Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsatzwechseltätigkeit – Verpflegungspauschale
Orientierungssatz
1. Bei der Frage, ob Arbeitnehmer der DB Arbeit GmbH Einsatzwechseltätigkeit iS des sinngemäß anzuwendenden § 20 ZTV ausüben und deshalb Anspruch auf eine Verpflegungspauschale haben, kommt es nicht auf die vermittelte Tätigkeit beim Entleiher an, sondern auf die bei der DB Arbeit vertragsgemäß zu leistende Tätigkeit.
2. Ist dabei typischerweise damit zu rechnen, daß der Arbeitnehmer an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt wird, kommt es nicht auf die Zahl oder die jeweilige Dauer der konkreten Einsätze im Kalenderjahr an.
3. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Begriff der Einsatzwechseltätigkeit im Steuerrecht.
Normenkette
Tarifvertrag für die Arbeitnehmer der DB Arbeit GmbH vom 26. Mai 1999 (DB Arb TV) § 11; Zulagentarifvertrag für die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer der DB AG (ZTV) § 20
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 21. Juni 2001 – 7 Sa 41/01 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. November 2000 – 25 Ca 22782/00 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 382,45 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gem. § 1 DÜG ab dem 2. Juni 2000 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine tarifliche Verpflegungspauschale wegen Einsatzwechseltätigkeit in den Jahren 1999 und 2000.
Die 1947 geborene Klägerin war seit dem 13. April 1987 bei der Deutschen Bahn AG bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit dem 1. Juni 1999 bestand ihr Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Deren Geschäftszweck bestand darin, Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz bei einem Unternehmen des DB-Konzerns weggefallen war oder die auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt werden konnten, an andere Arbeitgeber – auch auf Zeit – zu vermitteln.
Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit galt der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer der DB Arbeit GmbH vom 26. Mai 1999 (im Folgenden: DB Arb TV). In § 19 (Arbeitsbedingungen) ist geregelt, daß die Arbeitnehmer ohne Übertragung einer konkreten Tätigkeit im Rahmen der beruflichen Neuorientierung mit dem Ziel der – auch vorübergehenden – Vermittlung auf einen Arbeitsplatz in einem Unternehmen innerhalb und außerhalb des DB-Konzerns als Leiharbeitnehmer eingestellt werden.
Weiter heißt es:
„(3) Der Arbeitnehmer hat bei Vorliegen betrieblicher Erfordernisse jede ihm übertragene Tätigkeit innerhalb des DB Konzerns – auch an wechselnden Arbeitsorten und in anderen Betrieben – auszuüben, die ihm nach seiner Befähigung, Ausbildung, Eignung und seinen sozialen Verhältnissen zugemutet werden kann.
(4) Im Rahmen der Bestimmungen des AÜG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, ohne Änderung des Arbeitsvertrags auch bei einem anderen Arbeitgeber außerhalb des DB Konzerns jede ihm übertragene Tätigkeit auszuüben, die ihm nach seiner Befähigung, Ausbildung, Eignung und seinen sozialen Verhältnissen zugemutet werden kann.”
§ 11 Abs. 1 DB Arb TV lautet:
„Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung von Zulagen in sinngemäßer Anwendung des „Zulagentarifvertrag für die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer der DB AG (ZTV)” in der jeweils geltenden Fassung. Abweichend von Satz 1 findet § 2 ZTV keine Anwendung.”
§ 2 ZTV regelt eine Qualifikationszulage.
In § 20 (Einsatzwechseltätigkeit) ZTV heißt es:
„(1) Der Arbeitnehmer, der an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt wird (Einsatzwechseltätigkeit, z.B. Gleisbauarbeiter, Bau-, Montagearbeiter), erhält eine Verpflegungspauschale.
(2) Für die Höhe der Verpflegungspauschale ist allein die Dauer der beruflich bedingten Abwesenheit von der Wohnung am jeweiligen Kalendertag maßgebend.
Ist der Arbeitnehmer an einem Kalendertag mehrmals eingesetzt, sind die Abwesenheitszeiten an diesem Kalendertag zusammenzurechnen.
…
(3) Die Pauschale für Verpflegungsmehraufwand beträgt für jeden Kalendertag
- bei einer Abwesenheit von weniger als 14 Stunden, aber mindestens 8 Stunden: 8,00 DM,
- bei einer Abwesenheit von weniger als 24 Stunden, aber mindestens 14 Stunden: 12,00 DM,
- bei einer Abwesenheit von 24 Stunden: 19,00 DM.”
Seit dem 1. August 2001 befindet sich die Beklagte in Liquidation. Die Klägerin ist seit diesem Zeitpunkt in einer Transfergesellschaft beschäftigt.
Die Klägerin, die ihren Wohnsitz in Aschersleben hat, verlangt für zwei Einsatzzeiträume Verpflegungspauschalen, nämlich für die Zeit vom 22. Juni 1999 bis 29. Oktober 1999 beim Dienstleistungszentrum Information und Telekommunikation in Frankfurt am Main, wo sie mit Inventurarbeiten betraut war und vom 1. März 2000 bis 31. März 2000 bei der DB Gastronomie GmbH in Karlsruhe, wo sie als Verkäuferin tätig war. Den Anspruchszeiträumen gingen jeweils dreimonatige Einsatzzeiten voraus, in denen die Klägerin Leistungen der Beklagten auf Grund doppelter Haushaltsführung bezogen hatte. Die Klägerin reiste einmal an einem Werktag und sonst regelmäßig am Sonntag von Aschersleben zum Einsatzort, arbeitete dort an den folgenden Werktagen und reiste am letzten Arbeitstag der Woche im Anschluß an die Arbeit nach Aschersleben zurück.
Die Klägerin meint, ihr stünden 8,00 DM für einen Anreise- und Arbeitstag und 90 Arbeits- und Abreisetage zu und je 12,00 DM für weitere 5 Arbeits- und Abreisetage gem. §§ 11 DB Arb TV iVm. § 20 Zulagentarifvertrag für die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer der DB AG. Sie habe als Leiharbeitnehmerin Einsatzwechseltätigkeit geleistet. Der Begriff sei im steuerrechtlichen Sinn zu verstehen. So verstehe ihn auch die Beklagte, wie sich aus dem Trainerhandbuch „Auslösungen” des DB-Konzerns, Stand 14. September 1999, ergebe. Bei den Verhandlungen zum DB Arb TV seien die Verhandlungspartner sich darüber einig gewesen, daß die Zulagen bei der DB Arbeit genauso gezahlt werden sollten, wie bei der DB AG. Dies gehe aus einem Sondierungspapier zum DB Arb TV sowie aus einem Entwurf der Arbeitgeberseite vom 19. April 1999 hervor. Zwar sei § 20 ZTV auf solche Leiharbeitnehmer nicht anwendbar, die einen festen Arbeitsplatz erhielten und vorübergehend versetzt würden. Die Klägerin habe jedoch keinen ständigen Einsatzort gehabt, von dem sie hätte versetzt werden können.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 748,00 DM brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gem. § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, es sei gleichgültig, ob der Begriff der Einsatzwechseltätigkeit im steuerrechtlichen Sinne zu verstehen sei. Die Klägerin sei nicht an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt worden, wie dies § 20 ZTV vorsehe. Die Befugnis der Beklagten, die Klägerin zu versetzen, reiche nicht aus. Daß eine reine Bezugnahme auf den steuerrechtlichen Begriff der Einsatzwechseltätigkeit von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt gewesen sei, werde daraus deutlich, daß andere Regelbeispiele genannt worden seien als in den Lohnsteuerrichtlinien zu § 9 EStG. Arbeitnehmer, die längere Zeit an anderen Orten tätig würden, könnten gegebenenfalls Ansprüche aus doppelter Haushaltsführung geltend machen, wie dies auch bei der Klägerin der Fall gewesen sei. Weiterhin sei zu berücksichtigen, daß § 11 DB Arb TV lediglich eine sinngemäße Anwendung des § 20 ZTV vorsehe. Das bedeute, daß die Voraussetzungen der Einsatzwechseltätigkeit bei jedem Einsatz gesondert zu prüfen seien. Um echte Leiharbeitnehmer im Sinne des AÜG handele es sich ohnehin nicht, solange die Arbeitnehmer innerhalb des Konzerns eingesetzt würden. Sinn der Verpflegungspauschale sei ein Ausgleich dafür, daß bei ständig wechselnden Tätigkeitsstätten die Mitarbeiter nicht in eine am Einsatzort bestehende Verpflegungsstruktur eingebunden seien und dadurch zusätzliche Kosten entstünden. Dies sei beispielsweise bei Bürokräften nicht der Fall.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung einer Verpflegungspauschale wegen Einsatzwechseltätigkeit aus § 11 Abs. 1 Satz 1 DB Arb TV iVm. § 20 ZTV.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die Klägerin bei ihren Tätigkeiten in Frankfurt und Karlsruhe keine Einsatzwechseltätigkeit ausgeübt habe. Diese Einsätze seien für sich gesehen keine ständig wechselnden Tätigkeitsstätten und würden es auch nicht dadurch, daß die Klägerin sie als Leiharbeitnehmerin verrichet habe. § 20 ZTV sei nur sinngemäß anwendbar. Ob das Trainerhandbuch der DB AG und ein Handbuch für das Lohnbüro die Auffassung vertreten, Leiharbeitnehmer übten stets Einsatzwechseltätigkeiten aus, sei unerheblich. Eine solche Auffassung entspreche nicht dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 ZTV. Dort seien Leiharbeitnehmer gerade nicht als Beispielsfall für Einsatzwechseltätigkeit genannt. Aus den Lohnsteuerrichtlinien 2001 lasse sich nicht einmal im steuerrechtlichen Sinne herleiten, daß die Tätigkeit eines Leiharbeitnehmers stets zugleich Einsatzwechseltätigkeit sei. Weder würden alle Leiharbeiternehmer typischerweise und nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt, noch sei das bei der Klägerin der Fall gewesen. Wechselseitig geäußerte Ansichten in den Verhandlungen über den DB Arb TV seien nicht zum Inhalt des Tarifvertrags geworden. Der Zweck der Verpflegungspauschale bestehe nicht darin, die Nachteile eines nicht wohnortnahen Einsatzes auszugleichen, denn längere Abwesenheit vom Wohnort sei in § 20 Abs. 1 ZTV nicht verlangt.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die geltend gemachten Zulagen gemäß § 11 Abs. 1 DB Arb TV iVm. § 20 ZTV.
1. Die Auslegung der Tarifvorschriften ergibt, daß die Klägerin im Klagezeitraum Einsatzwechseltätigkeit im tariflichen Sinne geleistet hat.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt(BAG 20. April 1994 – 10 AZR 276/93 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11 mwN).
b) Danach ergibt sich, daß bei der Frage, ob Einsatzwechseltätigkeit ausgeübt wurde, auf die bei der Beklagten vertragsgemäß zu leistende Tätigkeit abzustellen ist und nicht auf die Art der vermittelten Einsätze. Es kommt nicht darauf an, ob die Entleiher die Klägerin in Einsatzwechseltätigkeit beschäftigt haben – zB als Gleisbau- oder Montagearbeiterin –, sondern ob die bei der Beklagten geleistete Tätigkeit als die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit Einsatzwechseltätigkeit war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß in § 11 DB Arb TV geregelt ist, daß die Arbeitnehmer Anspruch auf Zulagen in „sinngemäßer” Anwendung des TV haben.
aa) „Sinngemäß” bedeutet „dem Sinn entsprechend, nicht wörtlich” (Wahrig Deutsches Wörterbuch 1997) oder – in Bezug auf die Wiedergabe einer mündlichen und schriftlichen Äußerung – „nicht dem genauen Wortlaut, jedoch dem Sinn, dem Inhalt nach” (Duden Deutsches Universalwörterbuch 4. Aufl.). In Bezug auf Rechtsvorschriften bedeutet deren sinngemäße Anwendung, daß eine Vorschrift ihren Voraussetzungen nach nicht unmittelbar auf den geregelten Fall anwendbar ist, dennoch aber dem wesentlichen Inhalt nach gelten soll, da die Interessenlage für gleich erachtet wird. Der Inhalt des ZTV wäre ohne die Regelung des § 11 DB Arb TV auf die Arbeitsverhältnisse bei der Beklagten nicht anwendbar, da der ZTV nach seinem persönlichen Geltungsbereich nur für die Arbeitnehmer der DB AG gilt (§ 1 ZTV, § 1 MTV). Die Beklagte gehört zwar zum DB Konzern, nicht aber zur DB AG. Die sinngemäße Anwendung bedeutet deshalb nur, daß die Vorschriften des ZTV auch auf die Arbeitsverhältnisse bei der Beklagten anzuwenden sind.
bb) Sie bedeutet nicht, daß es nicht auf die Tätigkeit bei der Beklagten, sondern auf die Tätigkeit in den Einsatzbetrieben ankommt, auch wenn die Arbeitnehmer der Beklagten nahezu alle Leiharbeitnehmer ohne eine regelmäßige Arbeitsstätte sind. Dies folgt auch aus der Entstehungsgeschichte der Tarifnorm. Gemäß § 7 b des Entwurfs der Arbeitgeberseite zum MTV DB Arbeit sollten Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung von Zulagen in sinngemäßer Anwendung des ZTV haben. Abweichend von Satz 1 sollten aber die §§ 2 und 20 ZTV keine Anwendung finden. § 7 bb des Entwurfs enthielt sodann eine detaillierte Regelung über „Auslösungen für Einsatzwechseltätigkeit”, wonach der Arbeitnehmer, der an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt wird „(Einsatzwechseltätigkeit; z.B. Leiharbeitnehmer)”, eine Verpflegungspauschale erhalten sollte, die ihrem wesentlichen Inhalt nach der Regelung im ZTV entsprach. Die Tarifvertragsparteien haben sich jedoch entschlossen, in § 11 DB Arb TV § 20 ZTV nicht auszuschließen, sondern lediglich § 2 (Qualifikationszulage). Der übrige ZTV, also auch § 20, soll sinngemäß Anwendung finden. Daraus kann zwar nicht geschlossen werden, daß alle Beschäftigten der Beklagten, sofern sie Leiharbeitnehmer sind, eine Verpflegungspauschale erhalten sollen, denn dies ist gerade nicht zum Inhalt des Tarifvertrags erhoben worden. Andererseits legt diese Entwicklung nahe, daß die Tarifvertragsparteien die Geltung des § 20 ZTV auf die Tätigkeit bei der Beklagten als Vertragsarbeitgeberin beziehen wollten, so wie dies auch für die übrigen anzuwendenden Vorschriften des ZTV zutrifft, und nicht auf diejenige beim Entleiher.
cc) Das Argument der Beklagten, dies könne im DB Arb TV angesichts des § 5 Abs. 2 Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der DB AG, der Holding-Gesellschaft des DB-Konzerns, nicht gemeint sein, überzeugt nicht. Diese Vorschrift sieht vor, daß Arbeitnehmer auch ohne ihre Zustimmung im Rahmen der Bestimmungen des AÜG von der DB AG ohne Änderung des Arbeitsvertrags einem anderen Arbeitgeber zur Arbeitsleistung zugewiesen werden können. Zum einen ist dadurch nicht ausgeschlossen, daß Arbeitnehmer der DB AG dann auch Einsatzwechseltätigkeit ausüben könnten, zumal § 20 ZTV nach seinem persönlichen Geltungsbereich gerade auf die dem MTV unterfallenden Arbeitnehmer anwendbar ist. Zum anderen stimmen die Vorschriften nicht völlig überein, zB hinsichtlich der Zumutbarkeitsvoraussetzungen. Auch unterscheidet sich die Ausgangslage der betroffenen Arbeitnehmer. Die § 5 Abs. 2 MTV unterfallenden Arbeitnehmer haben noch einen festen Arbeitsplatz und damit eine regelmäßige Arbeitsstätte, die sie allerdings verlieren könnten, da die Versetzung zur Beschäftigungssicherung erfolgen kann. Die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer haben ihren bisherigen Arbeitsplatz im DB-Konzern verloren und sind deshalb von der Beklagten übernommen worden. Sie haben keine regelmäßige Arbeitsstätte mehr. Dann ist nicht einsichtig, warum die Nachteile, die daraus entstehen, nicht gemäß § 20 ZTV ausgeglichen werden sollten.
c) Die Klägerin hat an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten iSd. § 20 ZTV gearbeitet.
Der Begriff der „ständig wechselnden Tätigkeitsstätten” grenzt den Arbeitsbereich eines Arbeitnehmers von dem eines Arbeitnehmers ab, der eine regelmäßige Arbeitsstätte hat und damit einen Mittelpunkt der Tätigkeit. Wird er vorübergehend woanders eingesetzt, sind ihm Aufwendungen, die er dabei hat, in gewissem Umfang zu erstatten. Fehlt eine solche regelmäßige Arbeitsstätte, unternimmt der Arbeitnehmer keine Dienst- oder Firmenreise mehr, wenn er von der Wohnung zur Einsatzstätte aufbricht. Kehrt der Arbeitnehmer immer wieder zu einer bestimmten Betriebsstätte zurück, so wird diese zu seiner regelmäßigen Arbeitsstätte. Dies war bei der Klägerin nicht der Fall.
aa) Ob ein Arbeitnehmer Einsatzwechseltätigkeit ausübt, hängt davon ab, ob die arbeitsvertragliche Tätigkeit typischerweise an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten zu erbringen ist. Ist dies der Fall, kommt es auf die Zahl oder die jeweilige Dauer der Einsätze innerhalb eines Kalenderjahres nicht an. Diese typisierende Auslegung entspricht der Definition und der Handhabung des Begriffs der Einsatzwechseltätigkeit im Lohnsteuerrecht(BFH 11. Juli 1980 – VI R 198/77 – BFHE 131, 64).
bb) Verwenden die Tarifparteien steuerrechtliche Begriffe, so ist im Zweifel davon auszugehen, daß sie diese auch im steuerrechtlichen Sinn meinen. Dann ist für die Auslegung eines Tarifbegriffs der fachspezifische Inhalt des Steuerrechts zugrunde zu legen. Der Inhalt der Begriffe ist dann nach der jeweils gültigen höchstrichterlichen Auslegung zu ermitteln (BAG 30. März 2000 – 6 AZR 636/98 – ZTR 2001, 73). Der Begriff der Einsatzwechseltätigkeit ergibt sich nicht unmittelbar aus dem EStG. Jedoch enthält § 4 Abs. 5 Ziff. 5 Satz 3 EStG, auf den § 9 Abs. 5 EStG „sinngemäß” Bezug nimmt, den Begriff der Tätigkeit „typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten”. Auch § 20 Abs. 1 ZTV erklärt allein die Dauer der beruflich bedingten Abwesenheit von der Wohnung für entscheidend und baut die Pauschale für Verpflegungsmehraufwand in derselben Staffelung wie die Steuervorschriften auf, nämlich bei Abwesenheit von 8 bis 14, 14 bis 24 Stunden und von 24 Stunden. Daß die in § 20 Abs. 3 ZTV festgesetzten Pauschalen unter den nach den Steuervorschriften steuerfrei zu leistenden Beträgen liegen, ändert an der grundsätzlichen Übereinstimmung der verwendeten Begriffe nichts.
cc) Eine höchstrichterlich feststehende Interpretation des Begriffs der Tätigkeit „an ständig wechselnden Arbeitsstätten” in der Weise, daß Leiharbeitnehmer – unabhängig von der Art ihres jeweiligen Einsatzes – in jedem Fall darunter fallen, ist allerdings nicht festzustellen. Im Gegenteil hat der Bundesfinanzhof in einem Beschluß über die Zulassung eines Rechtsmittels zur Frage, ob Fahrten von Zeitarbeitnehmern zu ihren Einsatzorten Dienstreisen oder Reisen im Rahmen von Einsatzwechseltätigkeiten sind, ausgeführt, daß dies von den Umständen des Einzelfalls abhänge. Eine allgemeine Aussage für alle Zeitarbeitnehmer sei nicht möglich(BFH 17. Dezember 1999 – V B 131/99 – BFH/NV 2000, 762). Weiterhin bestimme sich die Frage, ob eine für ständig wechselnde Einsatzstellen berufstypische Tätigkeit vorliege, nicht nach abstrakten Berufsbildern, sondern nach der mutmaßlichen Verwendung des Arbeitnehmers im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Für Arbeitnehmer mit ständig wechselnden Einsatzstellen sei kennzeichnend, daß sie einen Beruf ausübten, bei dem ein solcher ständiger Wechsel typisch sei. Es komme darauf an, ob der jeweilige Arbeitnehmer auf Grund seiner individuellen Berufssituation sich auf Fahrten zu immer neuen Arbeitsstätten einzustellen habe, die er nicht durch eine entsprechende Wohnsitznahme vermeiden könne(BFH 20. November 1987 – VI R 6/86 – BFHE 152, 232; Stache in Hurowski/Altehoefer Kommentar zum Lohnsteuerrecht Stand November 2001 § 9 EStG Rn. 622).
dd) Die von der Klägerin bei der Beklagten geleistete Tätigkeit als Leiharbeitnehmerin ist eine solche, bei der sie typischerweise an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt wird. Bei der Beklagten existieren keine Arbeitsplätze im räumlich-gegenständlichen Sinn. Die zur Beklagen gehörenden Arbeitnehmer sollten lediglich in Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern – vorwiegend im DB-Konzern – vermittelt werden(vgl. BAG 16. Mai 2001 – 10 AZR 492/00 – nv.). Sie hatten damit typischerweise keine regelmäßige Arbeitsstätte, sondern wechselten diese je nach dem Einsatz. Dies war auch bei der Klägerin so. Die Einsätze der Klägerin waren nicht von vornherein auf eine so lange Zeit angelegt, daß eine regelmäßige Arbeitsstätte entstanden wäre. Auf die Dauer der jeweiligen Einsätze kommt es deshalb nicht an.
d) Dieses Auslegungsergebnis wird durch Sinn und Zweck des § 20 ZTV gestützt. Verpflegungspauschalen haben den Sinn, die Nachteile auszugleichen, die daraus entstehen, daß ein Arbeitnehmer weder seinen Wohnort noch seine Wohnstätte darauf einrichten kann, längere Zeit an einem Ort zu bleiben. Es ist dann nicht oder schlechter möglich, Lebensmittelvorräte zu halten und sich so preiswert selbst zu verpflegen, zB regelmäßig zu kochen. Es ist bei einer typisierenden Betrachtungsweise auch nicht selbstverständlich, daß verliehene Arbeitnehmer an einer Gemeinschaftsverpflegung des Entleiherbetriebs teilnehmen können. Wird ein Arbeitnehmer hingegen an eine andere Konzerngesellschaft ausgeliehen, ohne daß seine Tätigkeitsstätte sich in dieser Zeit ändert oder ist der Einsatz von vornherein so lang, daß die Nachteile des Einsatzes durch eine entsprechende Wohnsitznahme vermieden werden können, besteht kein Bedürfnis für Verpflegungspauschalen, da dieser Arbeitnehmer nicht anders zu behandeln ist als ein Nichtleiharbeitnehmer, der für längere Zeit versetzt wird.
2. Die Höhe der geltend gemachten Verpflegungspauschalen hat die Beklagte nicht bestritten.
Die Klageforderung von 748,00 DM entspricht 382,45 Euro.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen (§ 91 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Schaeff, Großmann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 30.01.2002 durch Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 707853 |
NZA 2002, 815 |
NJOZ 2002, 1770 |