Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit Hauptberuf
Orientierungssatz
Eine hauptberufliche Tätigkeit kann einen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs 1 BeschFG 1985 darstellen, der die unterschiedliche vergütungsmäßige Behandlung eines Teilzeitbeschäftigten Hauptberuf gegenüber einem Teilzeitbeschäftigten ohne Hauptberuf nicht als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der Vorschrift erscheinen läßt (Bestätigung BAG vom 22.8.1990, 5 AZR 543/89, BAGE 66, 17).
Dies gilt auch im Falle eines Notars, der als nebenberufliche Lehrkraft an einer Berufsschule tätig ist. Dabei ist es nicht entscheidend, welche Einkünfte der Kläger jeweils erzielt und welche soziale Absicherung er sich aus seiner Tätigkeit als selbständiger Notar tatsächlich geschaffen hat oder hätte schaffen können, vielmehr ist davon auszugehen, daß er als hauptberuflich Tätiger über eine dauerhafte Existenzgrundlage verfügte (Bestätigung BAG vom 11. März 1992 (selbständiger Bäckermeister in eigenem Betrieb) - 5 AZR 237/91 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 09.01.1992; Aktenzeichen 5 Sa 625/91) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 30.04.1991; Aktenzeichen 4 Ca 1498/91) |
Nachgehend
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit ab 1. Juli 1990 anteilige Vergütung nach der VergGr. II a der Anlage 1 a zum BAT zu zahlen.
Der Kläger ist Notar. Seit dem 5. August 1985 ist er als nebenberufliche Lehrkraft an einer Berufsschule im Dienste des beklagten Landes tätig. Er unterrichtet wöchentlich sechs Stunden Fachkunde für Notargehilfen. Die Vergütung des Klägers wird berechnet nach Jahreswochenstunden. Sie beträgt nach dem letzten zwischen den Parteien für die Zeit ab 1. August 1990 abgeschlossenen Vertrag, der aufgrund rechtskräftiger arbeitsgerichtlicher Entscheidung unbefristet ist, 36,20 DM die Stunde. Diese Vergütung liegt niedriger als der Stundensatz, den eine vergleichbare, in die Vergütungsgruppe II a BAT eingestufte vollzeitbeschäftigte Lehrkraft bezieht.
Das hält der Kläger nicht für gerechtfertigt. Er sieht in der Handhabung des beklagten Landes einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG und erstrebt mit seiner Klage die Feststellung, daß das Land verpflichtet sei, ihm anteilige Vergütung nach dem BAT zu gewähren. Er hat seine Ansprüche gegenüber dem Land mit Schreiben vom 10. Dezember 1990 sowie mit der am 5. März 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage geltend gemacht. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Richtlinien des Landes unterschieden zwar zwischen nebenberuflichen Lehrkräften, die einem Hauptberuf nachgingen, und solchen, die keinen Hauptberuf ausübten. Auch habe das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 22. August 1990 (5 AZR 543/89 - "Pfarrerfall") unter bestimmten Voraussetzungen eine solche Differenzierung anerkannt. Bei ihm lägen die Voraussetzungen einer Differenzierung jedoch nicht vor: er habe als freiberuflicher Notar mit einer kleinen, vorbelasteten Landstelle kein abgesichertes Einkommen, etwa wie ein Pfarrer. Auch habe der Gesetzgeber in Erkenntnis der Möglichkeit, daß ein Notar durch seine Tätigkeit keine ausreichende Existenzgrundlage erwirtschaften könne, in § 3 Abs. 3 BNotO dem Notar das Recht der Anwaltszulassung zugebilligt, hierauf müsse er, der Kläger sich jedoch nicht verweisen lassen.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, daß das beklagte Land ver-
pflichtet ist, ihm eine anteilige 6/25 Vergü-
tung eines Gehaltes der VergGr. II a BAT ab
dem 1. Juli 1990 zu gewähren,
2. festzustellen, daß das beklagte Land ver-
pflichtet ist, die seit dem 1. Juli 1990 ge-
schuldeten Unterschiedsbeträge nachzuzahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die Richtlinien in der Fassung vom 31. Juli 1990 unterschieden in zulässiger Weise u. a. danach, ob die vom Land beschäftigte Lehrkraft im Hauptberuf eine selbständige Tätigkeit ausübe. Für den Kläger treffe dies zu, da er seine Existenzgrundlage in seiner Tätigkeit als Notar habe. Die Zahlung einer geringeren, auf Stundenbasis errechneten Vergütung anstelle der anteiligen Vergütung nach dem BAT sei daher als zulässig anzusehen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der das Land sein Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Dem Kläger stehen die erhobenen Ansprüche nicht zu, weil die zwischen den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung nicht gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 verstößt, sondern wirksam ist.
I.Das Landesarbeitsgericht hat unter Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats vom 25. Januar 1989 - 5 AZR 161/88 - (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) auf den von ihm festgestellten Sachverhalt die Vorschriften des § 2 BeschFG 1985 und der §§ 134, 611, 612 Abs. 2 BGB angewandt und die Ansprüche des Klägers als begründet angesehen. Bei seinen Überlegungen hat das Landesarbeitsgericht entscheidend darauf abgestellt, daß für die Beurteilung der Frage, ob eine Ungleichbehandlung im Sinne des § 2 BeschFG 1985 sachlich gerechtfertigt sei, in erster Linie auf den Zweck der Leistung abgestellt werden müsse. Arbeitsentgelt sei ausschließlich Gegenleistung für geleistete Arbeit. Nach dem Grundsatz, daß für gleiche Arbeit gleicher Lohn geschuldet werde, könnten grundsätzlich nur solche Umstände eine Differenzierung bei der Höhe des Arbeitsentgelts rechtfertigen, die leistungsbezogen seien. Leistungsbezogene Umstände, die eine unterschiedliche Behandlung des Klägers rechtfertigen könnten, habe das beklagte Land jedoch nicht vorzutragen vermocht. Die soziale oder wirtschaftliche Lage des Klägers habe jedenfalls keinerlei Bezug zum erwähnten Zweck der Leistung. Sie habe daher für die Frage, ob eine Ungleichbehandlung im Sinne des § 2 BeschFG 1985 sachlich gerechtfertigt sei, keine Bedeutung. Der Kläger müsse mithin entsprechend seiner Tätigkeit anteilig nach der VergGr. II a BAT vergütet werden.
Dieser Begründung vermag der Senat nicht beizupflichten. II.1. Nach § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, die Schaffung weiterer Teilzeitarbeitsplätze zu fördern, aber auch, die Teilzeitbeschäftigten, deren Zahl in den Jahren vor Erlaß des Beschäftigungsförderungsgesetzes insbesondere wegen der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt stark zugenommen hatte, zu schützen und zu verhindern, daß sie zusätzlich zu ihrer geringeren Verdienstmöglichkeit auch noch weitere Schlechterstellungen im Vergleich zu den Vollzeitbeschäftigten hinnehmen müssen. Dieser Schutzzweck der Norm entfällt bei denjenigen Teilzeitbeschäftigten, die ihre Tätigkeit nur nebenberuflich ausüben, in erster Linie aber einem Vollzeitberuf nachgehen. Dabei kommt es grundsätzlich auf die Umstände zu dem Zeitpunkt an, in dem das Teilzeitarbeitsverhältnis begründet wird; spätere Änderungen der Verhältnisse können zu einer anderen Wertung führen.
In dieser Hinsicht kann die hauptberufliche Tätigkeit einen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darstellen, der die unterschiedliche vergütungsmäßige Behandlung eines Teilzeitbeschäftigten mit Hauptberuf gegenüber einem Teilzeitbeschäftigten ohne Hauptberuf nicht als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der Vorschrift erscheinen läßt. Das hat der Senat unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Beschäftigungsförderungsgesetzes und weiter auf Hanau (NZA 1984, 345, 347) im Urteil vom 22. August 1990 (BAGE 66, 17 = AP Nr. 8 zu § 2 BeschFG 1985) im tatbestandlich besonders gestalteten Falle eines im landeskirchlichen Dienst stehenden Pfarrers, der sechs Wochenstunden Religionsunterricht erteilte, näher ausgeführt (vgl. weiter die Senatsurteile vom 7. August 1991 - 5 AZR 88/91 -, nicht veröffentlicht, und vom 21. August 1991 - 5 AZR 634/90 - ZTR 1992, 73, sowie die Urteile des Vierten Senats vom 23. Oktober 1991 - 4 AZR 500/90 - ZTR 1992, 72, und vom 27. November 1991 - 4 AZR 245/91 -, nicht veröffentlicht, und des Sechsten Senats vom 6. Dezember 1990 - 6 AZR 159/89 - NZA 1991, 350, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; a. A. Lipke, ArbuR 1991, 76, 79; Schüren/Kirsten, SAE 1991, 116 ff.).
2.Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ergibt sich, daß die von den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung über Jahreswochenstunden keinen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darstellt. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war der Kläger in seinem durch Studium und weitere Ausbildung eröffneten Beruf als Notar mit eigener Praxis selbständig tätig und verfügte damit über eine Existenzgrundlage, wie sie eine Erwerbstätigkeit im Hauptberuf allgemein ermöglicht. Dabei ist es nicht entscheidend, welche Einkünfte der Kläger jeweils erzielt und welche soziale Absicherung er sich aus seiner Tätigkeit als selbständiger Notar tatsächlich geschaffen hat oder hätte schaffen können, vielmehr ist davon auszugehen, daß er als hauptberuflich Tätiger über eine dauerhafte Existenzgrundlage verfügte (vgl. Urteil des Senats vom 11. März 1992 (selbständiger Bäckermeister mit eigenem Betrieb) - 5 AZR 237/91 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Vorsitzender Richter Dr. Gehring Dr. Reinecke
Prof. Dr. Thomas ist im
Urlaub und daher an der
Unterschrift verhindert.
Dr. Gehring
Liebsch Kreienbaum
Fundstellen
Haufe-Index 440497 |
EzB BeschFG 1985 § 2, Nr 9 (ST1) |
EzA § 2 BeschFG 1985, Nr 23 (ST1) |