Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung nach BeschFG im Anwendungsbereich des BAT
Leitsatz (amtlich)
Die Protokollnotizen Nr. 1 und 6 zu Nr. 1 SR 2y BAT stehen der Anwendung des § 1 BeschFG (in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996) auf nach dem 1. Oktober 1996 geschlossene Arbeitsverträge nicht entgegen. Die Protokollnotiz Nr. 6 Satz 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT enthält keine eigenständige statische Verweisung auf § 1 BeschFG in der bis zum 30. September 1996 geltenden Fassung.
Normenkette
SR 2y BAT Protokollnotiz Nr. 1, 6 S. 1 und 3 zu Nr. 1; BeschFG 1996 § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1; BeschFG 1985 § 1; KSchG § 7; TVG § 4 Abs. 1; BeschFG 1996 § 1 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 23. April 1999 – 11 Sa 1428/98 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer im Vertrag vom 2. Januar 1997 vereinbarten Befristung wirksam zum 30. April 1998 beendet wurde.
Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund von insgesamt vier befristeten Arbeitsverträgen vom 2. Januar 1991 bis 30. April 1998 mit einer viermonatigen Unterbrechung im Jahr 1996 als Sachbearbeiter im Gebietsschutz tätig. In den ersten drei Verträgen war für die Befristung jeweils ein Sachgrund genannt. Im dritten Vertrag war dies die Vertretung einer wegen Kinderbetreuung beurlaubten Mitarbeiterin. Vor Ablauf des dritten, bis zum 31. August 1996 befristeten Vertrags teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß eine unmittelbare Weiterbeschäftigung nicht in Betracht komme. Es wurde aber bereits die Möglichkeit einer Wiedereinstellung angesprochen. Am 2. Januar 1997 schlossen die Parteien mit sofortiger Wirkung einen erneuten bis zum 30. April 1998 befristeten Arbeitsvertrag nach § 1 BeschFG. Nach § 2 des Vertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT, insbesondere nach der Sonderregelung 2y. Die Protokollnotizen Nr. 1 und 6 zu Nr. 1 SR 2y BAT sahen in der ab 1. Februar 1996 geltenden Fassung ua. folgendes vor:
„1. Zeitangestellte dürfen nur eingestellt werden, wenn hierfür sachliche oder in der Person des Angestellten liegende Gründe vorliegen.
…
6. Bis zum 31. Dezember 2000 können abweichend von der Protokollnotiz Nr. 1 Arbeitsverhältnisse nach § 1 des Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (BeschFG) begründet werden. Das gilt nicht für Arbeitsverhältnisse, für die die §§ 57 a bis 57 f des Hochschulrahmengesetzes unmittelbar oder entsprechend gelten.
Für die Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse nach § 1 BeschFG gilt folgendes:
- Es ist im Arbeitsvertrag anzugeben, daß es sich um ein Arbeitsverhältnis nach dem BeschFG handelt.
- Die Dauer des Arbeitsverhältnisses soll in der Regel zwölf Monate nicht unterschreiten; sie muß mindestens sechs Monate betragen.
…”
Mit der am 19. Februar 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht. Die Befristung könne nicht auf § 1 Abs. 1 BeschFG in der seit 1. Oktober 1996 geltenden Fassung gestützt werden. Die Protokollnotiz Nr. 6 zu Nr. 1 SR 2y BAT enthalte eine eigenständige statische Verweisung auf § 1 BeschFG in der bis zum 30. September 1996 geltenden Fassung (BeschFG 1985). Mit dem Vertrag vom 2. Januar 1997 sei keine Neueinstellung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG 1985 vereinbart worden, denn der Vertrag habe in engem sachlichen Zusammenhang zu dem vorhergehenden, zum 31. August 1996 befristeten Vertrag gestanden. Im übrigen sei bereits dessen Befristung unwirksam gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. April 1998 hinaus fortbesteht,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits über den 30. April 1998 hinaus zu unveränderten Bedingungen als Sachbearbeiter im gehobenen Dienst beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Referat N I 2) weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Die Klage ist zulässig. Die gebotene Auslegung des Klageantrags ergibt, daß der Kläger die in § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG (idF des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996, BGBl. I S 1476) vorgesehene gerichtliche Feststellung erstrebt, sein Arbeitsverhältnis sei nicht aufgrund der im Vertrag vom 2. Januar 1997 vereinbarten Befristung zum 30. April 1998 beendet worden.
B. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die Befristung zum 30. April 1998 wirksam beendet. Die Befristung ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG zulässig.
I.1. Die Befristungsabrede vom 2. Januar 1997 genügt den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG. Die vereinbarte Befristung überschreitet nicht die zulässige Höchstdauer von zwei Jahren.
2. Ein Verstoß gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG liegt nicht vor. Der vorhergehende, bis zum 31. August 1996 befristete Vertrag war weder ein unbefristeter noch ein nach § 1 Abs. 1 BeschFG befristeter Vertrag.
a) Der vorhergehende Vertrag war kein unbefristeter Vertrag. Zwar ist auch ein unwirksam befristeter Vertrag ein unbefristeter Vertrag iSv. § 1 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. BeschFG (BAG 22. März 2000 – 7 AZR 581/98 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 1,zu B II 2 a aa der Gründe; BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 920/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.], zu B V 1 a der Gründe). Der vorhergehende Vertrag war aber nicht unwirksam befristet. Die in ihm vereinbarte Befristung gilt vielmehr nach § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG iVm. § 7 KSchG als wirksam, da sie vom Kläger nicht innerhalb von drei Wochen nach dem Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 BeschFG, also bis zum 21. Oktober 1996 mit einer Klage angegriffen wurde (vgl. BAG 20. Januar 1999 – 7 AZR 715/97 – BAGE 90, 348 ff. = AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 21, zu II der Gründe; BAG 22. März 2000 – 7 AZR 581/98 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 1, zu B II 2 a der Gründe; BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 920/98 – zVv., zu B V 1 b und c der Gründe).
b) Der vorhergehende Vertrag war auch kein nach dem BeschFG befristeter Vertrag. Ein Vertrag ist dann nach § 1 Abs. 1 BeschFG befristet, wenn die Parteien die Befristung hierauf stützen wollten (BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 920/98 – zVv., zu B IV 2 b der Gründe; BAG 26. Juli 2000 – 7 AZR 546/99 – zVv., zu B I 2 a der Gründe). Im Streitfall wollten die Parteien den vorhergehenden Vertrag nicht auf das BeschFG stützen. Vielmehr hatten sie in dem schriftlichen Vertrag ausdrücklich einen Sachgrund, nämlich die Vertretung einer beurlaubten Mitarbeiterin, benannt.
II. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht von der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 BeschFG in der seit 1. Oktober 1996 geltenden Fassung ausgegangen. Die Bestimmung war zur Zeit des Vertragsschlusses vom 2. Januar 1997 geltendes Recht. Ihrer Anwendung stehen die Protokollnotizen Nr. 1 und 6 zu Nr. 1 SR 2y BAT nicht entgegen.
1. § 1 Abs. 1 BeschFG ist eine einseitig zwingende gesetzliche Vorschrift. Sie schließt für den Zeitraum ihrer Geltungsdauer vom 1. Oktober 1996 bis zum 31. Dezember 2000 abweichende tarifliche Regelungen aus, die für den Arbeitnehmer ungünstiger sind. Für den Arbeitnehmer günstigere tarifliche Befristungsregelungen werden jedoch nicht berührt. Dies hat der Senat für das BeschFG 1985 mit Urteil vom 25. September 1987 (– 7 AZR 315/86 – BAGE 56, 155 ff. = AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 1) unter Würdigung von Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte des Gesetzes entschieden und später wiederholt bestätigt (vgl. BAG 24. Februar 1988 – 7 AZR 454/87 – AP BeschFG 1985 § 1 Nr.3 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 3, zu I 2 der Gründe; BAG 27. April 1988 – 7 AZR 593/87 – BAGE 58, 183 ff. = AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 4, zu I 3 der Gründe; BAG 31. August 1994 – 7 AZR 983/93 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 163 = EzA BGB § 620 Nr. 127, zu I 1 der Gründe). Hieran hat sich durch die zum 1. Oktober 1996 erfolgte Novellierung des Beschäftigungsförderungsgesetzes nichts geändert. Obwohl § 1 BeschFG noch weitergehend als § 1 BeschFG 1985 die für den Arbeitnehmer günstigeren von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Befristungsgrundsätze (vgl. grundlegend BAG 12. Oktober 1960 – GS 1/59 – BAGE 10, 65 ff. = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16) zeitweilig suspendiert, stellt die Vorschrift gemessen am Regelungsgehalt des § 620 Abs. 1 BGB ihrem Charakter nach eine Arbeitnehmerschutznorm dar. Enthält aber eine gesetzliche Vorschrift Regelungen zum Schutz des Arbeitnehmers, so handelt es sich in der Regel um einseitig zwingendes Recht, das nur Abweichungen zum Nachteil, nicht aber solche zugunsten des Arbeitnehmers verbietet (BAG 25. September 1987 – 7 AZR 315/86 – BAGE 56, 155 ff. = AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 1, zu C I 3 a bb der Gründe mwN).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT eine tarifliche Regelung, die zugunsten des Arbeitnehmers von der gesetzlichen Befristungsregelung des § 1 BeschFG 1985 abweicht (BAG 25. September 1987 – 7 AZR 315/86 – BAGE 56, 155 ff. = AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 1, zu C II der Gründe; BAG 27. April 1988 – 7 AZR 593/87 – BAGE 58, 183 ff. = AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 4, zu I 3 der Gründe; BAG 31. August 1994 – 7 AZR 983/93 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 163 = EzA BGB § 620 Nr. 127, zu I 1 der Gründe). Es handelt sich um eine echte Tarifnorm mit eigenständigem normativen Regelungsgehalt (BAG 25. September 1987 – 7 AZR 315/86 – BAGE 56, 155 ff. = AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 1, zu C II 1 der Gründe; BAG 31. August 1994 – 7 AZR 983/93 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 163, zu I 1 der Gründe), der zB insofern über die zum Zeitpunkt der Tarifverhandlungen vorliegende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinausging, als die tarifvertragliche Befristungsbeschränkung auch Fälle erfaßt, in denen wegen Nichterfüllung der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG noch kein Kündigungsschutz besteht (BAG 25. September 1987 – 7 AZR 315/86 – BAGE 56, 155 ff. = AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 1, zu C II 1 b der Gründe). Bei Anwendbarkeit der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT war daher bis zum 31. Januar 1996 eine Befristung nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1985 nicht möglich.
3. Mit Wirkung vom 1. Februar 1996 wurde durch § 1 Nr. 11 des 72. Tarifvertrags zur Änderung des BAT vom 15. Dezember 1995 den Protokollnotizen zu Nr. 1 SR 2y BAT die Protokollnotiz Nr. 6 angefügt. Durch Satz 1 dieser Protokollnotiz wurde die Sperrwirkung, welche die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT gegenüber den Befristungsmöglichkeiten nach dem BeschFG 1985 hatte, beseitigt. Allerdings enthält die Protokollnotiz Nr. 6 zu Nr. 1 SR 2y BAT in ihrem Satz 3 weiterhin eine für die Arbeitnehmer günstigere Regelung insofern, als sie für die Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse nach § 1 BeschFG Modifikationen normiert, darunter ein Zitiergebot (vgl. dazu BAG 1. Dezember 1999 – 7 AZR 449/98 – nv., zu II der Gründe) und eine Befristungsmindestdauer von sechs Monaten.
4. Durch die Novellierung des Beschäftigungsförderungsgesetzes zum 1. Oktober 1996 änderte sich die Rechtslage auch für die den SR 2y BAT unterfallenden Arbeitsverhältnisse der nach diesem Zeitpunkt eingestellten Arbeitnehmer. Diese Arbeitsverhältnisse können nun mit den sich aus der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 3 zu Nr. 1 SR 2y BAT ergebenden Maßgaben nach dem BeschFG in der seit 1. Oktober 1996 geltenden Fassung befristet werden (KR-Lipke 5. Aufl. § 1 BeschFG 1996 Rn. 84; APS/Schmidt SR 2y BAT Rn. 33; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand August 2000 Teil II Nr. 1 SR 2y BAT Rn. 9, 24; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Juli 2000 SR 2y Nr. 1 Erl. 1 c; Fieberg ZTR 1996, 343, 344 Fn.; wohl auch Hamm Der Personalrat 1997, 157 ff.; aA Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler KSchR 4. Aufl. § 1 BeschFG Rn. 49; unklar Heidelberger Kommentar zum KSchG 3. Aufl. Höland Anhang Rn. 89). Die Protokollnotiz Nr. 6 Satz 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT steht dem nicht entgegen. Sie ist keine eigenständige, das BeschFG 1985 statisch in Bezug nehmende Tarifnorm. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien mit der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT ihren eigenständigen tariflichen Normsetzungswillen für die Zeit bis zum 31. Dezember 2000 für den Anwendungsbereich des BeschFG zurückgenommen. Damit werden für diese Zeit die gesetzlichen Regelungen des BeschFG einschließlich ihrer Änderungen nicht mehr durch die günstigere Regelung der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT verdrängt.
a) Die tarifliche Verweisung oder Bezugnahme auf gesetzliche Bestimmungen kann eine eigenständige normative (konstitutive) Regelung darstellen oder lediglich ein (deklaratorischer) Hinweis auf das geltende Gesetzesrecht sein. Bei einer konstitutiven Regelung machen die Tarifvertragsparteien von ihrer Normsetzungsbefugnis Gebrauch. Sie treffen eine eigenständige, in ihrer normativen Wirkung von der außertariflichen Norm unabhängige Regelung (BAG 25. September 1987 – 7 AZR 315/86 – BAGE 56, 155 ff. = AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 1, zu C II 1 a der Gründe). Diese Regelung ist eine Tarifnorm iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG mit den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen. Bei einem lediglich deklaratorischen Hinweis fehlt es dagegen an einem eigenständigen Normsetzungswillen der Tarifvertragsparteien. Die Tarifvertragsparteien wollen in einem solchen Fall kein eigenständiges Regelungswerk schaffen, sondern nur einen Hinweis auf die ohnehin geltende Rechtslage geben (vgl. BAG 27. August 1982 – 7 AZR 190/80 – BAGE 40, 102 ff. = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 133, zu II 1 der Gründe; BAG 16. Juni 1998 – 5 AZR 67/97 – BAGE 89, 95 ff. = AP TVG § 1 Tarifverträge: Schuhindustrie Nr. 6, zu B III 5 der Gründe).
b) aa) Ob die Bezugnahme auf eine außertarifliche Norm konstitutiven oder nur deklaratorischen Charakter hat, bestimmt sich nach den Grundsätzen für die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen. Diese folgen den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist ausgehend vom Tarifwortlaut der Wille der Tarifvertragsparteien zu ermitteln, soweit er in den tariflichen Normen einen erkennbaren Ausdruck gefunden hat. Bei der Ermittlung von Sinn und Zweck der Regelung ist auch der tarifliche Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Lassen sich auf diese Weise zuverlässige Auslegungsergebnisse nicht gewinnen, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Anhaltspunkte wie Tarifgeschichte, Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, tatsächliche Tarifübung und die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse herangezogen werden (BAG 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308 ff. = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 135; BAG 16. Juni 1998 – 5 AZR67/97 – BAGE 89, 95 ff. = AP TVG § 1 Tarifverträge: Schuhindustrie Nr. 6, zu B III 1 b der Gründe mwN).
bb) Verweisungen auf ohnehin anwendbare gesetzliche Vorschriften sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Zweifel lediglich deklaratorisch. Eine konstitutive Regelung liegt nur vor, wenn der Wille zur Schaffung einer eigenständigen Norm im Tarifvertrag einen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden hat (BAG 27. August 1982 – 7 AZR 190/80 – BAGE 40, 102 ff. = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 133, zu II 2 der Gründe; BAG 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1028/94 – BAGE 81, 76 ff. = AP BGB § 622 Nr. 48, zu II 2 der Gründe; BAG 16. Juni 1998 – 5 AZR 67/97 – BAGE 89, 95 ff. = AP TVG § 1 Tarifverträge: Schuhindustrie Nr. 6, zu B III 4 der Gründe; BAG 10. Februar 1999 – 5 AZR 698/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Getränkeindustrie Nr. 1, zu III 2 der Gründe).
cc) Der konstitutive Charakter eines Teils eines einheitlichen Regelungsbereichs läßt keinen Schluß dahingehend zu, daß auch der übrige Teil konstitutiven Charakter hat. Den Tarifvertragsparteien steht es frei, von ihrer Befugnis zur eigenständigen Normsetzung nur für einen Teilbereich Gebrauch zu machen und in einem anderen Teilbereich auf die gesetzlichen Bestimmungen zu verweisen (BAG 14. Februar 1996 – 2 AZR 166/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Textilindustrie Nr. 21 = EzA BGB § 622 nF Nr. 54, zu II 4 b der Gründe; BAG 16. Juni 1998 – 5 AZR 67/97 – BAGE 89, 95 ff. = AP TVG § 1 Tarifverträge: Schuhindustrie Nr. 6, zu B III 7 der Gründe; BAG 10. Februar 1999 – 5 AZR 698/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Getränkeindustrie Nr. 1, zu II 3 b der Gründe; BAG 16. Juni 1999 – 5 AZR 435/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 9 = EzA EntgeltfortzG Tarifvertrag § 4 Nr. 36, zu II 1 b bb der Gründe).
c) Hiernach ist die Protokollnotiz Nr. 6 Satz 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT keine eigenständige, die Bestimmungen des § 1 BeschFG konstitutiv zum Inhalt des Tarifvertrags machende Regelung (so auch KR-Lipke 5. Aufl. § 1 BeschFG 1996 Rn. 84). Ein entsprechender Normsetzungswille der Tarifvertragsparteien hat im Tarifvertrag keinen hinreichenden Ausdruck gefunden. Vielmehr handelt es sich bei der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT um die zeitweilige Beschränkung des in der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT zum Ausdruck gekommenen Normsetzungswillens verbunden mit dem (deklaratorischen) Hinweis, daß nunmehr bis zum 31. Dezember 2000 Befristungen nach dem BeschFG – in der jeweiligen Fassung – mit den sich aus der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 3 zu Nr. 1 SR 2y BAT ergebenden Maßgaben möglich sind.
aa) Bereits der Wortlaut der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten die außertarifliche Norm des § 1 BeschFG zum eigenständigen Inhalt ihres Tarifvertrags machen und mit der Rechtsqualität einer Tarifnorm iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG ausstatten wollen.
bb) Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang rechtfertigt nicht den Schluß auf den konstitutiven eigenständigen Charakter der Verweisung auf § 1 BeschFG.
aaa) Die Eigenständigkeit der Verweisung in der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT läßt sich nicht mit der Erwägung begründen, ohne diese Bestimmung verbliebe es bei der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT mit der Folge, daß die gesetzlichen Bestimmungen des BeschFG nicht zur Anwendung kämen. Eine solche Betrachtung wird dem Verhältnis zwischen den Protokollnotizen Nr. 1 und 6 zu Nr. 1 SR 2y BAT nicht gerecht. Die Tarifvertragsparteien haben, indem sie in der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT für die Zeit bis zum 31. Dezember 2000 Abweichungen von der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT gestatten, ihren dort ausgeübten eigenständigen Regelungswillen zeitweilig beschränkt. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sie den Bereich, der hierdurch auch für die Tarifunterworfenen wieder einer gesetzlichen Regelung zugänglich geworden ist, sogleich durch eine eigenständige Übernahme der gesetzlichen Regelung, also durch eine dem Gesetz inhaltsgleiche Tarifnorm erneut selbst hätten ausgestalten wollen.
bbb) Der eigenständige Charakter der Verweisung in der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT folgt auch nicht aus dem Verhältnis zu den in der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 3 zu Nr. 1 SR 2y BAT enthaltenen Regelungen für die Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse nach § 1 BeschFG. Allerdings sind diese Regelungen konstitutiv. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit einen eigenständigen, von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden Regelungswillen betätigt. Dies gebietet jedoch nicht den Schluß auf den konstitutiven Charakter der gesamten Protokollnotiz Nr. 6 zu Nr. 1 SR 2y BAT (s. oben zu II 4 b cc). Vielmehr wird bei einem lediglich deklaratorischen Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen die Gefahr von Widersprüchen innerhalb des Tarifvertrags vermieden, die bei Annahme einer konstitutiv-dynamischen Bezugnahme im Falle einer Gesetzesänderung zwischen den Ausgestaltungsregelungen in der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 3 zu Nr. 1 SR 2y BAT einerseits und dem geänderten BeschFG andererseits hätten auftreten können (vgl. zur Problematik konstitutiv-dynamischer Verweisungen BAG 27. Juli 1956 – 1 AZR 430/54 – BAGE 3, 303 ff. = AP TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 3;BAG 9. Juli 1980 – 4 AZR 564/78 – BAGE 34, 42 ff. = AP TVG § 1 Form Nr. 7; BAG 7. September 1982 – 3 AZR 1252/79 – BAGE 41, 47 ff. = AP BAT § 44 Nr. 7, zu II 1 b der Gründe; BAG 10. November 1982 – 4 AZR 1203/79 – BAGE 40, 327 ff. = AP TVG § 1 Form Nr. 8; BVerfGE 47, 285 ff., zu B II der Gründe; BVerfGE 73, 261 ff., zu B III 1 b der Gründe; BVerfGE 78, 32 ff., zu B 2 der Gründe). Bei einem lediglich deklaratorischen Hinweis auf das BeschFG gehen nämlich im Falle einer aufgrund einer Änderung des BeschFG etwa eintretenden Kollision die Ausgestaltungsregelungen der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 3 zu Nr. 1 SR 2y BAT als die für den Arbeitnehmer günstigeren Bestimmungen den gesetzlichen Regelungen vor.
cc) Sinn und Zweck der Protokollnotiz Nr. 6 zu Nr. 1 SR 2y BAT sprechen ebenfalls nicht für, sondern gegen den konstitutiven Charakter der Verweisung. Die Tarifvertragsparteien wollten mit dieser Protokollnotiz auch für den Bereich des öffentlichen Dienstes zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten erschließen (so auch die anläßlich der Tarifverhandlungen am 28./29. November 1995 zur Niederschrift abgegebene Erklärung, vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand August 2000 Teil II Nr. 1 SR 2y BAT Nr. 1 Rn. 22). Hierzu sollten für einen zunächst begrenzten Zeitraum die vom Gesetzgeber vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten nicht mehr durch tarifliche Regelungen ausgeschlossen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Tarifvertragsparteien die gesetzlichen Befristungsmöglichkeiten zum eigenständigen Inhalt ihres Tarifvertrags und damit zu Tarifnormen hätten machen wollen. Gegen eine eigenständige statische Bezugnahme auf die Bestimmungen des BeschFG 1985 spricht vielmehr, daß nicht angenommen werden kann, die Tarifvertragsparteien hätten auch im Falle einer etwaigen vor dem 31. Dezember 2000 erfolgenden Streichung des BeschFG 1985 oder einer für die Arbeitnehmer günstigeren Ausgestaltung gleichwohl für den Anwendungsbereich des BAT die Befristungsmöglichkeiten nach dem BeschFG in der am 15. Dezember 1995 geltenden Fassung festschreiben wollen.
dd) Schließlich bieten auch Tarifgeschichte, Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, tatsächliche Tarifübung und Praktikabilität keine Anhaltspunkte für die Annahme, bei der Verweisung in der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT handele es sich um eine konstitutiv-statische Verweisung auf das BeschFG 1985.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Steckhan, Schmidt, Linsenmaier, Knapp, Jens Herbst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.09.2000 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 547225 |
BAGE, 377 |
BB 2000, 2101 |
BB 2001, 580 |
DB 2000, 2074 |
DB 2001, 1727 |
ARST 2001, 19 |
FA 2000, 395 |
FA 2001, 60 |
NZA 2001, 556 |
ZTR 2001, 320 |
AP, 0 |
AuA 2000, 545 |
PERSONAL 2001, 328 |
AuS 2000, 57 |