Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Fremdvergabe von Reinigungsarbeiten
Normenkette
BGB § 613a; Kündigungsschutzgesetz § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 8. Oktober 1996 – 6 Sa 847/96 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten zu 1) ausgesprochenen Kündigung und die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.
Die Beklagte zu 1) betreibt ein Gebäudereinigungsunternehmen mit Sitz in A. Sie beschäftigt rund 2.000 Arbeitnehmer. Es besteht kein Betriebsrat. Die Beklagte zu 1) reinigt Gebäude im westdeutschen Raum. Dazu gehörte als das am weitesten östlich gelegene Objekt die Fachklinik Sa. in Bad S. Die Beklagte zu 1) setzte dort 22 Reinigungskräfte ein. Zu ihnen gehörte die seit August 1989 als Teilzeitkraft bei der Beklagten zu 1) beschäftigte Klägerin, die nach dem Arbeitsvertrag ausschließlich für Reinigungsarbeiten in der Klinik Sa. eingestellt wurde. Der Stundenlohn der Klägerin betrug zuletzt 13,46 DM.
Bei der Fachklinik Sa. handelt es sich um eine Einrichtung der Landesversicherungsanstalt Westfalen. Als Trägerin der Klinik kündigte sie den mit der Beklagten zu 1) bestehenden Reinigungsauftrag zum 30. Juni 1995. Der Auftrag wurde neu ausgeschrieben und an die Beklagte zu 2) vergeben. Die Beklagte zu 2) betreibt ein großes Reinigungsunternehmen, das in der gesamten Bundesrepublik tätig ist.
Die Beklagte zu 1) kündigte ihren in der Fachklinik Sa. beschäftigten Reinigungskräften und damit auch der Klägerin mit Schreiben vom 24. April 1995 zum 30. Juni 1995.
Die Beklagte zu 2) übernahm von der Beklagten zu 1) keine Betriebsmittel.
Die Beklagte zu 2) bot der Klägerin an, sie in einem bis zum 31. Juli 1996 befristeten Arbeitsverhältnis als Raumpflegerin zu beschäftigen. Die Klägerin nahm das Angebot nicht an.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte zu 1) habe die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen. Zudem sei die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt. Ihr Arbeitsverhältnis bestehe seit dem 1. Juli 1995 zur Beklagten zu 2) fort. Im Lichte der Rechtsprechung des EuGH sei entscheidend, daß von der Beklagten zu 2) die gleichen Reinigungsarbeiten fortgeführt würden, die bis zum 30. Juni 1995 die Beklagte zu 1) erledigt habe. Nach der Neuvergabe des Reinigungsauftrags hätten sich der Arbeitsplatz, die Arbeitsausführung und die Arbeitsorganisation nicht wesentlich geändert. Die Beklagte zu 2) habe einen größeren Teil der Arbeitnehmer, die früher bei der Beklagten zu 1) beschäftigt waren, übernommen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 24. April 1995 nicht beendet worden ist, sondern mit der Beklagten zu 2) auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
Die Beklagte zu 1) hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, durch die Kündigung des Reinigungsauftrags seien sämtliche Arbeitsplätze in der Klinik Sa. entfallen. Im Einzugsbereich Bad S. reinige sie keine weiteren Objekte. Der bisherige Reinigungsauftrag sei von der Beklagten zu 2) nicht einfach fortgeführt worden. Die Beklagte zu 2) habe die Vorgabezeiten neu kalkuliert und die Reinigungsweise verändert. Aufgrund der Neuausschreibung habe sich der Arbeitsumfang des ursprünglichen Reinigungsauftrags erheblich verändert. Der Beklagten zu 2) stehe rund ein Drittel weniger Arbeitszeit für die Reinigung zur Verfügung. Sie beschäftige demzufolge etwa ein Drittel weniger Arbeitnehmer in der Klinik Sa.
Die Beklagte zu 2) hat erstinstanzlich keinen Antrag gestellt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin auf Antrag beider Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin weiterhin geltend, die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die klagabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht bestätigt. Die von der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 24. April 1995 ausgesprochene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristgemäß zum 30. Juni 1995 aufgelöst. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht auf die Beklagte zu 2) übergegangen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist. Die Klägerin hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nicht dargelegt.
1. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11. März 1997 – Rs C-13/95 – DB 1997, 628 f.), der sich der Senat mit Urteil vom 22. Mai 1997 (– 8 AZR 101/96 – NJW 1997, 3188, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) angeschlossen hat, setzt ein Betriebsübergang die Bewahrung der Identität der betreffenden Einheit voraus. Der Begriff „Einheit” bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Er darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Überganges maßgeblichen Kriterien kommt notwendigerweise je nach der ausgeübten Tätigkeit und selbst nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht zu (vgl. Urteil des Senats vom 26. Juni 1997 – 8 AZR 426/95 – AP Nr. 165 zu § 613 a BGB = ZIP 1997, 1975).
a) Betriebsteil ist eine Teilorganisation, in der sachlich und organisatorisch abgrenzbare arbeitstechnische Teilzwecke erfüllt werden, bei denen es sich auch um bloße Hilfsfunktionen handeln kann. Auch ein Betriebsteil erfüllt damit die Voraussetzungen des vom EuGH geprägten Begriffs der auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit. Die Auftragswahrnehmung durch ein Fremdunternehmen kann teilbetrieblich oder als Betrieb organisiert sein. Bestimmte Dienstleistungen wie die der Gebäudereinigungs- und Bewachungsunternehmen können nur objektbezogen erbracht werden. Wird dazu eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen eingesetzt, die getrennt von weiteren organisierten Einheiten des Auftragnehmers gesehen werden kann, und ist die Arbeitsaufgabe, die der Dienstleistung zugrunde liegt, ihrer Natur nach auf eine dauerhafte Erfüllung angelegt, sind die Voraussetzungen des Betriebsbegriffs erfüllt.
b) Bei der Neuvergabe eines Dienstleistungsauftrags an einen Konkurrenten stellt die Funktionsnachfolge allein keinen Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB dar. Eine Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden (EuGH und Senatsurteile, aaO). Für den Fall des Wechsels eines Reinigungsauftrags hat der EuGH (aaO) ausdrücklich klargestellt, daß der Verlust eines Auftrags an einen Mitbewerber für sich genommen keinen Betriebsübergang darstellt. Der fortgesetzten Beschäftigung der Belegschaft kommt jedoch ein gleichwertiger Rang neben anderen möglichen Kriterien für einen Betriebsübergang zu. Beschäftigt der neue Auftragnehmer einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft in den bisherigen Funktionen weiter, übernimmt er eine organisierte Gesamtheit von Arbeitnehmern. Das genügt in Branchen, die durch einen objektbezogenen Personaleinsatz mit untergeordneter Bedeutung von Betriebsmitteln geprägt sind, um die Identität der wirtschaftlichen Einheit fortzuführen. Für einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang ist dann kein Eintritt in die Kundenbeziehung zum Auftraggeber notwendig. Die Voraussetzungen des § 613 a BGB können auch bei einem Auftragswechsel in einer Konkurrenzsituation erfüllt sein. Dabei ist es nicht erforderlich, daß durch den übernommenen Teil der Arbeitnehmerschaft ein besonderes Fachwissen repräsentiert wird (BAG Urteil vom 11. Dezember 1997 – 8 AZR 729/96 – zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Genügt für eine auf dem Markt angebotene Dienstleistung ein geringer Qualifikationsgrad der Arbeitnehmer und sind diese leicht austauschbar, kommt deren „know-how” keine entscheidende Bedeutung für die Identität der wirtschaftlichen Einheit zu. Solche Tätigkeitsbereiche werden geprägt von ihrer Arbeitsorganisation, der sich daraus ergebenden Aufgabenzuweisung an den einzelnen Arbeitnehmer und dem in der Organisationsstruktur verkörperten Erfahrungswissen. Die Identität einer solchen wirtschaftlichen Einheit wird gewahrt, wenn der neue Auftragnehmer die Arbeitnehmer an ihren alten Arbeitsplätzen mit unveränderten Aufgaben weiterbeschäftigt. Er hat dann eine bestehende Arbeitsorganisation übernommen und keine neue aufgebaut. Es hängt von der Struktur des Betriebs oder Betriebsteils ab, welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden muß, um die Rechtsfolgen des § 613 a BGB auszulösen. Haben die Arbeitnehmer einen geringen Qualifikationsgrad, muß eine hohe Anzahl von ihnen weiterbeschäftigt werden, um auf einen Fortbestand der vom Konkurrenten geschaffenen Arbeitsorganisation schließen zu können. Ist ein Betrieb stärker durch das Spezialwissen und die Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt, kann neben anderen Kriterien ausreichen, daß wegen ihrer Sachkunde wesentliche Teile der Belegschaft übernommen werden.
2. Der Übergang der wirtschaftlichen Einheit „Reinigung der Klinik Sa.” von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) ist von der Klägerin nicht dargelegt worden.
a) Die Gesamtheit der von der Beklagten zu 1) bis zum 30. Juni 1995 in der Klinik Sa. zur Erfüllung des Auftrags „Reinigung der Gebäude der Klinik Sa.” eingesetzten Arbeitnehmer bildete einen Betriebsteil oder Betrieb. Die Beklagte zu 1) setzte insgesamt 22 Arbeitnehmer ein, die nicht zuletzt wegen der großen räumlichen Entfernung zu anderen Reinigungsobjekten der Beklagten zu 1) eine von anderen unterscheidbare objektbezogene Arbeitsorganisation bildeten. Diese organisierte Einheit wurde im wesentlichen durch die Belegschaft und die den einzelnen Arbeitnehmern zugewiesenen Teilaufgaben charakterisiert. Die Arbeitsaufgabe war ihrer Natur nach auf Dauer angelegt. Sie wurde von der Landesversicherungsanstalt Westfalen als Auftraggeberin vorgegeben, die einen sich ständig wiederholenden Reinigungsbedarf hat.
b) Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, daß diese wirtschaftliche Einheit ihre Identität im wesentlichen bewahrt habe. Die Klägerin hat lediglich behauptet, die Beklagte zu 2) habe einen „größeren Teil” der von der Beklagten zu 1) im Reinigungsobjekt „Klinik Sa.” eingesetzten Mitarbeiter übernommen. Da ein größerer Teil der Belegschaft bereits anzunehmen ist, wenn der neue Auftragnehmer ungefähr die Hälfte der bisherigen Belegschaft beschäftigt, ist dieser Sachvortrag der Klägerin ungeeignet, die Übernahme der organisierten Hauptbelegschaft zu begründen, denn das Vorhandensein besonderer Fachkenntnisse, die sich die Beklagte zu 2) zu Nutze gemacht habe, ist gleichfalls nicht vorgetragen worden. Ebensowenig ist von einer über den 30. Juni 1995 hinaus bewahrten Identität der Arbeitsorganisation auszugehen, wenn angenommen wird, die Klägerin mache sich den Sachvortrag der Beklagten zu eigen, die Beklagte zu 2) habe maximal zwei Drittel der von der Beklagten zu 1) im Reinigungsobjekt „Klinik Sa.” eingesetzten Mitarbeiterinnen neu eingestellt und diese Beschäftigten würden gegebenenfalls zusammen mit weiteren neu eingestellten Kräften in der Summe nicht mehr als zwei Drittel der von der Beklagten zu 1) kalkulierten Gesamtreinigungszeit erbringen. In keinem Fall erlaubt die notwendige Gesamtwürdigung den Schluß, die Beklagte zu 2) habe von der Beklagten zu 1) die zur Reinigung des Objekts „Klinik Sa.” gebildete Organisation unter Bewahrung ihrer Identität übernommen, denn die Beklagte zu 2) hat unstreitig von der Beklagten zu 1) keine materiellen oder immateriellen Betriebsmittel übernommen.
II. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt gewesen ist. Der Beklagten zu 1) ist eine Weiterbeschäftigung der Klägerin im Reinigungsobjekt „Klinik Sa.” seit dem 1. Juli 1995 nicht mehr möglich. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, wie sie sich konkret unter Abänderung ihres Arbeitsvertrages eine anderweitige Beschäftigung im Unternehmen der Beklagten zu 1) vorstellt. Einer ins einzelne gellenden Darlegung des Fehlens anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten durch die Beklagte zu 1) hat es dementsprechend nicht bedurft (vgl. BAG Urteil vom 3. Februar 1977 – 2 AZR 476/75 – AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).
Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt auch nicht aus § 613 a Abs. 4 BGB. Dem steht bereits unabhängig von der Frage des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts entgegen, daß es zu keinem Betriebsübergang von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) gekommen ist.
III. Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Dr. Haible, Brückmann
Fundstellen