Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubskassenverfahren für Arbeitgeber aus Portugal
Leitsatz (amtlich)
§ 1 AEntG in der vor dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung war insoweit unvereinbar mit dem europarechtlichen Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit, als er die urlaubs- und urlaubskassenrechtlichen Bestimmungen im BRTV und im VTV auch auf Arbeitgeber mit Sitz in Portugal erstreckte. Die Neufassung des § 1 AEntG durch das Gesetz vom 19. Dezember 1998 hat die potentielle Begünstigung inländischer Arbeitgeber aufgehoben. Seit In-Kraft-Treten der Änderung am 1. Januar 1999 ist die Erstreckungsnorm uneingeschränkt anwendbar.
Leitsatz (redaktionell)
vgl. für Zeiträume nach 1999 auch Senat 20. Juli 2004 – 9 AZR 369/03 –
Orientierungssatz
1. § 1 AEntG erstreckt die Wirkungen der urlaubs- und urlaubskassenrechtlichen Regelungen im BRTV und im VTV auch auf portugiesische Arbeitgeber. Die erstreckten Regelungen sind günstiger als die nach portugiesischem Recht geltenden.
2. Im Jahre 1999 ist diese Erstreckung mit dem EG-rechtlichen Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 und 50 EG = ex Art. 59 und 60 EG-Vertrag) vereinbar. Die Erstreckung bietet den entsandten portugiesischen Arbeitnehmern einen tatsächlichen Vorteil. Sie ermöglicht es, die gegenüber dem portugiesischen Recht deutlich günstigeren Ansprüche der erstreckten Tarifverträge tatsächlich durchzusetzen, ohne dass die Arbeitnehmer auf den Rechtsweg angewiesen sind. Die Erstreckung ist deshalb aus Gründen des Allgemeininteresses zulässig.
3. Für die Zeit vor 1999 verstieß die Erstreckung gegen den europarechtlichen Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit. Nach der bis dahin geltenden Fassung des Gesetzes konnten zwar inländische, nicht jedoch ausländische Arbeitgeber durch speziellere Tarifverträge vom Sozialkassenverfahren ausgenomen werden. Dadurch wurden Arbeitgeber aus EG-Staaten unzulässig benachteiligt. Die erstreckten Vorschriften waren daher nicht auf Arbeitgeber aus dem EG-Ausland anwendbar.
Normenkette
EG Art. 49-50, 59-60; AEntG § 1; BRTV Baugewerbe § 8
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. März 2003 – 16 Sa 874/02 – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 17. Mai 2002 – 7 Ca 2536/97 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, am Urlaubskassenverfahren des Baugewerbes nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 in den Jahren 1997 und 1998 teilzunehmen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin wird auf die Widerklage verurteilt, an den Beklagten 13.892,00 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Klägerin hat 3/20 und der Beklagte 17/20 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 1997 bis 1999 verpflichtet war, am Urlaubskassenverfahren der Bauwirtschaft teilzunehmen.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft portugiesischen Rechts mit Sitz in L, Portugal. Sie unterhält ein Bauunternehmen und hat in den Jahren 1997 bis 1999 Arbeitnehmer zur Erbringung baulicher Leistungen in die Bundesrepublik Deutschland entsandt. Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den Vorschriften des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) in Verbindung mit den Vorschriften des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich geregelten Urlaubsvergütung zu sichern.
Der BRTV in der Fassung vom 9. Juni 1997 wurde mit Wirkung vom 1. Juni/1. Juli 1997 am 14. August 1997 für allgemeinverbindlich erklärt (BAnz. Nr. 157 vom 23. August 1997 S. 10909) und galt – soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung – bis Ende 1998. Die ab 1. Januar 1999 geltende Fassung wurde am 19. März 1999 mit Bekanntmachung vom 7. April 1999 (BAnz. Nr. 64 S. 5665), für allgemeinverbindlich erklärt und galt ohne hier einschlägige Änderungen im gesamten Jahr.
Der VTV in der Fassung vom 21. Mai 1997 wurde am 14. August 1997 mit Wirkung vom 1. Juli 1997 für allgemeinverbindlich erklärt (BAnz. Nr. 157 vom 23. August 1997 S. 10909). Die Fassung wurde, soweit hier von Bedeutung, nicht verändert. Im Jahre 1999 galt der VTV in der Fassung vom 28. Januar 1999, in Kraft getreten am 1. Januar 1999, für allgemeinverbindlich erklärt am 19. März 1999 (BAnz. Nr. 64 vom 7. April 1999 S. 5665). Hier bedeutsame Änderungen hat er für dieses Kalenderjahr nicht erfahren.
Der Beklagte gibt seit In-Kraft-Treten des AEntG zur Durchführung des Sozialkassenverfahrens eine Broschüre heraus, die fortlaufend aktualisiert wird. In ihr wird den Arbeitnehmern das Sozialkassenverfahren mit einfachen Worten in ihrer Muttersprache erläutert. Den entsandten Arbeitnehmern werden auch Ansprechpartner in ihrer Muttersprache angeboten, die ihnen für Fragen zur Verfügung stehen. Im sog. Jahresendschreiben werden sie in ihrer Heimatsprache über die Grundlage ihrer Ansprüche und die konkrete Höhe des schon gewährten und des restlichen Urlaubsanspruchs informiert. Sie erhalten zudem einen Antrag auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen in ihrer Heimatsprache, der auch im Internet abrufbar ist. Anträge auf Auszahlung können auch formlos in der Muttersprache der Arbeitnehmer gestellt werden.
Behauptet ein Arbeitgeber, er habe einem Arbeitnehmer Urlaub oder Urlaubsvergütung gewährt, erstellt der Beklagte dem Arbeitnehmer eine entsprechende Abrechnung. Auftretenden Diskrepanzen geht der Beklagte nach.
Auf der Grundlage der allgemeinverbindlichen Vorschriften, des Mindestlohns in der Bauwirtschaft und der tariflichen Wochenarbeitszeit bestehen Beitragsansprüche des Beklagten in Höhe von 441.574,15 DM für das Jahr 1997, in Höhe von 244.168,10 DM für das Jahr 1998 und in Höhe von 27.170,40 DM für die Monate Januar bis Mai 1999 einschließlich.
Die Klägerin ist der Auffassung, nicht am Sozialkassenverfahren teilnehmen zu müssen. Die einschlägigen Tarifverträge seien europarechtswidrig.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, am Urlaubskassenverfahren für das Baugewerbe nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 in der jeweils gültigen Fassung oder nach § 8 BRTV in den Jahren 1997 bis 1999 teilzunehmen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat widerklagend beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, an ihn 314.245,52 Euro zu zahlen.
Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet (gleich lautend: Arbeitsgericht Wiesbaden 10. Februar 1998 – 1 Ca 1672/97 – AP AEntG § 1 Nr. 1), das mit Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2001 (verbundene Rechtssachen – C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-68/98 bis C-71/98 – Finalarte u.a. EuGHE I 2001, 7884) beantwortet wurde. Das Arbeitsgericht hat danach der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seine Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist teilweise begründet: Die Klägerin war verpflichtet, im Jahre 1999 am Sozialkassenverfahren teilzunehmen und Beiträge an den Beklagten in Höhe von 27.170,40 DM, jetzt 13.892,00 Euro, zu zahlen. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Die Klägerin war in den Jahren 1997 und 1998 nicht verpflichtet, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen.
A. Für die Klage besteht ein Feststellungsinteresse, weil die Anwendbarkeit der einschlägigen Tarifverträge zwischen den Parteien streitig ist (vgl. Senat 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – BAGE 101, 357). Dieses ist auch nicht deshalb entfallen, weil der Beklagte zwischenzeitlich Widerklage erhoben und die Zahlung von Beiträgen eingeklagt hat. Der Beklagte hat – worauf das Landesarbeitsgericht zu Recht verwiesen hat – nur einen Mindestbetrag eingeklagt, so dass noch weitere Ansprüche bestehen können.
B. Die Klage und die Widerklage sind jeweils nur zum Teil begründet.
I. Die Klägerin ist verpflichtet, im Jahre 1999 am Sozialkassenverfahren teilzunehmen und die vom Beklagten verlangten Beiträge zu zahlen.
1. Auf das Rechtsverhältnis der ausländischen Klägerin zum Beklagten ist § 1 AEntG kollisionsrechtlich anwendbar, obwohl die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer portugiesischem Recht unterliegen. Dessen Anwendung wird nicht durch die Regeln des Arbeitsförderungsrechts verdrängt (vgl. Senat 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – BAGE 101, 357 für polnische und 25. Juni 2002 – 9 AZR 439/01 – BAGE 102, 1 für slowakische sowie 25. Juni 2002 – 9 AZR 406/00 – DB 2003, 2287 für rumänische Arbeitgeber).
2. Die Voraussetzungen, die in § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 iVm. Abs. 1 AEntG für die Anwendung der den Beitragseinzug regelnden tariflichen Rechtsnormen aufgestellt sind, werden durch den BRTV und den VTV erfüllt. Das hat der Senat in mehreren Entscheidungen bereits ausführlich begründet (25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – BAGE 101, 357; 25. Juni 2002 – 9 AZR 439/01 – BAGE 102, 1; 25. Juni 2002 – 9 AZR 406/00 – DB 2003, 2287). Das Landesarbeitsgericht vertritt zu Unrecht die Auffassung, den Tarifvertragsparteien fehle es an einer Regelungsmacht auf Grund derer sie Regelungen, die allein ausländische Arbeitgeber betreffen, setzen könnten. Die Regelungsmacht ergibt sich – wie der Senat in den genannten Entscheidungen bereits erkannt hat – aus § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG.
3. Der Erstreckung der allgemeinverbindlichen Tarifverträge steht das Günstigkeitsprinzip nicht entgegen.
a) Eine Einbeziehung in das Urlaubskassenverfahren kommt dort nicht in Betracht, wo es auf Grund des gebotenen Günstigkeitsvergleichs in Bezug auf das materielle Recht gar nicht zu einer Anwendung der deutschen Urlaubsvorschriften kommt (BT-Drucks. 13/2414 S. 9). Die Bestimmungen des Gesetzes sind insoweit einschränkend auszulegen (dazu zB Kretz Arbeitnehmer-Entsendegesetz C Rn. 88). Die Erstreckung ist dann nicht anzuwenden, wenn die entsandten Arbeitnehmer nach den Regeln des Entsendelandes hinsichtlich des Urlaubs besser gestellt sind als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer nach Maßgabe der allgemeinverbindlichen Tarifverträge (Senat 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – BAGE 101, 357; 25. Juni 2002 – 9 AZR 439/01 – BAGE 102, 1; 25. Juni 2002 – 9 AZR 406/00 – DB 2003, 2287).
b) Der Vergleich zeigt hier, dass das portugiesische Recht die entsandten Arbeitnehmer nicht besser stellt. Die Parteien haben in diesem Verfahren sowie in einem anderen vor dem Senat anhängigen Verfahren zum portugiesischen Recht umfassend und weitgehend übereinstimmend vorgetragen. Die Vorinstanzen haben auch entsprechende Feststellungen getroffen. Weiterer Ermittlungen des Senats nach § 293 ZPO bedarf es danach nicht.
aa) Die Urlaubsansprüche der portugiesischen Arbeitnehmer waren in der Gesetzesverordnung Nr. 874/76 vom 28. Dezember 1976 mit späteren Änderungen geregelt (decreto-Lei de Férias, Feriados e Faltas; LFFF). Außerdem galt der Tarifvertrag für das Baugewerbe (Contrato Colectivo de Trabalho para a Indústria de Construção Civil e Obras Públicas; CCT), dessen Regelungen zumindest teilweise allgemeinverbindlich waren. Ob er auch auf Arbeitnehmer während des Entsendezeitraums anzuwenden war, ist im Einzelnen nicht geklärt.
bb) Danach galt während des Jahres 1999:
(1) Nach den portugiesischen Regelungen hatte ein Arbeitnehmer Anspruch auf 22 Arbeitstage, wohingegen ein gewerblicher Bauarbeitnehmer in Deutschland Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub hatte (§ 8 Nr. 1.1 BRTV). Nach § 8 Nr. 2.2 BRTV hatte ein Arbeitnehmer nach zwölf Beschäftigungstagen bereits einen Urlaubsanspruch. Demgegenüber sah das portugiesische Urlaubsrecht frühestens nach 60 Tagen, häufig erst nach einem halben Kalenderjahr, einen Anspruch auf Urlaub vor. Lediglich im befristeten Arbeitsverhältnis galten kürzere Wartezeiten.
(2) Das portugiesische Recht sah hinsichtlich der Urlaubsvergütung ein modifiziertes Lohnausgleichsprinzip vor. Der Arbeitnehmer erhielt während der Urlaubszeit das Doppelte des Einkommens, das er erhalten haben würde, wenn er gearbeitet hätte. Demgegenüber errechnete sich die Urlaubsvergütung nach § 8 Nr. 4.1 und 4.2 BRTV nach einem festen Prozentsatz des Bruttolohns, nämlich 14,25 %. Bruttolohn war dabei der für das laufende Kalenderjahr in die Lohnsteuerkarte einzutragende Verdienst mit Ausnahme von Einmalzahlungen und Abfindungen. Da die tarifliche Regelung nur solche Zeiten in Bezug nahm, während derer der Arbeitnehmer ihrem Regelungswerk unterfiel (§ 8 Nr. 1.4 BRTV, wonach der Urlaubsanspruch sich nach Beschäftigungstagen im Baugewerbe richtet), waren bei entsandten Arbeitnehmern nur Zeiten zugrunde zu legen, während derer für sie kraft gesetzlicher Erstreckung der BRTV galt.
Während dieses Zeitraumes wurden nach § 1 Abs. 1 AEntG auch die für Deutschland geltenden Mindestlohntarifverträge auf die Arbeitsverhältnisse der entsandten Arbeitnehmer erstreckt. Damit war sichergestellt, dass bei der Berechnung nach dem BRTV der danach zu bezahlende Mindestlohn zugrunde gelegt wurde. Gegen die Erstreckung des Mindestlohns bestehen weder europarechtliche (EuGH 23. November 1999 – Rs C-369/96 und C-376/96 Arblade u.a. EuGHE I 1999, 8498) noch verfassungsrechtliche (BVerfG – Kammer – 18. Juli 2000 – 1 BvR 948/00 – AP AEntG § 1 Nr. 4 = EzA GG Art. 9 Nr. 69) Bedenken. Nach dem portugiesischen Recht war zwar für den sehr ungewöhnlichen Fall, dass der Urlaub während der Entsendung in Deutschland gewährt worden wäre, der doppelte Mindestlohn zu zahlen. Ansonsten richtete sich aber die Forderung des Arbeitnehmers lediglich auf den doppelten in Portugal zu zahlenden Lohn. Im Jahre 2001 betrug der tarifliche Lohn eines Maurers der höchsten Qualifikationsstufe in Portugal monatlich 865,33 DM, der Bruttomonatslohn auf der Basis der tariflichen Wochenarbeitszeit in den alten Ländern und Berlin monatlich 3.289,57 DM. Dass dieses Verhältnis vorher grundlegend anders war, ist nicht ersichtlich.
(3) Nach portugiesischem Recht war nur in Ausnahmefällen eine Übertragung des Urlaubs auf das Folgejahr möglich, während § 8 Nr. 7 und 8 BRTV einen Verfall der Urlaubsansprüche erst mit Ablauf des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres und eine Entschädigung durch den Beklagten während eines weiteren Kalenderjahres vorsah.
(4) Das portugiesische Recht enthielt ins Einzelne gehende Regelungen, wann der Urlaub zu realisieren ist. Das deutsche Recht sah dagegen eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer länger als drei Monate den räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages, also Deutschland, verlassen hat (§ 8 Nr. 6.1 Buchst. f BRTV).
(5) Das portugiesische Recht sah keine Mitnahme des Urlaubsanspruchs beim Arbeitgeberwechsel vor. Dagegen bestand nach dem erstreckten Recht der Anspruch auf Urlaub und Urlaubsvergütung, solange die Tätigkeit in der Bauwirtschaft (§ 8 Nr. 2.2 und 2.3 BRTV) andauert. Der Urlaubsanspruch konnte insoweit „mitgenommen” werden. Der wirtschaftliche Ausgleich zwischen den Arbeitgebern erfolgte über den Beklagten.
cc) Ein Gesamtvergleich ergibt danach, wie auch das Landesarbeitsgericht richtig angenommen hat, dass das Urlaubsrecht in Deutschland unter Berücksichtigung der erstreckten Tarifverträge günstiger war als das portugiesische Recht. Lediglich in den äußerst ungewöhnlichen Fällen, in denen der – insgesamt allerdings kürzere – Urlaub zu Zeiten genommen wurde, während derer der Arbeitnehmer nach Deutschland entsandt war, kommt ein Vorteil nach dem portugiesischen Recht in Betracht. Diese Annahme setzt allerdings voraus, es wäre in diesem Fall von dem portugiesischen Arbeitgeber auch der Mindestlohn nach dem erstreckten Mindestlohntarifvertrag zu zahlen. Eine Urlaubsnahme während der Zeit, während der der Arbeitgeber im Ausland Aufträge durchzuführen hat, ist jedoch – wie in den Verfahren vor dem Senat übereinstimmend vorgetragen wurde – eine derartig seltene Ausnahmesituation, dass sie für den anzustellenden Günstigkeitsvergleich nicht maßgebend ist.
4. Die Erstreckung der Tarifnormen durch das AEntG geht auch nicht ins Leere. Die in Bezug genommenen Tarifnormen sind wirksam. Sie verstoßen weder gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz – auch nicht soweit für ausländische und inländische Arbeitgeber unterschiedliche Abrechnungsverfahren geschaffen wurden –, noch gegen den Unabdingbarkeitsgrundsatz in § 13 Abs. 2 BUrlG oder die Grundsätze des Datenschutzes (Senat 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – BAGE 101, 357; 25. Juni 2002 – 9 AZR 439/01 – BAGE 102, 1; 25. Juni 2002 – 9 AZR 406/00 – DB 2003, 2287).
5. Entgegen der Ansicht der Klägerin und des Landesarbeitsgerichts verstieß 1999 die Erstreckung der allgemeinverbindlichen Urlaubs- und Urlaubskassentarifverträge für das Baugewerbe nicht gegen den im EG-Vertrag (Art. 59, 60 der damaligen Fassung, jetzt Art. 49 und 50 EG) festgelegten Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs, der auch die hier einschlägigen gewerblichen Tätigkeiten erfasst.
a) Wie der EuGH in dem ua. in diesem Verfahren eingeholten Urteil vom 25. Oktober 2001 (verbundene Rechtssachen – C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-68/98 bis C-71/98 – Finalarte u.a. EuGHE I 2001, 7884) entschieden hat, verlangt dieser Grundsatz nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedsstaat ansässigen Dienstleistenden auf Grund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedsstaaten gelten – sofern sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem Mitgliedsstaat ansässig ist und der dort rechtmäßig inländische Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.
Derartige Regelungen können, sofern sie für alle im Aufnahmemitgliedsstaat tätigen Personen oder Unternehmen gelten, jedoch gerechtfertigt sein, wenn sie auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruhen, soweit dieses Interesse nicht bereits durch Vorschriften geschützt wird, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedsstaat unterliegt, in dem er ansässig ist und sofern sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, ohne über das hinauszugehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
Zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehört nach dieser Entscheidung der Schutz der Arbeitnehmer, nicht dazu gehören aber Ziele wirtschaftlicher Art, wie der Schutz der inländischen Unternehmen. Auf die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zielsetzung kommt es nicht an, vielmehr ist objektiv zu betrachten, ob die in Frage stehende Regelung den Schutz der entsandten Arbeitnehmer gewährleistet. Maßgeblich ist, ob diese Regelung den betroffenen Arbeitnehmern einen tatsächlichen Vorteil verschafft, der deutlich zu ihrem sozialen Schutz beiträgt. Die erklärte Absicht des Gesetzgebers, Ziele wirtschaftlicher Art zu verfolgen, verlangt eine eingehendere Prüfung der Vorteile, die den Arbeitnehmern durch die von ihm getroffenen Maßnahmen angeblich gewährt werden.
b) Diese „eingehendere” Prüfung führt zu folgendem Ergebnis: Weder werden Arbeitgeber aus anderen Mitgliedsstaaten unzulässig benachteiligt noch liegt ein sonstiges unzulässiges Hindernis für den Dienstleistungsverkehr vor.
aa) Eine unzulässige Ungleichbehandlung von Arbeitgebern mit Sitz in Deutschland und den anderen Mitgliedsstaaten der EG kann nach der Rechtsprechung des EuGH vorliegen, wenn sich zwar inländische, nicht jedoch ausländische Arbeitgeber den erstreckten Tarifverträgen durch speziellere tarifliche Regelungen entziehen konnten (EuGH 24. Januar 2002 – C-164/99 – Portugaia Construções EuGHE I 2002, 805). Im Jahre 1999 war es aber weder inländischen noch ausländischen Arbeitgebern möglich, die erstreckten Tarifverträge durch speziellere Regelungen zu verdrängen.
(1) Eine derartige Verdrängung war allerdings nach der Ursprungsfassung des AEntG (vom 26. Februar 1996, BGBl. I S. 227) möglich.
Abs. 1 des Gesetzes dieser Fassung bestimmte, dass sowohl die für Betriebe des Baugewerbes geltenden allgemeinverbindlichen Tarifverträge über die Dauer des Erholungsurlaubs, das Urlaubsentgelt und ein zusätzliches Urlaubsgeld auf ausländische Unternehmen, die Bauleistungen in Deutschland durchführen ließen, erstreckt wurden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1). Nach Abs. 3 wurde diese Erstreckung auch auf Tarifverträge über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, die Beiträge einzogen und Leistungen gewährten, erweitert. Gleichzeitig wurden die Arbeitgeber verpflichtet, der gemeinsamen Einrichtung die ihr zustehenden Beiträge zu leisten (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2). Die entsprechenden für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge fanden nach diesen Bestimmungen „auch auf ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinem im räumlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer zwingend Anwendung”. Dem Zweck des Gesetzes entsprechend, „zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen” festzulegen, war kein Raum für die Verdrängung der so auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland erstreckten Tarifverträge durch andere Tarifverträge.
Hinsichtlich inländischer Arbeitgeber bestimmte das Gesetz in der damaligen Fassung, dass auch diese verpflichtet waren, die entsprechenden Leistungen bei Urlaub zu erbringen und der gemeinsamen Einrichtung die ihr zustehenden Beiträge zu zahlen (§ 1 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 2 AEntG). Danach galten die entsprechenden Pflichten nämlich auch „für einen unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages … fallenden Arbeitgeber mit Sitz im Inland”. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollten diese Regelungen gegenüber den Bestimmungen des TVG aber lediglich klarstellenden Charakter haben (BT-Drucks. 13/2414 S. 9). Die Erstreckung von Tarifverträgen sollte deshalb keine weitergehenden Rechtswirkungen enthalten als die Allgemeinverbindlicherklärung nach dem TVG (vgl. Senat 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – BAGE 101, 357). Nach der Rechtsprechung gehen jedoch speziellere Tarifverträge solchen Tarifverträgen vor, die für allgemeinverbindlich erklärt worden sind und eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien betreffen. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese spezielleren Tarifverträge tarifrechtlich auch das einzelne Arbeitsverhältnis erfassen, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts reicht die Tarifbindung des Arbeitgebers aus (vgl. 26. Januar 1994 – 10 AZR 611/92 – BAGE 75, 298). Daran hat das In-Kraft-Treten des AEntG am 1. März 1996 nichts geändert (vgl. BAG 25. Juli 2001 – 10 AZR 599/00 – BAGE 98, 263).
Eine Korrektur dieses eindeutigen Willens des Gesetzgebers im Wege europarechtskonformer Auslegung kommt nicht in Betracht. Die europarechtskonforme Auslegung greift nur ein, wenn die herkömmlichen Auslegungsmethoden noch Zweifel lassen. Das Gebot der europarechtskonformen Auslegung verpflichtet den nationalen Richter nur, das nationale Gesetz „soweit wie möglich” richtlinienkonform auszulegen (EuGH 27. Juni 2000 – C-240/98 bis C-244/98 – Océnao Grupo Editorial und Salvat Editores EuGHE I 2000, 4963; BAG 18. Februar 2003 – 1 ABR 2/02 – AP BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 12 = EzA ArbZG § 7 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auf Grund der Entstehungsgeschichte des AEntG bestanden über die Auslegung der Ursprungsfassung keinerlei Zweifel.
(2) Diese Rechtslage änderte sich jedoch ab dem 1. Januar 1999. Das folgt aus der weiteren gesetzlichen Entwicklung.
Durch Gesetz vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3843, 3850 f. Art. 10 Nr. 1), das nach Art. 11 Abs. 1 am 1. Januar 1999 in Kraft trat, wurde § 1 AEntG geändert. Es wurde ua. ausdrücklich klargestellt, dass inländische Arbeitgeber an die erstreckten Tarifverträge „unabhängig davon, ob der Tarifvertrag kraft Tarifbindung nach § 3 des Tarifvertragsgesetzes oder aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung Anwendung findet” gebunden sind. Die auch inländische Arbeitgeber umfassende Bindung war somit Ziel der Gesetzgebung, um eine Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Arbeitgeber zu erreichen (BT-Drucks. 14/45 S. 25). Die gesetzlichen Änderungen wurden zudem ausdrücklich zur wirksamen Durchführung des AEntG vorgenommen (BT-Drucks. 14/45 S. 17). Mit diesen gesetzgeberischen Zielen wäre es nicht vereinbar, wenn durch speziellere, für den Arbeitnehmer ungünstigere tarifliche Regelungen im Inland oder Ausland das Urlaubskassensystem verdrängt werden könnte. Das schließt den Vorrang speziellerer Tarifverträge unabhängig davon aus, ob diese Tarifverträge darauf gerichtet sind, die Wirkungen der Erstreckung von Tarifverträgen nach dem AEntG auszuschließen. Soweit der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung (25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – BAGE 101, 357) etwas anderes angenommen hat, wird dies hiermit klargestellt.
Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts. Dieser hatte im Urteil vom 4. Dezember 2002 (– 10 AZR 113/02 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 28 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 17) die Auffassung vertreten, die erstreckten Tarifverträge würden für deutsche Arbeitgeber von einem spezielleren Tarifvertrag verdrängt, selbst wenn nur der Arbeitgeber an diesen Tarifvertrag gebunden sei. Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 9. September 2003 (– 9 AZR 478/02 –) an den Zehnten Senat die Anfrage gerichtet, ob er sich der hier vertretenen Auffassung anschließt, nach § 1 Abs. 3 AEntG werde ein inländischer Arbeitgeber, der vom betrieblichen Geltungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Urlaubskassentarifvertrages erfasst werde, gesetzlich zur Abführung der Urlaubskassenbeiträge verpflichtet und diese Bindung werde nicht durch einen für den Betrieb an sich tarifrechtlich geltenden sachnäheren Tarifvertrag verdrängt. Mit Beschluss vom 13. Mai 2004 (– 10 AS 6/04 –) hat der Zehnte Senat seine entgegenstehende Rechtsprechung aufgegeben.
bb) Der VTV sah 1999 ein eigenständiges Verfahren für außerhalb Deutschlands ansässige Arbeitgeber vor (§§ 55 ff. VTV). Darin waren besondere Meldepflichten für ausländische Arbeitgeber vorgesehen, die Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland nicht erfüllen mussten. Der EuGH hat dies in der angeführten Entscheidung dann für gerechtfertigt gehalten, wenn die abweichenden Regelungen durch objektive Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Arbeitgebern gerechtfertigt sind. Solche Unterschiede waren – wie der Senat bereits entschieden hat (25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – BAGE 101, 357; 25. Juni 2002 – 9 AZR 439/01 – BAGE 102, 1; 25. Juni 2002 – 9 AZR 406/00 – DB 2003, 2287) jedenfalls für die Übergangszeit nach dem In-Kraft-Treten des AEntG gegeben.
cc) Auch im Übrigen liegen keine unzulässigen Erschwerungen der Dienstleistungsfreiheit vor.
Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2001 (verbundene Rechtssachen – C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-68/98 bis C-71/98 – Finalarte u.a. EuGHE I 2001, 7884) die oben – B I 5 a der Gründe – widergegebenen Grundsätze zur Prüfung aufgestellt, ob eine mit der Dienstleistungsfreiheit unvereinbare Erschwerung der wirtschaftlichen Tätigkeit von Dienstleistungserbringern mit Sitz in anderen Mitgliedsstaaten der EG vorliegt. Auf den Vorlagebeschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden (wortgleich: 10. Februar 1998 – 1 Ca 1672/97 – AP AEntG § 1 Nr. 1) hat der Gerichtshof ergänzend noch weitere Kriterien genannt. Danach ist zu überprüfen, ob die Möglichkeit, den Urlaub bei einem Arbeitgeberwechsel „mitzunehmen” einen so starken Arbeitnehmerschutz darstellt, dass er im Allgemeininteresse gerechtfertigt ist. Der Gerichtshof hat die einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit rechtfertigenden Allgemeininteressen nicht allein auf diesen Gesichtspunkt der erstreckten Tarifverträge beschränkt. Vielmehr kann sich ein Allgemeininteresse auch aus anderen Gesichtspunkten ergeben. Das ist hier der Fall:
Wie bereits dargelegt (B I 3 der Gründe), sind die für den Zeitraum der Entsendung geltenden tariflichen Urlaubsregelungen für portugiesische Arbeitnehmer besser als diejenigen, die ihnen auf Grund des portugiesischen Rechts zustehen. Die Tarifvertragsparteien haben diese Ansprüche durch tarifliche Meldepflichten der Arbeitgeber gegenüber dem Beklagten (§§ 59, 60 VTV), durch die Erhebung des Sozialkassenbeitrages (§ 61 VTV), durch die Berechnung des Urlaubs und die Erteilung einer Bescheinigung an den Arbeitnehmer (§§ 64 und 68 VTV) sowie die Auszahlung der Urlaubsvergütung und der Abgeltung (§§ 65 und 66 VTV) verfahrensmäßig geregelt, um die tariflichen Urlaubsansprüche (§ 8 Nr. 15.1 BRTV) sicherzustellen. Die tariflichen Bestimmungen wurden vom Beklagten auch effektiv durch die Erstellung von Broschüren und Bescheinigungen in der Heimatsprache der entsandten Arbeitnehmer sowie durch die Beschäftigung fremdsprachlichen Personals durchgeführt.
Darin liegt ein tatsächlicher Vorteil für die entsandten Arbeitnehmer, der deutlich zu ihrem sozialen Schutz beiträgt. Geht es – wie hier – um die Erstreckung von Regeln auf ausländische Arbeitsverhältnisse, die aus der Sicht beider Vertragsparteien „nur” im Ausland gelten und die Notwendigkeit, diese im Heimatland durchzusetzen, ist eine Durchsetzungslücke während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses naheliegend. Eine Auseinandersetzung zwischen dem entsendenden Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer erübrigt sich, wenn wie hier ein Direktanspruch gegen eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien geschaffen wird.
Die Erstreckung der tariflichen Regelungen ist geeignet, dieses Ziel zu gewährleisten, ohne über das hinauszugehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Die bloße Gewährung eines materiellrechtlichen Anspruches trüge für sich genommen nichts zu seiner effektiven Sicherung bei.
Das Sicherungsziel wird auch nicht durch Vorschriften geschützt, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedsstaat unterliegt, in dem er ansässig ist – hier in Portugal. Das portugiesische Recht sieht kein vergleichbares effektives Umlageverfahren zur Sicherung von Urlaubsansprüchen, insbesondere nicht von solchen vor, die auf dem BRTV beruhen. Die bloße Möglichkeit, materiellrechtliche Ansprüche gerichtlich – sei es in Portugal oder in Deutschland – durchzusetzen, entspricht hinsichtlich ihrer einfachen, schnellen und kostenlosen Durchführbarkeit nicht dem Sozialkassenverfahren. Dieses soll gerichtliche Auseinandersetzungen unnötig machen. Dabei kann es dahinstehen, ob die portugiesischen Gerichte auf Grund des dort geltenden Arbeitskollisionsrechts überhaupt die Rechtsnormen des BRTV anwenden können. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts beinhaltet dies keine Kritik am portugiesischen Rechtswesen.
c) Es besteht kein Anlass zu einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG. Durch die angesprochenen Entscheidungen sind alle Fragen geklärt (vgl. zur Vorlagepflicht Senat 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – BAGE 101, 357). Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Fünften Senats vom 6. November 2002 (– 5 AZR 617/01 (A) – BAGE 103, 240). Er betrifft die in § 1a AEntG geregelte Bürgenhaftung. Auch der Fünfte Senat geht davon aus, dass der EuGH die mit der Zulässigkeit des Urlaubskassenverfahrens zusammenhängenden Fragen geklärt hat (dort: B VII 4 b bb der Gründe).
6. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die Erstreckung der Urlaubskassentarifverträge durch § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 AEntG nicht. Das gilt auch hinsichtlich der vom Landesarbeitsgericht problematisierten Frage, ob es verfassungsmäßig ist, dass neben der gesetzlichen Regelung keine weitere staatliche Mitwirkungshandlung für die Erstreckung vorgesehen ist (Senat 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – BAGE 101, 357; 25. Juni 2002 – 9 AZR 439/01 – BAGE 102, 1; 25. Juni 2002 – 9 AZR 406/00 – DB 2003, 2287). Die Rechtsprechung des Senats hat die Billigung des Bundesverfassungsgerichts gefunden (15. Dezember 2003 – 1 BvR 661/03 – Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde gegen ein diese Fragen ebenfalls behandelndes weiteres Urteil des Senats vom 25. Juni 2002 – 9 AZR 106/01 –).
7. Die Feststellungsklage ist daher für das Jahr 1999 unbegründet. Die Klägerin schuldet nach § 61 VTV iVm. § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG Beiträge. Der Beklagte darf diese anhand der tariflichen Normalarbeitszeit und des gesetzlichen Mindestlohns berechnen (Senat 25. Juni 2002 – 9 AZR 264/01 –). Der von der Klägerin danach geschuldete, widerklagend geltend gemachte Betrag in Höhe von 27.170,40 DM entspricht nunmehr 13.892,00 Euro.
II. Demgegenüber war die Klägerin in den Jahren 1997 und 1998 nicht verpflichtet, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen und Beiträge abzuführen. Es verstieß – wie unter B I 5 b aa (1) dargelegt – gegen den europarechtlichen Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59, 60 EG-Vertrag in der 1999 geltenden Fassung, jetzt Art. 49 und 50 EG), dass zwar Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland, nicht jedoch solche im Ausland sich durch die Anwendung speziellerer Tarifverträge dem Sozialkassenverfahren entziehen konnten. Schon die bloße Möglichkeit führt zu einer unzulässigen Beeinträchtigung. Ob ein speziellerer verdrängender Tarifvertrag tatsächlich angewendet wurde, ist unerheblich. Die unmittelbar und unbedingt geltende Dienstleistungsfreiheit (EuGH 18. Januar 1979 – 110 und 111/78 – EuGHE 1979, 35) stand der Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 AEntG danach bis Ende des Jahres 1998 entgegen. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist damit für die Jahre 1997 und 1998 begründet und die Widerklage für diesen Zeitraum unbegründet.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.
Unterschriften
Düwell, Reinecke, Zwanziger, Schodde, Gosch
Fundstellen
Haufe-Index 1259098 |
BAGE 2006, 247 |
DB 2004, 2816 |
NWB 2004, 2557 |
EBE/BAG 2004, 188 |
ARST 2004, 287 |
FA 2005, 61 |
NZA 2005, 115 |
SAE 2005, 189 |
AP, 0 |
AuA 2004, 45 |
EzA-SD 2004, 6 |
EzA |
AUR 2004, 308 |
AUR 2005, 36 |
ArbRB 2005, 45 |
BAGReport 2005, 246 |
SPA 2004, 8 |