Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Leistungsbeurteilung. Leistungszulage
Leitsatz (amtlich)
Eine tarifliche Regelung über die Zahlung einer Leistungszulage kann vorsehen, daß über die Leistungsbeurteilung eine paritätische Kommission verbindlich entscheidet.
Die Entscheidung der paritätischen Kommission kann nur auf Verfahrensfehler sowie daraufhin überprüft werden, ob sie grob unbillig ist.
Normenkette
TVG § 4 Regelungsausschuß, § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; Gehaltsrahmenabkommen vom 19. Februar 1975 für die Angestellten der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie in NRW § 5; Tarifvertrag zur Leistungsbeurteilung von Angestellten vom 19. Februar 1975 §§ 1-5; Lohnrahmenabkommen in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 26. September 1967/15. April 1970 (Stand: 19. Februar 1975) § 9; BGB §§ 317, 319; BetrVG § 76; ArbGG § 101
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer tariflichen Leistungszulage.
Der am 1. Januar 1941 geborene Kläger ist seit dem 1. April 1955 als technischer Angestellter bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Zuletzt war er in der Abteilung Arbeitsvorbereitung für ein Bruttomonatsgehalt von 6.717,00 DM tätig. Er ist Vorsitzender des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie in Nordrhein-Westfalen und somit auch der Tarifvertrag zur Leistungsbeurteilung von Angestellten vom 19. Februar 1975 (im folgenden: TV-Leistung) sowie das Gehaltsrahmenabkommen vom 19. Februar 1975 (im folgenden: GRA) Anwendung.
§ 5 GRA hat folgenden Wortlaut:
“Leistungszulage
1. Angestellte erhalten je nach Leistung eine Leistungszulage. Ihre Ermittlung richtet sich nach dem Tarifvertrag zur Leistungsbeurteilung von Angestellten.
…”
Im TV-Leistung ist folgendes geregelt:
Ҥ 1
Allgemeine Bestimmungen
- Für jeden Angestellten wird eine Beurteilungskarte angelegt, auf der das Ergebnis der Beurteilung für den Beurteilungszeitraum einzutragen ist. Die Leistungsbeurteilung erfolgt durch Beauftragte des Arbeitgebers. Die Beauftragten des Arbeitgebers haben die Karte zu unterzeichnen.
Das Beurteilungs-Ergebnis ist mit dem Angestellten zu besprechen oder ihm mitzuteilen.
Die Beurteilungskarte wird Bestandteil der Personalakte.
- Auf Verlangen ist dem Betriebsrat Auskunft, ggf. Einblick in die Beurteilungskarten zu geben; in Einzelfällen sind ihm diese Karten zur Verfügung zu stellen.
- Bei Neueinstellung, Umgruppierung sowie Versetzung hat eine Beurteilung innerhalb von sechs Monaten zu erfolgen.
Der Arbeitgeber kann die Leistung aller Angestellten einmal im Jahr beurteilen lassen, jedoch nicht vor Ablauf von 12 Monaten seit der letzten Beurteilung. Erfolgt die Neubeurteilung nicht nach Ablauf von 12 Monaten, kann der Angestellte seine Neubeurteilung beantragen.
In Fällen von Ziffer 4 kann die nächste Beurteilung im Rahmen der Beurteilung aller Angestellten nach Ziffer 5 Satz 1 erfolgen.
§ 2
Beurteilungsmerkmale
Bei Beurteilung der persönlichen Leistung ist von folgenden Beurteilungsmerkmalen auszugehen:
Anwendung der Kenntnisse
Sorgfalt, Genauigkeit, Zuverlässigkeit
Arbeitseinsatz
Intensität, Wirksamkeit, Selbständigkeit, Kostenbewußtsein
Arbeitsverhalten bei unterschiedlichen Arbeitssituationen
Überblick, Beweglichkeit, Setzen von Prioritäten
Zusammenarbeit
Informationsaustausch, Überzeugungsfähigkeit, Zusammenarbeit zur gemeinsamen Lösung von Aufgaben
§ 3
Beurteilungsverfahren
Beurteilungsmerkmale |
Beurteilungsstufen |
Punkte |
Anwendung der Kenntnisse |
a) |
Genügt den Anforderungen nicht immer |
0 |
|
b) |
Genügt den Anforderungen fast immer |
2 |
|
c) |
Genügt den Anforderungen in vollem Umfang |
4 |
|
d) |
Übertrifft die Anforderungen |
6 |
|
e) |
Übertrifft die Anforderungen in besonderem Umfang |
8 |
Arbeitseinsatz |
a) |
Genügt den Anforderunnicht immer |
0 |
|
b) |
Genügt den Anforderungen fast immer |
2 |
|
c) |
Genügt den Anforderungen in vollem Umfang |
4 |
|
d) |
Übertrifft die Anforderungen |
6 |
|
e) |
Übertrifft die Anforderungen in besonderem Umfang |
8 |
Arbeitsverhalten bei unterschiedlichen Arbeitssituationen |
a) |
Genügt den Anforderungen nicht immer |
0 |
|
b) |
Genügt den Anforderungen fast immer |
2 |
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c) |
Genügt den Anforderungen in vollem Umfang |
4 |
|
d) |
Übertrifft die Anforderungen |
6 |
|
e) |
Übertrifft die Anforderungen in besonderem Umfang |
8 |
Zusammenarbeit |
a) |
Genügt den Anforderungen nicht immer |
0 |
|
b) |
Genügt den Anforderungen fast immer |
2 |
|
c) |
Genügt den Anforderungen in vollem Umfang |
4 |
|
d) |
Übertrifft die Anforderungen |
6 |
|
e) |
Übertrifft die Anforderungen in besonderem Umfang |
8 |
§ 4
Ermittlung und Ausweisung der Leistungszulage
- Die für den Angestellten ermittelte Summe der Punkte wird mit dem Faktor 0,25 multipliziert und ergibt die Leistungszulage für den Angestellten.
- Die Leistungszulage ist in Prozenten durch eine schriftliche Mitteilung an den Angestellten auszuweisen. Dem Betriebsrat ist jeweils nach erfolgter Beurteilung eine Aufstellung über die ausgewiesenen Leistungszulagen aller Angestellten auszuhändigen.
§ 5
Beanstandungsverfahren
Beanstandungen der Leistungsbeurteilung können innerhalb von zwei Wochen durch den Angestellten und innerhalb von vier Wochen durch den Betriebsrat beim Arbeitgeber angebracht werden.
Die Frist beginnt nach Mitteilung der Leistungszulage.
Die Behandlung der Beanstandungen hat unverzüglich in der paritätischen Kommission zu erfolgen. Die paritätische Kommission besteht aus je zwei vom Betriebsrat und Arbeitgeber benannten Betriebsangehörigen.
Die Beauftragten des Arbeitgebers, die nach § 1 Ziffer 1 tätig geworden sind, können nicht Mitglieder der paritätischen Kommission werden.
Kommt die paritätische Kommission zu keiner Entscheidung, so haben sich Arbeitgeber und Betriebsrat mit der Beanstandung zu befassen.
Kommen Arbeitgeber und Betriebsrat zu keinem Ergebnis, so entscheidet die Einigungsstelle nach § 87 Absatz 2 BetrVG.
Den Beteiligten (Arbeitgeber, Betriebsrat sowie Angestellten) steht im Rahmen des § 76 Absatz 5 BetrVG bzw. § 101 Arbeitsgerichtsgesetz in jedem Fall der Rechtsweg offen.
- Der Abrechnung ist die endgültig festgesetzte Leistungszulage zugrunde zu legen.
- Die Leistung des Angestellten darf wegen Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit der Leistungsbeurteilung nicht verweigert werden.
”
Bis zum 31. Dezember 1993 hatte der Kläger eine monatliche tarifliche Leistungszulage in Höhe von 6,5 % seines Bruttomonatsgehaltes erhalten.
Am 1. Oktober 1993 erstellte der ehemalige Vorgesetzte des Klägers, G…, eine Leistungsbeurteilung, die er am 2. Dezember 1993 mit dem Kläger besprach.
Diese anhand einer Beurteilungskarte erstellte Leistungsbeurteilung kam zu dem Ergebnis, daß die Gesamtpunktzahl für den Kläger “0” betrage.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 1993 teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, daß er in seiner Sitzung vom selben Tage folgenden Beschluß gefaßt habe:
“Auf Grund der Beanstandung der von Ihnen veranlaßten Leistungsbeurteilung fordert Sie der Betriebsrat hiermit auf, gemäß § 5 des Tarifvertrages zur Leistungsbeurteilung von Angestellten, unverzüglich die Behandlung der Beanstandungen durch eine paritätisch besetzte Kommission einzuleiten.
Zur Bildung einer paritätischen Kommission werden seitens des Betriebsrates die Kollegen F… K… und P… S… benannt.”
Am 22. Dezember 1993 tagte daraufhin die paritätische Kommission zur Behandlung der Leistungsbeurteilung. Außer den beiden vom Betriebsrat benannten Mitgliedern gehörten der Kommission die von der Beklagten benannten Mitglieder Frau S… und Herr S… H…, der als Einzelprokurist tätige Sohn des Komplementärs der Beklagten, an.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 1993 teilte Herr S… H… dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden K… mit, daß die Kommission am 22. Dezember 1993 einstimmig entschieden habe, daß die Leistungsbeurteilung des Klägers “ordnungsgemäß nach den Grundsätzen des Tarifvertrages zur Leistungsbeurteilung von Angestellten durchgeführt” worden sei.
Daraufhin stellte die Beklagte ab dem 1. Januar 1994 die Zahlung einer Leistungszulage an den Kläger ein.
Der Kläger teilte der Beklagten am 1. März 1994 schriftlich mit, daß er “die Angelegenheit durch das Arbeitsgericht überprüfen lassen werde” und “auf Zahlung des vereinbarten Entgelts der Tarifgruppe T 6/4 plus 6,5 % bestehe”.
Er verlangt mit seiner Klage von der Beklagten die Weiterzahlung der bisher gewährten Leistungszulage in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 3.542,25 DM für die Zeit von Januar bis August 1994.
Er behauptet, die Beurteilungskriterien des Herrn G… seien ihm unbekannt. Dieser habe auch keine Kenntnis von seiner (des Klägers) Arbeit. Außerdem sei der Sohn des Komplementärs der Beklagten, S… H…, zu Unrecht Mitglied der paritätischen Kommission gewesen. Diese habe sich auf dessen Veranlassung nur mit dem Verfahren der Leistungsbeurteilung befaßt, nicht jedoch mit der Leistungsbeurteilung selbst.
Weiter meint der Kläger, die Leistungsbeurteilung habe nach billigem Ermessen zu erfolgen, wobei die Beklagte darlegen müsse, daß dieses eingehalten worden sei. Da die Beklagte dies nicht getan habe, sei die Leistungsbeurteilung rechtsunwirksam.
Des weiteren führe das von der Beklagten angewandte System der Leistungsbeurteilung dazu, daß ein Arbeitnehmer nur höchstens 32 Punkte und damit eine Leistungszulage von höchstens acht Prozent des Bruttomonatsgehaltes erreichen könne, während nach dem Sinn des TV-Leistung eine Höchstpunktzahl von 104 Punkten (13 Beurteilungsmerkmale mit maximal je acht Punkten) und damit eine Leistungszulage von 26 % erreicht werden könne. Die Vorgehensweise der Beklagten benachteilige den Kläger in sachlich nicht gerechtfertigter Weise gegenüber den Zeitlohnarbeitern. Im Lohnrahmenabkommen für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 26. September 1967/15. April 1970 nach dem Stand vom 19. Februar 1975 sei nämlich in § 9 festgelegt, daß die Leistungszulagen für Zeitlohnarbeiter ab dem 1. Januar 1978 mindestens 16 % der tariflichen Lohnsumme der Zeitlohnarbeiter der einzelnen Tarifgruppen (Lohngruppen 2 bis 6 und Lohngruppen 7 bis 10) betragen müsse.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.542,25 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich aus 2.232,45 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 21. Juni 1994 sowie 4 % Zinsen auf den sich aus 1.309,80 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 1. September 1994 zu zahlen.
Des weiteren hat er den Hilfsantrag gestellt,
festzustellen, daß die Leistungsbeurteilung des Klägers durch die Beklagte vom 1. Oktober 1993 und der paritätischen Kommission vom 22. Dezember 1993 rechtsunwirksam ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie trägt vor, daß sie für alle Leistungsbeurteilungen ihrer Angestellten eine von Kommentatoren zum TV-Leistung empfohlene “Punktespannungsregelung” anwende. Danach rechne sie den Durchschnittswert jeder Gruppe auf Grund der den Untergruppen insgesamt erteilten Punktezahlen aus. Deshalb habe der Kläger z. B. für das tarifliche Beurteilungsmerkmal Arbeitseinsatz mit einem Durchschnittswert von unter 2 Punkten insgesamt nur 0 Punkte erhalten; gleiches gelte für das tarifliche Beurteilungsmerkmal “Arbeitsverhalten”.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Dem Kläger steht die begehrte Leistungszulage nicht zu. Die Leistungsbeurteilung der Beklagten und der Spruch der paritätischen Kommission vom 22. Dezember 1993 sind wirksam ergangen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die Arbeitsgerichte eine Entscheidung über eine bestimmte Leistungszulage, die eine Leistungsbeurteilung nach dem TV-Leistung voraussetze, nicht treffen können. Deshalb sei die Klage auf Zahlung einer Leistungszulage für Januar bis August 1994 unbegründet. Auch der Hilfsantrag auf Feststellung, daß die von der Beklagten vorgenommene und von der paritätischen Kommission bestätigte Leistungsbeurteilung unwirksam sei, sei nicht begründet.
Die paritätische Kommission habe die Regelungsfrage entschieden, ob die durch Herrn G… vorgenommene Leistungsbeurteilung des Klägers zutreffend sei. Diese Entscheidung sei ebenso wie ein Spruch der Einigungsstelle über eine Regelungsfrage durch die Arbeitsgerichte nur darauf überprüfbar, ob die Entscheidung gegen tarifliche oder gesetzliche Normen verstoße oder ob eine unzulässige Ermessensüberschreitung vorliege. Beides sei nicht der Fall.
Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung zu folgen.
II. Das Landesarbeitsgericht irrt jedoch, wenn es meint, es könne über die mit dem Zahlungsantrag begehrte konkrete Leistungszulage nicht entscheiden, weil diese eine Beurteilung des Klägers nach dem TV-Leistung voraussetze. Die vom Kläger begehrte Leistungszulage beruht auf der letzten vor der hier streitigen Beurteilung vom Oktober 1993 erfolgten Leistungsbeurteilung durch die Beklagte. Die aufgrund einer Leistungsbeurteilung zu zahlende Leistungszulage ist dem Angestellten solange zu zahlen, bis eine erneute wirksame Beurteilung erfolgt ist, die in der Regel nach § 1 Nr. 5 TV-Leistung nach 12 Monaten erfolgen wird. Wäre der Kläger im Oktober 1993 nicht wirksam erneut beurteilt worden, stünde ihm die bisherige Leistungszulage weiterhin zu.
III. Die hier streitige Beurteilung des Klägers vom 1. Oktober 1993 ist jedoch wirksam erfolgt.
1. Der Kläger ist am 1. Oktober 1993 von seinem Vorgesetzten beurteilt worden. Diese Beurteilung wurde mit ihm am 2. Dezember 1993 besprochen. Der Kläger hat diese Beurteilung fristgemäß beanstandet und sich an den Betriebsrat gewandt. Dieser hat am 14. Dezember das Zusammentreten der paritätischen Kommission gefordert, die am 22. Dezember getagt und am 23. Dezember das Ergebnis ihrer Beratung mitgeteilt hat. Mit der Entscheidung der paritätischen Kommission vom 22. Dezember 1993 war das in § 5 TV-Leistung geregelte Beanstandungsverfahren abgeschlossen. Nur wenn die paritätische Kommission zu keiner Entscheidung kommt, haben sich Arbeitgeber und Betriebsrat und ggf. auf deren Antrag die Einigungsstelle mit der Beanstandung zu befassen. Gegen die Entscheidung der paritätischen Kommission steht – jedenfalls dem Arbeitnehmer – nach § 5 Nr. 2 Abs. 5 TV-Leistung nur der Rechtsweg offen. Diesen Rechtsweg hat der Kläger zulässigerweise beschritten.
2. Die im Beanstandungsverfahren ergangene Entscheidung der paritätischen Kommission, der Betriebspartner oder der Einigungsstelle ist im gerichtlichen Verfahren jedoch nur beschränkt überprüfbar.
a) Das ergibt sich für einen Spruch der Einigungsstelle unmittelbar aus der Verweisung in § 5 Nr. 2 Abs. 5 TV-Leistung auf § 76 Abs. 5 BetrVG. Danach kann ein Spruch der Einigungsstelle – hier die Entscheidung der Einigungsstelle über die Beanstandung der Beurteilung – von Betriebsrat und Arbeitgeber nur mit der Begründung angefochten werden, daß die Einigungsstelle die Grenzen ihres Ermessens überschritten habe. Die tarifliche Regelung bringt damit zum Ausdruck, daß die Entscheidung der Einigungsstelle im Beanstandungsverfahren die Entscheidung eines Regelungsstreites ist, nicht aber die eines Rechtsstreites.
b) Für die Entscheidung der paritätischen Kommission kann nichts anderes gelten.
Ergeht im Beanstandungsverfahren eine Entscheidung der paritätischen Kommission, so ist mit dieser Entscheidung das Beurteilungsverfahren abgeschlossen. Die Entscheidung der paritätischen Kommission soll also – von einer Überprüfung im Rechtsweg abgesehen – endgültig sein.
Eine solche Regelung ist zunächst sinnvoll.
Es liegt in der Natur der Sache, daß eine vom Vorgesetzten erfolgte Leistungsbeurteilung von dem beurteilten Angestellten nicht immer akzeptiert wird. Wenn sich in einem solchen Falle eine mit Vertretern der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers, die sämtlich dem Betrieb angehören müssen, besetzte paritätische Kommission mit der Beurteilung befaßt und zu einer Entscheidung kommt, kann in aller Regel davon ausgegangen werden, daß diese mit den betrieblichen Verhältnissen vertraute, den Arbeitnehmer und den Beurteiler kennende Kommission unter Berücksichtigung der Einwände des Angestellten und der Gründe des Beurteilers zu einer zutreffenden Beurteilung kommt. Daß andere Personen oder Stellen, zu einem besseren, d.h. zutreffenderen Ergebnis kommen können, ist nicht ersichtlich.
c) Mit der Bestimmung, daß die Entscheidung der paritätischen Kommission abschließend sein soll, haben die Tarifvertragsparteien dieser Kommission die Aufgabe eines Schiedsgutachters zugewiesen. Aufgabe eines Schiedsgutachters ist es, das Vorliegen einer tatbestandlichen Voraussetzung eines Rechts oder eines Anspruchs verbindlich festzustellen.
Tatbestandliche Voraussetzung für den Anspruch des Angestellten auf eine Leistungszulage ist eine bestimmte, in Punkten ausgewiesene Leistung des Angestellten. Indem die paritätische Kommission die Leistungsbeurteilung durch den Beurteiler bestätigt oder selbst eine andere Beurteilung vornimmt und der Leistung des Angestellten einen bestimmten Punktwert zuordnet, stellt sie die durch den Punktwert ausgedrückte Leistung des Angestellten verbindlich fest.
d) Der Wertung der paritätischen Kommission als Schiedsgutachter oder Schiedsgutachtenstelle steht nicht entgegen, daß § 5 Nr. 2 Abs. 5 TV-Leistung hinsichtlich des offenstehenden Rechtsweges auf § 101 ArbGG verweist. Diese Vorschrift regelt die Zulässigkeit von Schiedsgerichtsabreden in Arbeitssachen. Eine solche Schiedsgerichtsabrede ist nur in beschränktem Umfange zulässig. Für Rechtsstreitigkeiten über eine Leistungszulage eines Angestellten der Metallindustrie könnte die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts nicht vereinbart werden. Soweit § 5 Nr. 2 Abs. 5 TV-Leistung der paritätischen Kommission die Funktion eines Schiedsgerichts zuweisen wollte, wäre diese Bestimmung unwirksam.
Davon, daß die Tarifvertragsparteien eine unwirksame Regelung treffen wollten, kann nicht ausgegangen werden. Die – sicherlich mißverständliche und ungeschickte – Verweisung auf § 101 ArbGG macht jedoch Sinn, wenn man sie dahin versteht, daß auch die Entscheidung der paritätischen Kommission im “Rechtsweg” nur im gleichen Umfang soll überprüft werden können wie ein Schiedsurteil eines Schiedsgerichts.
Nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG kann ein Schiedsurteil bzw. Schiedsspruch u.a. nur darauf überprüft werden, ob er auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Die Feststellung des Tatbestandes selbst, der Tatsachen, die der Entscheidung zugrunde liegen, ist der Überprüfung entzogen (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 110 Rz 11).
Die Beurteilung eines Angestellten und die Bewertung seiner Leistung durch eine bestimmte Zahl von Punkten ist aber die Feststellung einer Tatsache und nicht die Entscheidung einer Rechtsfrage. Es geht nicht um die Subsumtion von bestimmten Tatsachen unter eine Rechtsnorm, sondern um die Feststellung einer Tatsache selbst aufgrund einer Beurteilung. Eine Beurteilung, wie sie vom TV-Leistung gefordert wird, ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei dem dem Beurteilenden ein Beurteilungsspielraum zusteht. Das Ergebnis der Beurteilung – eine Leistung im Wert von X-Punkten – ist eine Tatsache, deren Richtigkeit auch im Verfahren auf Aufhebung eines Schiedsspruches nicht überprüft werden kann. Der gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist nur der Beurteilungsvorgang als solcher.
Soweit der Vierte Senat in seinem Urteil vom 6. Februar 1980 (– 4 AZR 127/78 – AP Nr. 1 zu § 4 TVG Regelungsausschuß) eine durch Tarifvertrag vorgeschriebene paritätische Kommission für die Gehaltsfestsetzung nach Punktwerten den Charakter einer Schiedsgutachterstelle abgesprochen hat, beruht dies auf einer anderen Funktion der paritätischen Kommission. Diese hatte nicht die Leistung eines Angestellten, sondern die Wertigkeit eines bestimmten Arbeitsplatzes nach vorgegebenen objektiven Merkmalen zu bewerten, wobei gerade Persönlichkeitswerte oder individuelle Leistungsfaktoren des Arbeitnehmers nicht in die Bewertung einzubeziehen waren. Die Entscheidung des Vierten Senats steht daher der hier erfolgenden Wertung der paritätischen Kommission als Schiedsgutachterstelle nicht entgegen.
e) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und im Schrifttum ist anerkannt, daß in Tarifverträgen betriebliche Einrichtungen wie paritätische Kommissionen oder andere Stellen geschaffen werden können, die die Aufgabe eines Schiedsgutachters haben und daß eine solche Schiedsgutachterbestellung nicht gegen § 101 ArbGG verstößt. So hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 31. Januar 1979 (– 4 AZR 378/77 – BAGE 31, 283 = AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn) es für zulässig gehalten, daß in einem Tarifvertrag eine materiellrechtliche Regelung dahingehend getroffen wird, daß der Bahnarzt als Dritter im Sinne von § 317 BGB verbindlich die Tatsache feststellt, daß ein Arbeitnehmer dienstunfähig ist (vgl. auch Urteile vom 16. Oktober 1957 – 4 AZR 257/55 – AP Nr. 27 zu § 3 TOA und vom 28. März 1973 – 4 AZR 271/72 – AP Nr. 2 zu § 319 BGB). Auch im Schrifttum ist anerkannt, daß Tarifverträge Schiedsgutachterstellen vorsehen können, denen die Feststellung bestimmter Tatsachen als Anspruchsvoraussetzung obliegt (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 300; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 1411; Hauck, ArbGG, § 4 Rz 6; a.A.: Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 4 Rz 4 und Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 4 Rz 6).
Der Senat folgt dem jedenfalls für die Fälle, in denen der Tarifvertrag einen tarifvertraglichen Anspruch überhaupt nur für den Fall einräumt, daß die Schiedsgutachterstelle eine tatbestandliche Voraussetzung des Anspruchs bejaht.
3. Die Entscheidung der paritätischen Kommission als Schiedsgutachterstelle i.S.d. § 317 BGB ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob sie im tariflich vorgesehenen Verfahren ergangen ist und ob ihre wertende und beurteilende Entscheidung grob unbillig i.S. von § 319 BGB ist.
a) Die paritätische Kommission hat nicht gegen Vorschriften über das Beurteilungsverfahren verstoßen.
Die Kommission war zunächst vorschriftsmäßig besetzt. § 5 Nr. 2 Abs. 1 TV-Leistung bestimmt lediglich, daß es sich bei den vom Arbeitgeber benannten zwei Mitgliedern der paritätischen Kommission um Angehörige des Betriebes handelt. Der Einzelprokurist H… gehört als solcher dem Betrieb an. Daß er der Sohn des Komplementärs der Beklagten ist, steht seiner Benennung nicht entgegen. Sinn der Besetzungsvorschrift für die paritätische Kommission ist es, daß Arbeitgeber und Betriebsrat je zwei Mitglieder ihres Vertrauens in die paritätische Kommission entsenden. Dieses Vertrauen kann gerade auch ein Verwandter des Arbeitgebers genießen.
Die paritätische Kommission hat die Vorschriften über das Beurteilungsverfahren auch nicht dadurch verkannt, daß sie sich – wie der Kläger behauptet – von der Vorstellung hat leiten lassen, daß ein Angestellter im Höchstfall nur 32 Punkte erreichen kann. Gerade das ergibt sich aus § 3 TV-Leistung. Danach sind der Beurteilung die vier Beurteilungsmerkmale “Anwendung der Kenntnisse”, “Arbeitseinsatz”, “Arbeitsverhalten bei unterschiedlichen Arbeitssituationen” und “Zusammenarbeit” zugrunde zu legen. Für jedes dieser vier Beurteilungsmerkmale können im Höchstfall acht Punkte, insgesamt also 32 Punkte vergeben werden. Wenn der Beurteiler bei der Bewertung der Beurteilungsmerkmale sich jeweils von bestimmten Unterkriterien hat leiten lassen, was sinnvoll ist und die Bewertung durchschaubarer macht, kann dies nicht dazu führen, daß insgesamt eine höhere Punktzahl ergeben werden müßte.
Zu Unrecht sieht der Kläger in der Bestimmung des TV-Leistung für Angestellte, daß im Höchstfall eine Leistungszulage von 8 % des Monatsgehaltes zu zahlen ist, einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz angesichts des Umstandes, daß nach dem Tarifvertrag zur Leistungsbeurteilung der Zeitlohnarbeiter eine Leistungszulage in Höhe von “16 % der tariflichen Lohnsumme der Zeitlohnarbeiter der einzelnen Lohngruppen” betragen muß. Schon angesichts der unterschiedlichen Entgeltstrukturen bei Angestellten und Arbeitern bestehen ausreichend sachliche Gründe für eine unterschiedliche Bemessung der Leistungszulagen für Angestellte und Arbeiter. Darüber hinaus übersieht der Kläger, daß nach dem Tarifvertrag zur Leistungsbeurteilung der Zeitlohnarbeiter nicht die einzelne Leistungszulage 16 % des Tariflohns des betreffenden Arbeiters betragen kann, sondern daß lediglich die Summe aller Leistungszulagen der Arbeiter einer Lohngruppe 16 % der Lohnsumme dieser Arbeiter betragen muß. Auch der einzelne Arbeiter kann bei seiner Beurteilung höchstens 32 Punkte erlangen, was noch nichts über die tatsächliche Höhe seiner Leistungszulage aussagt.
b) Die Entscheidung der paritätischen Kommission widerspricht auch nicht billigem Ermessen oder erweist sich als grob unbillig.
Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen entnommen werden könnte, die Kommission habe sich von unsachlichen Erwägungen leiten lassen und ihre Entscheidung auf unzutreffende Tatsachen gestützt.
Auch aus dem Umstand, daß die Entscheidung der paritätischen Kommission dahin lautete, daß die Leistungsbeurteilung des Klägers “ordnungsgemäß nach den Grundsätzen des Tarifvertrages zur Leistungsbeurteilung von Angestellten durchgeführt worden” sei folgt nicht, daß die paritätische Kommission sich nicht mit der Beurteilung des Klägers selbst befaßt hat.
Der Kläger, selbst Betriebsratsvorsitzender, hat sich mit seinen Beanstandungen an den Betriebsrat gewandt. Dieser hat daraufhin das Zusammentreten der paritätischen Kommission verlangt. Schon von daher ist davon auszugehen, daß die vom Betriebsrat entsandten Mitglieder der paritätischen Kommission, – auch diese Mitglieder des Betriebsrates –, die Einwände des Klägers selbst zur Sprache gebracht haben, so daß darüber in der Kommission geredet worden ist. Wenn die Kommission dann in ihrer Entscheidung zum Ausdruck bringt, daß die Beurteilung des Klägers nach den tariflichen Vorschriften erfolgt ist, dann besagt dies gleichzeitig, daß sie auch die Beurteilung selbst durch den Vorgesetzten des Klägers als tarifgerecht und damit als “in Ordnung, zutreffend” bewertet hat.
IV. Der Kläger ist damit am 23. Oktober 1993 wirksam neu beurteilt worden. Aufgrund des Ergebnisses dieser Beurteilung steht ihm für die Zeit ab Januar 1994 eine Leistungszulage nicht zu. Sein Zahlungsantrag ist damit unbegründet.
Aus den dargelegten Erwägungen folgt auch, daß der Hilfsantrag unbegründet ist. Die Leistungsbeurteilung und die Entscheidung der paritätischen Kommission sind wirksam erfolgt.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Böck, Großmann, Peters
Richter Dr. Jobs ist durch Krankheit an der Unterschrift verhindert.
Matthes
Fundstellen
Haufe-Index 884882 |
NZA 1997, 837 |