Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertragsauslegung. Zulässigkeit eines Feststellungsantrags. Privatisierung der Flugsicherung. tarifliche Ausgleichszulage für im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis übernommene Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes. Berechnungsmethode zur Bestimmung der Ausgleichszulage. Zulässigkeit der Feststellungsklage. Befriedungsfunktion. Justitiabilität der tarifichen Regelung
Leitsatz (amtlich)
Sind zwischen den Parteien hinsichtlich der Auslegung einer monatlichen tariflichen Zulagenregelung mehrere Punkte der Berechnungsmethode umstritten, ist ein auf einen bestimmten monatlichen Betrag gerichteter Feststellungsantrag unzulässig.
Orientierungssatz
1. Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn sie zur Befriedung der zwischen den Parteien bestehenden Streitfragen führt.
2. Ist zwischen den Parteien die Methode zur Berechnung einer tariflichen Zulage streitig, können die Berechnungsmethode bzw. bestimmte konkrete Einzelfragen der Berechnungsmethode zum Gegenstand der Feststellungsklage gemacht werden.
3. Es bleibt offen, ob aus der hier einschlägigen tariflichen Regelung die Berechnungsmethode durch Auslegung des Tarifvertrages ermittelt werden kann oder ob die Tarifvertragsparteien insoweit eine Konkretisierung vornehmen müssen.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; Zulagentarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 20. August 1993 § 4
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Revision des Klägers – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 2. November 2000 – 6 Sa 46/00 – aufgehoben, insoweit als es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2000 – 22 Ca 4764/99 – insoweit abgeändert, als es dem Feststellungsantrag stattgegeben hat.
3. Der Feststellungsantrag wird als unzulässig abgewiesen.
4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Ausgleichszulage für die Zeit ab dem 1. Oktober 1998.
Der am 7. Oktober 1949 geborene Kläger war bei der Bundesanstalt für Flugsicherung als Flugdatensachbearbeiter im Beamtenverhältnis beschäftigt. Er bezog Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 9 z. Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 übernahm die am 16. Oktober 1992 gegründete Beklagte die Flugsicherungsdienste in der Bundesrepublik Deutschland. Im Zuge der Privatisierung der Flugsicherung und der Überleitung der Aufgaben der Bundesanstalt für Flugsicherung auf die Beklagte wurde den Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst angeboten, privatrechtliche Arbeitsverträge mit der Beklagten abzuschließen. Seit dem 1. Oktober 1996 ist der Kläger bei der Beklagten in der Niederlassung S. angestellt. Er wurde zunächst als Betriebssachbearbeiter eingesetzt.
Im Arbeitsvertrag vom 9. April/30. August 1996 heißt es ua.:
„§ 1 Vertragsgegenstand
…
2. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 07.07.1993 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.
…
§ 3 Vergütung
1. Herr H. ist in Vergütungsgruppe 6 Stufe 3 des Eingruppierungstarifvertrages vom 20.08.1993 eingruppiert.
Die monatliche Bruttovergütung beträgt:
Grundvergütung |
5.000,00 DM |
operative Zulage |
1.797,00 DM |
Funktionszulage |
203,91 DM |
Ausgleichszulage |
1.053,90 DM |
Gesamtvergütung |
8.054,81 DM |
…
§ 5 Versorgung
Es gilt der Versorgungstarifvertrag vom 07.07.1993 in der jeweils gültigen Fassung.
…”
Die Ausgleichszulage beruht auf § 4 des Zulagentarifvertrages für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 20. August 1993 (im folgenden: ZTV).
Die Bestimmungen des ZTV lauten ua.:
„§ 4 Ausgleichszulage
(1) Übernommene Beschäftigte (§ 3 Abs. 2 MTV) haben Anspruch auf Bruttobezüge in Höhe von mindestens 105 % der vor der Übernahme im Bundesdienst zuletzt gezahlten Bruttobezüge (Angestellte, Arbeiter) bzw. der aus dem gleichen Zeitraum bezogenen fiktiven Bruttobezüge (Beamte), jeweils ohne variable Bezüge und befristete oder einmalige Zahlungen.
(2) Die fiktiven Bruttobezüge werden durch Umrechnung der Netto-Besoldung auf entsprechende Angestelltenvergütung festgestellt. Bei verheirateten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird dabei die Steuerklasse 3, bei Ledigen die Steuerklasse 1 zugrunde gelegt. Es werden nur die auf der Lohnsteuerkarte des Betreffenden eingetragenen Kinder berücksichtigt.
(3) Erreichen die DFS-Bruttobezüge nicht den um 5 % erhöhten Bruttobetrag der bisherigen Bezüge, wird der Differenzbetrag als Ausgleichszulage gezahlt.
(4) Der Differenzbetrag wird erstmalig auf Wunsch der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter errechnet. Als Basis dient die bisherige Besoldungs-/Vergütungs- bzw. Lohngruppe unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Errechnung maßgeblichen Dienstalters-, Lebensalters- bzw. Lohnstufe sowie des zu diesem Zeitpunkt zustehenden Ortszuschlages. Nach jeweils 12 Monaten wird der Differenzbetrag auf der dann maßgeblichen Basis neu ermittelt.
(5) Bei Stufensteigerungen und Höhergruppierungen in der DFS werden die Steigerungsbeträge jeweils zur Hälfte auf die Ausgleichszulagen angerechnet.
…”
Seit dem 1. Juli 1998 ist der Kläger als Sachbearbeiter Logistik tätig. In einer Zusatzvereinbarung vom 25. Juni/10. Juli 1998 ist ua. geregelt:
„§ 3 (1) Vergütung wird mit Wirkung vom 01.07.1998 wie folgt geändert: Herr H. ist in Vergütungsgruppe 5 Stufe 3 des Eingruppierungstarifvertrages vom 20.08.1993 eingruppiert:
Die monatliche Bruttovergütung beträgt:
Grundvergütung |
4.550,00 DM |
Ausgleichszulage |
1.170,78 DM |
Besitzstandszulage |
2.699,11 DM |
Gesamtvergütung |
8.419,89 DM |
…”
Die Besitzstandszulage iHv. 2.699,11 DM brutto resultiert aus dem sog. „Strukturtarifvertrag” und wird dem Kläger gezahlt, weil seine bisherige Tätigkeit weggefallen war und er nunmehr eine Tätigkeit ausübt, welche einer niedrigeren Grundvergütung entspricht.
Die Ausgleichszulage iHv. 1.170,78 DM brutto, die dem Kläger von Juli 1998 bis einschließlich September 1998 gewährt wurde, hat die Beklagte wie folgt berechnet:
Brutto-Besoldung |
5.705,34 |
DM |
abz. |
Lohnsteuer |
864,66 |
DM |
|
Solidaritätszuschlag |
52,38 |
DM |
|
Kirchensteuer |
62,38 |
DM |
Auszahlung |
|
4.725,44 |
DM |
zzgl. |
Lohnsteuer |
1.440,16 |
DM |
|
Solidaritätszuschlag |
94,68 |
DM |
|
Kirchensteuer |
113,62 |
DM |
|
Rentenversicherung |
801,48 |
DM |
|
Arbeitslosenversicherung |
256,63 |
DM |
|
Krankenversicherung |
412,05 |
DM |
|
Pflegeversicherung |
52,28 |
DM |
Bruttoarbeitslohn |
7.896,34 |
DM |
zzgl. 5 % |
|
394,82 |
DM |
|
|
8.291,16 |
DM |
abz. DFS Verg |
7.120,38 |
DM |
Ausgleichszulage |
1.170,78 |
DM |
Mit Schreiben vom 20. Oktober 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß die jährlich neu zu ermittelnde Ausgleichszulage auf Grund eines geänderten, den tariflichen Vorschriften entsprechenden Berechnungsmodus nunmehr monatlich 139,87 DM brutto betrage. Dem lag die folgende Berechnung zu Grunde:
Netto-Auszahlungsbetrag |
4.802,40 |
DM |
- Beitrag des Arbeitnehmers zu seiner privaten Krankenversicherung (Ersatz von 50 % der Krankheitskosten bei einem männlichen, 49 Jahre alten Mitglied) |
312,29 |
DM |
- Beitrag des Arbeitnehmers zu seiner privaten Pflegeversicherung |
42,12 |
DM |
Netto-Beamtenbesoldung |
4.447,99 |
DM |
+ Aufschlag 5 % |
4.670,39 netto |
DM |
+ Eigenanteil Arbeitnehmer an der privaten Krankenversicherung (Abrechnungskreis) |
218,43 |
DM |
+ steuerpflichtiger Anteil private Krankenversicherung |
58,13 |
DM |
+ Eigenanteil des Arbeitnehmers an der privaten Pflegeversicherung (Abrechnungskreis) |
47,49 |
DM |
+ steuerpflichtiger Anteil private Pflegeversicherung |
324,05 |
DM |
+ Lohnsteuer |
1.292,83 |
DM |
+ Solidaritätszuschlag |
61,42 |
DM |
+ Kirchensteuer |
100,51 |
DM |
+ Arbeitnehmeranteil Rentenversicherung |
755,88 |
DM |
+ Arbeitnehmeranteil Arbeitslosenversicherung |
242,03 |
DM |
|
7.771,16 |
DM |
- steuerpflichtiger Anteil private Krankenversicherung |
58,13 |
DM |
- steuerpflichtiger Anteil private Pflegeversicherung |
324,05 |
DM |
Brutto-Vergütung als Angestellter |
7.388,98 brutto |
DM |
tarifliche Bruttovergütung des Klägers |
7.249,11 brutto |
DM |
Ausgleichszulage |
139,87 brutto |
DM. |
Die Beklagte gewährte dem Kläger ab dem 1. Oktober 1998 die Differenz zwischen der neu berechneten und der bisher gezahlten Ausgleichszulage, dh. 1.030,91 DM brutto als frei vereinbarte Zulage mit der Möglichkeit der Anrechnung und des Widerrufs. Auf Grund der zum 1. Oktober 1999 wirksam gewordenen Tarifentgelterhöhung reduzierte die Beklagte diese Zulage auf 889,91 DM brutto/Monat.
Der Kläger begehrt für die Zeit seit dem 1. Oktober 1998 die Zahlung einer höheren Ausgleichszulage. Er hat die Auffassung vertreten, bei der Ermittlung der Netto-Besoldung für die Berechnung nach § 4 Abs. 2 ZTV seien von den fiktiven Brutto-Beamtenbezügen lediglich Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer abzuziehen. Anderweitige Aufwendungen des Beamten – insbesondere die Beiträge zur privaten Kranken- oder Pflegeversicherung – seien nicht berücksichtigungsfähig. Bei der Umrechnung der Netto-Besoldung auf die entsprechende Angestelltenvergütung seien die Sozialabgaben, insbesondere die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge wie folgt in Ansatz zu bringen:
Netto-Beamtenbesoldung (sich aus 5.783,43 DM brutto ergebend) |
4.802,40 |
DM |
+ Lohnsteuer |
1.546,66 |
DM |
+ Kirchensteuer |
122,89 |
DM |
+ Solidaritätszuschlag |
75,10 |
DM |
+ Arbeitnehmer-Anteil an den |
838,51 |
DM |
a) Rentenversicherungsbeiträgen (10,15 %) |
|
|
b) Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung (3,25 %) |
268,49 |
DM |
c) Krankenversicherungsbeiträgen (6,5 %) |
536,98 |
DM |
d) Beiträgen zur Pflegeversicherung (0,85 %) |
70,22 |
DM |
Brutto-Vergütung eines Angestellten |
8.261,25 brutto |
DM |
+ Aufschlag von 5 % |
8.674,41 brutto |
DM |
abzüglich tariflicher Bruttovergütung des Klägers |
7.249,11 brutto |
DM |
Ausgleichszulage |
1.425,30 brutto |
DM |
Deshalb stehe ihm für die Zeit seit dem 1. Oktober 1998 eine ruhegehaltfähige Ausgleichszulage in Höhe von 1.425,30 DM brutto im Monat zu. Die Differenz zur gezahlten Ausgleichszulage betrage für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 31. Mai 1999 2.741,19 DM. Er hat in der I. Instanz beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.741,19 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit 15.06.1999 zu bezahlen,
- festzustellen, daß ihm seit 1.10.1998 eine ruhegehaltfähige Ausgleichszulage in Höhe von 1.425,30 DM brutto monatlich zusteht.
Das Arbeitsgericht hat nur insoweit stattgegeben, als es festgestellt hat, daß dem Kläger ab 1. Oktober eine ruhegehaltfähige Ausgleichszulage nur in Höhe von 448,26 DM brutto zustehe. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat die Ausgleichszulage wie folgt berechnet:
Netto-Auszahlungsbetrag |
4.802,40 |
DM |
abzüglich Beitrag zur privaten Pflegeversicherung (Prämie Gruppenversicherung) |
42,12 |
DM |
Netto-Besoldung |
4.760,28 |
DM |
+ 5 % |
4.998,29 |
DM |
+ Lohnsteuer |
1.287,33 |
DM |
+ Solidaritätszuschlag |
61,12 |
DM |
+ Kirchensteuer |
88,90 |
DM |
+ Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen zur |
754,29 |
DM |
a) Rentenversicherung |
|
|
b) Arbeitslosenversicherung |
241,52 |
DM |
+ steuerpflichtiger Anteil private Krankenversicherung |
58,13 |
DM |
+ Eigenanteil des Arbeitnehmers zur privaten Krankenversicherung |
218,43 |
DM |
+ steuerpflichtiger Anteil private Pflegeversicherung |
324,05 |
DM |
+ Eigenanteil Arbeitnehmer an Beiträgen zur privaten Pflegeversicherung |
47,49 |
DM |
|
8.079,55 |
DM |
- steuerpflichtiger Anteil private Krankenversicherung |
58,13 |
DM |
- steuerpflichtiger Anteil private Pflegeversicherung |
324,05 |
DM |
Angestellten-Bruttovergütung |
7.697,37 |
DM |
abzüglich tariflicher Bruttovergütung des Klägers |
7.249,11 |
DM brutto |
Ausgleichszulage |
448,26 |
DM brutto |
Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat Anschlußberufung eingelegt.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die ab dem 1. Oktober 1998 praktizierte Berechnungsweise der Ausgleichszulage entspreche den Tarifvorgaben. Es seien von den fiktiven Bruttobezügen nicht nur die Steuern, sondern auch die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen. Zugunsten der Arbeitnehmer setze die Beklagte den vergleichsweise niedrigsten Tarif ihrer Gruppenversicherung gemäß Tarifvertrag über die Kranken- und Pflegeversicherung (KTV) an. Sie hat sinngemäß beantragt,
unter Zurückweisung der Anschlußberufung des Klägers die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger hat der Sache nach zuletzt beantragt,
unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten festzustellen, daß ihm seit dem 1. Oktober 1998 eine ruhegehaltfähige Ausgleichszulage in Höhe von 772,31 DM brutto zustehe.
Er hält den Pflegeversicherungsbeitrag für verfassungswidrig und meint, ihm stünden monatlich weitere 324,05 DM zu.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten sowie die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision weiter die volle Abweisung der Klage. Der Kläger verfolgt mit seiner selbständigen Anschlußrevision weiter den zuletzt gestellten Klageantrag. Beide Parteien beantragen, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet; die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Feststellungsantrag war als unzulässig abzuweisen. Dies haben die Vorinstanzen verkannt.
I. Der zur Entscheidung stehende Feststellungsantrag des Klägers ist unzulässig. Er ist auf die Feststellung gerichtet, daß dem Kläger seit dem 1. Oktober 1998 eine ruhegehaltfähige Ausgleichszulage iHv. 772,31 DM brutto monatlich zusteht. Für diese Feststellung ist das gem. § 256 ZPO erforderliche besondere Interesse an der alsbaldigen Feststellung nicht gegeben.
1. Das Landesarbeitsgericht hat das rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung bejaht. Auch einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen eines einheitlichen Rechtsverhältnisses könnten Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer monatlichen Ausgleichszulage in bestimmter Höhe sei als Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO anzusehen. Der Kläger sei nicht auf eine vorrangig zu erhebende Leistungsklage zu verweisen, da es sich nicht nur um die monatlich zu erbringenden Zahlungen der Beklagten bezüglich der Ausgleichszulage handele. Darüber hinaus sei, was auch im Antrag des Klägers zum Ausdruck komme, die Höhe des ruhegeldfähigen Einkommens des Klägers gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 VTV (Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiter vom 7. Juli 1993) betroffen.
2. Dies hält der Revision nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat das Feststellungsinteresse zu Unrecht als gegeben erachtet.
a) Das Feststellungsinteresse kann hier jedenfalls nicht damit begründet werden, daß die „Ruhegeldfähigkeit” der Ausgleichszulage zum Inhalt des Feststellungsantrags gemacht worden ist.
Insoweit fehlt es schon deshalb am nach § 256 Abs. 1 ZPO vorauszusetzenden rechtlichen Interesse der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses. Unter den Parteien ist nicht die Ruhegehaltfähigkeit der Ausgleichszulage streitig, sondern nur deren Berechnung. Die Ruhegehaltfähigkeit der Ausgleichszulage folgt aus § 4 Abs. 1 VTV. Eine alsbaldige Feststellung der Berechnung der Ausgleichszulage zwecks Berechnung des Ruhegehaltes ist ebenfalls nicht geboten. Denn für die Versorgungsleistungen ist die Vergütung „im letzten Beschäftigungsjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles” maßgeblich. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daß ein Feststellungsinteresse besteht, weil der Versorgungsfall für den Kläger alsbald ansteht, liegen nicht vor.
b) Das Landesarbeitsgericht hat ferner übersehen, daß das Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) nur dann gegeben ist, wenn die begehrte Feststellung den Streit der Parteien abschließend klärt. Das Feststellungsinteresse ist regelmäßig nicht gegeben, wenn nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses, abstrakte Rechtsfragen oder rechtliche Vorfragen zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen, weil dann durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden eintritt. Rechtsfrieden kann durch ein Feststellungsurteil nur geschaffen werden, wenn die Rechtskraft der Entscheidung über die zwischen den Parteien strittigen Fragen weitere gerichtliche Auseinandersetzungen um denselben Fragenkomplex ausschließt. Die hierfür gebotene materielle Rechtskraft kann ein Feststellungsurteil nur in dem Umfang schaffen, in welchem es über das strittige Rechtsverhältnis entscheidet. Dazu muß das strittige Rechtsverhältnis selbst, nicht nur dessen Ergebnis oder Folgen Gegenstand der Urteilsformel des Feststellungsurteils und (§ 308 ZPO) des Feststellungsantrags sein. Denn nur die Urteilsformel selbst erwächst bei einem Feststellungsurteil in Rechtskraft, die Urteilsgründe dagegen nicht.
Das Feststellungsinteresse ist hier nicht gegeben, weil die begehrte Feststellung, daß dem Kläger seit dem 1. Oktober 1998 eine ruhegehaltfähige Ausgleichszulage in einer bestimmten Höhe zusteht, keinen Rechtsfrieden schafft. Gemessen am Feststellungsantrag und seiner Begründung streiten die Parteien nur um Vorfragen, nämlich um die Methode der Berechnung der Ausgleichszulage. Die Klärung dieser Auseinandersetzung kann nicht mit Rechtskraft durch die beantragte Feststellung herbeigeführt werden, weil die Entscheidung über diese Vorfragen nur in den Gründen des Urteils ergehen könnte. Deshalb hätte es eines Feststellungsantrags bedurft, der die Methode zur Berechnung der Ausgleichszulage präzise beschreibt. Ein solcher Antrag ist nicht gestellt worden. Zudem ergibt sich aus dem (zuletzt) gestellten Feststellungsantrag und dessen Begründung nicht zwingend, welche Berechnungsmethoden und -größen der Kläger als zutreffend festgestellt haben will.
c) Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahingestellt bleiben, ob die tarifliche Regelung überhaupt hinreichend bestimmt ist, um justitiabel zu sein. Zwar spricht viel dafür, jedenfalls den Begriff „Netto-Besoldung” im üblichen Sinne dahingehend zu verstehen, daß von der Brutto-Besoldung nur die Lohn- und Kirchensteuer sowie der Solidaritätszuschlag in Abzug gebracht werden können. Eine Vielzahl anderer Fragen des Berechnungsmodus wirft die tarifliche Formulierung „Umrechnung der Netto-Besoldung auf entsprechende Angestelltenvergütung” auf, zB die Frage der Einbeziehung der – konkreten oder abstrakten – Kranken- und/oder Pflegeversicherungsbeiträge ggf. unter Berücksichtigung der – konkreten oder abstrakten – Aufwendungen für die den Beihilfeanspruch ergänzende Kranken- und Pflegeversicherung für Beamte. Ausdrückliche Regelungen für diese Umrechnung enthält der ZTV nicht. Es spricht angesichts der prinzipiellen Unterschiede zwischen der Beamtenbesoldung und der Vergütung für Angestellte im öffentlichen Dienst auch nichts dafür, daß sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ein bestimmter Berechnungsmodus ableiten läßt. Vielmehr sind offensichtlich verschiedene Sichtweisen vertretbar, um eine Umrechnung der Netto-Besoldung eines Beamten in die entsprechende Angestelltenvergütung vorzunehmen. Wenn sich eine Konkretisierung dieses Berechnungsmodus nicht im Wege der Tarifauslegung erreichen läßt, ist es nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, unter den verschiedenen vertretbaren Berechnungsmethoden eine bestimmte festzulegen. In diesem Fall wäre es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, ggf. rückwirkend die notwendige Bestimmtheit der Regelung herbeizuführen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Wolter, Kiefer, Görgens
Fundstellen
Haufe-Index 767773 |
BAGE, 43 |
BB 2002, 1920 |
DB 2002, 1561 |
ARST 2002, 283 |
FA 2002, 324 |
SAE 2002, 251 |
ZTR 2002, 503 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 10 |
EzA |
AUR 2002, 319 |
BAGReport 2002, 358 |