Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzende Auslegung eines Versorgungstarifvertrages. ergänzende Tarifauslegung. Regelungslücke durch Gesetzesänderung. Verweisung auf sozialversicherungsrechtliche Begriffe. Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Änderung des SGB VI. teilweise Erwerbsminderung. Ruhensvereinbarung
Orientierungssatz
- Bei Arbeitnehmern, die in den Jahren 2001 und 2002 aus persönlichen Gründen nach § 34b Abs. 1 EKT-MTV in der damaligen Fassung beurlaubt worden waren und denen in dieser Zeit eine gesetzliche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt wurde, lag der Versicherungsfall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit iSd. Nr. 7 Ziff. 1 Buchst. a und b der Anlage 7a zum EKT aF nicht vor.
- Das gesetzliche Rentenversicherungsrecht wurde durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 grundlegend geändert. Der dadurch ausgelöste Regelungsbedarf hat zu einer nachträglichen Lücke im EKT geführt. Die Gerichte haben jedoch nur dann die Möglichkeit und die Pflicht, eine unbewusste Regelungslücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt. Auf den Wegfall der gesetzlichen Rente wegen Berufsunfähigkeit konnten die Tarifvertragsparteien mit unterschiedlichen Ergänzungen der tariflichen Regelungen reagieren.
- Die Tarifvertragsparteien haben durch Änderung der Anlage 7a zum EKT das von ihnen geschaffene Regelungsmodell am 1. Januar 2004 in Kraft gesetzt und von einer Übergangsregelung für Altfälle abgesehen. Die Gerichte dürfen der Arbeitgeberin für die Vergangenheit nicht eine Lösung aufzwingen, die im EKT nicht eindeutig vorgezeichnet war und gegen die sich die Tarifvertragsparteien entschieden haben. Ebenso wenig kann die Neuregelung entgegen dem zum Ausdruck gebrachten Willen der Tarifvertragsparteien rückwirkend in Kraft gesetzt werden.
Normenkette
TVG § 1; SGB VI n.F. §§ 43, 240; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger auch für die Zeit vom 1. September 2001 bis einschließlich 31. März 2002 eine Betriebsrente zu zahlen hat.
Der am 7. Oktober 1945 geborene Kläger war seit Oktober 1962 bei der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien die Anwendung des Ersatzkassentarifvertrages (EKT) und seiner Anlagen vereinbart. Die in den Jahren 2001 und 2002 geltende Fassung des EKT-Manteltarifvertrages enthielt folgende Vorschriften:
“§ 34 Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit
(1) Wird durch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes oder Amtsarztes festgestellt, dass sich die Dienstfähigkeit eines Angestellten bis zu dem Grade vermindert hat, der Voraussetzung für die Zuerkennung einer Rente aus der Rentenversicherung oder einer sonstigen öffentlichen Versicherung ist, hat der Angestellte bis zum Ablauf des übernächsten Monats nach Erhalt der schriftlichen Aufforderung der Kasse einen Rentenantrag zu stellen. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, oder verzögert er schuldhaft die Bearbeitung des Rentenantrags, so endet das Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf der in Satz 1 genannten Frist.
(2) Wird durch Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt, dass der Angestellte berufs- oder erwerbsunfähig ist, und übt der Angestellte am Tage der Zustellung des Rentenbescheides seine Tätigkeit noch aus, endet das Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid zugestellt wird, …
§ 34a Beurlaubung aus betrieblichen Gründen bis zum Eintritt des Versicherungs- oder Versorgungsfalles
(1) Stellt die Kasse fest, dass ein unkündbarer Angestellter, der das 59. Lebensjahr vollendet hat, dauernd außerstande ist, die ihm obliegenden Aufgaben in vollem Umfang zu erfüllen, und können ihm andere seiner Vergütungsgruppe entsprechende Tätigkeiten nicht übertragen werden, kann die Kasse den Angestellten nach Anhörung unter Mitwirkung der Personalvertretung und bei Einhaltung einer Auslauffrist von 1 Jahr bis zum Eintritt des Versicherungs- oder Versorgungsfalles beurlauben.
…
(2) Unter den gleichen Voraussetzungen kann der Angestellte seine Beurlaubung bis zum Eintritt des Versicherungs- oder Versorgungsfalles beantragen, nachdem seinem Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht entsprochen wurde.
(3) Bei einer Beurlaubung nach den Absätzen 1 und 2 wird ein Gesamtruhegeld gemäß Anlage 7 oder 7a gewährt.
…
§ 34b Beurlaubung aus persönlichen Gründen bis zum Eintritt des Versicherungs- oder Versorgungsfalles
(1) Mit Angestellten, die das 55. Lebensjahr vollendet und eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersund Hinterbliebenenversorgung nach Anlage 7 oder 7a erworben haben, kann auf schriftlichen Antrag des Angestellten im gegenseitigen Einvernehmen eine Beurlaubung und ein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bis zum Eintritt des Versicherungs- oder Versorgungsfalles vereinbart werden. In dem Zeitraum der Beurlaubung ruhen alle gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis. Das Beschäftigungsverhältnis endet am Vortage des Rentenbeginns.
(2) Leistungen der Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Anlage 7a erhält der Angestellte in einem solchen Fall ab dem Tag des Rentenbeginns mit der Maßgabe, dass der Zeitraum der Beurlaubung bei Anwendung der Anlage 7a keinerlei Berücksichtung findet.
…”
Die in den Jahren 2001 und 2002 geltende Fassung der Anlage 7a zum EKT regelte die von der Beklagten geschuldete betriebliche Altersversorgung auszugsweise wie folgt:
“Abschnitt A – Allgemeines
Der Angestellte, dessen Beschäftigungsverhältnis bei einer Kasse vor dem 1.1.1980 begann, hat unter folgenden Voraussetzungen Anspruch auf eine Gesamtversorgung gegen die Kasse.
…
Abschnitt C – Voraussetzungen für den Anspruch auf Gesamtversorgung
…
Nr. 7 Versorgungsfall
1. Der Versorgungsfall tritt ein, wenn der Angestellte
a) berufsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung wird,
b) erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung wird,
c) Altersruhegeld auf Antrag vor Vollendung des 65. Lebensjahres erhält,
d) das 65. Lebensjahr vollendet, frühestens jedoch am Tage nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.
…
Abschnitt D – Gesamtruhegeld Nr. 8 Zuschuss an Angestellte
Die Kasse gewährleistet dem Angestellten als Gesamtruhegeld je nach Dauer der Beschäftigungszeit einen nach Nr. 9 ermittelten Vomhundertsatz des nach Nr. 10 festgesetzten ruhegeldfähigen Gehalts. Auf das Gesamtruhegeld werden die in Nr. 11 angeführten Bezüge angerechnet; der verbleibende Differenzbetrag wird als Zuschuss von der Kasse gezahlt.”
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 23. Mai 2001 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Bei der Beklagten stellte er mit Schreiben vom 30. Juli 2001 “Antrag auf Beurlaubung aus persönlichen Gründen nach § 34b des Manteltarifvertrages ab 1. September 2001”. Im Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 10./15. August 2001 vereinbarten die Parteien:
“Mit Wirkung vom 01.09.2001 gilt folgender Arbeitsvertrag:
1. Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 34b EKT ab 01.09.2001.
2. Das Beschäftigungsverhältnis ruht bis zum Eintritt des Versorgungsfalles.
3. Während der Ruhenszeit ruhen alle gegenseitigen Rechte und Pflichten.
4. Entsprechend § 34b, Abs. 2 EKT wird ab dem Tage des Rentenbeginns ein Gesamtruhegeld nach Anlage 7a EKT gewährt. Die Ruhenszeit findet keine Berücksichtigung.”
Bis zum 31. August 2001 arbeitete der Kläger bei der Beklagten. Durch Bescheid vom 18. Oktober 2001 bewilligte ihm die BfA mit Zahlungsbeginn ab 1. September 2001 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 1.556,75 DM und einen Zuschuss zum Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von monatlich 13,23 DM (der monatliche Zahlbetrag von insgesamt 1.569,98 DM entspricht 802,72 Euro). Die VBL gewährte ihm für die Zeit seit dem 1. September 2001 eine Rente von monatlich 167,14 Euro. Gegen die Ablehnung einer Sozialversicherungsrente wegen voller Erwerbsminderung legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 7. Mai 2002 hat die BfA dem Widerspruch insoweit stattgegeben, als sie dem Kläger beginnend ab 1. April 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 1.511,74 Euro bewilligte. Die Beklagte zahlt ihm ab 1. April 2002 den Zuschuss nach Nr. 8 der Anlage 7a zum EKT.
Im EKT-MTV Stand 1. Januar 2004 wurde dessen § 34 wie folgt gefasst:
“…
(2) Wird durch Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt, dass der Angestellte voll erwerbsgemindert ist, und übt der Angestellte am Tage der Zustellung des Rentenbescheides seine Tätigkeit noch aus, endet das Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid zugestellt wird, frühestens jedoch am Vortage des Rentenbeginns. …
(3) Wird durch Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt, dass der Angestellte teilweise erwerbsgemindert ist, tritt eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht ein. Die Kasse bietet diesem Angestellten einen möglichst gleichwertigen interessengerechten Teilzeitarbeitsplatz entsprechend seiner Leistungsfähigkeit an. Nimmt der Angestellte dieses Angebot an, besteht das Arbeitsverhältnis zu den neuen Arbeitsbedingungen fort. Würden 85 v.H. des bisherigen Bruttoarbeitsentgelts mit der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, den sonstigen Renten und Versorgungsbezügen sowie dem Teilzeitarbeitsentgelt überschritten, erfolgt eine entsprechende Minderung. Lehnt der Angestellte das Angebot ab, werden die Renten wegen Erwerbsminderung sowie sonstige Renten und Versorgungsbezüge auf das Nettogehalt gemäß § 21 Absatz 6 angerechnet. Sollte die Kasse dem Angestellten keinen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten, endet dessen Beschäftigungsverhältnis, und er wird hinsichtlich der Regelungen des Absatzes 2 einem Angestellten gleichgestellt, der die Rente wegen voller Erwerbsminderung erhält. An die Stelle der Zustellung des Rentenbescheids tritt die Mitteilung der Kasse, keinen Teilzeitarbeitsplatz anbieten zu können.
(4) Bei Fortfall der Rente wegen voller Erwerbsminderung und Wiedereintritt zumindest einer teilweisen Erwerbsfähigkeit oder bei Fortfall der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und Wiedereintritt der vollen Erwerbsfähigkeit wird der Angestellte unter Anrechnung der früheren Beschäftigungszeit auf Antrag, der innerhalb von 3 Monaten zu stellen ist, wieder eingestellt. …”
Anlage 7a zum EKT wurde wie folgt geändert:
“Nr. 7 Versorgungsfall
1. Der Versorgungsfall tritt ein, wenn der Angestellte
a. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung erhält,
…
Nr. 8 Zuschuss an Angestellte
…
2. Ist der Versorgungsfall wegen teilweiser Erwerbsminderung eingetreten, werden die in Nr. 11 angeführten Bezüge, soweit sie wegen der teilweisen Erwerbsminderung nur zur Hälfte gezahlt werden, bei der Anrechnung verdoppelt. Der Zuschuss wird in diesem Falle hälftig gezahlt.
Bei teilweiser Erwerbsminderung und Erwerbseinkommen und kurzfristigem Erwerbsersatzeinkommen (§§ 18a, 18a Abs. 3 Nr. 1 SGB IV) darf die Summe aller Bruttobezüge, insbesondere die gesetzliche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, der Zuschuss nach diesem Tarifvertrag, die Rente aus der VBL oder auf Grund der BfA-Höherversicherung und das vorgenannte Erwerbseinkommen und kurzfristige Erwerbsersatzeinkommen, 85 v.H. des monatlichen entsprechenden Bruttogehalts nicht überschreiten, das der Angestellte vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogen hat. …
Ist der Versorgungsfall wegen teilweiser Erwerbsminderung eingetreten, wird das Beschäftigungsverhältnis nicht beendet. In diesem Falle bietet die Kasse dem Arbeitnehmer einen Teilzeitarbeitsplatz nach § 34 Abs. 3 GEKT an. Nimmt der Arbeitnehmer dieses Angebot an, besteht das Arbeitsverhältnis zu den neuen Arbeitsbedingungen fort.
Bietet die Kasse dem Angestellten keinen entsprechenden Arbeitsplatz an, endet das Beschäftigungsverhältnis. (und) Erfolgt eine Gleichstellung wie bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, wobei die in Nr. 11 anzurechnenden Bezüge nicht zu verdoppeln sind. An der Stelle der Zustellung des Rentenbescheides tritt die Mitteilung der Kasse, keinen Teilzeitarbeitsplatz anbieten zu können.
…
Nr. 22 Inkrafttreten und Übergangsreglung
1. Die entsprechend dem Ergänzungstarifvertrag Nr. 17 zum EKT geänderte Fassung der Anlage 7a tritt am 01.01.2004 als Anlage 7a zum GEKT in Kraft.”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Gesamtruhegeld stehe ihm auch für die Zeit vom 1. September 2001 bis zum 31. März 2002 zu. Bei einer teilweisen Erwerbsminderung liege ein Versorgungsfall im Sinne der tarifvertraglichen Versorgungsregelungen vor. Sie enthielten eine dynamische Verweisung auf das Sozialversicherungsrecht. An die Stelle der Erwerbsunfähigkeit sei die volle Erwerbsminderung und an die Stelle der Berufsunfähigkeit die teilweise Erwerbsminderung getreten. Nach § 240 SGB VI stehe dem Personenkreis, zu dem er gehöre, bei Berufsunfähigkeit eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu. Diese Vorschrift diene dem Vertrauensschutz. Durch die Änderung des SGB VI sei eine Regelungslücke entstanden. Sie müsse durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Dabei seien die Interessen beider Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen. Auch unter Berücksichtigung der Auslegungsregel, dass bei unerwarteten Vor- oder Nachteilen vielfach eine “Halbteilung” die angemessene Vertragsergänzung darstelle, könne dem Kläger ein Anspruch nach § 34b Abs. 2 EKT-MTV iVm. der Anlage 7a zum EKT nicht pauschal abgesprochen werden. Die Beklagte müsse ihm für die Zeit vom 1. September 2001 bis einschließlich 31. März 2002 einen monatlichen Zuschuss nach Nr. 8 der Anlage 7a zum EKT in Höhe von 3.001,98 Euro und ein Weihnachtsgeld nach Nr. 13 der Anlage 7a zum EKT von 3.965,07 Euro, also insgesamt 24.978,93 Euro zahlen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.978,93 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der gesetzliche Versorgungsfall der teilweisen Erwerbsminderung habe nach dem damals geltenden § 34b Abs. 2 EKT-MTV iVm. Anlage 7a zum EKT nicht zur Zahlung einer Betriebsrente geführt. Dem Willen der Tarifvertragsparteien habe es entsprochen, nur die volle, nicht aber die teilweise Erwerbsminderung als tarifvertraglichen Versorgungsfall anzusehen. Dies zeigten auch die am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen tarifvertraglichen Regelungen. Zudem sei die von der Beklagten vertretene Auslegung interessengerecht. Eine automatische Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei teilweiser Erwerbsminderung würde die Arbeitnehmer stark benachteiligen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. September 2001 bis einschließlich 31. März 2002 eine Betriebsrente zu zahlen.
I. Die Versorgungsansprüche des Klägers richten sich nach den tarifvertraglichen Regelungen, weil diese arbeitsvertraglich übernommen wurden. Ergänzend hatten die Parteien im Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 10./15. August 2001 die Beurlaubung des Klägers aus persönlichen Gründen bis zum Eintritt des Versorgungsfalles vereinbart. In Nr. 1 und 4 dieses Zusatzvertrages hatten sie ausdrücklich auf § 34b EKT-MTV verwiesen. Nach dem damals geltenden § 34b Abs. 2 EKT-MTV erhielt der Angestellte bei einer derartigen Beurlaubung “Leistungen der Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Anlage 7a … ab dem Tag des Rentenbeginns mit der Maßgabe, dass der Zeitraum der Beurlaubung bei Anwendung der Anlage 7a keinerlei Berücksichtigung findet”. Auf diese Rechtsfolge wurde in Nr. 4 des Nachtrages zum Arbeitsvertrag vom 10./15. August 2001 besonders hingewiesen. Sowohl die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen als auch § 34b Abs. 2 EKT-MTV knüpften an die in Anlage 7a zum EKT geregelten Voraussetzungen für einen Betriebsrentenanspruch an. Bei der Beurlaubung aus persönlichen Gründen wurde der Rentenbeginn nicht vorverlegt. Für die Berechnung der Betriebsrente schrieb § 34b Abs. 2 EKT-MTV vor, “dass der Zeitraum der Beurlaubung bei Anwendung der Anlage 7a keinerlei Berücksichtigung findet”.
II. Die Voraussetzungen für Leistungen einer betrieblichen Altersversorgung nach Anlage 7a zum EKT erfüllte der Kläger für die Zeit vom 1. September 2001 bis 31. März 2002 nicht. Durch die Änderungen des Sozialversicherungsrechts war in Anlage 7a zum EKT zwar eine Regelungslücke entstanden. Der Kläger kann die Klageforderung aber nicht auf eine ergänzende Auslegung des Tarifvertrages stützen. Die Gerichte sind nicht zu einer Ergänzung der tariflichen Regelungen berechtigt, die dem erklärten, rechtlich nicht zu beanstandenden Willen der Tarifvertragsparteien widerspricht.
1. Der Kläger fiel unter den persönlichen Anwendungsbereich der damals geltenden Anlage 7a zum EKT. Die Wartezeit von 60 Beschäftigungsmonaten (Nr. 6 der Anlage 7a zum EKT) war lange vor dem 1. September 2001 erfüllt. Da das Beschäftigungsverhältnis nicht beendet worden war, sondern bis zum Eintritt des Versorgungsfalles ruhte, war der Kläger nicht vorzeitig ausgeschieden. Bis einschließlich 31. März 2002 war jedoch ein die Betriebsrentenzahlung auslösender Versorgungsfall noch nicht eingetreten.
a) Nach Nr. 7 Abs. 1 Buchst. a und b der Anlage 7a zum EKT in der für den Anspruchszeitraum geltenden Fassung trat der Versorgungsfall ein, wenn der Angestellte berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung wurde. Diese Vorschrift knüpfte an die gesetzliche Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsrente an. Sie wurde durch die Betriebsrente ergänzt und dementsprechend nach Nr. 11 der Anlage 7a EKT auf das Gesamtruhegeld angerechnet. Der durch Bescheid des Rentenversicherungsträgers festgestellte Versorgungsfall der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit führte nach § 34 Abs. 2 EKT-MTV in der damals geltenden Fassung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Fortfall der Rente wegen Wiedereintritts der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit löste einen Wiedereinstellungsanspruch des Angestellten aus (§ 34 Abs. 3 und 4 EKT-MTV in der damals geltenden Fassung). Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit waren mit einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verbunden. Die Beklagte musste nicht Arbeitsvergütung und Betriebsrente nebeneinander zahlen.
b) Das gesetzliche Rentenversicherungsrecht wurde durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (EM-ReformG; BGBl. I S. 1827) grundlegend geändert. Die bisherigen Renten wegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit sind durch eine zweistufige Erwerbsminderungsrente abgelöst worden. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung entspricht nach Funktion und Rechtsfolgen der bisherigen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Dagegen unterscheidet sich die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Voraussetzungen und Inhalt wesentlich von der bisherigen Rente wegen Berufsunfähigkeit. Diese Rente ist für die ab 1. Januar 2001 eingetretenen Versicherungsfälle weggefallen.
aa) Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (aF) waren berufsunfähig die Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen war, umfasste alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprachen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Tätigkeit zugemutet werden konnten (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI aF). Der Rentenartfaktor betrug nach § 67 SGB VI aF bei Renten wegen Berufsunfähigkeit 0,6667, dagegen bei Renten wegen Erwerbsunfähigkeit und bei Renten wegen Alters 1,0.
bb) Nach dem am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI neuer Fassung (nF) sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Rentenartfaktor beträgt nach § 67 SGB VI nF bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung nur noch 0,5, bei Renten wegen Alters und bei Renten wegen voller Erwerbsminderung unverändert 1,0. Müsste die Beklagte die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ebenso behandeln wie die bisherige Rente wegen Berufsunfähigkeit, so hätte sie nach ihrem Gesamtversorgungssystem die sozialversicherungsrechtlichen Einbußen der Arbeitnehmer auszugleichen. Anlage 7a zum EKT enthält jedoch für die vom Gesetzgeber neu eingeführte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung keine Versorgungsregelung, auf die der Kläger seine Klageforderung stützen könnte. Wie er selbst richtig erkannt hat, ist die tarifvertragliche Versorgungsordnung durch die Gesetzesänderung im Sozialversicherungsrecht lückenhaft geworden.
cc) An dieser Regelungslücke ändert § 240 SGB VI nF nichts. Nach § 240 Abs. 1 SGB VI nF haben auch Versicherte, die wie der Kläger vor dem 2. Januar 1961 geboren sind – also bei In-Kraft-Treten des EM-ReformG das 40. Lebensjahr vollendet haben – und berufsunfähig iSd. § 240 Abs. 2 SGB VI nF sind, Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Berufsunfähig sind nach dieser Vorschrift Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Dabei handelt es sich um eine dem Vertrauensschutz dienende modifizierte Berufsschutzregelung. Sie hält jedoch nicht die bisherige Rente wegen Berufsunfähigkeit aufrecht, sondern schafft eine spezielle, erleichterte Anspruchsvoraussetzung für die neu geschaffene Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Im Übrigen gelten die für diese Rente maßgeblichen Vorschriften. Abgesehen davon hat die BfA im vorliegenden Fall keine Berufsunfähigkeit iSd. § 240 Abs. 2 SGB VI nF festgestellt.
2. Der durch die Gesetzesänderung ausgelöste Regelungsbedarf hat zu einer nachträglichen Lücke im EKT geführt. Im Schrifttum werden unterschiedliche Auffassungen zu der Frage vertreten, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen Gerichte befugt sind, unbewusste oder nachträglich in Tarifverträgen entstandene Lücken durch ergänzende Auslegung selbst zu schließen (grundsätzlich gegen eine tarifersetzende Lückenfüllung: Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 592 ff.; Schlachter FS Schaub S. 651, 659 ff.; für die sorgfältige Respektierung der Gestaltungs- und Beurteilungsspielräume der Tarifvertragsparteien durch die Gerichte: Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. Grundlagen Rn. 332 ff.; Kittner/Zwanziger-Kittner Arbeitsrecht 3. Aufl. § 10 Rn. 122; Schaub ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 198 Rn. 37 ff.; Wank in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 817; für eine weitgehend gerichtliche Lückenfüllung: Däubler TVG Einleitung Rn. 522 ff.; ErfK/Schaub 5. Aufl. § 1 TVG Rn. 23). Bei einer nachträglich entstandenen Regelungslücke kommt eine ergänzende Auslegung durch die Gerichte in Betracht, vor allem wenn die Gründe für die Ergänzungsbedürftigkeit – wie bei einer Gesetzesänderung – außerhalb des Tarifvertrages liegen (vgl. ua. BAG 20. Mai 1999 – 6 AZR 451/97 – BAGE 91, 358, 367 f. mwN). In die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie darf jedoch nicht eingegriffen werden. Wenn verschiedene Möglichkeiten der Lückenfüllung bestehen, bleibt es den Tarifvertragsparteien überlassen, eigenständig über die ihnen angemessen erscheinende Lösung zu entscheiden (vgl. ua. BAG 20. Juli 2000 – 6 AZR 347/99 – AP BMT-G II SR 2g § 2 Nr. 1 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 32, zu II 3a der Gründe; 27. April 2004 – 9 AZR 18/03 – BAGE 110, 208, 216, zu I 4b bb der Gründe jeweils mwN). Die Gerichte haben nur dann die Möglichkeit und die Pflicht, eine unbewusste Regelungslücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben (vgl. ua. BAG 3. November 1998 – 3 AZR 432/97 – AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 41 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 31, zu I 2a der Gründe; 10. Juli 2003 – 6 AZR 344/02 – zu 1c cc der Gründe, jeweils mwN). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.
3. Auf den Wegfall der gesetzlichen Rente wegen Berufsunfähigkeit konnten die Tarifvertragsparteien mit unterschiedlichen Ergänzungen der tariflichen Regelungen reagieren. Es seien nur drei der möglichen Lösungen aufgezeigt:
– Die vom Kläger geforderte uneingeschränkte Gewährung einer Betriebsrente nach Anlage 7a zum EKT trotz der sozialversicherungsrechtlichen Änderungen und der damit verbundenen höheren Belastungen der Beklagten.
– Die Gewährung einer Betriebsrente wegen teilweiser Erwerbsminderung, aber in einem geringeren Umfang als bisher bei einer Berufsunfähigkeit. Auch der Kläger hält eine “Halbteilung” für einen gangbaren Weg. Dieser ist von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) und den Tarifvertragsparteien im Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und des Tarifvertrages über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 (ATV) beschritten worden. Nach § 5 Satz 1 ATV ist auch das Bestehen eines Anspruchs auf gesetzliche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ein Versicherungsfall. Die Betriebsrente wegen teilweiser Erwerbsminderung beträgt jedoch nach § 7 Abs. 2 ATV nur die Hälfte der Betriebsrente, die sich bei voller Erwerbsminderung ergeben würde. Außerdem steht der Betriebsrentenanspruch unter dem Vorbehalt des § 12 ATV. Diese Vorschrift, die das Ruhen und die Nichtzahlung der Betriebsrente regelt, trägt insbesondere den Hinzuverdienstgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung Rechnung.
– Einer auf die teilweise Erwerbsminderung Rücksicht nehmenden Teilzeitbeschäftigung kann Vorrang vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Betriebsrente eingeräumt werden. Für diese Lösung haben sich die Tarifvertragsparteien im EKT Stand 1. Januar 2004 entschieden. Nach dem neu gefassten § 34 Abs. 3 EKT-MTV endet das Beschäftigungsverhältnis nicht schon dann, wenn durch Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt wird, dass der Angestellte teilweise erwerbsgemindert ist. Die Beklagte hat dem Angestellten einen möglichst gleichwertigen interessengerechten Teilzeitarbeitsplatz entsprechend seiner Leistungsfähigkeit anzubieten. Nur wenn die Beklagte dem Angestellten keinen entsprechenden Arbeitsplatz anbietet, endet dessen Beschäftigungsverhältnis. Dann hat ihn die Beklagte bei der Betriebsrente einem Angestellten gleichzustellen, der die Rente wegen voller Erwerbsminderung erhält. Dieser Weg steht im Einklang mit den Wertungen des § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX.
4. Die Tarifvertragsparteien haben durch Änderung der Anlage 7a zum EKT das von ihnen geschaffene Lösungsmodell am 1. Januar 2004 in Kraft gesetzt und von einer Übergangsregelung für Altfälle abgesehen. Die Gerichte dürfen der Beklagten für die Vergangenheit nicht eine Lösung aufzwingen, gegen die sich die Tarifvertragsparteien entschieden haben und die im EKT auch nicht eindeutig vorgezeichnet war. Ebenso wenig kann die Neuregelung entgegen dem zum Ausdruck gebrachten Willen der Tarifvertragsparteien rückwirkend in Kraft gesetzt werden.
5. Der Kläger hatte sich durch eigene Entscheidung in die ungünstige Lage gebracht. Bevor die BfA über seinen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente entschieden hatte, vereinbarte er mit der Beklagten das Ruhen seines Arbeitsverhältnisses aus persönlichen Gründen nach § 34b EKT-MTV. Für die Beklagte bestand kein Anlass, ihm einen Teilzeitarbeitsvertrag anzubieten. Der Kläger hat nicht behauptet, dass er sich bei ihr nach Zustellung des Rentenbescheids der BfA um einen Teilzeitarbeitsplatz bemühte. Welche Rechtsfolgen ein derartiges Bemühen gehabt hätte, insbesondere ob es nach der Ruhensvereinbarung noch rechtliche Bedeutung gewinnen konnte, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Breinlinger, Schmidt, Heuser
Fundstellen
Haufe-Index 1550724 |
DB 2006, 2076 |
NZA 2006, 1064 |
AP, 0 |
EzA-SD 2006, 23 |
NJOZ 2006, 3366 |