Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Versorgungsschulden
Leitsatz (redaktionell)
1. Soweit § 4 BetrAVG die Übernahme von Versorgungsschulden beschränkt, geht es nicht um die Erhaltung des Insolvenzschutzes, sondern um die Sicherung der Haftungsmasse. Die Regelung dient dem Schutze des PSV vor unerwünschten Haftungsrisiken (Abweichung von BAG 26.06.1980, 3 AZR 156/79 = BAGE 33, 234 = AP Nr 1 zu § 4 BetrAVG).
2. Während der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer eine privative Schuldübernahme nur in den Grenzen des § 4 BetrAVG genehmigen kann, ist der PSV insoweit nicht beschränkt. Seine Genehmigung ist möglich, aber auch erforderlich, wenn eine Schuldübernahme abweichend von § 4 BetrAVG Wirksamkeit erlangen soll (Bestätigung von BAG 20.06.1980, 3 AZR 156/79 = BAGE 33, 234 = AP Nr 1 zu § 4 BetrAVG).
3. Wird in einem Betriebsübernahmevertrag vereinbart, daß der Betriebserwerber den bereits fälligen Versorgungsschulden beitritt und danach die Betriebsrentner veranlassen muß, den Betriebsveräußerer von der Haftung freizustellen, so handelt es sich um eine Umgehung des § 4 BetrAVG. Die vorgesehenen Erlaßverträge zugunsten des Betriebsveräußerers sind nur wirksam, wenn der PSV zustimmt.
Orientierungssatz
Die eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde durch Kammerbeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 18.12.1987 - 1 BvR 1242/87 - nicht zur Entscheidung angenommen.
Normenkette
BGB §§ 414, 613a; BetrAVG §§ 4, 7; HGB § 159 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 31.07.1985; Aktenzeichen 6 Sa 601/85) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.02.1985; Aktenzeichen 1 Ca 6501/84) |
Nachgehend
BVerfG (Entscheidung vom 18.12.1987; Aktenzeichen 1 BvR 1242/87) |
Tatbestand
Der Kläger (PSV) nimmt die Beklagten wie Gesamtschuldner aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Betriebsrenten in Anspruch.
Die beklagte Kommanditgesellschaft gewährt ihren Mitarbeitern aufgrund einer Versorgungsordnung vom 31. Dezember 1974 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Zu dem Kreis der Versorgungsberechtigten gehört der Rentner B B, dessen Betriebsrente monatlich 114,-- DM beträgt. Herr B war Arbeitnehmer eines Zweigwerks, das die Beklagte zu 1) in H betrieb.
Durch notariellen Vertrag vom 27. Juni 1980 veräußerte die Beklagte zu 1) dieses Zweigwerk an die M GmbH in B . Abschnitt B III § 6 des Vertrages befaßt sich mit der Rechtsstellung der Arbeitnehmer und Betriebsrentner des Zweigwerks H. § 6 Abs. 3 lautet:
"M ist bekannt, daß G ihren
Mitarbeitern Pensionszusagen gegeben hat. ...
M übernimmt die bestehenden Pensionsverpflichtungen
(Renten und Anwartschaften),
soweit sie der übernommenen Zweigniederlassung
zuzurechnen sind und stellt
G von allen damit in Zusammenhang
stehenden Ansprüchen Dritter frei. Diese Freistellung
gilt auch zu Gunsten des persönlich
haftenden Gesellschafters von G .
M ist darüber hinaus verpflichtet,
sich nach besten Kräften darum zu bemühen,
innerhalb von zwei Jahren nach Übergabe des
Teilbetriebs mit dem Betriebsrat und, soweit
dies etwa im Hinblick auf Einzelzusagen oder
bereits ausgeschiedene Mitarbeiter erforderlich
ist, durch entsprechende einzelvertragliche
Absprachen bezüglich der von G
gegebenen Pensionszusagen eine Verjährungsvereinbarung
des aus der Anlage 9 ersichtlichen
Inhalts zu treffen."
Nach der Betriebsübernahme zahlte die M GmbH die Renten. Sie wandte sich mit einem Rundschreiben vom 26. Oktober 1981 an alle Rentner des Zweigwerks H . Das Schreiben lautet:
"Betreff: Verjährung von Versorgungsansprüchen
---------------------------------------------
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie Sie sicher wissen, hat die Fa. M
GmbH mit Wirkung vom 1.1.1980 den H Betriebsteil
der Firma G KG übernommen.
Im Fall einer solchen Betriebsübernahme haftet
der Verkäufer, also die Firma G KG, gesetzlich
5 Jahre für die Leistungen aus der betrieblichen
Altersversorgung. Für den Zeitraum
nach Ablauf dieser 5 Jahre kann die Firma G
vertraglich von dieser Haftung befreit
werden.
Dies möchte die Firma M tun, benötigt
aus rechtlichen Gründen hierzu jedoch die Zustimmung
der Pensionsberechtigten.
Wir bitten Sie daher, uns Ihre Zustimmung durch
Unterschrift auf der beiliegenden Vereinbarung
zu geben und uns dieses Blatt in dem beigefügten
Freiumschlag zuzusenden. Eine Kopie für Ihre Akten
ist beigefügt.
Sie können darauf vertrauen, daß die Firma M
, wie bereits seit Übernahme der Firma G
, weiterhin pünktlich Ihre Renten bezahlen
wird, wozu sie ja im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
auch verpflichtet ist.
Der Betriebsrat ist informiert und hat ebenfalls
zugestimmt, daß die Firma G KG nach Ablauf
der 5 Jahre für die Pensionsrückstellungen nicht
mehr haftet.
Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns Ihre
Zustimmung in den nächsten Tagen zukommen lassen
könnten."
Die in dem Schreiben erwähnte Anlage hat folgenden Text:
" V e r e i n b a r u n g
--------------------------
Betr.: Verjährung von Versorgungsansprüchen, die
durch die G KG und/oder die M
GmbH gewährt worden sind
---------------------------------------------------
Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
gegen einen jetzigen, früheren oder
künftigen Gesellschafter verjähren spätestens in
fünf Jahren nach dem Ausscheiden des Gesellschafters
und/oder der Einbringung der Zweigniederlassung
H der L G KG in die
M GmbH. Dies gilt sinngemäß auch bei Umwandlung
der Gesellschaft, bei Wechsel eines unbeschränkt
persönlich haftenden Gesellschafters in
die Rechtsstellung eines Kommanditisten und in
vergleichbaren Änderungsfällen.
Die Verjährung im Sinne von Satz 1 beginnt immer
gemäß § 159 Abs. 2 HGB mit der Eintragung des
Ausscheidens oder der Einbringung in das Handelsregister
und im Sinne von Satz 2 immer mit der
Rechtswirksamkeit der Änderung, auch wenn die Ansprüche
erst danach fällig werden.
Die gesetzliche Regelung der Haftung bei Betriebsübergang
(BGB § 613 a) bleibt unberührt."
Der Rentner B unterzeichnete diese Vereinbarung und sandte sie an die M GmbH zurück.
Im Jahre 1983 geriet die M GmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie beantragte die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses. Der Antrag wurde abgelehnt. Durch Beschluß vom 21. Februar 1984 eröffnete das Amtsgericht Essen das Anschlußkonkursverfahren. Seit Januar 1984 wurden keine Betriebsrenten mehr gezahlt. Der Kläger (PSV) ließ sich die Versorgungsansprüche des Rentners B abtreten. Er nimmt die Beklagte zu 1) als dessen frühere Arbeitgeberin und den Beklagten zu 2) als persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft in Anspruch, verlangt jedoch nicht Zahlung an sich, sondern an den Rentner.
Der Kläger hat vorgetragen: Durch die Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Betriebsübertragung seien die Beklagten nicht von ihren Verbindlichkeiten frei geworden. Insbesondere sei keine schuldbefreiende Übernahme der Rentenverpflichtungen vereinbart worden. Die Verjährungsvereinbarung betreffe nur den Beklagten zu 2) als persönlich haftenden Gesellschafter, dieser sei aber nicht aus dem Unternehmen ausgeschieden. Die Verjährungsvereinbarung sei auch unwirksam, weil sie den Lauf der Verjährungsfrist schon vor Fälligkeit der einzelnen Ruhegeldraten beginnen lasse. Schließlich scheitere eine befreiende Schuldübernahme an § 4 BetrAVG. Danach habe eine befreiende Wirkung nur mit seiner Zustimmung eintreten können. Eine Zustimmung habe er aber nicht erteilt. Von seiner geschäftsplanmäßigen Erklärung vom 11. Dezember 1981 (DB 1982, 230) werde der hier umstrittene Übertragungsvorgang nicht erfaßt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten als (unechte) Gesamtschuldner
zu verurteilen, an Herrn B B ,
P straße 5, B
1. 1.254,-- DM nebst 4 % Zinsen aus jeweils
114,-- DM seit dem Ersten eines jeden
Monats, beginnend mit dem 1.2.1984 und
endend mit dem 1.12.1984, zu zahlen;
2. ab November 1984 bis zu seinem Ableben
jeweils am Monatsende einen Betrag von
114,-- DM zu zahlen;
3. nach dem Ableben des Begünstigten an
dessen Witwe bis zu deren Ableben bzw.
Wiederverheiratung monatlich eine
Witwenrente in Höhe von 50 % der Mannesrente
zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben vorgetragen, daß nach der Versorgungsordnung der Beklagten zu 1) ein Abtretungsverbot hinsichtlich der Rentenansprüche besteht; deswegen fehle dem Kläger die Sachlegitimation und die Prozeßführungsbefugnis, die eingeklagten Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Außerdem seien sie von der Pflicht zur Zahlung der Betriebsrenten frei geworden. Das ergebe sich aus § 6 Abs. 3 des notariellen Vertrags vom 27. Juni 1980 in Verbindung mit der Verjährungsvereinbarung vom 26. Oktober 1981. Die M GmbH habe sich verpflichtet, selbst Schuldner der Rentenansprüche zu werden; sie habe demgemäß auch nur einen um den Betrag der Pensionsrückstellungen geminderten Kaufpreis gezahlt. Schließlich habe die M GmbH bis zu ihrer Insolvenz die Renten tatsächlich gezahlt und ihre Schuldnerstellung durch das Rundschreiben an die Rentner vom 26. Oktober 1981 anerkannt. Mithin sei eine befreiende Schuldübernahme, mindestens aber ein Schuldbeitritt vereinbart worden. Jedenfalls hinsichtlich der nach Eintritt der vereinbarten Verjährung, also nach Ablauf der Fünf- Jahres-Frist, fällig werdenden Renten sei die befreiende Wirkung eingetreten, da die Rentner dem zugestimmt hätten. Die Genehmigung der Rentner wirke gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses (27. Juni 1980) zurück; seit dem 30. Juni 1985 müsse deshalb allein die M GmbH für die Renten aufkommen. Die Zustimmung des Klägers als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung liege vor; die geschäftsplanmäßige Erklärung vom 11. Dezember 1981 erfasse auch den hier umstrittenen Übertragungsvorgang vom 26. Oktober 1981. Überdies sei der PSV verpflichtet, die Zustimmung zu erteilen; er müsse seine Entscheidung nach billigem Ermessen treffen und dürfe deswegen im Streitfall die Genehmigung nicht versagen. Schließlich sei der Grundsatz des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes zu beachten; die Übertragung müsse als genehmigt gelten, weil das Bundesarbeitsgericht erstmals durch Urteil vom 26. Juni 1980 (3 AZR 156/79 - BAGE 33, 234, 239 f. = AP Nr. 1 zu § 4 BetrAVG, zu II 3 und 4 der Gründe) am Tage vor dem Vertragsschluß entschieden habe, daß befreiende Schuldübernahmen außerhalb des durch § 4 BetrAVG gezogenen Rahmens selbst dann nicht wirksam seien, wenn die betroffenen Rentner zugestimmt hätten. Darin liege eine grundlegende Änderung der früheren Rechtsprechung (Urteil vom 24. März 1977 - BAGE 29, 94 ff. = AP Nr. 6 zu § 613 a BGB). Die vom Bundesarbeitsgericht geäußerte Befürchtung, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber könnten sich bei einer schuldbefreienden Übertragung von Versorgungsverbindlichkeiten zu Lasten des Trägers der Insolvenzsicherung verständigen, sei im vorliegenden Fall ersichtlich unbegründet.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten wendet sich nur gegen die Verurteilung zur Zahlung für die Zeit nach Ablauf der vereinbarten Verjährungsfrist von fünf Jahren, also für die Zeit ab 30. Juni 1985.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Die Frage der Sachlegitimation und der Prozeßführungsbefugnis des Klägers ist nicht mehr im Streit. Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht der nach der Versorgungsordnung verbotenen Abtretung zugestimmt. Zudem waren die vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken unbegründet: Da der PSV nicht Zahlung an sich, sondern an den Zedenten verlangt, kommt es auf die Sachlegitimation (Rechtsinhaberschaft) nicht an. Als gewillkürter Prozeßstandschafter durfte der PSV den Anspruch des Zedenten gerichtlich geltend machen. Damit hatte sich dieser einverstanden erklärt, wie die Übertragung des Anspruchs zeigt. Daran hatte der PSV ein eigenes rechtliches Interesse. Hätten die Beklagten nicht zahlen müssen, hätte der PSV für die Insolvenz der M GmbH einzustehen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG).
II. Die Beklagten sind von ihren Verbindlichkeiten gegenüber den schon vor dem Betriebsübergang ausgeschiedenen früheren Arbeitnehmern des Werkes H nicht frei geworden. Das gilt auch hinsichtlich der im Revisionsverfahren allein noch umstrittenen Ansprüche des Rentners B für die Zeit nach dem 30. Juni 1985.
1. Die Parteien haben darüber gestritten, ob § 6 Abs. 3 des Betriebsübertragungsvertrages eine bloße Erfüllungsübernahme im Sinne des § 329 BGB darstellt oder eine Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB. Auch die Frage, ob und ggf. ab wann ein Schuldbeitritt oder eine befreiende Schuldübernahme anzunehmen wäre, wird von den Parteien unterschiedlich beantwortet. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, zunächst sei nur eine Erfüllungsübernahme der laufenden Rentenverpflichtungen vereinbart worden. Was später im Hinblick auf die Verjährungsvereinbarung, also nach Ablauf von fünf Jahren gelten sollte, ist offen geblieben; jedenfalls, so das Berufungsgericht, fehle für die Wirksamkeit einer befreienden Schuldübernahme der Beklagten die erforderliche Genehmigung des PSV; durch die geschäftsplanmäßige Erklärung vom 11. Dezember 1981 sei die Genehmigung für den umstrittenen Übertragungsvorgang nicht erteilt worden. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung zu folgen.
2. § 6 Abs. 3 des Übernahmevertrags vom 27. Juni 1980 enthält keine befreiende Schuldübernahme. In diesem Vertrag hat die M GmbH nur versprochen, die Beklagten freizustellen und mit den Versorgungsberechtigten "Verjährungsvereinbarungen" abzuschließen, die nach Ablauf von fünf Jahren zu einer Befreiung der Beklagten führen sollten. Danach erhielten die Rentner in der Betriebserwerberin zunächst eine zweite Schuldnerin.
3.a) Der Rentner B, um dessen Versorgungsansprüche gestritten wird, hat die dem Rundschreiben der M GmbH vom 26. Oktober 1981 beigefügte "Verjährungsvereinbarung" unterzeichnet. Der Text dieser Vereinbarung ist zwar sehr unklar gefaßt, er läßt aber erkennen, daß er auf eine Schuldbefreiung der Beklagten hinzielt. Den Erläuterungen in dem beigefügten Begleitschreiben ist dies eindeutig zu entnehmen. Die Vertragsgestaltung lehnt sich an Modelle an, die seinerzeit in der wissenschaftlichen Diskussion um die Nachhaftung ausscheidender Gesellschafter vorgeschlagen wurden und die unter der irreführenden Bezeichnung "Verjährungsvertrag" zu einer Haftungsbegrenzung auf die Dauer von fünf Jahren führen sollten (vgl. die Nachweise bei Paulsdorff in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl., § 9 Rz 14). Obwohl § 159 Abs. 2 HGB nur Fragen der Verjährung bei Änderung der gesellschaftsrechtlichen Stellung betrifft, nicht aber im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Betriebs von Bedeutung ist, läßt sich erkennen, daß die Vereinbarung mit Herrn B in die gleiche Richtung zielte. Was erstrebt wurde, war keine "Verjährung", sondern die Entlassung des Betriebsveräußerers aus der Haftung, also ein Erlaßvertrag. Dieser Vertrag war jedoch unwirksam, weil er gegen zwingendes Recht verstieß.
b) Die nach allgemeinem Vertragsrecht mögliche Gestaltung der Rechtsverhältnisse wird durch § 4 Abs. 1 BetrAVG eingeschränkt. Verträge, durch die der Versorgungsschuldner ausgewechselt werden soll, können nicht ohne weiteres durch die Versorgungsberechtigten genehmigt werden und bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Trägers der gesetzlichen Insolvenzsicherung, wenn dessen Haftungsrisiko sich verändert.
(1) Nach § 4 Abs. 1 BetrAVG können nur die dort genannten Rechtsträger Versorgungsverpflichtungen mit befreiender Wirkung für den Versorgungsschuldner übernehmen. Die Regelung betrifft zwar unmittelbar nur Versorgungsanwartschaften, der Senat hat jedoch mit Urteil vom 26. Juni 1980 (BAGE 33, 234 = AP Nr. 1 zu § 4 BetrAVG) entschieden, daß auch bereits fällige Rentenansprüche von der gesetzlichen Übernahmesperre erfaßt werden. Eine ausdehnende Auslegung über den Gesetzeswortlaut hinaus sei nach dem Gesetzeszweck geboten. Versorgungsanwartschaften seien nicht schutzwürdiger als fällige Ansprüche. Soweit der Gesetzgeber eine Veränderung der Haftungsmasse ausschließen wollte, habe er im Zweifel alle Versorgungsrechte gemeint und sich nur fehlerhaft ausgedrückt. Daran ist festzuhalten (ebenso jetzt auch Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 4 Rz 27 mit weiteren Nachweisen).
(2) Den Zweck des § 4 Abs. 1 BetrAVG sah der Senat darin, zu verhindern, daß durch Schuldübernahme der Insolvenzschutz verloren geht. Nach § 7 Abs. 1 BetrAVG müsse der PSV nur im Falle einer Insolvenz des "Arbeitgebers" eintreten, so daß die Übernahme von Versorgungsverpflichtungen durch Dritte, zum Verlust des Insolvenzschutzes führen könne. Nur wenn der PSV der Übernahme zustimme - was aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll sein möge - werde der schuldübernehmende Dritte zum insolvenzgeschützten "Arbeitgeber" im Sinne des Betriebsrentengesetzes. Diese Begründung ist auf beachtliche Kritik gestoßen (vgl. vor allem Lilienfein/Fiedler, BB 1981, 2012 und die weiteren Nachweise bei Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 4 Rz 27), der sich der Senat nicht verschließen kann.
Die Übertragungssperre des § 4 Abs. 1 BetrAVG war schon Inhalt des Entwurfs des Betriebsrentengesetzes, bevor die Einführung eines gesetzlichen Insolvenzschutzes erwogen wurde (BT-Drucks. 7/1281 S. 28). Der Zweck der Vorschrift kann also ursprünglich nicht darin bestanden haben, den Verlust des Insolvenzschutzes zu verhindern. Es ging vielmehr zunächst ausschließlich um die Erhaltung der Haftungsmasse zugunsten der Versorgungsberechtigten (ebenso Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 4 Rz 5). Gleichwohl hat der Gesetzgeber später, als er den gesetzlichen Insolvenzschutz einführte, die Übertragungssperre zur Sicherung der Haftungsmasse nicht gestrichen, sondern die Regelung des Entwurfs insoweit unverändert in die endgültige Fassung des Gesetzes übernommen. Das bedeutet, daß § 4 BetrAVG, indem er die Erhaltung der Haftungsmasse sichert, als Vorschrift zum Schutze des PSV wirkt. Insolvenzgeschützte Rentner und Versorgungsanwärter sind kaum noch betroffen; ihr Interesse an der Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners ist lediglich insoweit schutzwürdig, als dieser im Gegensatz zum PSV zur Rentenanpassung nach § 16 BetrAVG verpflichtet bliebe (BAGE 42, 117 = AP Nr. 14 zu § 16 BetrAVG).
Hingegen ist die Besorgnis des Senats unbegründet, ein Schuldnerwechsel führe in der betrieblichen Altersversorgung regelmäßig zum Verlust des Insolvenzschutzes, wenn nicht der neue Versorgungsschuldner wiederum Arbeitgeber des Versorgungsberechtigten sei. § 7 BetrAVG, der die Voraussetzungen des Insolvenzschutzes abgrenzt, und § 10 BetrAVG, der die Finanzierung regelt, sprechen zwar abgekürzt von dem Arbeitgeber als Versorgungs- und Beitragsschuldner, darin liegt jedoch keine Beschränkung des Insolvenzschutzes auf die unmittelbaren Parteien des Arbeitsvertrages. Vielmehr ist Arbeitgeber im Sinne der §§ 7, 10 BetrAVG jeder, der selbst oder über Versorgungseinrichtungen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbringt (BAG Urteil vom 6. August 1985 - 3 AZR 185/83 - AR-Blattei "Betriebliche Altersversorgung: Entsch. 167" unter I 1 a der Gründe). Auch der Rechtsnachfolger des ursprünglichen Arbeitgebers wird als Versorgungsschuldner von dem gesetzlichen Insolvenzschutz erfaßt.
(3) Im Ergebnis hält der Senat dennoch daran fest, daß die Zustimmung des PSV als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung zu einer privativen Übernahme von Versorgungsschulden erforderlich ist. Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 4 BetrAVG, aber aufgrund einer ergänzenden Auslegung, die die Entstehungsgeschichte und den Zweck des Gesetzes, sowie die allgemeinen Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre berücksichtigt.
§ 4 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, der seinem ursprünglichen Zweck entsprechend nur die Interessenlage der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer erfaßt, schützt diese mit einem gesetzlichen Verfügungsverbot gegen sich selbst, weil er deren Informationsstand und Entscheidungsfreiheit gering einschätzt (Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 4 Rz 3 f.). Die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit des PSV, der bei wirtschaftlicher Betrachtung die Hauptlast trägt, ist damit nicht geregelt. Der PSV braucht keinen Schutz gegen sich selbst. Ein starres Verbot, den Schuldnerwechsel zu ermöglichen, wäre für ihn nicht nur unnötig, sondern sogar schädlich, zwänge es doch zur Beibehaltung der alten Haftungsmasse selbst dann, wenn ein leistungsfähiger Schuldner zur Übernahme bereit ist, ja sogar, wenn sich nur so ein Sicherungsfall vermeiden läßt. Hier muß es bei dem allgemeinen Grundsatz verbleiben, der in § 415 BGB seinen Ausdruck gefunden hat: Grundsätzlich kann und muß der Gläubiger selbst entscheiden, ob ihm ein Schuldnerwechsel vertretbar oder sogar dienlich erscheint. Die erforderliche Genehmigung des Gläubigers muß allerdings hier durch eine Genehmigung des PSV ersetzt werden.
III. Der PSV hat die Schuldbefreiung der Beklagten nicht genehmigt.
1. Die Beklagten berufen sich in erster Linie auf die geschäftsplanmäßige Erklärung vom 11. Dezember 1981. Der PSV hat darin die Übernahme von Versorgungslasten nach §§ 414 ff. BGB pauschal unter der Voraussetzung genehmigt, daß "die Übertragung vor dem 1. 1. 1981 vorgenommen worden ist". Im vorliegenden Fall liegt der notarielle Übernahmevertrag vor diesem Stichtag (27. Juni 1980), die Verjährungsvereinbarung hingegen danach (26. Oktober 1981). Die Beklagten meinen, es komme auf den Übernahmevertrag an, weil der Vertrag vom 26. Oktober 1981 lediglich eine Genehmigung gem. § 184 Abs. 1 BGB darstelle, also auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirke. Diese Auffassung trifft nicht zu.
Wie bereits dargestellt, haben die Beklagten und die M GmbH keine privative Schuldübernahme vereinbart, die nachträglich gem. § 415 Abs. 1 BGB hätte genehmigt werden können. Vielmehr haben die Beklagten versucht, in einem zweitaktigen Verfahren den rechtsgeschäftlichen Erfolg einer privativen Schuldübernahme zu erreichen, indem sie zunächst eine kumulative Schuldübernahme vereinbarten und die M GmbH verpflichteten, mit den einzelnen Versorgungsgläubigern Erlaßverträge zu ihren Gunsten abzuschließen. Soweit diese Erlaßverträge erst nach dem 1. Januar 1981 zustande kamen, können sich die Beklagten nicht auf die geschäftsplanmäßige Erklärung vom 11. Dezember 1981 berufen.
2. Die Beklagten machen hilfsweise geltend, der PSV sei zur Genehmigung der Schuldübernahme verpflichtet. Deshalb müsse der Kläger die M GmbH als seine alleinige Schuldnerin ansehen; dem Zahlungsanspruch des Klägers stehe der Einwand der Arglist entgegen. Auch dies überzeugt nicht: Der PSV ist an Recht und Gesetz gebunden, er hat auch die Grundsätze von Treu und Glauben im Rechtsverkehr zu beachten. Er ist aber nicht verpflichtet, nachträglich einer weit zurückliegenden Schuldübernahme zuzustimmen. Zu einer solchen Annahme reicht es nicht aus, rückwirkend eine rein fiktive Prüfung bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorzunehmen. Der PSV ist in den Jahren 1980 und 1981 tatsächlich nicht eingeschaltet worden. Er hatte keine Gelegenheit, die finanziellen Risiken zu prüfen und damit auch keine Möglichkeit sein Ermessen auszuüben.
3. Soweit sich die Revision auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes beruft, ist ihr zwar einzuräumen, daß die Beklagte und die M GmbH das Urteil des Senats vom 26. Juni 1980 (aaO) bei Abschluß des notariellen Vertrags am folgenden Tage nicht berücksichtigen konnten. Jedoch ist auch in diesem Zusammenhang darauf abzustellen, daß die Vertragspartner der Betriebsübernahme von vornherein eine Schuldübernahme vereinbart hatten, die sich in zwei Schritten vollziehen sollte und deren Erfolg im Jahre 1980 noch keineswegs feststand. Die Beklagten konnten nicht darauf vertrauen, daß die Betriebsrentner bereit sein würden, die "Verjährungsvereinbarungen" zu unterzeichnen. Sie haben dies selbst erkannt und deshalb vereinbart, daß die M GmbH im Falle der Weigerung im Innenverhältnis die Versorgungslast tragen müsse. Der Übernahmevertrag beruhte also gerade nicht auf der festen Annahme, daß die befreiende Schuldübernahme gelingen werde.
Zudem war im Oktober 1981, als die Erlaßverträge geschlossen wurden, die Rechtsprechung des Senats bekannt. Auch der PSV hatte inzwischen hierauf reagiert und seine geschäftsplanmäßige Erklärung abgegeben. Spätestens jetzt hätten die Parteien des Übernahmevertrags Anlaß gehabt, den PSV einzuschalten. Das weitere Argument der Beklagten, die Unsicherheit über die Zustimmung der Betriebsrentner dürfe nicht gleichgesetzt werden mit der Unsicherheit über die Rechtslage und die Stellung des PSV geht daher ebenfalls fehl.
IV. Die Beklagten rügen, das Berufungsgericht habe gegen § 139 ZPO in Verbindung mit § 278 ZPO verstoßen. Es habe in der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 1985 den Sach- und Streitstand ausgiebig erörtert, sei aber mit keinem Wort darauf eingegangen, daß es die Urkunden vom 27. Juni 1980 und 26. Oktober 1981 anders auslege als die Beklagten; das gesamte Rechtsgespräch habe sich ausschließlich auf die geschäftsplanmäßige Erklärung des Klägers vom 11. Dezember 1981 bezogen. Diese Erörterung habe nur dann einen Sinn gehabt, wenn man von einer befreienden Schuldübernahme ausgegangen sei. Zur Überraschung der Beklagten habe dann das Berufungsgericht den Rechtsstreit aufgrund einer Auslegung entschieden, über die es in der mündlichen Verhandlung nicht gesprochen habe. Die Rüge ist teils unzulässig, teils unbegründet:
1. § 139 ZPO ist schon deshalb nicht verletzt, weil nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten keine aufklärungsbedürftigen Tatsachen unberücksichtigt geblieben sind. Die Beklagten behaupten selbst nicht, das Berufungsgericht habe seine Entscheidung auf Tatsachen gestützt, zu denen sie sich nicht vollständig hätten erklären können oder die sie nachgetragen hätten, wenn das Berufungsgericht sie darauf hingewiesen hätte. Es ging in tatsächlicher Hinsicht lediglich um die Auslegung von Urkunden, die dem Gericht und den Parteien in vollem Wortlaut vorlagen und zu deren Auslegung die Parteien ausführlich vorgetragen hatten. Im Grunde rügen die Beklagten eine von ihrer Auffassung abweichende Bewertung des Inhalts der Urkunden und der rechtlichen Wirkung der getroffenen Vereinbarungen durch das Berufungsgericht. Das aber ist kein Verstoß gegen § 139 ZPO.
2. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen § 278 Abs. 3 ZPO verstoßen. Weder die Parteien noch das Berufungsgericht haben die Urkunden vom 27. Juni 1980 und 26. Oktober 1981 für unerheblich gehalten. Einen dahingehenden Schluß konnten die Beklagten selbst dann nicht ziehen, wenn das Berufungsgericht die Auslegungsfragen von sich aus nicht ansprach, sondern in der mündlichen Verhandlung nur die geschäftsplanmäßige Erklärung des PSV erörterte. Daß die Berufungskammer die Auslegung der Beklagten schließlich nicht billigte, bedeutet keinen Verstoß gegen die Hinweispflicht des § 278 Abs. 3 ZPO. Das Gericht ist gehalten, die Streitsache nach dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung einschließlich des in Bezug genommenen schriftlichen Vorbringens zu beurteilen. Selbst wenn die Beklagten annahmen, die Berufungskammer teile ihre Auffassung zur Auslegung des Übertragungsvertrages, war das Gericht nicht gehindert, in der anschließenden Beratung zu einer abweichenden Ansicht zu gelangen. Da die Parteien ausführlich und kontrovers zur Auslegung der vorgelegten Urkunden Stellung genommen haben, war das Gericht auch nicht genötigt, die mündliche Verhandlung nochmals zu eröffnen und den Beklagten seinen abschließenden Standpunkt darzulegen.
V. Soweit die Revision Einwendungen gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen erhebt, vermißt sie zu Unrecht einen entsprechenden Antrag des Klägers. Der Antrag ist in der mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts vom 26. Februar 1985 gestellt worden. Die Rechtsgrundlage für die Pflicht zur Zahlung von Zinsen ergibt sich aus § 284 Abs. 2, § 288 Abs. 1 BGB.
Dr. Dieterich Schaub Griebeling
zugleich für den im Wax
Ausland nicht erreichbaren
ehrenamtlichen
Richter Heimann
Schaub
Fundstellen
BAGE 54, 297-308 (LT1-3) |
BAGE, 297 |
BB 1987, 2233 |
BB 1987, 2233-2235 (LT1-3) |
DB 1988, 122-123 (LT1-3) |
BetrAV 1988, 20-22 (LT1-3) |
KTS 1988, 149-153 (LT1-3) |
NZA 1988, 21-23 (LT1-3) |
RdA 1987, 314 |
SAE 1988, 322-325 (LT1-3) |
ZIP 1987, 1600 |
ZIP 1987, 1600-1602 (LT1-3) |
AP § 4 BetrAVG (LT1-3), Nr 4 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung Entsch 194 (LT1-3) |
AR-Blattei, ES 460 Nr 194 (LT1-3) |
EzA § 4 BetrAVG, Nr 3 (LT1-3) |
VersR 1988, 168-170 (LT1-3) |