Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Betriebsstillegung. freie Unternehmerentscheidung. Gemeinschaftsbetrieb. Betriebsübergang. Darlegungslast. Maßgeblichkeit des Kündigungszeitpunkts. soziale Auswahl. Betriebsratsanhörung. Kündigung
Orientierungssatz
- Der Entschluß des Arbeitgebers, ab sofort keine neuen Aufträge mehr anzunehmen, allen Arbeitnehmern zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu kündigen, zur Abarbeitung der vorhandenen Aufträge eigene Arbeitnehmer nur noch während der jeweiligen Kündigungsfristen einzusetzen und so den Betrieb schnellstmöglich stillzulegen, ist als unternehmerische Entscheidung grundsätzlich geeignet, die entsprechenden Kündigungen sozial zu rechtfertigen.
- Für eine soziale Auswahl bleibt unter diesen Umständen kein Raum.
- Die Anhörung des Betriebsrats ist nicht deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber nicht mitgeteilt hat, daß er notfalls Subunternehmer einsetzen will, soweit die gekündigten Arbeitnehmer die vorhandenen Aufträge innerhalb der jeweiligen Kündigungsfristen nicht vollständig abarbeiten können.
Normenkette
KSchG § 1; BetrVG § 102; BGB § 613a
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer seitens der Beklagten ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung vom 25. Juni 1998 zum 31. Juli 1998.
Der Kläger stand bei der Beklagten ab 1. April 1994, nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts als Kraftfahrer, mit einem monatlichen Entgelt von zuletzt ca. 5.500,00 DM in einem Arbeitsverhältnis. Die Beklagte ist ein Unternehmen des Baugewerbes und beschäftigte 98 Arbeitnehmer. Sie gehört dem Unternehmensverbund der H.…-Gruppe an.
Seit April 1998 plante die Beklagte die Aufgabe ihres operativen Geschäftes. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Interessenausgleichsverhandlungen informierte sie den Betriebsrat, daß sie die Stillegung des Betriebes plane. In einer für die Interessenausgleichsverhandlungen gebildeten Einigungsstelle erklärten die Betriebsparteien am 5. Juni 1998 die Verhandlungen für gescheitert. Noch am gleichen Tag hielt die Geschäftsführung eine Sitzung ab, in der beschlossen wurde, jeglichen operativen Betrieb des Unternehmens vollständig und endgültig spätestens zum 31. Dezember 1998 einzustellen; der Stellenplan sollte so schnell wie möglich reduziert werden, allen Arbeitnehmern sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt gekündigt werden, Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz gem. § 15 KSchG zum 31. Dezember 1998; ab 5. Juni 1998 sollten keine neuen Aufträge mehr angenommen werden; es sollten alle Schritte eingeleitet werden, Mietverträge etc. rechtzeitig zum Stillegungszeitpunkt zu kündigen.
Mit Schreiben vom 16. Juni 1998 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, daß dem Kläger zum 31. Juli 1998 gekündigt werden solle. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 24. Juni 1998.
Am 25. Juni 1998 ging dem Kläger das Kündigungsschreiben der Beklagten zu. Alle übrigen Arbeitnehmer erhielten ebenfalls Kündigungen.
Auf eine von der Beklagten unter dem 24. Juni 1998 erstattete Massenentlassungsanzeige genehmigte die Bundesanstalt für Arbeit mit Bescheid vom 13. Juli 1998 die Entlassung von 55 Arbeitnehmern entsprechend einer Liste, in der auch der Kläger verzeichnet war.
Auch nach dem 31. Juli 1998 fielen auf mehreren Baustellen der Beklagten Arbeiten an. Neben eigenen Arbeitnehmern setzte die Beklagte Subunternehmer ein.
Mit seiner am 15. Juli 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe zusammen mit den Firmen K.… GmbH (im folgenden: K.), Sch.… GmbH (im folgenden: Sch.) und A.… R.… B.… GmbH (im folgenden: ARB) einen einheitlichen Betrieb gebildet. Die Sozialauswahl hätte sich auch auf die in diesen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer erstrecken müssen. Außerdem habe die Beklagte über den 31. Juli und auch über den 31. Dezember 1998 hinaus genügend Arbeit gehabt, um ihn weiterzubeschäftigen. Daß seine Arbeitskraft nicht mehr gebraucht worden sei, habe die Beklagte nicht hinreichend konkret dargelegt. Auf Grund ihres undifferenzierten Vorgehens sei es zu Engpässen gekommen, so daß in verschiedenen Bauvorhaben Subunternehmer hätten eingesetzt werden müssen. Außerdem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Ihm sei keine Auftragsübersicht zeitnah zu den Anhörungen vorgelegt worden. Die Beklagte habe dem Betriebsrat auch nicht dargelegt, wie sie die Betriebsänderung im einzelnen habe durchführen wollen. Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam, weil sie wegen eines Betriebsübergangs auf die Fa. ARB bzw. die Fa. Sch.…. erklärt worden sei.
Er hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 25. Juni 1998 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, ein gemeinsamer Betrieb mit der Fa. K.… habe nicht vorgelegen. Dies ergebe sich bereits aus der Rechtskraftwirkung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. Mai 1998 in dem Beschlußverfahren – 5 TaBV 3/97 –, mit der die gegenteilige Feststellung getroffen worden sei. Auch für den Zeitraum ab 5. Mai 1998 bis zum Ausspruch der Kündigung ergebe sich kein Umstand, aus dem auf das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes geschlossen werden könnte. Ein einheitlicher Leitungsapparat habe nicht vorgelegen. Dies gelte auch für die Sch.… und die ARB. Die zentrale Personalverwaltung greife weder in die Personaleinsatzplanung noch in die Einstellungs- und Kündigungspraxis entscheidend ein, sondern habe nur verwaltungstechnische Aufgaben erfüllt. Die Stillegungsbeschlüsse vom 5. Juni 1998 seien ausnahmslos in die Tat umgesetzt worden. Das gesamte operative Geschäft sei endgültig aufgegeben worden. Seit dem 31. Dezember 1998 seien für sie keine Arbeitnehmer mehr tätig. Auftragsreste seien von beauftragten Drittfirmen abgewickelt worden. Im Kündigungszeitpunkt sei davon auszugehen gewesen, daß in jeder Phase des Stillegungsprozesses ein Überhang an Arbeitskräften bestehen werde. Auch sei der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Beklagte habe dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG für die streitige Kündigung nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
- Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zB BAG 22. Mai 1986 – 2 AZR 612/85 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 22). Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs hält das angefochtene Urteil den Angriffen der Revision nicht stand.
Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht allerdings davon aus, daß sich dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen aus der unternehmerischen Entscheidung ergeben können, den gesamten Betrieb stillzulegen. Eine solche Unternehmerentscheidung ist nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen (ständige Rechtsprechung, vgl. zB BAG 22. Mai 1986 aaO mwN). Erforderlich ist der ernstliche und endgültige Entschluß des Unternehmers, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzuheben (vgl. BAG 22. Mai 1986 aaO mwN). Eine aus diesem Grund erklärte ordentliche Kündigung ist aber nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine Betriebsstillegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, daß bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann (BAG 19. Juni 1991 – 2 AZR 127/91 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70). Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts sind diese Voraussetzungen hier erfüllt.
Der Feststellung einer Betriebsstillegung durch die Beklagte steht vorliegend nicht entgegen, daß die anderen konzernzugehörigen Unternehmen ihre betrieblichen Aktivitäten fortführen. Soweit sich der Kläger darauf berufen hat, die Beklagte habe mit den Firmen K…., Sch…. und ARB einen Gemeinschaftsbetrieb gehabt, ist sein Vorbringen nicht ausreichend schlüssig.
Ein Gemeinschaftsbetrieb mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen liegt vor, wenn die beteiligten Unternehmen einen einheitlichen Leistungsapparat zur Erfüllung in der organisatorischen Einheit zu verfolgender arbeitstechnischer Zwecke geschaffen haben. Diese einheitliche Leitung muß sich auf die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in den sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Sie braucht nicht in einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung der beteiligten Unternehmen geregelt zu sein. Vielmehr genügt es, daß sich ihre Existenz aus den tatsächlichen Umständen herleiten läßt. Ergeben die Umstände des Einzelfalles, daß der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, führt dies regelmäßig zu dem Schluß, daß eine konkludente Führungsvereinbarung vorliegt. Die Annahme einer solchen Führungsvereinbarung ist allerdings nicht schon dann gerechtfertigt, wenn mehrere Unternehmen etwa auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen lediglich unternehmerisch zusammenarbeiten (vgl. zuletzt Senat 18. Oktober 2000 – 2 AZR 494/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen mwN).
Der Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs der Beklagten und der inzwischen in die Firma Schäler-Bau integrierten Firma Köhncke steht bereits der rechtskräftige Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. Mai 1998 – 5 TaBV 3/97 – entgegen (vgl. BAG 9. April 1991 – 1 AZR 488/90 – BAGE 68, 1). Dem Vorbringen des Klägers läßt sich nicht entnehmen, es sei nach dem Schluß der Anhörung in dem genannten Beschlußverfahren zu wesentlichen Veränderungen in der Betriebsführung gekommen. Davon abgesehen ergibt sich aus dem Sachvortrag des Klägers lediglich, daß es zwischen der Beklagten und den Firmen Köhncke, Schäler-Bau und ARB eine unternehmerische Zusammenarbeit im Rahmen des Konzernverbundes gab, nicht dagegen, daß im maßgeblichen Kündigungszeitpunkt ein einheitlicher Leitungsapparat existierte. Es gab unstreitig keine Personenidentität auf der Ebene der Geschäftsführung oder der Prokuristen. Die Beklagte hat insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 30. März 1999 im Detail dargelegt, daß sich die Aufgaben der zentralen Personalverwaltung in Bremen auf bloße Unterstützungs- und Serviceleistungen beschränkte und daß die Einflußnahme der Holding nicht über eine Koordination der unternehmerischen Zusammenarbeit im Konzern hinausging. Der Kläger hat darauf nicht mehr erwidert. Die von ihm zuvor für einen Gemeinschaftsbetrieb vorgetragenen Indizien sind nicht ausreichend, um den Schluß auf eine einheitliche institutionelle Leitung zu begründen, die den Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich für die Beklagte und die genannten Firmen ausübte.
Entgegen der Hilfsargumentation des Klägers läßt sich auch kein Betriebsübergang auf die Firma ARB bzw. die Firma Schäler-Bau feststellen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Anschluß an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. März 1997 (– Rs C-13/95 – EuGHE I 1997, 1259) setzt ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Soweit es um den Übergang eines Betriebsteils geht, muß es sich bei den übertragenen sächlichen und immateriellen Betriebsmitteln um eine organisatorische Untergliederung des gesamten Betriebs handeln, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich hierbei nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt. § 613a BGB setzt für einen Teilbetriebsübergang voraus, daß die übernommenen Betriebsmittel bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten. Es reicht nicht aus, wenn der Erwerber mit einzelnen bislang nicht teilbetrieblich organisierten Betriebsmitteln erst einen Betrieb oder einen Betriebsteil gründet (vgl. zB BAG 26. August 1999 – 8 AZR 718/98 – AP BGB § 613a Nr. 196 = EzA BGB § 613a Nr. 185 mwN).
Daß diese Voraussetzungen hier vorliegen würden, läßt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Zu einem Übergang des Betriebs auf die Firma Sch.… ist der Sachvortrag des Klägers, wie die Beklagte mit Recht eingewandt hat, nicht ausreichend substantiiert. Daß zu unterschiedlichen Zeitpunkten einzelne Angestellte der Beklagten zu der genannten Firma übergewechselt sein sollen, belegt noch keinen Übergang einer wirtschaftlichen Einheit. Was die Firma ARB angeht, hat sich der Kläger nur darauf berufen, diese habe zwischen Mai und Oktober die LKW's der Beklagten übernommen. Auch insoweit ist jedoch nicht ersichtlich, daß damit ein Betriebsteil der Beklagten übertragen wurde, zumal nach dem eigenen Vorbringen des Klägers die in der Folgezeit von der Firma ARB angemieteten LKW's weiter von eigenen Arbeitnehmern der Beklagten gefahren wurden. Erst recht läßt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen, daß die Voraussetzungen für eine im wesentlichen unveränderte Fortführung einer wirtschaftlichen Einheit erfüllt sind. Zu den subjektiven Voraussetzungen des besonderen Unwirksamkeitsgrundes des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB hat der Kläger ohnehin nichts vorgetragen.
Die Geschäftsführung der Beklagten hatte in ihrer Sitzung am 5. Juni 1998 nach dem Scheitern der Verhandlungen in der Einigungsstelle über einen Interessenausgleich ua. beschlossen, die werbende Tätigkeit des Unternehmens sofort und das operative Geschäft spätestens zum 31. Dezember 1998 vollständig einzustellen, allen Arbeitnehmern zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, den Stellenplan jeweils entsprechend dem Ausscheiden der Arbeitnehmer zu reduzieren, aus Rechtsgründen nicht bis spätestens 31. Dezember 1998 kündbare Arbeitnehmer ab dann freizustellen und vorhandene Aufträge nur noch im Rahmen des Möglichen abzuarbeiten. Damit hatte sich die Beklagte zur schnellstmöglichen dauerhaften Aufhebung der Betriebsund Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern entschlossen. Die unternehmerische Entscheidung hatte im Kündigungszeitpunkt im Protokoll über die Beschlußfassung vom 5. Juni 1998, in der dem Beschluß entsprechenden Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG und in der Massenentlassungsanzeige vom 24. Juni 1998 auch bereits greifbare Formen angenommen (vgl. BAG 19. Juni 1991 – 2 AZR 127/91 – aaO). Die Absicht, die gekündigten Arbeitnehmer in ihrer jeweiligen Kündigungsfrist bis maximal 31. Dezember 1998 für die Abarbeitung noch vorhandener Aufträge einzusetzen, statt die Arbeiten auf allen Baustellen sofort einzustellen, stellte die unternehmerische Entscheidung der Beklagten zur alsbaldigen Betriebsstillegung nicht in Frage; gegenüber den entsprechend dieser Absicht tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern erfüllte die Beklagte lediglich ihre auch im bereits gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht. Darüber hinausgehend enthielt die Stillegungsentscheidung der Beklagten keine Einschränkungen oder Vorbehalte dahingehend, eventuell doch noch neu eingestellte Arbeitnehmer zur Fertigstellung der Baustellen einzusetzen oder dafür gekündigte Arbeitnehmer über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu beschäftigen; jedenfalls bestehen hierfür keinerlei Anhaltspunkte und auch der Kläger hat solche nicht behauptet. Die Beklagte ging am 5. Juni 1998 und bis zum Kündigungszeitpunkt ersichtlich davon aus, die schnellstmögliche Auflösung der Betriebsgemeinschaft werde hinsichtlich vertraglicher Verpflichtungen gegenüber ihren Auftraggebern nicht zu Problemen führen, zu deren Bewältigung sie Neueinstellungen vornehmen oder gekündigte Arbeitnehmer über den Kündigungstermin hinaus weiterbeschäftigen müßte. Wenn die Beklagte auf Grund des beschlossenen schnellstmöglichen Personalabbaus auf Null bereits übernommene Aufträge nicht mehr vollständig abarbeiten konnte, berührte dies nur ihre schuldrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Auftraggebern; ob die Beklagte entsprechende Aufträge “zurückgeben” oder mittels Subunternehmern fertigstellen konnte oder ob sie sich insoweit der Gefahr von Schadensersatzverpflichtungen wegen Nichterfüllung aussetzte, ist für den von der Beklagten getroffenen unbedingten Entschluß zur Betriebsstillegung ohne Belang; entscheidend ist, daß die Beklagte solche Aufträge nicht noch selbst mit eigenen, im Beschluß vom 5. Juni 1998 nicht mehr vorgesehenen betrieblichen Mitteln fertigstellen wollte.
Die Konsequenz dieses unternehmerischen Konzepts war es, daß für jeden einzelnen der gekündigten Arbeitnehmer eine Beschäftigungsmöglichkeit spätestens mit dem Ablauf der für ihn einschlägigen Kündigungsfrist wegfiel. Auch für als Kraftfahrer eingesetzte Arbeitnehmer gilt insoweit nichts anderes. Zu Unrecht nehmen deshalb das Landesarbeitsgericht und der Kläger an, die Beklagte habe den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit nicht individuell und arbeitsvertragsbezogen und somit nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des Unternehmens der Beklagten müssen dabei außer Betracht bleiben. Einem Unternehmer steht es grundsätzlich auch frei, statt Arbeiten selbst mit eigenen Arbeitnehmern zu erledigen, die Arbeiten an Subunternehmer zu vergeben (vgl. BAG 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101).
Für die Berechtigung der Kündigung kommt es allein auf die Sachlage im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Da nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch die Absicht oder sich vorbehalten hatte, Restarbeiten mit neu eingestellten oder über ihre jeweilige Kündigungsfrist hinaus beschäftigten Arbeitnehmern zu erledigen, ist es unerheblich, wenn es später zu Verzögerungen oder Änderungen des Ablaufplans kam. Soweit es also bei der Abwicklung der restlichen Aufträge der Beklagten wegen des ursprünglich nicht vorhersehbaren extrem hohen Krankenstandes ab September 1998 von über 50 % in Einzelfällen planwidrig zum Einsatz von Leiharbeitnehmern kam, ändert dies nichts daran, daß im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der ernsthafte und dokumentierte Stillegungsbeschluß der Beklagten vom 5. Juni 1998 ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG begründete, welches die streitige Kündigung bedingte.
- Das unternehmerische Stillegungskonzept der Beklagten ließ für eine soziale Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG keinen Raum. Mit der sofortigen und gleichzeitigen Kündigung aller Arbeitsverhältnisse hat die Beklagte gerade keine Differenzierung zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern vorgenommen. Der Schutzzweck des § 1 Abs. 3 KSchG geht dahin, sozial schutzbedürftigeren Arbeitnehmern den Arbeitsplatz längerfristig zu erhalten, nicht aber ihnen bloß längere Kündigungsfristen als in § 622 BGB bzw. dem einschlägigen Tarifvertrag vorgesehen einzuräumen. Zudem wäre mit einer Verlängerung der Kündigungsfrist bei sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern gemessen an den für die Arbeitsgerichte bindenden unternehmerischen Vorgaben der Beklagten ein Arbeitskräfteüberhang entstanden. § 1 Abs. 3 KSchG verpflichtet den Arbeitgeber jedoch nicht, auch nicht vorübergehend, einen solchen Überhang in Kauf zu nehmen.
Die Beklagte hat auch dem Betriebsrat bei der Anhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG die Kündigungsgründe ausreichend mitgeteilt. Sie hat insoweit angegeben, der operative Betrieb des Unternehmens solle schnellstmöglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 1998 vollständig und endgültig aufgegeben werden, alle Arbeitsplätze im Unternehmen würden ersatzlos wegfallen und die Frage einer Sozialauswahl stelle sich nicht, da allen Mitarbeitern zum nächstmöglichen Termin gekündigt werden sollte. Damit hat die Beklagte ihre Stillegungsentscheidung als Kündigungsgrund hinreichend verdeutlicht. Einer Mitteilung der Absicht, ihre Verpflichtungen gegenüber Auftraggebern teilweise mit dem Einsatz von Subunternehmern zu erfüllen, bedurfte es entgegen der Ansicht des Klägers nicht, weil der Einsatz von Subunternehmern keine Fortsetzung des eigenen Betriebs mit eigenen Arbeitnehmern beinhaltet, die mitgeteilte Stillegungsabsicht also unberührt läßt. Insoweit handelt es sich nicht um ein Nachschieben wesentlicher Informationen zu den Kündigungsgründen, sondern allenfalls um eine auch nach Abschluß des Anhörungsverfahrens zulässige Erläuterung (BAG 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39).
Dem Betriebsrat war damit eine arbeitsvertragsbezogene Argumentation zugunsten des Klägers nicht abgeschnitten. Der Betriebsrat hätte durchaus darauf hinweisen können, daß er Einsatzmöglichkeiten für den Kläger auch nach Ablauf der Kündigungsfrist sehe, weil einzelne Baustellen nach dem mitgeteilten unternehmerischen Konzept der Beklagten nicht bis 31. Dezember 1998 fertiggestellt werden könnten. Daß die Beklagte ihr Konzept (teilweise) hätte durchbrechen müssen, wenn sie sich auf entsprechende Vorschläge des Betriebsrats eingelassen hätte, ist bei betriebsbedingten Kündigungen nichts Ungewöhnliches und stellt die Rechtswirksamkeit der Anhörung des Betriebsrats nicht in Frage. Auch im übrigen läßt die Betriebsratsanhörung keine Fehler erkennen.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Fischermeier, Nielebock, Bartel
Fundstellen
Haufe-Index 892453 |
SAE 2001, 287 |
EzA |