Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung nach HRG, Verlängerung wegen Gremienzugehörigkeit nach HSchulG BE
Leitsatz (redaktionell)
Die Vorschriften über die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen (§§ 57a ff HRG) sind verfassungsgemäß.
Normenkette
GG Art. 75; HRG § 57a; GG Art. 74 Nr. 12; HRG § 57c Abs. 6; HSchulG BE § 44 Abs. 5
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 24.11.1992; Aktenzeichen 3 Sa 79/92) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 11.06.1992; Aktenzeichen 22 Ca 15874/91) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit und die Dauer der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses nach dem Hochschulrahmengesetz bzw. dem Berliner Hochschulgesetz.
Die Klägerin war seit dem 1. Oktober 1986 als "wissenschaftliche Mitarbeiterin" bei der Beklagten in dem Fachbereich Biologie - Institut für angewandte Genetik - tätig. Die Parteien haben zwei befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Der erste Arbeitsvertrag über eine Teilzeitbeschäftigung mit 2/3 der regelmäßigen Arbeitszeit pro Woche war bis zum 30. September 1988 befristet. In § 1 dieses Arbeitsvertrags wurde vereinbart, daß das Arbeitsverhältnis "aus dem Grund gemäß § 57 b Abs. 2 Nr. 5 Hochschulrahmengesetz (HRG) befristet" sei. Später schlossen die Parteien einen zweiten befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 30. September 1991. Er hat, soweit hier von Bedeutung, folgenden Inhalt:
§ 1
(1) Frau B wird vom 01.10.1988 an für
eine Beschäftigung als nicht vollbeschäf-
tigte wissenschaftliche Mitarbeiterin bei
der Freien Universität Berlin mit 2/3 der
gemäß § 15 BAT vereinbarten regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit eingestellt.
Das Arbeitsverhältnis ist aus dem Grund
gemäß § 57 b Abs. 2 Nr. 1 Hochschulrahmen-
gesetz (HRG) befristet. Auf die höchstzu-
lässige Beschäftigungsdauer wird das Ar-
beitsverhältnis gemäß § 57 b Abs. 2 Nr. 5
HRG vom 01.10.1986 bis 30.09.1988 gemäß
Arbeitsvertrag vom 15.10.1986 angerechnet.
Das Arbeitsverhältnis endet daher am
30.09.1991, ohne daß es einer Kündigung be-
darf.
...
§ 2
(1) Für das Arbeitsverhältnis gelten die Rechte
und Pflichten, die sich für wissenschaftli-
che Mitarbeiter aus dem Gesetz über die
Hochschulen im Land Berlin (Berliner Hoch-
schulgesetz - BerlHG), der Verordnung über
wissenschaftliche und künstlerische Mitar-
beiter (WissMAVO) sowie aus dem weiteren
zur Durchführung des Berliner Hochschulge-
setzes erlassenen Bestimmungen ergeben.
(2) Für das Arbeitsverhältnis sind ferner maß-
gebend:
1. der Bundes-Angestelltentarifvertrag
(Bund, Länder, Gemeinden) (BAT) unter
Berücksichtigung der jeweils in Frage
kommenden Sonderregelungen mit Ausnahme
des Abschnitts VI (Vorschriften über die
Eingruppierung) und der Anlage 1 a zum
BAT,
...
§ 3
(1) Der wissenschaftlichen Mitarbeiterin oblie-
gen insbesondere folgende Aufgaben:
Beteiligung am genetischen Grundunterricht
und den Lehrveranstaltungen des Instituts
für Angewandte Genetik
Forschung auf angewandt genetischem/-
pflanzenzüchterischem Gebiet
(2) Die Beschäftigung dient auch der Weiterbil-
dung des wissenschaftlichen Nachwuchses
durch Vorbereitung einer Promotion auf dem
Gebiet der angewandten Genetik und Pflan-
zenzüchtung mit dem Thema "Veränderung des
Glucosinulatgehaltes und -musters im Ver-
lauf der Ontogenese des Rapses" unter der
wissenschaftlichen Betreuung von Herrn
Universitätsprofessor Dr. O (FB
Biologie, WE 6).
(3) ...
Die Klägerin wurde am 24. Januar 1991 für die Gruppe der Akademischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Fachbereichsrat des Fachbereichs Biologie der beklagten Universität gewählt. Die gesetzlich vorgesehene Amtsperiode beträgt nach den Vorschriften des Berliner Hochschulgesetzes zwei Jahre. Der Fachbereichsrat konstituierte sich am 17. April 1991.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Auf die §§ 57 a ff. HRG lasse sich die Befristung nicht stützen. Diese Vorschriften seien als hochschulrechtliche Regelungen mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet des Hochschulrechts und wegen Verstoßes gegen die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verfassungswidrig. Zumindest habe das Arbeitsverhältnis der Klägerin wegen ihrer Mitgliedschaft im Fachbereichsrat über den 30. September 1991 hinaus bis 30. September 1992 fortbestanden. Dies folge aus § 44 Abs. 5 des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG). Hiernach erhielten u.a. die "Mitglieder ... der Fachbereichs- und Institutsräte ..., die in einem zeitlich befristeten Dienstverhältnis mit der Hochschule stehen, auf Antrag die Zeiten, die sie dem Gremium angehören, ... mit dem Faktor 1/2 nicht auf ihre Dienstzeit angerechnet". Die von der Klägerin vergeblich beantragte hälftige Nichtanrechnung der Zeit ihrer Fachbereichszugehörigkeit habe zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 1992 geführt.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien unbefristet über den 30. September
1991 hinaus fortbesteht,
hilfsweise
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien über den 30. September 1991 bis zum
30. September 1992 fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe mit dem 30. September 1991 geendet. Die Vorschriften über die Befristung von Arbeitsverhältnissen im Hochschulbereich seien verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Bund sei nach Art. 74 Nr. 12 GG zur Gesetzgebung in diesem Bereich befugt. Die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie sei nicht verletzt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei auch nicht durch § 44 Abs. 5 BerlHG verlängert worden. Ein Antrag der Klägerin habe nicht positiv beschieden werden können, da diese Vorschrift verfassungswidrig sei. § 57 c Abs. 6 HRG regele abschließend die Verlängerungstatbestände, so daß der Landesgesetzgeber gehindert sei, davon abweichende und ergänzende Verlängerungstatbestände zu schaffen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage sowohl im Hauptantrag wie im Hilfsantrag zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat vielmehr infolge wirksamer Befristung nach den §§ 57 a ff. HRG mit dem 30. September 1991 sein Ende gefunden.
I. Zutreffend haben die Vorinstanzen nur den letzten zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag der gerichtlichen Befristungskontrolle unterworfen. Ob die vorangegangenen Arbeitsverträge wirksam befristet waren, ist - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich unerheblich (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler: BAGE 49, 73, 79 f. = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, unter II der Gründe; BAG Urteil vom 19. August 1992 - 7 AZR 560/91 - AP Nr. 2 zu § 57 b HRG, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
II. Ebenso zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß die Befristung des letzten Arbeitsvertrages nach den §§ 57 a ff. HRG wirksam ist.
1. Nach § 57 a Abs. 1 HRG gelten für den Abschluß befristeter Arbeitsverträge mit wissenschaftlichen Mitarbeitern im Sinne des § 53 HRG die §§ 57 b bis 57 f HRG. Die Klägerin war zuletzt wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sinne des § 53 HRG an der beklagten Universität.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß der sachliche Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages mit der Klägerin aus § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG folgt. Hiernach liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter auch dann vor, wenn die Beschäftigung auch seiner Weiterbildung als wissenschaftlicher oder künstlerischer Nachwuchs oder seiner beruflichen Aus-, Fort- oder Weiterbildung dient. Diese Voraussetzungen liegen hier ebenfalls unstreitig vor.
3. Den Formerfordernissen des § 57 c Abs. 1 in Verbindung mit § 57 b Abs. 5 HRG genügt der vorliegende letzte Arbeitsvertrag der Parteien ebenfalls. Die Dauer der Befristung ist genau bezeichnet, ebenso ist der Sachgrund für die Befristung im Arbeitsvertrag selbst ausdrücklich angegeben worden.
III. Der Auffassung der Klägerin, die durch Art. 1 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vom 14. Juni 1985 (BGBl. I S. 1065) in das Hochschulrahmengesetz eingefügten Regelungen der §§ 57 a ff. (in der hier maßgeblichen Fassung vom 14. Juni 1985) seien verfassungswidrig, ist nicht zu folgen.
Der Senat ist wiederholt ohne ausdrückliche Begründung von der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der §§ 57 a ff. HRG ausgegangen (Senatsurteil vom 31. Januar 1990, BAGE 65, 16 = AP Nr. 1 zu § 57 b HRG; Senatsurteil vom 31. Januar 1990 - 7 AZR 98/89 -, n. v.; Senatsurteil vom 19. August 1992 - 7 AZR 560/91 - AP Nr. 2 zu § 57 b HRG, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Hieran ist auch im Hinblick auf die Ausführungen der Klägerin festzuhalten.
1. Zu Unrecht meint die Klägerin, die bundesgesetzlichen Regelungen der §§ 57 a ff. HRG wären deshalb verfassungswidrig, weil dem Bundesgesetzgeber keine Gesetzgebungskompetenz für den Erlaß von Vorschriften über die Befristung von Arbeitsverhältnissen im Hochschulbereich zustehe. Dem Bundesgesetzgeber sei nach Art. 75 Nr. 1 a GG im Hochschulrecht lediglich eine Rahmengesetzgebungsbefugnis eingeräumt, die sich auf allgemeine Grundsätze des Hochschulrechts beschränke. Der Bundesgesetzgeber habe durch den Erlaß der §§ 57 a ff. HRG den Bereich der ihm zugebilligten Rahmengesetzgebung verlassen und verfassungswidrig in die vorrangig den Ländern zustehende Gesetzgebungskompetenz (Art. 70 Abs. 1 GG) eingegriffen.
Dem ist nicht zu folgen. Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes zum Erlaß der Vorschriften der §§ 57 a ff. HRG folgt aus Art. 74 Nr. 12 GG. Danach erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes (Art. 72 Abs. 1 GG) auf das Gebiet des Arbeitsrechts. Die Regelungen der §§ 57 a ff. HRG gehören diesem Gebiet an. Für die Abgrenzung der Gesetzgebungsbefugnis ist es unerheblich, daß die Regelungen des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen in das Hochschulrahmengesetz aufgenommen worden sind und der Gesetzgeber damit an die Rahmengesetzgebung des Bundes im Bereich des Hochschulrechts angeknüpft hat. Zur Abgrenzung der Gesetzgebungsbefugnis kommt es auf den Gegenstand der Norm und nicht auf deren Anknüpfungspunkt an (BVerfGE 68, 319, 327 f.; BVerfGE 77, 308, 329).
Die Regelungen der §§ 57 a ff. HRG betreffen die inhaltliche Gestaltung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Hochschulbereich. Dies sind Regelungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Daran ändert auch nichts, daß mit diesen Regelungen zugleich den Besonderheiten der Arbeitsverhältnisse im Hochschulwesen Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 77, 308, 329).
Wenn die Regelungen des Hochschulwesens überwiegend Arbeitsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder Beschäftigten betreffen, so ergibt sich daraus keine Beschränkung der Gesetzgebungsbefugnis des Bundes nach Art. 75 Nr. 1 GG. Danach hat der Bund das Recht, Rahmenvorschriften über die Rechtsverhältnisse im öffentlichen Dienst der Länder stehender Personen zu erlassen. Dies ist bei den Regelungen der §§ 57 a ff. HRG nicht der Fall. Art. 75 Nr. 1 GG erfaßt den Teilbereich des Rechts, den die nichtbeamteten Behördenbediensteten mit den Beamten gemeinsam haben (BAG Großer Senat Beschluß vom 28. November 1956, BAGE 3, 245, 249 f. = AP Nr. 20 zu § 1 KSchG, zu II 3 der Gründe). Hierzu zählt die Regelung der Zulässigkeit der Befristungen von Arbeitsverhältnissen nicht.
Nach alledem betreffen die Regelungen damit das Gebiet des Arbeitsrechts i. S. des Art. 74 Nr. 12 GG, von dem der Bund in zulässiger Weise im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72 Abs. 1 GG) Gebrauch gemacht hat (ebenso Buchner, RdA 1985, 258, 278; KR-Weller, 3. Aufl., vor § 57 a HRG Rz 7). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen damit im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht.
2. Auch die Auffassung der Klägerin, ihr Arbeitsverhältnis bestehe unbefristet fort, weil die genannten Vorschriften des HRG gegen Art. 9 Abs. 3 GG verstießen, vermag nicht zu überzeugen.
Die Regelungen der §§ 57 a ff. HRG verstoßen nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Dies gilt vor allem für den in § 57 a Satz 2 HRG normierten Ausschluß entgegenstehender Bestimmungen und damit auch etwaiger entgegenstehender tarifvertraglicher Regelungen.
a) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie gewährt den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit autonomer Regelungen des Arbeitslebens (BVerfGE 4, 96, 106; BVerfGE 44, 322, 341; Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 - 7 AZR 135/93 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Die Tarifautonomie und damit auch das Betätigungsrecht der Koalitionen wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber nur in einem Kernbereich geschützt (BVerfGE 44, 322, 342; BVerfGE 57, 220, 245 ff.). Danach räumt das Grundrecht den geschützten Personen und Vereinigungen nicht einen inhaltlich unbegrenzten und unbegrenzbaren Handlungsspielraum ein; es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, die Tragweite der Koalitionsfreiheit dadurch zu bestimmen, die Befugnisse der Koalitionen im einzelnen auszugestalten und näher zu regeln. Dies ist vor allem dort unerläßlich, wo gewichtige Belange anderer, auch des Sozialpartners, berührt werden (BVerfGE 57, 220, 245 ff.). Dabei kann der Gesetzgeber den besonderen Erfordernissen des jeweils zu regelnden Sachverhalts Rechnung tragen (BVerfGE 58, 233, 247 ff.). Dem Betätigungsrecht dürfen aber nur solche Schranken gezogen werden, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten sind (BVerfGE 50, 290, 369; BVerfGE 58, 233, 247). Für die den Koalitionen im Bereich des Arbeitsrechts durch Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich eingeräumte Normensetzungsprärogative (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht Beschluß vom 29. Juni 1993 - 1 BvR 1916/91 - NzA 1994, 34) nimmt das Bundesverfassungsgericht an, daß diese den Koalitionen nicht schrankenlos zusteht, sondern der staatliche Gesetzgeber subsidiär für die Ordnung des Arbeitslebens in den Grenzen des Kernbereichs der Koalitionsfreiheit weiter zuständig sei (BVerfGE 44, 322, 342).
b) Die §§ 57 a ff. HRG haben die Zulässigkeit der Befristung von Arbeitsverträgen zum Inhalt. Dies betrifft die Beendigung von Arbeitsverhältnissen i. S. des § 1 TVG. Nach § 57 a Satz 2 HRG sind die arbeitsvertraglichen Vorschriften und Grundsätze über befristete Arbeitsverträge nur insoweit anzuwenden, als sie den Vorschriften dieses Gesetzes nicht widersprechen. Zu den Vorschriften i. S. des § 57 a Satz 2 HRG zählen nach allgemeiner Ansicht auch tarifvertragliche Regelungen (Senatsbeschluß vom 12. Mai 1992 - 7 AZR 239/91 -, n. v., zu B II 1 a der Gründe; KR-Weller, 3. Aufl., § 57 a HRG Rz 12; Buchner, RdA 1985, 258, 277; Otto, NJW 1985, 1807, 1810; a.A. Reich, HRG, 4. Aufl., § 57 a HRG Rz 3; einschränkend auch Plander, ZTR 1988, 365). Dies wird auch durch die Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucks. 10/2283, S. 9) bestätigt. Daraus ist zu schließen, daß den Tarifvertragsparteien die Befugnis zur Regelung von befristeten Arbeitsverhältnissen wissenschaftlicher Mitarbeiter im Hochschulbereich entzogen worden ist. Damit ist den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit genommen, dem HRG widersprechende Regelungen über die Befristung von Arbeitsverhältnissen zu treffen. Daraus hat ein Teil der Literatur den Schluß gezogen, die Tarifautonomie sei durch diese "Tarifsperre" verletzt (Plander, AuR 1986, 65, 72; Peiseler, NzA 1985, 238, 242; zuletzt Kittner/Trittin, KSchG, Vorbemerkung zu § 57 a HRG Rz 2). Dem ist nicht zuzustimmen.
c) Die angegriffenen Regelungen greifen nicht in den Kernbereich der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein.
Zwar kann eine Verfassungswidrigkeit der §§ 57 a ff. HRG aber nicht allein mit der Begründung verneint werden, den Tarifvertragsparteien bleibe trotz der in §§ 57 a ff. HRG vorgesehenen Einschränkung ihrer Regelungsbefugnis ein ausreichender Spielraum zum Abschluß tarifvertraglicher Normen. Für Eingriffe des Gesetzgebers in Befugnisse der Tarifvertragsparteien ist erforderlich, daß dieser Eingriff zum Schutz anderer Rechtsgüter geboten ist (BVerfGE 50, 290, 369; BVerfGE 58, 233, 247; Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 - 7 AZR 135/93 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Ein solcher Eingriff ist hier zum Schutz des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) geboten. Im Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 3 GG ist für Gesetzgeber wie für Tarifvertragsparteien die Gestaltungsfreiheit bezüglich der Regelung über Personalentscheidungen in Angelegenheiten der Hochschullehrer und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter begrenzt (Löwisch/Rieble, TVG, Grundl. Rz 29; BVerfGE 35, 79, 123; im Ergebnis ebenso Buchner, RdA 1985, 258, 280 f.; KR-Weller, 3. Aufl., vor § 57 a HRG Rz 11 und § 57 a HRG Rz 15). Zum einen wird mit den Regelungen des § 57 c HRG die Überalterung des wissenschaftlichen Mittelbaus mit einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Hochschulen vermieden. Zum anderen besteht ein Interesse des Gesetzgebers daran, die Dauer der Beschäftigung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Hochschulen zu begrenzen, um die spätere Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht zu gefährden (Löwisch/Rieble, aaO).
IV. Auch den Hilfsantrag festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. September 1991 hinaus bis zum 30. September 1992 fortbestanden habe, haben die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
1. Als Rechtsgrundlage für diesen Antrag kommt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, allein § 44 Abs. 5 BerlHG in Betracht. Diese Vorschrift hat - soweit vorliegend von Belang - folgenden Wortlaut: "Die Mitglieder ... der Fachbereichs- und Institutsräte ... , die in einem zeitlich befristeten Dienstverhältnis mit der Hochschule stehen, erhalten auf Antrag die Zeiten, die sie dem Gremium angehören, ... mit dem Faktor 1/2 nicht auf ihre Dienstzeit angerechnet."
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, diese Vorschrift stehe im Widerspruch zu den Vorschriften des Hochschulrahmengesetzes, insbesondere zu § 57 c HRG, der in seinem Absatz 6 abschließend regele, welche Zeiten auf die jeweilige Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages nicht anzurechnen seien. Nach Art. 72 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 74 Nr. 12 GG gehe das Bundesgesetz der landesrechtlichen Regelung des § 44 Abs. 5 BerlHG vor. Deshalb stehe der Klägerin kein Anspruch auf die beantragte Verlängerung ihres befristeten Vertrages zu. Da es nur auf die Wirksamkeit von Art. 44 Abs. 5 BerlHG in Anbetracht der vorrangigen bundesgesetzlichen Regelung ankomme, nicht aber letztlich auf die Verfassungswidrigkeit des § 44 BerlHG, habe es einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG nicht bedurft.
3. Ob der Begründung des Landesarbeitsgerichts, mit der es den Hilfsantrag zurückgewiesen hat, zu folgen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn der Hilfsantrag erweist sich bereits deshalb als nicht begründet, weil die Rechtsfolge des § 44 Abs. 5 BerlHG - die Wirksamkeit dieser Bestimmung unterstellt - nicht darin besteht, daß sich die Befristung eines Arbeitsvertrages gleichsam automatisch hinausschiebt, wenn die hälftige Nichtanrechnung von Zeiten der dort genannten Gremienzugehörigkeit beantragt worden ist. Vielmehr bedarf es zumindest in den Fällen, in denen das befristete Dienstverhältnis nicht beamtenrechtlich geregelt ist, sondern auf einem Arbeitsvertrag und damit auf Privatrecht beruht, des Abschlusses eines entsprechenden Vertrages. Eine solche Einigung ist hier nicht erfolgt.
a) Nach § 44 Abs. 5 BerlHG "erhalten" die dort Berechtigten Zeiten ihrer Gremienzugehörigkeit bzw. ihres Amtes als Frauenbeauftragte "mit dem Faktor 1/2 nicht auf ihre Dienstzeit angerechnet". Mit dieser Vorschrift soll erreicht werden, daß auf die höchstzulässige Befristungsdauer eines Arbeitsverhältnisses bzw. die vereinbarte Befristungsdauer eines Arbeitsverhältnisses bestimmte Zeiten nicht angerechnet werden. Diese Nichtanrechnung bzw. der Anspruch auf Nichtanrechnung hat jedoch nicht zur Folge, daß sich der vereinbarte Befristungszeitpunkt gleichsam automatisch verschiebt, wenn der Arbeitnehmer die Nichtanrechnung dieser Zeiten beantragt. Eine derart weitgehende Rechtsfolge kommt in § 44 Abs. 5 BerlHG nicht zum Ausdruck. Wenn der Gesetzgeber des Landes Berlin derart weitreichende Rechtsfolgen hätten anordnen wollen, so hätte es nahegelegen, dies durch entsprechende Formulierungen zum Ausdruck zu bringen. Derartige Fiktionen sogar des Zustandegekommenseins von Verträgen im Arbeitsrecht sind dem Gesetz nicht fremd, wie § 78 a BetrVG und § 10 Abs. 1 AÜG zeigen. Insbesondere der abweichenden Wortwahl in § 44 Abs. 5 BerlHG entnimmt der Senat, daß hier eine derart weitreichende Rechtsfolge nicht gewollt war.
b) Ein Vertrag zur Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses ist hier jedoch nicht abgeschlossen worden. Der Hilfsantrag der Klägerin läßt sich auch nicht dahingehend verstehen, daß mit ihm die Feststellung des Zustandegekommenseins eines solchen Vertrages begehrt wird. Vielmehr sind die Parteien wie auch die Vorinstanzen bisher stets von dem Verständnis ausgegangen, das bloße Verlangen auf Nichtanrechnung nach § 44 Abs. 5 BerlHG habe zur Folge, daß sich die Befristungsdauer um die Zeit der Nichtanrechnung "verschiebe". Das aber ist nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Steckhan Kremhelmer Schliemann
Prof. Dr. Knapp Bea
Fundstellen
Haufe-Index 441151 |
BAGE 76, 204-213 (Leitsatz 1 und Gründe) |
BAGE, 204 |
BB 1994, 1432 |
EzB BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag, Nr 44 (Leitsatz 1) |
EzB HRG §§ 57 b, c, Nr. 8 (Leitsatz 1) |
NZA 1995, 70 |
NZA 1995, 70-72 (Leitsatz 1 und Gründe) |
RzK, I 9d Nr 26 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ZTR 1994, 471-473 (Leitsatz 1 und Gründe) |
AP § 57a HRG (Leitsatz 1 und Gründe), Nr 1 |
AR-Blattei, ES 380 Nr 2 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ArztR 1995, 177 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzA § 620 BGB, Nr 124 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzBAT, Hochschulen/Forschungseinrichtungen Nr 16 (Leitsatz 1 und Gründe |
FuL 1995, 219 (Kurzwiedergabe) |
MDR 1994, 1017 (Leitsatz 1 und Gründe) |
PersR 1994, 439-440 (Leitsatz 1 und Gründe) |
PersV 1994, 564 (Leitsatz) |
WissR 1995, 176 |
WissR 1995, 176-180 (Leitsatz und Gründe) |