Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierungsverbot aus Art. 141 EG auch für Pensionskassen. Geschlechtsdiskriminierung beim Entgelt. Bindung eines Anspruchs auf Witwerrente an die Haupternährereigenschaft der früheren Arbeitnehmerin. Bindung des nationalen Gerichts an Erkenntnisse des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des EG-Vertrages. Betriebliche Altersversorgung. Europarecht
Leitsatz (amtlich)
- Eine Regelung, die für Witwen früherer Arbeitnehmer ohne weitere Voraussetzung betriebliche Witwenrente, für Witwer früherer Arbeitnehmerinnen aber nur dann Witwerrente in Aussicht stellt, wenn diese den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten haben, stellt eine Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechts dar. Die anspruchseinschränkende Bestimmung ist deshalb nicht anzuwenden.
- Dies gilt auch zu Lasten einer vom Arbeitgeber zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung eingeschalteten Pensionskasse (EuGH 9. Oktober 2001 – Rs C-379/99 – Slg. I 2001, 7275 = AP BetrAVG § 1 Pensionskasse Nr. 5 = EzA EG-Vertrag 1999 Art. 141 Nr. 7).
Orientierungssatz
- Auch eine betriebliche Witwer- oder Witwenrente ist eine sonstige Vergütung iSd. Art. 141 Abs. 2 Satz 1 EG. Die zusätzliche geldwerte Sicherheit, die ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin durch ein betriebliches Versprechen auf Hinterbliebenenversorgung erhält, ist Teil der vom Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis erdienten Vergütung. Dies gilt auch dann, wenn die Versorgungsleistung durch eine vom Arbeitgeber eingeschaltete selbständige Versorgungseinrichtung wie eine Pensionskasse erbracht werden soll.
- Eine Pensionskasse ist ebenso wie der Arbeitgeber selbst an die europarechtlichen Diskriminierungsverbote gebunden (EuGH 9. Oktober 2001 – Rs C-379/99 – Slg. I 2001, 7275 = AP BetrAVG § 1 Pensionskasse Nr. 5 = EzA EG-Vertrag 1999 Art. 141 Nr. 7).
- Es stellt eine unmittelbare Frauendiskriminierung (Art. 141 EG) dar, wenn nur der Anspruch auf Witwerrente, nicht der auf Witwenrente an die zusätzliche Bedingung geknüpft ist, daß die frühere Beschäftigte den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat.
- Eine derart diskriminierende Beschränkung des Leistungsanspruchs darf weder vom Arbeitgeber, noch von einer von ihm eingeschalteten Pensionskasse angewendet werden.
- Ist der Europäische Gerichtshof in einer Frage nach der Auslegung des EG-Vertrages nach Art. 234 EG angerufen worden, ist seine Erkenntnis für das mit dem Ausgangsverfahren befaßte Gericht bindend; nationale Bestimmungen, die im Widerspruch zu den Regelungen des EG-Vertrages in der verbindlichen Auslegung des Gerichtshofs stehen, dürfen nicht angewendet werden.
- Ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen. Es kommt jedoch nicht in Betracht, wenn der Gerichtshof die im ersten Ersuchen angesprochen Gesichtspunkte vollständig behandelt hat und neue auslegungsrelevante Gesichtspunkte nicht ersichtlich sind.
Normenkette
EG Art. 141, 234; BetrAVG § 1 Gleichberechtigung
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger ein Anspruch auf Witwerversorgung zusteht und ob die beklagte Pensionskasse hierfür einstehen muß.
Frau M… war vom 1. September 1956 bis zu ihrem Tod am 12. November 1993 bei der Bezirksverwaltung der Barmer Ersatzkasse in S… beschäftigt. Sie war mit dem Kläger verheiratet. Auf das Arbeitsverhältnis der Verstorbenen war kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Ersatzkassentarifvertrag (EKT) anwendbar. Nach § 37 Abs. 2 EKT in Verb. mit der Anlage 7a zum EKT schuldet die Barmer Ersatzkasse ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Sie setzen sich zusammen aus einem Ruhegeld, das die Arbeitgeberin selbst schuldet, und einer Pension, welche die beklagte Pensionskasse aufgrund von Beitragsleistungen der Barmer Ersatzkasse an deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zahlt, soweit sie Mitglieder der Pensionskasse sind. Die verstorbene Ehefrau des Klägers war während der gesamten Dauer ihres Arbeitsverhältnisses Mitglied der Pensionskasse.
In § 11 der Satzung der Beklagten heißt es ua.:
Ҥ 11
Leistungsarten
Als Leistungen werden gewährt an Mitglieder, die wegen des Eintritts des Versorgungsfalles aus den Diensten der BEK ausscheiden … :
…
2. Pensionen an Hinterbliebene nach Wegfall der Pensionszahlung an Mitglieder bzw. der Dienstbezüge
a) Witwenpension an die Witwe des verstorbenen Mitglieds. Witwerpension erhält der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat.”
Der Kläger hat gegenüber der Barmer Ersatzkasse und der Beklagten vorgerichtlich erfolglos die Zahlung einer Witwerrente verlangt, die sich nach Berechnungen der Beklagten auf monatlich 569,10 DM belaufen würde.
Der Kläger hat mit seiner Klage ursprünglich die Barmer Ersatzkasse und die Beklagte auf Zahlung von rückständiger Witwerrente vom 1. März 1994 bis 31. Dezember 1996 sowie auf Weiterzahlung ab dem 1. Januar 1997 in Anspruch genommen. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag nur hinsichtlich der beklagten Pensionskasse entsprochen und die Klage gegen die Barmer Ersatzkasse abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt.
Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, die in der Satzung vorgesehene zusätzliche Anspruchsvoraussetzung für die Witwerrente sei gleichheitswidrig und deshalb ihm gegenüber unwirksam. Hierfür hafte die Beklagte.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.349,40 DM (= 9.893,19 Euro) zuzüglich 4 % Zinsen aus 15.934,80 DM (= 8.147,33 Euro) ab dem 27. Juli 1996 sowie aus weiteren 3.414,60 DM (= 1.745,86 Euro) ab dem 31. Dezember 1996 zu zahlen;
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ab Januar 1997 jeweils zum Monatsende monatlich 569,10 DM (= 290,98 Euro) an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Auffassung wirkt ein etwaiges Diskriminierungsverbot nicht zu ihren Lasten. Sie könne schon aus Gründen der Versicherungsaufsicht nicht für eine von der Barmer Ersatzkasse möglicherweise geschuldete Gleichbehandlung haften. Sie sei als Versicherungsunternehmen rechtlich selbständig und werde nach einem aufsichtsbehördlich genehmigten Geschäftsplan tätig.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, die unverändert die Abweisung der Klage anstrebt.
Durch Beschluß vom 23. März 1999 hat der Senat den Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung über die Frage angerufen, ob Art. 119 EG-Vertrag dahin auszulegen ist, daß Pensionskassen als Arbeitgeber anzusehen sind und Gleichbehandlung von Mann und Frau bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung schulden, obwohl den benachteiligten Arbeitnehmern gegenüber ihren unmittelbaren Versorgungsschuldnern, den Arbeitgebern als Parteien der Arbeitsverträge, ein insolvenzgeschützter, die Diskriminierung ausschließender Anspruch zusteht. Diese Frage hat der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 9. Oktober 2001 (– Rs C-379/99 – Slg. I 2001, 7275 = AP BetrAVG § 1 Pensionskasse Nr. 5 = EzA EG-Vertrag 1999 Art. 141 Nr. 7) bejaht. Demgegenüber nimmt die Beklagte den Standpunkt ein, es sei erforderlich, die Sache nach Art. 177 EG von neuem, unter nochmaliger Darlegung des nationalen Rechts und des ausreichenden Insolvenzschutzes, dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Anderenfalls werde eine Entscheidung getroffen, die sich mit dem nationalen Recht nicht vereinbaren lasse.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zurecht die geltend gemachte Witwerrente in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 569,10 DM (= 290,98 Euro) seit dem 1. März 1994 zuerkannt. Der Anspruch ergibt sich aus § 37 Abs. 2 EKT in Verb. mit der Anlage 7a zum EKT und § 11 Nr. 2 der Satzung der Beklagten. Die Einschränkung des Anspruchs auf Witwerversorgung in § 11 Nr. 2 der Satzung auf die Fälle, in denen die versicherte Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat, ist frauendiskriminierend und darf nach Art. 141 EG (früher: Art. 119 EG-Vertrag) nicht zu Lasten des Klägers angewendet werden. Der Anspruch auf Witwerrente besteht von Rechts wegen ebenso wie der Anspruch auf Witwenrente ohne eine solche weitere Voraussetzung.
Das Gebot des Art. 141 EG, gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen, gilt auch für eine betriebliche Hinterbliebenenversorgung. Hierbei handelt es sich um eine sonstige Vergütung iSv. § 141 Abs. 2 Satz 1 EG, welche ein Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses eines Arbeitnehmers schuldet.
Eine Betriebsrente ist Entgelt iSd. europarechtlichen Diskriminierungsverbotes. Sie wird aufgrund des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses gewährt. Dies gilt unabhängig davon, ob das betriebliche Versorgungssystem an die Stelle des gesetzlichen getreten ist oder dieses System ergänzt (EuGH 13. Mai 1986 – Rs 170/84 – “BILKA” Slg. 1986, 1607 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 10, Rn. 20, 22; 17. Mai 1990 – Rs C-262/88 – “Barber” Slg. I 1990, 1889 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 4, Rn. 28; 14. Dezember 1993 – Rs C-110/91 – “Moroni” Slg. I 1993, 6591 = AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 16 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 16, Rn. 15 ff.).
Auch eine betriebliche Witwen- oder Witwerversorgung ist eine sonstige Vergütung in diesem Sinne. Sie ist zwar bestimmungsgemäß nicht an den Arbeitnehmer, der seine Gegenleistung im Arbeitsverhältnis bereits erbracht hat, sondern an den hinterbliebenen Ehegatten auszuzahlen. Aber auch diese Leistung hat ihren Ursprung in der Zugehörigkeit des Ehegatten des Hinterbliebenen zum betrieblichen Versorgungssystem (st. Rspr. des Europäischen Gerichtshofs zB 17. April 1997 – Rs C-147/95 – “Evrenopoulos” Slg. I 1997, 2057, Rn. 22). Die zusätzliche und geldwerte Sicherheit, die ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin durch ein betriebliches Versprechen von Hinterbliebenenversorgung erhält, ist Teil der vom Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis erdienten Vergütung und eine der Formen, in denen ein Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aufgrund eines entsprechenden Versorgungsversprechens eines Arbeitgebers erlangen kann (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG).
Am Charakter der “sonstigen Vergütung” ändert sich auch dann nichts, wenn die Versorgungsleistung nicht durch den Arbeitgeber selbst, sondern durch eine von ihm eingeschaltete, rechtlich selbständige Stelle wie die beklagte Pensionskasse erbracht werden soll. Daß auch betriebliche Versorgung unter Einschaltung eines externen Versorgungsträgers in den Anwendungsbereich des Art. 141 EG fällt, ergibt sich ohne weiteres daraus, daß auch mittelbare Zahlungen des Arbeitgebers aufgrund des Arbeitsverhältnisses den Entgeltbegriff ausfüllen (EuGH 28. September 1994 – Rs C-200/91 – “Coloroll” Slg. I 1994, 4389 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 57, Rn. 20; 28. September 1994 – Rs C-128/93 – “Fisscher” Slg. I 1994, 4583 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 56, Rn. 31).
- Der für den Anspruch des Klägers auf Witwerversorgung maßgebliche § 11 Nr. 2 Buchst. a der Satzung der beklagten Pensionskasse steht im Widerspruch zu Art. 141 EG, soweit die Bestimmung den Anspruch davon abhängig macht, daß die verstorbene Arbeitnehmerin den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat. Die Bestimmung stellt den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung einer Arbeitnehmerin unter eine einschränkende Bedingung, die für den entsprechenden Anspruch eines Arbeitnehmers nicht gilt. Sie behandelt damit eine Arbeitnehmerin beim Entgelt unabhängig von der hierfür geleisteten Arbeit schlechter als einen Arbeitnehmer. Eine solche wegen des Geschlechts benachteiligende Ungleichbehandlung darf nach Art. 141 EG nicht aufrechterhalten werden unabhängig davon, worauf diese Ungleichbehandlung beruht (EuGH 17. Mai 1990 – Rs C-262/88 – “Barber” Slg. I 1990, 1889 = EzA EWG-Vertrag Art. 119, Rn. 32; 17. April 1997 – Rs C-147/95 – “Evrenopoulos” Slg. I 1997, 2057, Rn. 26 f.). Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich im nationalen Recht aus § 612 Abs. 3 BGB (BAG 5. September 1989 – 3 AZR 575/88 – BAGE 62, 345).
- Art. 141 EG gibt jedem Bürger der Europäischen Gemeinschaft ein subjektives Recht, sich vor den nationalen Gerichten auch gegenüber Privaten unmittelbar auf den Grundsatz der Entgeltgleichheit und das Verbot der Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechts zu berufen. Die Bestimmung ist klar und eindeutig gefaßt, steht unter keiner Bedingung oder Zeitbestimmung, verlangt keine weiteren Vollzugsmaßnahmen der Mitgliedsstaaten und läßt ihnen auch keinen Ermessensspielraum bei der nationalen Umsetzung (EuGH 8. April 1976 – Rs 43/75 – “Defrenne II” Slg. 1976, 455, Rn. 40; ErfK/Wißmann 2. Aufl. EG Vorb. Rn. 5, Art. 141 Rn. 2; Oetker/Preis/Mallossek EAS Stand Oktober 2002 B 4000 Rn. 55). Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts verlangt, daß gegen Art. 141 EG verstoßende nationale Bestimmungen nicht angewendet werden (EuGH 7. Februar 1991 – Rs C-184/89 – “Nimz” Slg. I 1991, 297 = AP BAT § 23a Nr. 25 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 1).
- Der Kläger kann aufgrund der Verletzung des Diskriminierungsverbots verlangen, so gestellt zu werden wie die nichtdiskriminierte Gruppe, also die Witwen von Arbeitnehmern, die unter die Satzung der beklagten Pensionskasse fallen und die einen uneingeschränkten Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung haben. Die diskriminierende Ausnahmebestimmung der Satzung darf nicht zu Lasten des Klägers angewendet werden (EuGH 7. Februar 1991 – Rs C-141/89 – “Nimz” Slg. I 1991, 297 = AP BAT § 23a Nr. 25 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 1, Rn. 21; BAG 20. November 1990 – 3 AZR 613/89 – BAGE 66, 264).
Der Anspruch des Klägers auf Wiederherstellung eines diskriminierungsfreien Zustandes besteht auch gegenüber der beklagten Pensionskasse.
Durch Beschluß vom 23. März 1999 hatte der Senat im vorliegenden Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob Art. 119 EG-Vertrag dahin ausgelegt werden muß, daß Pensionskassen als Arbeitgeber anzusehen sind und Gleichbehandlung von Mann und Frau bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung schulden, obwohl den benachteiligten Arbeitnehmern gegenüber ihrem unmittelbaren Versorgungsschuldnern, den Arbeitgebern als Parteien der Arbeitsverträge, ein insolvenzgeschützter, die Diskriminierung ausschließender Anspruch zusteht (– 3 AZR 631/97 (A) – BAGE 91, 155 ff.).
Mit Urteil vom 9. Oktober 2001 (– Rs C-379/99 – aaO) hat der Europäische Gerichtshof die Frage des Senats wie folgt beantwortet:
Art. 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) ist dahin auszulegen, dass Einrichtungen wie die Pensionskassen deutschen Rechts, die damit betraut sind, Leistungen eines Betriebsrentensystems zu erbringen, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sicherzustellen haben, auch wenn Arbeitnehmern, die aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert sind, gegenüber ihren unmittelbaren Versorgungsschuldnern, den Arbeitgebern als Parteien der Arbeitsverträge, ein insolvenzgeschützter, die Diskriminierung ausschließender Anspruch zusteht.
Der Senat hat den Rechtsstreit auf der Grundlage dieses vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Rechtssatzes zu entscheiden. Art. 234 EG (früher: Art. 177 EG-Vertrag) spricht dem Gerichtshof im Verhältnis zu den Gerichten der Mitgliedsstaaten die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des Vertrages zu. Die nach Maßgabe des Art. 234 EG ergangenen Urteile sind für die mit dem Ausgangsverfahren befaßten Gerichte bindend (BVerfG 8. April 1987 – 2 BvR 687/85 – BVerfGE 75, 223, 234; EuGH 3. Februar 1977 – Rs 52/76 – “Benedetti” Slg. 1977, 163; BAG 8. August 1996 – 6 AZR 771/93 (A) – BAGE 84, 11, 16; ErfK/Wißmann 2. Aufl. Art. 234 Rn. 36; Krück in von der Groeben/Thiesing/Ehlermann EU-/EG-Vertrag 5. Aufl. Artikel 177 Rn. 89 mwN). Dies bedeutet auch, daß nationale Bestimmungen, die im Widerspruch zu den Regelungen des EG-Vertrages in der verbindlichen Auslegung des Gerichtshofs stehen, nicht angewendet werden dürfen (BAG 5. März 1996 – 1 AZR 590/92 (A) – BAGE 82, 211, 228). Der Einwand der Beklagten, das Urteil des Gerichtshofs vom 9. Oktober 2001 (– Rs C-379/99 – aaO) verstoße offensichtlich gegen – einfaches – nationales Recht, geht angesichts dessen von vornherein fehl.
- Der Senat hat keine Veranlassung, den Europäischen Gerichtshof erneut mit einer ergänzenden Auslegungsfrage anzurufen. Hierzu geben weder die Ausführungen im Urteil des Gerichtshofs, noch der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz 4. Februar 2002 Anlaß. Der Gerichtshof hat die vom Senat in seinem Vorabentscheidungsersuchen angesprochenen Gesichtspunkte, welche die Beklagte sich zu eigen gemacht hat, behandelt. Das von ihnen gefundene Ergebnis steht in der Tradition seiner Rechtsprechung (EuGH 28. September 1994 – Rs C-200/91 – “Coloroll” Slg. I 1994, 4389 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 57, Rn. 21 f.; 28. September 1994 – Rs C-128/93 – Slg. I 1994, 4583 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 56, Rn. 30 f.) und dient der Rechtsvereinheitlichung in Europa.
- Da die geschlechtsdiskriminierende Ausnahmeregelung in § 11 Nr. 2 Buchst. a der Satzung, was den Anspruch auf Witwerrente angeht, nach alledem wegen Verstoßes gegen das Entgeltdiskriminierungsverbot des Art. 141 EG nicht angewendet werden darf, steht dem Kläger die geltend gemachte Witwerrente aufgrund der seiner verstorbenen Ehefrau gemachten Versorgungszusage zu.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, G. Hauschild, Stemmer
Fundstellen
Haufe-Index 884269 |
BAGE 2004, 373 |
BB 2003, 370 |
DB 2003, 398 |
NWB 2003, 647 |
EBE/BAG 2003, 26 |
FamRZ 2003, 515 |
ARST 2003, 118 |
ARST 2003, 212 |
EWiR 2003, 471 |
FA 2003, 117 |
FA 2003, 122 |
FA 2003, 150 |
NZA 2003, 380 |
SAE 2003, 353 |
ZTR 2003, 23 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 6 |
EzA-SD 2003, 7 |
EzA |
MDR 2003, 460 |
AUR 2002, 464 |
RdW 2003, 473 |
GuS 2003, 64 |
SPA 2003, 8 |