und nicht zu beanstanden. Sie ist mit dem Wortlaut der Erklärungen vereinbar und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Eine Fehlerhaftigkeit der Auslegung wird von der Revision auch nicht gerügt. Die Revision geht vielmehr von der (unzutreffenden) Auffassung aus, daß eine unwirksame – wie eine fehlende – Auflösungsentscheidung den Fortbestand aktiver Arbeitsverhältnisses zur Folge hätte.
Außerhalb der Organisationsverfügungen vom 3. Oktober 1990 und des Schreibens vom 27. September 1990 liegende Anhaltspunkte, die für eine die Einrichtung “ASMW” betreffende Überführungsentscheidung sprechen könnten, sind nicht vorgetragen worden.
Für eine teilweise Überführung spricht nicht die Beschäftigung von Arbeitnehmern des ehemaligen ASMW in den alten Diensträumen nach dem 1. Januar 1991. Insofern fehlt es an einer Indizwirkung, weil dieses Vorgehen der Beklagten Nr. 1 Abs. 2 EV und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 84, 133, 153 ff.) sowie der Pflicht gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 2 EV, die Abwicklung zu regeln, entsprach.
b) Ebensowenig kann nach dem maßgeblichen Sach- und Streitstand die Fortführung einer Teileinrichtung “Arbeitsgruppe Umwelttechnologie” bejaht werden. Diesbezüglich hat der Kläger zwar eine Aufgabenfortführung in der Abteilung 3/6 der BAM behauptet, jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluß erlaubten, diese kleinste Organisationseinheit des ASMW sei eine überführungsfähige Teileinrichtung gewesen. Hierzu hat der Kläger lediglich pauschal und damit unsubstantiiert behauptet, die “Arbeitsgruppe Umwelttechnologie” sei eine Teileinrichtung gewesen. Die Beklagte hat dies bestritten. Der Kläger hat seine Behauptung gleichwohl nicht konkretisiert. Nach dem Vortrag des Klägers kann deshalb nicht angenommen werden, die “Arbeitsgruppe Umwelttechnologie” sei eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit mit eigener Aufgabenstellung und Fähigkeit zu aufgabenbezogener Eigensteuerung gewesen. Insofern ist das Berufungsgericht zu Recht von der Darlegungs- und Beweislast des Klägers ausgegangen. Macht ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR geltend, sein Arbeitsverhältnis sei gemäß Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 EV auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen und bestehe als aktives fort, hat er die Überführung seiner Beschäftigungs(Teil-)Einrichtung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Weil der Einigungsvertrag in Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 2 keine besondere materiell-rechtliche Regelung der Beweislast enthält, ist auf die Grundregel des Zivilrechts abzustellen. Danach trägt jede Partei die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm erfüllt sind. Wer eine Rechtsfolge für sich in Anspruch nimmt, hat die (eventuell auch negativen) rechtsbegründenden und rechtserhaltenden Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Sein Gegner trägt die Darlegungs- und Beweislast für die rechtshindernden, die rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Tatsachen. Dabei ist die Parteistellung ohne Belang. Dementsprechend ist in Bestandsstreitigkeiten die Begründung eines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. BAGE 7, 51, 58 f. = AP Nr. 18 zu § 3 KSchG, zu A 3d der Gründe). Dies gilt auch bei streitigem Übergang des Arbeitsverhältnisses nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages für den öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR. Nur die Überführung einer (Teil-)Einrichtung gemäß Art. 13 EV ließ nach Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 EV ein aktives Arbeitsverhältnis auf den neuen Träger öffentlicher Verwaltung übergehen. Demgemäß hat der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Überführung der (Teil-)Einrichtung als ihm günstige Voraussetzung des Rechtsübergangs zu tragen. Der Arbeitnehmer muß somit die Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich die Überführung seiner Beschäftigungseinrichtung ergibt. Dazu gehören das Bestehen einer überführungsfähigen (Teil-)Einrichtung und die Überführungsentscheidung gemäß Art. 13 EV selbst. Dieser Darlegungslast hat der Kläger nach der zutreffenden Würdigung des Berufungsgerichts nicht entsprochen.
III. Die kraft Gesetzes eingetretene Abwicklung einer Einrichtung bedurfte zu ihrer Wirksamkeit keiner Bekanntgabe. Hiervon ist allerdings die Mitteilung an die betroffenen Beschäftigten der abzuwickelnden (Teil-)Einrichtung über das gemäß Nr. 1 Abs. 2 EV eingetretene Ruhen ihrer Arbeitsverhältnisse zu trennen. Das Ruhen der Arbeitsverhältnisse trat zwar zeitgleich mit dem Wirksamwerden des Beitritts ein, war somit in seiner Entstehung von einer Bekanntgabe unabhängig, doch konnte sich der neue Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses erst ab Bekanntgabe der gesetzlichen Ruhensfolge berufen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde dem Kläger das Ruhen seines Arbeitsverhältnisses bereits im Oktober 1990 angekündigt. Seinem Interesse, über das Ruhen seines Arbeitsverhältnisses nicht im unklaren gelassen zu werden, wurde hinreichend Rechnung getragen.
IV. Die Nichtüberführung einer Einrichtung ist arbeitsgerichtlich auf Willkür überprüfbar. Ließ der Arbeitgeber die Abwicklung willkürlich eintreten, hat er die betroffenen Arbeitnehmer so zu stellen, wie sie bei Überführung der Einrichtung gestanden hätten. Eine erhebliche Rüge willkürlichen Verhaltens der Beklagten hat der Kläger aber nicht vorgetragen. Daß die BAM auf die Erweiterung ihrer räumlichen Zuständigkeit mit der Bildung einer neuen Außenstelle in Königs Wusterhausen und keiner Überführung alter Einrichtungen reagiert hat, widerspricht nicht Treu und Glauben. Auch nach dem Klägervortrag wären wegen der bis in den privatwirtschaftlichen Bereich hineinreichenden Aufgabenvielfalt des ASMW nur untergeordnete Organisationseinheiten für eine Teilüberführung in Betracht gekommen, so daß sich ein Fehlen sachlicher Gründe nicht aufdrängt.
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Michels-Holl, Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Weiss, Rosendahl
Fundstellen
Haufe-Index 846777 |
BAGE, 243 |
NZA 1993, 407 |