Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsbefugnis eines Vereinsvertreters
Leitsatz (amtlich)
Wird die Kündigung durch einen besonderen Vereinsvertreter iS des § 30 BGB erklärt, dem satzungsmäßig Kündigungsbefugnis erteilt ist, bedarf es für die Wirksamkeit der Kündigung nicht der Vorlage einer Vollmachtsurkunde nach § 174 Satz 1 BGB.
Normenkette
BGB §§ 30, 174; KSchG § 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 23.01.1989; Aktenzeichen 15/3 Sa 1386/88) |
ArbG Gießen (Urteil vom 06.08.1986; Aktenzeichen 3 Ca 99/84) |
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Januar 1989 – 15/3 Sa 1386/86 – aufgehoben.
- Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Der Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 19. März 1975 seit dem 1. April 1975 im M… Institut für physiologische und klinische Forschung… der Beklagten (im folgenden: das Institut) in B… angestellt. Der Vertrag, der mit den Worten beginnt “Die … e.V., vertreten durch den geschäftsführenden Direktor des M… Instituts für physiologische und klinische Forschung … … und Herr Dr. … schließen folgenden Vertrag …”, ist auf Seiten der Beklagten von Prof. Dr. … D… mit dem Zusatz “Geschäftsführender Direktor” und Dr. … S… unterschrieben. Nach § 1 Abs. 3 der Institutssatzung umfaßt das Institut drei selbständige Abteilungen: Die physiologische Abteilung I wird von Prof. Dr. Si…, die physiologische Abteilung II von Prof. Dr. D… und die Abteilung für experimentelle Kardiologie, in der der Kläger tätig war, von Prof. Dr. Schaper geleitet. Die Abteilungsleiter sind für die wissenschaftliche Leitung ihrer jeweiligen Abteilung zuständig; einer von ihnen wird turnusmäßig durch die Beklagte zum geschäftsführenden Direktor bestellt, der satzungsgemäß für die Verwaltung und die Erledigung der laufenden Geschäfte verantwortlich ist. Im Rahmen einer Institutsversammlung in Anwesenheit sämtlicher Mitarbeiter wurde der turnusmäßige Wechsel im Amt des geschäftsführenden Direktors von Prof. Dr. S… (Amtszeit bis 30. September 1980) auf Prof. Dr. S… (ab 1. Oktober 1980 bis 30. September 1983) bekanntgegeben, ihm folgte wiederum – wie bereits zur Zeit der Einstellung des Klägers – Prof. Dr. Dodt in dieses Amt (ab 1. Oktober 1983). Hinsichtlich der Befugnisse des geschäftsführenden Direktors ist in § 28 der Satzung der Beklagten folgendes geregelt:
Vor einer geplanten USA-Reise richtete Prof. Dr. S… ein Schreiben vom 16. Juli 1982, das allen Mitarbeitern bekanntgemacht wurde, an den damaligen geschäftsführenden Direktor Prof. Dr. Si…, das u.a. folgenden Inhalt hat:
“Anläßlich der Direktoriumssitzung vom 15. Juli 1982 haben wir beschlossen, daß während meines USA-Aufenthalts, welcher am 2. August 1982 beginnt, Sie die administrative Leitung meiner Abteilung übernehmen. Für den Fall Ihrer Abwesenheit hat sich Herr Dodt bereiterklärt, Sie zu vertreten. Diese Vereinbarung betrifft auch das Recht, Kündigungen oder Hausverbote auszusprechen.”
Im Jahre 1983 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über den weiteren Einsatz des Klägers, der mit der Aufgabe eingestellt worden war, ein Gewebshormon im Herzmuskel zu suchen, das organspezifisches Blutgefäßwachstum anregt. Bei der Beklagten waren Zweifel aufgetreten, ob es ein solches organspezifisches Hormon gibt und ob es sich durch die Arbeit des Klägers nachweisen lasse, sowie darüber, ob die Fortführung seiner Arbeiten im Hinblick auf den zeitlichen und finanziellen Aufwand ausreichende Ausicht auf Erfolg habe. Nachdem dem Vorsitzenden des Fachbeirats des Instituts, Prof. Dr. B…, bei der planmäßigen Begutachtung der Arbeit des Instituts 1981/1982 auffiel, daß die Forschungsprojekte des Klägers nicht durch Anschauungsmaterial für eine Diskussion vorbereitet waren und nicht hinreichend klar beurteilt werden konnten, wurde die Begutachtung der Arbeitsergebnisse des Klägers durch drei Professoren vorgenommen. Als Ergebnis ordnete der damalige geschäftsführende Direktor Prof. Dr. Si… mit Schreiben vom 19. Mai 1983 an den Kläger an, seine Arbeiten würden nicht weitergeführt, außer in Form begrenzter Arbeiten auf entsprechende Anweisungen hin. Die bisher fast ausschließlich vom Kläger genutzten Laboratorien würden ab 1. Juni 1983 der gesamten Abteilung für experimentelle Kardiologie zur Verfügung stehen und seine Tätigkeit darin sei auf die zugewiesenen Arbeiten zu beschränken. Mit Schreiben gleichen Datums wurde dem Kläger durch den geschäftsführenden Direktor die Ablieferung bestimmten gereinigten Materials bis zum 31. Juli 1983 an ein Institut der Beklagten aufgetragen und im Hinblick auf diesen Auftrag Urlaubsgesuche des Klägers mit Schreiben vom 31. Mai 1983 durch den geschäftsführenden Direktor abgelehnt. In einem daraufhin vom Kläger angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren einigten sich die Parteien am 13. Juni 1983 auf eine bestimmte Urlaubsgewährung. Am 25. August 1983 kam es zwischen dem Kläger und seinem Abteilungsleiter, Prof. Dr. S…, in Anwesenheit eines weiteren Mitarbeiters zu einer Besprechung, bei der Prof. Dr. S… dem Kläger die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Umorientierung seiner Arbeitsrichtung im Hinblick auf die Entscheidung, seine bisherige Forschungsrichtung nicht weiterzuverfolgen, darlegte. Der Kläger war mit dieser Umorientierung nicht einverstanden, wobei die Einzelheiten des Gesprächs zwischen den Parteien streitig sind. Am 23. November 1983 kam es zu einem Gespräch mit dem geschäftsführenden Direktor Prof. Dr. D…, der dem Kläger die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1984 unter Fortzahlung der Bezüge sowie Freistellung anbot, weil man ihn nicht mehr beschäftigen könne. Am 14. Dezember 1983 übergab der geschäftsführende Direktor dem Kläger persönlich ein Schreiben vom gleichen Tage, in dem es einleitend heißt, nach mehr als einem halben Jahr eingehender Überlegungen der Institutsleitung werde er gebeten, zur Kenntnis zu nehmen, daß man keine Möglichkeit sehe, ihn künftig am Institut noch sinnvoll zu beschäftigen und daß man die Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses für derzeit unausweichlich halte. Alsdann werden die Gründe hierfür ausführlich geschildert. Das Schreiben enthält am Schluß folgende Zusammenfassung:
“Vor diesem Hintergrund sehen wir seitens der Institutsleitung nach Abstimmung mit der Rechtsabteilung der Generalverwaltung und der Institutsbetreuung gar keine andere Möglichkeit mehr, als das Arbeitsverhältnis mit Ihnen zu beenden. Wir möchten Ihnen aber vor Ausspruch einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses Gelegenheit geben, zu dieser vorläufigen Absicht und den aus Ihrer Sicht vielleicht denkbaren Alternativen Stellung zu nehmen und sich ggf. hierzu auch mit dem Betriebsrat, mit Ihrem Rechtsanwalt oder anderweitig zu beraten. Dieses Schreiben stellt keine Kündigung dar.
Einer entsprechenden Stellungnahme Ihrerseits sehen wir bis zum
6. Januar 1984
entgegen. Wir verweisen zugleich noch einmal auf das Ihnen durch mich am 23.11.83 mündlich gegebene Angebot, im Falle einer einvernehmlichen Auflösung Ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1984, Sie bis zu diesem Termin unter Fortzahlung Ihrer Bezüge zu beurlauben, wobei wir Sie allerdings auch auf Ihren ausdrücklichen Wunsch hin nicht mehr beschäftigen können. Sofern Sie selbst bei Zahlung einer entsprechenden Abfindung für die Aufgabe Ihres sozialen Besitzstandes auch zu einer früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereit wären, bitten wir um einen Hinweis.”
Hierauf ließ der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten – gerichtet an das “M… Institut” und mit der an Prof. Dr. D… gerichteten Anrege – durch Schreiben vom 3. Januar 1984 erklären, die Ausführungen hielten einer ernsthaften wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand und es bestehe keine Veranlassung, zur “arbeitsrechtlichen Seite des von Ihnen unterzeichneten Schreibens” Stellung zu nehmen.
Mit inhaltlich gleichlautendem Schreiben vom 23. Januar 1984 wandte sich das Rechtsreferat der Beklagten an den Kläger und seinen Prozeßbevollmächtigten und forderte die Erteilung bestimmter Auskünfte bis zum 6. Februar 1984. In dem an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers gerichteten Schreiben heißt es:
“Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, das Direktorium des K… Instituts hat mich gebeten, Ihr Schreiben vom 17. Januar 1984 zu beantworten.
…
Sollte Ihr Mandant bis zum 6. Februar 1984 auch nur eine der erwähnten Auskünfte nicht oder in schlechterer Weise erteilen als wie dies möglich erscheint, werden wir die beabsichtigte Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1984 durch ordentliche Kündigung auch auf entsprechende verhaltensbedingte Gründe stützen. Dieses Schreiben stellt noch keine Kündigung dar.”
Nachdem das Institut den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört hatte, widersprach der Betriebsrat mit Schreiben vom 16. Dezember 1983 mit der Begründung, er sehe keine Schwierigkeiten, den Kläger weiterzubeschäftigen, da bei der Beklagten im Bereich Biochemie offene Stellen vorhanden seien.
Mit Schreiben vom 16. Februar 1984, das dem Kläger am 17. Februar 1984 zuging, kündigte das Institut das Arbeitsverhältnis “aus betriebsbedingten Gründen” ordentlich zum 30. Juni 1984. Das Schreiben ist von Prof. Dr. Dodt mit dem Zusatz “geschäftsführender Direktor” unterzeichnet. Daraufhin richtete der Prozeßbevollmächtigte des Klägers ein Schreiben vom 21. Februar 1984 an das Institut mit folgendem Inhalt:
“Sehr geehrter Herr Prof. Dr. … D…, Herr P… Dr. … W… hat uns in seiner Kündigungsangelegenheit ebenfalls mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt.
Das Schreiben von Herrn W… aus dem Rechtsreferat der Generalverwaltung vom 23. Januar 1984 gibt diesseits Veranlassung an ihrem Kündigungsschreiben vom 16. Februar 1984 hiermit Ihre Vollmacht zu rügen. Unser Mandant hat uns gemäß anliegend beigefügter Urschrift der Vollmacht hierzu beauftragt.”
Dieses Schreiben ging am 22. Februar 1984 bei Prof. Dr. D ein, der mit Schreiben vom 7. März 1984 auf die obige Satzungsbestimmung hinwies.
Mit der Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung.
In einem weiteren Prozeß (– 3 Ca 143/84 – ArbG Gießen) haben die Parteien um die Wirksamkeit einer zweiten Kündigung vom 20. März 1984 gestritten, die als außerordentliche vom Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main durch Urteil vom 31. Oktober 1985 (– 12/2 Sa 1355/84 –) für unwirksam erklärt worden ist, während der Rechtsstreit um die Wirksamkeit als ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung zum 30. September 1984 bis zur Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt ist.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 16. Februar 1984 sei schon gemäß § 174 BGB unwirksam. Auch sei die Anhörung des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß erfolgt, da die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat Gesichtspunkte zur sozialen Auswahl nicht dargelegt habe. Der Kläger hat behauptet, es sei möglich, ihn im Institut weiterzubeschäftigen. Er habe auf allen Gebieten des Institutes bereits erfolgreich wissenschaftlich gearbeitet. Prof. Dr. S… habe im September 1984 einen Mitarbeiter mit Interesse für den Stoffwechsel des Herzens gesucht. Aus seinen Veröffentlichungen und ausweislich der Jahrbücher 1983 und 1985 sei zu ersehen, daß er auch im Tätigkeitsbereich von Prof. Dr. D… habe eingesetzt werden können. Dies gelte auch für die Abteilung von Prof. Dr. Si…, da er über das Fieberproblem publiziert habe. Die Beklagte verfüge auch in anderen Instituten über offene Stellen. Der Kläger hat die getroffene Sozialauswahl für fehlerhaft gehalten. Die Angestellten M…, G… und Dr. P… seien mit ihm vergleichbar.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 16. Februar 1984 nicht mit Ablauf des 30. Juni 1984 beendet werde.
Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Kündigungsbefugnis des geschäftsführenden Direktors Prof. Dr. D… ergebe sich bereits aus dessen – dem Kläger bekannten – Stellung als Betriebsleiter des… Institutes. Sie ergebe sich auch aus § 28 Abs. 3d ihrer Satzung. Dem Kläger sei bekannt, daß jedes Institut weitgehend autonom sei und alle Personalentscheidungen selbständig treffe. Prof. Dr. S… habe den Arbeitsvertrag des Klägers nur deshalb mitunterschrieben, weil er wissenschaftlich die Einstellung des Klägers 1975 mitgetragen habe. § 174 BGB sei darüber hinaus nicht auf gesetzliche Vertreter eines eingetragenen Vereins gemäß § 30 BGB anzuwenden. Der Kläger habe die Kündigung auch nicht unverzüglich zurückgewiesen. Die Beklagte hat behauptet, das Arbeitsgebiet des Klägers sei entfallen und eine weitere sinnvolle wissenschaftliche Beschäftigung im Institut nicht möglich. Eine Sozialauswahl habe mangels vergleichbarer Biochemiker nicht stattfinden können. Der Kläger sei mit den von ihm genannten Personen nicht vergleichbar.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und u.a. zur Kündigungsbefugnis des geschäftsführenden Institutsdirektors ausgeführt, dieser sei nach der Satzung der Beklagten in Verbindung mit der Institutssatzung bezüglich der Entlassung von Mitarbeitern gesetzlicher Vertreter der Beklagten, so daß § 174 BGB, der rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte betreffe, nicht einschlägig sei. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der fristlosen Kündigung festgestellt, der Kläger habe die Kündigungsberechtigung Prof. Dr. D… nicht mehr angezweifelt.
In der Berufungsinstanz hat der Kläger die angeblich fehlende Kündigungsberechtigung zunächst nicht mehr geltend gemacht. Erst nach knapp zweijähriger Prozeßführung vor dem Landesarbeitsgericht hat er sich darauf berufen, mit Rücksicht auf den Inhalt des allen Mitarbeitern bekannten Schreibens von Prof. Dr. S… vom 16. Juli 1982 beständen nach wie vor begründete Zweifel an der Kündigungsberechtigung von Prof. Dr. D…. Die Beklagte habe auch nicht dargelegt, daß sie die Voraussetzungen von § 28 Ziffer 3d der Satzung erfüllt habe, da er – der Kläger – Mitarbeiter eines wissenschaftlichen Mitgliedes des Institutes gewesen sei.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, das Schreiben von Prof. Dr. S… vom 16. Juli 1982 habe lediglich den Zweck gehabt, klarzustellen, daß auch gegenüber eigenen Mitarbeitern ohne weitere Rücksprache mit ihnen Kündigungen ausgesprochen werden durften. Es habe nicht zum Inhalt gehabt, eine Kündigungsbefugnis von Prof. Dr. S… zu delegieren. Die Beklagte ist der Auffassung, mit Rücksicht auf die zahlreichen beleidigenden und rufschädigenden Schreiben des Klägers sei eine gedeihliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zu erwarten. Deswegen hat sie zusätzlich beantragt,
hilfsweise das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung vom 30. Juni 1984 gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen.
Das Landesarbeitsgericht hat durch Urteil vom 23. Januar 1989 unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils nach dem Klageantrag erkannt und hat den Auflösungsantrag zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz. Der geschäftsführende Direktor des Instituts der Beklagten brauchte als Vertreter eines Vereins im Sinne des § 30 BGB bei Abgabe der Kündigungserklärung gegenüber dem Kläger keine rechtsgeschäftliche Vollmacht vorzulegen, §§ 164, 174 BGB. Er war vielmehr kraft Satzung der Beklagten, deren Verbindlichkeit nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts feststeht (§ 561 ZPO), wie ein gesetzlicher Vertreter zur Kündigung des Arbeitsverhältnisse der Parteien befugt. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb über die soziale Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung noch zu befinden haben.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 16. Februar 1984 sei in entsprechender Anwendung von § 174 BGB unwirksam; dem Kündigungsschreiben habe eine Vollmachtsurkunde für Prof. Dr. D… gefehlt und der Kläger habe aus diesem Grunde die Kündigung unverzüglich zurückgewiesen. Nach Sinn und Zweck des § 30 BGB sei § 174 BGB im Falle des rechtsgeschäftlichen Handelns eines besonderen Vereinsvertreters analog anzuwenden. Denn im Gegensatz zu gesetzlichen Vertretern anderer juristischer Personen müsse der Umfang der Vertretungsbefugnis des besonderen Vertreters nach § 30 BGB erst in der Satzung festgelegt werden und sei einschränkbar. Deshalb sei er mit einem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter vergleichbar, bei dem der Erklärungsempfänger ebenfalls Sicherheit darüber verlangen dürfe, ob der Vertreter befugt handele. Denn dieselbe Ungewißheit bestehe beim Vereinsvertreter, so daß dieser Auskunft über den Umfang seiner Vertretungsbefugnis z.B. durch Vorlage der Vereinssatzung geben müsse. Mit dem unverzüglich zugeleiteten Schreiben vom 21. Februar 1984 sei auch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden, das Fehlen der Vollmachtsurkunde werde beanstandet. Die Zurückweisung der Kündigung sei auch nicht gemäß § 174 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil ohne Kenntnis der Satzung nicht auf ein Kündigungsrecht des geschäftsführenden Institutsdirektors geschlossen werden könne. Das Schreiben von Prof. Dr. S… vom 16. Juli 1982 habe vielmehr, ebenso wie das Schreiben des Rechtsreferats der Beklagten vom 23. Januar 1984, beim Kläger Zweifel über die Kündigungsbefugnis von Prof. Dr. D… ausgelöst.
II. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte rügt zu Recht eine Verletzung materiellen Rechts (§§ 30, 174 BGB).
1. Für die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene analoge Anwendung des § 174 BGB ist kein Raum. Die Vorschriften über die rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht gelten für den besonderen Vereinsvertreter im Sinne des § 30 BGB nicht. Denn im Hinblick auf die Sonderregelungen der §§ 30, 31 BGB liegt keine gesetzliche Lücke vor, aus der sich ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung des § 174 BGB ergeben könnte. Im Gegensatz zur rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht, deren Vorliegen und Umfang unklar sein können, ist dies beim besonderen Vereinsvertreter aufgrund der gesetzlichen Vermutung des § 30 Satz 2 BGB nicht der Fall. Danach erstreckt sich die Vertretungsmacht eines durch Vereinssatzung bestellten besonderen Vertreters im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte, die der ihm zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt. Eine derartige gesetzliche Vermutung gibt es beim rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter nicht; vor allem besteht bei ihm nicht die Möglichkeit, an Hand einer ggf. im Vereinsregister einzusehenden Satzung (§§ 59 Abs. 2 Nr. 1, 71 Abs. 1 Satz 1, 79 Satz 1 BGB) sich über die Stellung und ggf. auch den Umfang der evtl. entgegen der gesetzlichen Vermutung eingeschränkten Vertretungsmacht des Vertreters zu informieren (zur Eintragungspflicht vgl. BayObLG vom 11. März 1981 – Rpfleger 1981, 310). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber beim Handeln des durch Satzung verfassungsmäßig berufenen Vereinsvertreters in § 31 BGB eine grundsätzliche Haftung des Vereins vorgesehen, während beim Handeln des vollmachtlosen rechtsgeschäftlichen Vertreters der Geschäftsgegner bei einseitig empfangsbedürftigen Willenserklärungen durch §§ 180, 174 BGB und bei Verträgen durch eine Haftung des vollmachtlosen Vertreters nach § 179 BGB geschützt wird. Insofern fehlt es also bei Abgabe einer Kündigungserklärung durch einen Vereinsvertreter nach § 30 BGB schon an einem rechtsähnlichen Tatbestand und einer Regelungslücke, was allein eine Analogie rechtfertigen würde.
2. Dieses Ergebnis wird durch die Motive des BGB bestätigt. Dort wird zur Bestellung eines besonderen Vertreters im Sinne des § 45 des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs (vgl. Motive zum Entwurf des BGB I., Allg. Teil, § 45 Rz. 4, S. 102) ausgeführt, der besondere Vertreter sei gleich dem Vorstande gesetzlicher Vertreter, nicht Bevollmächtigter. Deshalb wird auch in der einschlägigen Kommentarliteratur zu der endgültigen Regelung in § 30 BGB allgemein die Auffassung vertreten (vgl. Soergel/Hadding, BGB, 12. Aufl., § 30 Rz 1; Staudinger/Coing, BGB, 12. Aufl., § 30 Rz 48; RGRK-Steffen, BGB, 12. Aufl., § 30 Rz 5; Palandt-Heinrichs, BGB, 49. Aufl., § 30 Anm. 2), es gehe in § 30 BGB um die Bestellung eines zusätzlichen Vereinsorgans, nicht etwa darum, dem Verein die nach §§ 164 f BGB selbstverständliche Möglichkeit zu eröffnen, jemanden zu bevollmächtigen; die in § 30 Satz 2 enthaltene Vermutung zum Umfang der Vertretungsmacht eines “besonderen Vertreters” betreffe mithin die organschaftliche Vertretungsmacht und diese Stellung habe vor allem die Rechtswirkung der Schadenersatzverpflichtung des Vereins nach § 31 BGB; der Vereinsvertreter gelte eben als Repräsentant des Vereins. So hat auch schon das Reichsgericht (RGZ 157, 228, 234 f.) entschieden, die Auswirkung der Vorschrift über die Vertretungsmacht des besonderen Vereinsvertreters sei in § 31 BGB enthalten; es gehe um die Befugnisse dieses Vertreters nach außen hin, ohne daß es auf eine evtl. rechtsgeschäftliche Beschränkung seiner Vollmacht im Innenverhältnis – worauf hier das Landesarbeitsgericht zur Stützung seiner Ansicht zu Unrecht abstellt – ankomme.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteile vom 27. April 1962 – VersR 1964, 664 und vom 12. Juli 1977 – NJW 1977, 2259) ist deshalb § 30 BGB sogar auf solche Personen angewandt worden, denen ohne satzungsmäßige Bestellung aufgrund allgemeiner Betriebsregelung und Handhabung wesensmäßige Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen worden waren. Weder Beschränkungen ihrer Vertretungsmacht durch Gesamtvertretung, noch bloße auf das Innenverhältnis bezogene Handlungsvollmacht stünden ihrer Einordnung nach §§ 30, 31 BGB im Wege (BGH vom 12. Juli 1977, aaO).
3. Ist aber davon auszugehen, daß der geschäftsführende Direktor des Beklagten aufgrund satzungsmäßiger Bestimmung als Repräsentant des Instituts gilt, so entspricht es im übrigen der absolut herrschenden Meinung (vgl. Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 174 Rz 6; Soergel/Schultze-von Lasaulx, BGB, 11. Aufl., vor § 164 Rz 17; Jacobs in Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 174 BGB), daß § 174 BGB grundsätzlich eine rechtsgeschäftlich erteilte Bevollmächtigung voraussetzt, also für gesetzliche Vertreter oder ihnen gleichzustellende Vertreter nicht gilt. Denn bei der gesetzlichen Vertretung wird der Grundsatz der Selbstbestimmung nicht berührt, weil diese Fälle betrifft, in denen der Vertretene – wie der beklagte Verein – nicht in Selbstbestimmung handeln kann. So ist bei der Entstehung des BGB eine Anregung, eine dem § 174 BGB entsprechende Vorschrift für die Fälle gesetzlicher Vertretungsmacht zu schaffen, ausdrücklich verworfen worden (vgl. Jacobs/Schubert, Die Beratung des BGB, S. 920).
Wie das Reichsgericht (RGZ 74, 263, 265) für den Fall des Vormunds ebenfalls entschieden hat, kommt eine entsprechende Anwendung des § 174 BGB nicht in Betracht, falls der Vormund bei einem einseitigen Rechtsgeschäft seine Bestallungsurkunde nicht vorlegt. Diese diene nämlich der Legitimation des Vormunds in dieser seiner Eigenschaft, über die der Geschäftsgegner sich regelmäßig leicht durch Einsicht der Gerichtsakten oder durch die ihm auf Verlangen zu erteilenden Aktenabschriften vergewissern könne, während im Falle der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung sichere Kenntnis über das Bestehen des Vollmachtverhältnisses häufig mit Schwierigkeiten verbunden sei.
So hat auch der Senat (Urteil vom 29. Juni 1989 – 2 AZR 482/88 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) unter Hinweis auf die Motive des BGB (unter II 2e cc der Gründe) ausgeführt, § 174 BGB solle den Erklärungsempfänger gerade vor der Ungewißheit schützen, ob das Rechtsgeschäft von einem wirklichen Bevollmächtigten ausgehe und der Vertretene dasselbe gegen sich gelten lassen müsse. Diese Unsicherheit konnte vorliegend hier gar nicht entstehen, da mit dem Hinweis auf die vorliegende Satzung – gleichgültig, ob sie dem Kläger nun schon vorher bekannt war oder nicht – wie im Falle des Hinweises auf die vorliegende Bestallung als Vormund die Vertretungsbefugnis unschwer zu klären war. So hat auch das Arbeitsgericht Gießen im Urteil vom 6. August 1986 vom Kläger unwidersprochen festgestellt, er habe schon im Parallelprozeß die Kündigungsberechtigung Prof. Dr. D… als geschäftsführender Direktor des Instituts nicht mehr angezweifelt. Folgerichtig hat der Kläger dies auch weder in der Berufungsschrift und den nachfolgenden Schriftsätzen vom 9. März 1988 sowie 13. und 19. Oktober 1988 angezweifelt, noch darüber hinaus – wie noch in erster Instanz – zunächst weiter geltend gemacht, es habe jedenfalls eine Vollmacht vorgelegt werden müssen.
Tatsächlich ist schon aufgrund der einschlägigen Satzung der Beklagten (dort § 28 Abs. 3 Buchstabe d), nachdem der Kläger hierauf bereits mit Schreiben der Institutsleitung vom 7. März 1984 hingewiesen worden war, die Kündigungsberechtigung des geschäftsführenden Direktors des Instituts der Beklagten nicht mehr bestreitbar. Der Kläger war damit auf die satzungsmäßige Vertretungsbefugnis des geschäftsführenden Direktors frühzeitig aufmerksam gemacht worden, ohne daß seine angebliche frühere Unkenntnis von dessen Kündigungsbefugnis es – wie im Falle einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht – notwendig machte, eine Vollmachtsurkunde vorzulegen. Im Falle einer allgemeinen Vertreterstellung – wie hier – wird vom Gesetz eben nicht verlangt und ist es auch nicht üblich, daß der Vertreter seine Erklärungen unter Nachweis seiner Bevollmächtigung abgibt (vgl. ähnlich Jacobs in Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 174 BGB). Die Ausstellung einer solchen Vollmacht hätte der Vorstand des beklagten Vereins im Hinblick auf die satzungsmäßige Bestellung nach § 30 BGB möglicherweise sogar mit der Begründung ablehnen können, eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht liege – angesichts der satzungsmäßig bestimmten – gar nicht vor. Ein weitergehendes Schutzbedürfnis des Klägers ist bei Abgabe einer einseitigen Willenserklärung durch einen satzungsmäßigen Vereinsvertreter ebenso wenig wie im Falle der gesetzlichen Vertretung anzuerkennen.
III. Es braucht deshalb nicht mehr geprüft zu werden, ob die Alternativbegründung des Landesarbeitsgerichts, § 174 Satz 2 BGB komme nicht zum Tragen, zutrifft, oder ob nicht im Falle einer grundsätzlichen Anwendung des § 174 BGB nach dessen Satz 2 richtigerweise davon auszugehen wäre, mit der Stellung als geschäftsführender Direktor der Beklagten sei angesichts der unstreitigen Umstände des vorliegenden Sachverhalts wie bei der Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Personalabteilungsleiter die Kündigungsbefugnis verbunden, weil jede andere Auslegung des § 174 Satz 2 BGB den Erfordernissen des Arbeitslebens nicht gerecht werde (so BAGE 24, 273, 277 = AP Nr. 1 zu § 174 BGB, zu II 2 der Gründe, mit Anm. von Jacobs; siehe auch Senatsurteil vom 30. Mai 1978 – 2 AZR 633/76 – AP Nr. 2 zu § 174 BGB).
IV. Da das Landesarbeitsgericht – von seinem Standpunkt aus zu Recht – zu den sonstigen, vom Kläger geltend gemachten Unwirksamkeitsgründen, insbesondere der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 KSchG, die die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe gestützt hat, nicht Stellung genommen hat, muß dies aufgrund einer Zurückverweisung nachgeholt werden.
Der Senat beschränkt sich dabei auf den Hinweis, daß in der Entscheidung der Beklagten, das frühere Forschungsvorhaben des Klägers nicht weiterzuführen, eine grundsätzlich bindende Unternehmerentscheidung liegen dürfte (vgl. BAGE 55, 262 = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; siehe auch KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 294). Ferner wird zu berücksichtigen sein, ob eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand (vgl. BAGE 46, 191 = AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung und Urteil des Senats vom 22. Mai 1986 – 2 AZR 612/85 – AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Konzern). Es kann auch klärungsbedürftig werden, ob die Grundsätze über die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG gewahrt sind und ob die Voraussetzungen des § 9 KSchG vorliegen.
Unterschriften
Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Schulze, Dr. Bensinger
Fundstellen
Haufe-Index 840995 |
BAGE, 50 |
BB 1990, 1130 |
JR 1990, 528 |
RdA 1990, 190 |