Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsanspruch bei Rückkehr von Wechselschicht zu Normalarbeitszeit ohne Zustimmung des Betriebsrats. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung. Annahmeverzug bei Änderung der Lage der Arbeitszeit. fehlendes Erfordernis eines wörtlichen Angebots. Zeitzuschläge als Vergütungsbestandteil
Leitsatz (amtlich)
Ordnet der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats vorzeitig die Rückkehr von Wechselschicht zu Normalarbeitszeit an, hat er die bei Wechselschicht fälligen Zeitzuschläge in der Regel wegen Annahmeverzugs fortzuzahlen.
Orientierungssatz
1. Die vorzeitige Beendigung des Zeitraums, für den im Betrieb mit Zustimmung des Betriebsrats Wechselschicht eingeführt wurde, bedarf ihrerseits der Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
2. Die Anweisung des Arbeitgebers an die Beschäftigten, wieder in Normalarbeitszeit zu arbeiten, ist ohne Zustimmung des Betriebsrats zum vorzeitigem Abbruch der vereinbarten Wechselschicht rechtswidrig.
3. Der Arbeitgeber, der ohne Zustimmung des Betriebsrats die Rückkehr zur Normalarbeitszeit durch Aushang im Betrieb anordnet, gerät bezüglich der Lage der Arbeitszeit auch ohne tatsächliches oder wörtliches Angebot der Arbeitnehmer, weiter in Wechselschicht zu arbeiten, in Annahmeverzug.
4. Zur fortzuzahlenden Vergütung nach § 615 Satz 1 BGB gehören regelmäßig auch tarifliche Zeitzuschläge, die mit der Leistung von Wechselschicht verbunden sind.
Normenkette
BGB §§ 615, 284 Abs. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; Manteltarifvertrag für die Beschäftigten in der Metallindustrie Südbaden i.d.F. vom 11. Dezember 1996 §§ 9-11
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 24. Oktober 2001 – 19 Sa 21/01 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg – Kammern Offenburg – vom 6. Februar 2001 – 5 Ca 181/00 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 192,33 Euro brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 28. April 2000 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Nacht- und Spätzuschläge.
Der Kläger war bei der Beklagten von April 1998 bis September 2000 als Kraftfahrzeugmechaniker beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag war als Arbeitszeit „normal oder Schicht” vereinbart. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Südbaden Anwendung. Nach § 9 des Manteltarifvertrags vom 8. Mai 1990 in der Fassung vom 11. Dezember 1996 (MTV) ist die Zeit zwischen 19.00 Uhr und 6.00 Uhr Nachtarbeit. Spätarbeit liegt vor, wenn die regelmäßige Arbeitszeit nach 12.00 Uhr beginnt und nach 19.00 Uhr endet. Nach § 10 MTV ist Spätarbeit zwischen 12.00 Uhr und 19.00 Uhr mit einem Stundenzuschlag von 20 % und Nachtarbeit mit einem Zuschlag von 30 % zu vergüten.
Am 15. September 1998 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitzeitverteilung. Sie sieht als Arbeitszeit entweder „Normalarbeitszeit” mit einem Arbeitszeitrahmen von 7.00 Uhr bis 16.30 Uhr oder „Wechselschicht” mit einem Rahmen für die Frühschicht von 6.00 Uhr bis 15.00 Uhr und für die „Spätschicht” von frühestens 13.00 Uhr bis 22.00 Uhr vor. Am 26. April 1999 schlossen die Betriebsparteien eine „Betriebsvereinbarung über die Regelung bei Wechselschicht”. Sie hat folgenden Wortlaut:
- „Es wird jeweils für die im Antrag der Firma zu benennenden Bereiche vereinbart, daß befristet Wechselschicht für Mitarbeiter mit Schichtvertrag und mit freiwilligem Einverständnis eingeführt wird.
- Der Zeitraum, in dem Wechselschicht verfahren wird, wird im Antrag benannt. Sollte der Zeitraum nicht ausreichen, eine evtl. Verlängerung beabsichtigt werden, bedarf dies der Zustimmung des Betriebsrates.
- Die Mitarbeiter ergeben sich aus der Schichteinteilung, die dem Betriebsrat jeweils zur Kenntnis geben wird.
- Die Lage der Arbeitszeiten ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung Flexible Arbeitszeiten vom 29. September 1998.
- Nach Ablauf der jeweiligen Schichtvereinbarung wird gewährleistet, daß alle Mitarbeiter der befristeten Wechselschicht in die betriebsübliche Normalarbeit zurückkehren. Nachteile dürfen für die betroffenen Arbeitnehmer aus dieser Betriebsvereinbarung nicht entstehen.”
Mit Zustimmung des Betriebsrats wurde in der Abteilung Mechanik für die Zeit vom 30. August bis 29. Oktober 1999 Wechselschicht eingeführt. Davon war auch der Kläger betroffen. Am 15. Oktober 1999 beantragte die Beklagte eine Verlängerung dieses Zeitraums bis zum 17. Dezember 1999. Dem stimmte der Betriebsrat zu. Mit Aushang vom 15. November 1999 teilte die Beklagte im Betrieb mit, es solle bereits ab dem 22. November 1999 wieder in Normalarbeitszeit gearbeitet werden. Der Betriebsrat erklärte, er nehme dies zur Kenntnis, weise aber darauf hin, daß die Schichtzuschläge bis zum 17. Dezember 1999 weitergezahlt werden müßten.
Der Kläger arbeitete ab dem 22. November 1999 in Normalzeit. Mit Schreiben vom 19. Januar 2000 verlangte er von der Beklagten die Zahlung von Nacht- und Spätzuschlägen für die Zeit vom 22. November bis zum 17. Dezember 1999 in rechnerisch unstreitiger Höhe. Die Beklagte lehnte dies ab. Im April 2000 erhob der Kläger die vorliegende Klage. Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe die Wechselschicht nicht einseitig aufheben können. Sie schulde deshalb die Zahlung der Zuschläge wegen Annahmeverzugs.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 376,16 DM (192,33 Euro) brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 28. April 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Aufhebung der Wechselschicht sei nicht mitbestimmungspflichtig gewesen. Im übrigen seien Nacht- und Spätzuschläge nur für tatsächlich geleistete Arbeit zu zahlen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht die Klageforderung zu. Die Lage der Arbeitszeit in der Abteilung Mechanik richtete sich auch in der Zeit vom 22. November bis zum 17. Dezember 1999 nach der betrieblichen Vereinbarung für „Wechselschicht”. Die Anordnung der Beklagten, schon ab dem 22. November 1999 wieder in „Normalarbeitszeit” zu arbeiten, war unwirksam. Der Kläger hat für den fraglichen Zeitraum Anspruch auf eine Vergütung wie bei Wechselschicht.
I. Der Anspruch des Klägers folgt aus § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte befand sich mit der Annahme der vom Kläger geschuldeten Dienste in zeitlicher Hinsicht in Verzug.
1. In der Zeit vom 22. November bis zum 17. Dezember 1999 entsprach die Lage der vom Kläger geschuldeten Arbeitszeit den Festlegungen für Wechselschicht in der Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeitverteilung vom 15. September 1998. Dementsprechend war der Kläger nicht verpflichtet, während dieses Zeitraums in Normalzeit zu arbeiten. Zwar hatte er sich dazu vertraglich gleichermaßen bereit erklärt wie zur Leistung von Wechselschicht. Auch hatte die Beklagte ihn für den fraglichen Zeitraum zur Leistung in Normalarbeitszeit angewiesen. Diese Weisung war aber unwirksam.
a) Anordnungen des Arbeitgebers zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sind nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Der Betriebsrat hatte sein Mitbestimmungsrecht in der Weise ausgeübt, daß er in der Betriebsvereinbarung vom 15. September 1998 den jeweiligen Zeitrahmen für Normalarbeitszeit und Wechselschicht festgelegt und in der Betriebsvereinbarung vom 26. April 1999 Regelungen über das Verfahren vereinbart hatte, das beim Übergang von Normalarbeitszeit in Wechselschicht einzuhalten sei. Die Einführung von Wechselschicht für einen bestimmten Zeitraum und ggf. dessen Verlängerung sind danach in jedem Einzelfall an die Zustimmung des Betriebsrats gebunden. Für die Zeit vom 30. August bis ursprünglich zum 29. Oktober 1999 hatten die Betriebsparteien Wechselschicht vereinbart. Antragsgemäß hatte der Betriebsrat auch der Verlängerung bis zum 17. Dezember 1999 zugestimmt. Damit war die Lage der Arbeitszeit bis zu diesem Datum in einer die Beklagte bindenden Weise festgelegt.
b) Eine Rückkehr zur Normalarbeitszeit schon vor dem 17. Dezember 1999 war für die Beklagte nicht ohne erneute Zustimmung des Betriebsrats möglich. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht bei jeglicher Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist die Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen bei der Festlegung der Lage der Arbeitszeit. Die Lage der täglichen Arbeitszeit entscheidet zugleich über die Lage der Zeit, die den Arbeitnehmern zur Gestaltung ihres Privatlebens zur Verfügung steht. Arbeitnehmerinteressen sind deshalb bei jeder Veränderung von Beginn und Ende der Arbeitszeit berührt (vgl. BAG 23. Januar 2001 – 1 ABR 36/00 – AP BPersVG § 75 Nr. 78 = EzA BPersVG § 75 Nr. 1). Es gibt auch keine „übliche” Lage der Arbeitszeit, zu deren Änderung es zwar der Zustimmung des Betriebsrats bedürfte, zu der zurückzukehren dem Arbeitgeber aber jederzeit mitbestimmungsfrei möglich wäre. Anders als das Nichtabrufen von genehmigten Überstunden und die darin liegende vorzeitige Rückkehr zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterfällt deshalb auch die Rückkehr von Wechselschicht zu Normalarbeitszeit der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
Dieses Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat im vorliegenden Fall nicht schon ausgeübt. Das Verfahren bei beabsichtigter vorzeitiger Beendigung von Wechselschicht wird in der Betriebsvereinbarung vom 26. April 1999 nicht ausdrücklich geregelt. Aus dem Umstand, daß dort nur die Verlängerung des Wechselschichtzeitraums von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig gemacht wird, kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht geschlossen werden, der Betriebsrat habe für die vorzeitige Beendigung der Wechselschicht seine generelle Zustimmung bereits vorweg erteilt. Dafür gibt es im Text der Betriebsvereinbarung keinen Anhaltspunkt.
Eine andere Auslegung gebietet auch die Entstehungsgeschichte der Betriebsvereinbarung vom 26. April 1999 nicht. Am 10. Januar 1997 und am 13. Februar 1998 hatten die Betriebsparteien jeweils eigenständige Vereinbarungen über bestimmte Zeiten von Wechselschicht geschlossen. Diesen zufolge erhielten alle Mitarbeiter Schichtzuschläge für den vereinbarten Zeitraum auch dann, wenn die Wechselschicht vorzeitig beendet würde. Den Betriebsparteien war danach das Problem eines vorzeitigen Endes der Wechselschicht bekannt. Gleichwohl wurde über eine Zustimmung des Betriebsrats zum vorzeitigem Abbruch der Wechselschicht keine Regelung getroffen. Zwar mag in den damaligen Abreden über die Fortzahlung der Schichtzuschläge ein Anhaltspunkt für eine stillschweigend erfolgte Zustimmung des Betriebsrats gesehen werden können. Eine solche Annahme ist aber auf die Betriebsvereinbarung vom 28. April 1999 nicht übertragbar, weil diese eine Regelung über die Fortzahlung der Schichtzuschläge gerade nicht enthält. Angesichts dessen gilt unmodifiziert die gesetzliche Regelung.
Die erforderliche Zustimmung zur vorzeitigen Einführung von Normalarbeitszeit hat der Betriebsrat nicht erteilt. Er hat lediglich erklärt, er nehme die Arbeitsanweisungen der Beklagten zur Kenntnis und weise auf die Pflicht zur weiteren Zahlung von Schichtzuschlägen hin. Darin liegt keine Zustimmung, sondern allenfalls der Verzicht auf Gegenmaßnahmen.
c) Mangels Zustimmung des Betriebsrats zur vorzeitigen Beendigung von Wechselschicht war die dem Kläger erteilte Weisung der Beklagten, bereits ab dem 22. November 1999 in Normalzeit zu arbeiten, nicht wirksam. Eine Maßnahme des Arbeitgebers, die der notwendigen Mitbestimmung entbehrt, ist rechtswidrig und unwirksam. Dies gilt für einseitige Anordnungen, die in Ausübung des Direktionsrechts vorgenommen werden, ebenso wie für einzelvertragliche Vereinbarungen. Die tatsächlich durchgeführte Mitbestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers (vgl. BAG GS 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42; BAG 20. August 1991 – 1 AZR 326/90 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 50 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 29; 11. Juni 2002 – 1 AZR 390/01 – DB 2002, 2725 mwN). Maßnahmen zum Nachteil der Arbeitnehmer sind allerdings nur solche, die bereits bestehende Rechtspositionen der Arbeitnehmer schmälern. Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats führt nicht dazu, daß sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergäben, die zuvor noch nicht bestanden haben (BAG 20. August 1991 – 1 AZR 326/90 – aaO; 28. September 1994 – 1 AZR 870/93 – BAGE 78, 74). Auch bei Nichtbeachtung der Mitbestimmung durch den Arbeitgeber erhält der Arbeitnehmer keinen Erfüllungsanspruch auf Leistungen, die die bestehende Vertragsgrundlage übersteigen (Reichhold Anm. zu BAG 28. September 1994 – 1 AZR 870/93 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 68). Die Arbeitsanweisung der Beklagten griff in bestehende Rechtspositionen des Klägers ein. Der Kläger war nach der bindenden Übereinkunft der Betriebsparteien verpflichtet und berechtigt, bis zum 17. Dezember 1999 in Wechselschicht zu arbeiten. Er hatte deshalb Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als habe es die – rechtswidrige – Weisung der Beklagten nicht gegeben. Dann schuldete er seine Arbeitsleistung nur nach Maßgabe der für Wechselschicht geltenden Zeiten.
2. Ein den Wechselschichtzeiten entsprechendes Arbeitskraftangebot des Klägers iSd. § 615 BGB iVm. §§ 293 ff. BGB lag vor. Zwar hat der Kläger seine Arbeit nach dem 21. November 1999 weder tatsächlich noch wörtlich für die Tageszeiten der Wechselschicht angeboten. Ein solches förmliches Angebot war jedoch entbehrlich. Der Kläger hat bis zum 21. November 1999 weisungsgemäß in Wechselschicht gearbeitet. Es gibt keinen Grund für die Annahme, daß er das nicht ohne die anderslautende Anweisung der Beklagten weiterhin getan hätte. Die Beklagte dagegen hatte im Betrieb mit dem Aushang vom 15. November 1999 kundgetan, es werde in der Abteilung Mechanik ab dem 22. November 1999 in Normalarbeitszeit gearbeitet. Damit gab sie zu verstehen, sie werde auf andere Zeiten gerichtete Arbeitsangebote nicht mehr annehmen. Nach einer Ablehnungserklärung des Gläubigers ist zwar gemäß § 295 BGB zumindest ein wörtliches Angebot des Schuldners weiterhin erforderlich. Dessen bedarf es jedoch dann nicht, wenn offenkundig ist, daß der Gläubiger auf seiner Ablehnung beharren wird. In einem solchen Fall wäre selbst ein wörtliches Angebot nur Förmelei. Auf sein Fehlen vermag sich der Gläubiger dann nicht zu berufen (BAG 21. April 1999 – 5 AZR 174/98 – AP MuSchG 1968 § 4 Nr. 5 = EzA MuSchG § 11 nF Nr. 18; 20. März 1986 – 2 AZR 295/85 – EzA BGB § 615 Nr. 48; 9. August 1984 – 2 AZR 374/83 – BAGE 46, 234; BGH 9. Oktober 2000 – II ZR 75/99 – AP BGB § 615 Nr. 88 = EzA BGB § 615 Nr. 100). Damit erübrigt sich ein Arbeitskraftangebot des Arbeitnehmers jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber zuvor eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, er werde den Arbeitsplatz nicht mehr zur Verfügung stellen (Matthes in Das Arbeitsrecht im BGB 2. Aufl. § 615 Nr. 39). Hier hatte die Beklagte mit dem Aushang vom 15. November 1999 zugleich erklärt, sie werde die betreffenden Arbeitsplätze nur nach Maßgabe der Normalarbeitszeit bereithalten. Der Kläger mußte davon ausgehen, sie werde sich darin durch ein anderslautendes Angebot von seiner Seite nicht umstimmen lassen.
3. Die Vergütung des Klägers, die für die infolge des Annahmeverzugs nicht geleisteten Wechselschichtdienste vereinbart war, bestand im tariflichen Grundlohn zuzüglich der tariflich vorgesehenen Zeitzuschläge. Nach § 615 Satz 1 BGB erhält der Gläubiger keinen eigenständigen, neuen Anspruch, insbesondere keinen Schadensersatzanspruch. Er behält vielmehr den ursprünglichen Erfüllungsanspruch (BAG 19. Oktober 2000 – 8 AZR 20/00 – AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 11 = EzA BGB § 286 Nr. 1 mwN). Für die Höhe des Anspruchs gilt das Lohnausfallprinzip. Der Gläubiger ist so zu stellen, als hätte er vertragsgemäß gearbeitet. Dabei sind alle Entgeltbestandteile zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Zuschläge, soweit diese Teil der vereinbarten Vergütung sind und Lohncharakter haben. Auf die tariflichen Spät- und Nachtzuschläge trifft dies zu. Anders als Zulagen, die eine bestimmte reale Mehrbelastung abgelten sollen, wie etwa Schmutzzulagen, Essenszuschüsse, Aufwendungs- oder Spesenersatz, haben die Zeitzuschläge Entgeltcharakter. Zwar stellen auch sie einen Ausgleich für erschwerte Arbeitsbedingungen dar. Sie fallen aber nicht nur an, wenn tatsächlich Spät- oder Nachtarbeit geleistet wurde. Der Anspruch auf sie erlischt auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer zu den betreffenden Zeiten keine Arbeitsleistung erbringt (für die Wechselschichtzulage nach § 33 a BAT BAG 9. Dezember 1998 – 10 AZR 207/98 – AP BAT § 33 a Nr. 15; ErfK/Preis 3. Aufl. BGB § 611 Rn. 605). Etwas anderes gilt nur, wenn die Tarifvertragsparteien selbst dies – etwa gemäß § 4 Abs. 4 EFZG – vereinbart haben. Das ist hier nicht der Fall. Bei den Spät- und Nachtzuschlägen gemäß §§ 9.4, 9.5, 10.2 und 10.3 MTV handelt es sich um Leistungen, die zur vereinbarten Vergütung gehören.
II. Der Zinsanspruch besteht ab dem 28. April 2000. Dies folgt – unabhängig vom Datum des Eintritts der Rechtshängigkeit – jedenfalls aus § 284 Abs. 2 BGB aF iVm. § 11.2 MTV.
Unterschriften
Wißmann, Schmidt, Kreft, Münzer, Büßenschütt
Fundstellen
Haufe-Index 906801 |
BB 2003, 740 |
DB 2003, 1121 |
ARST 2003, 271 |
EWiR 2003, 677 |
FA 2003, 153 |
SAE 2003, 272 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 13 |
EzA |
MDR 2003, 578 |
PERSONAL 2003, 59 |
ArbRB 2003, 106 |
BAGReport 2003, 186 |
SPA 2003, 6 |