Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung für ältere Lehrer; Zulässigkeit der Differenzierung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten
Leitsatz (amtlich)
Es ist sachlich nicht gerechtfertigt und verstößt daher gegen § 2 Abs. 1 Beschäftigungsförderungsgesetz 1985, eine altersabhängige Unterrichtsermäßigung nur vollzeitbeschäftigten Lehrern zu gewähren.
Normenkette
BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; Bremische VO über die Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung und die Anrechnung bestimmter Aufgaben auf die Unterrichtsverpflichtung vom 21. Juni 1982 § 2; EGVtr Art. 119 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 6. August 1997 – 2 Sa 164/96 – aufgehoben.
II. Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Bremen vom 20. Februar 1996 – 2 Ca 2190/95 – und – 2 Ca 2208/95 – werden zurückgewiesen.
III. Die Urteile des Arbeitsgerichts werden zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:
In Sachen – 2 Ca 2190/95 – (B):
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, bei der Zahlung der anteiligen BAT-Vergütung an die Klägerin rückwirkend ab dem 1. August 1994 bis zum Ablauf des Schuljahres 1997/98 die anteilige Pflichtstundenermäßigung zugrunde zu legen.
In Sachen – 2 Ca 2208/95 – (Bi):
- Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem Schuljahresbeginn 1999/2000 die anteilige Pflichtstundenermäßigung zu gewähren.
- Es wird ferner festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, bei der Zahlung der anteiligen BAT-Vergütung an die Klägerin rückwirkend ab dem 1. August 1995 bis zum Ablauf des Schuljahres 1998/99 die anteilige Pflichtstundenermäßigung zugrunde zu legen.
IV. Die Beklagte hat die Kosten der Berufungen und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der Unterrichtsverpflichtung der Klägerinnen.
Die Klägerin zu 1) war, die Klägerin zu 2) ist bei der Beklagten als Lehrerin im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis fand bzw. findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag Anwendung. Beide Klägerinnen begründeten Teilzeitarbeitsverhältnisse mit einer wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung von 12 Stunden. Die gesetzliche wöchentliche Unterrichtsverpflichtung einer vergleichbaren in Vollzeit beschäftigten Lehrkraft betrug seit April 1982 23 Stunden und beträgt seit dem 1. August 1997 25 Unterrichtsstunden.
Gemäß § 8 des Gesetzes zur Regelung der Unterrichtsverpflichtung für Lehrer an öffentlichen Schulen im Lande Bremen war der Senator für Bildung ermächtigt, durch Rechtsverordnung „die Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung aus Altersgründen, wegen besonderer Aufgaben oder aus ähnlichen Gründen zu regeln”. Dieses Gesetz trat am 31. Juli 1997 außer Kraft und wurde durch das Gesetz zur Regelung der Arbeitszeitaufteilung für Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Schulen des Landes Bremen ersetzt. Dessen § 16 enthält eine nahezu gleichlautende Ermächtigung. Der Verordnungsgeber hat von der Ermächtigung Gebrauch gemacht. Die §§ 1, 2 der Verordnung über die Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung und die Anrechnung bestimmter Aufgaben auf die Unterrichtsverpflichtung vom 21. Juni 1982 (VO) haben folgenden Wortlaut:
„§ 1 Ermäßigung und Anrechnungen
(1) Zum Ausgleich der durch Alter bedingten besonderen Belastung der Lehrkräfte im Unterricht wird … eine Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung gewährt.
(2) Für die Wahrnehmung der in den §§ 3 bis 7 genannten Aufgaben der Schule kann nach Maßgabe des Haushalts die Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte reduziert werden (Anrechnungen).
§ 2 Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen
Die Unterrichtsverpflichtung der vollbeschäftigten Lehrkräfte wird von dem auf die Vollendung des 55. Lebensjahres folgenden Schuljahr an um 2 Unterrichtsstunden pro Woche ermäßigt. Die Ermäßigung wird nur gewährt, wenn die Unterrichtsverpflichtung nicht bereits aus anderen Gründen um mindestens 2 Unterrichtsstunden reduziert ist.”
Im Jahr 1983 wurde folgender Satz 3 angefügt:
„Im Rahmen von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen kann im Einvernehmen mit der Senatskommission für das Personalwesen und dem Senator für Finanzen von der Einschränkung des Satzes 2 abgewichen werden.”
Im Juli 1997 wurde § 2 VO dahingehend geändert, daß die Unterrichtsverpflichtung zunächst nur um eine Unterrichtsstunde und erst ab Vollendung des 58. Lebensjahres um eine weitere Unterrichtsstunde pro Woche ermäßigt wird. Lehrkräfte, denen schon vor dem 31. Juli 1997 eine Pflichtstundenermäßigung aus Altersgründen gewährt wurde, behalten diese im bisherigen Umfang.
Die Klägerin zu 1) vollendete im Oktober 1993, die Klägerin zu 2) im Juni 1995 ihr 55. Lebensjahr. Sie haben von der Beklagten die anteilige Berücksichtigung der Pflichtstundenermäßigung verlangt. Die Beklagte hat dies abgelehnt.
Die Klägerinnen haben die Ansicht vertreten, entweder sei ihre Unterrichtsverpflichtung anteilig zu kürzen oder es sei ihre Vergütung entsprechend zu erhöhen. Die Ablehnung der Beklagten verstoße gegen § 2 BeschFG. Die Beklagte nehme sie nur deshalb von der Ermäßigung der Unterrichtsstunden aus, weil sie teilzeitbeschäftigt seien. Da sie im gesamten Umfang ihrer vertraglichen Pflichtstunden Unterricht erteilten, seien sie mit den ausschließlich durch Unterrichtstätigkeit vollzeitbeschäftigten Lehrkräften vergleichbar. Im Verhältnis zu diesen würden sie ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Im übrigen bedeute die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung eine mittelbare Diskriminierung berufstätiger Frauen. Bei der überwiegenden Anzahl der teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte im Alter von 55 Jahren und darüber handele es sich um Frauen.
Die Klägerin zu 1) ist mit Ablauf des Schuljahres 1997/98 aus dem Schuldienst der Beklagten ausgeschieden.
Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt
die Klägerin zu 1):
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, bei der Zahlung der anteiligen BAT-Vergütung an sie rückwirkend ab dem 1. August 1994 bis zum Ablauf des Schuljahres 1997/98 die anteilige Pflichtstundenermäßigung zugrunde zu legen;
die Klägerin zu 2):
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem Schuljahresbeginn 1999/2000 die anteilige Pflichtstundenermäßigung zu gewähren;
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, bei der Zahlung der anteiligen BAT-Vergütung an sie rückwirkend ab dem 1. August 1995 bis zum Ablauf des Schuljahres 1998/99 die anteilige Pflichtstundenermäßigung zugrunde zu legen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerinnen wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung liege nicht vor. Nur Lehrer, die der vollen Unterrichtsbelastung ausgesetzt seien, sollten nach Vollendung ihres 55. Lebensjahres von dieser besonderen Anstrengung befreit werden. Ihr Verordnungsgeber habe es als im Alter besonders belastend angesehen, die gesamte Anzahl der gesetzlichen Pflichtstunden Unterricht erteilen zu müssen. Allein von dieser Spitzenbelastung sollten die Lehrkräfte verschont werden. Dies werde daraus ersichtlich, daß vollbeschäftigte Lehrkräfte, die etwa als Schulleiter ohnehin nicht mit der vollen Pflichtstundenzahl im Unterricht eingesetzt seien, die Ermäßigung nicht erhielten.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehren die Klägerinnen die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidungen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Beklagte hat die für ihre vollzeitbeschäftigten Lehrkräfte vorgesehene Unterrichtsermäßigung zeitanteilig auch den Klägerinnen zu gewähren. Bei der mittlerweile ausgeschiedenen Klägerin zu 1) wirkt sich dies lediglich als nachträgliche Erhöhung ihrer Vergütung, bei der Klägerin zu 2) ab dem Schuljahresbeginn 1999/2000 auch als tatsächliche Ermäßigung ihrer Unterrichtsverpflichtung aus.
I. Die Klagen sind zulässig. Die Klägerinnen begehren die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihre Vergütungsansprüche in Anbetracht der Pflichtstundenermäßigung für ältere Lehrkräfte zu berechnen bzw. ihnen diese Ermäßigung – anteilig – tatsächlich zu gewähren. Sie machen einen bestimmten, zeitlich begrenzten Umfang ihrer vertraglichen Leistungspflicht geltend. Die Parteien streiten damit um den Inhalt eines Rechtsverhältnisses. Dies ist ein möglicher Gegenstand der Feststellungsklage nach § 256 ZPO (vgl. BAG Urteil vom 29. Januar 1992 – 5 AZR 518/90 – AP Nr. 18 zu § 2 BeschFG 1985, m.w.N.).
Die Klägerinnen besitzen das erforderliche besondere Feststellungsinteresse. Zwar wäre die Erhebung einer Leistungsklage möglich. Die Neuberechnung von Vergütungsansprüchen im öffentlichen Dienst ist für die Arbeitnehmer jedoch regelmäßig mit erheblichem Aufwand verbunden. Bei der Beklagten handelt es sich zudem um eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Es ist zu erwarten, daß sie sich schon einer Feststellung ihrer rechtlichen Verpflichtung entsprechend verhalten wird (vgl. BAG Urteil vom 27. Juli 1988 – 5 AZR 244/87 – AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, m.w.N.). Die begehrten gerichtlichen Feststellungen sind darum geeignet, den Streit der Parteien endgültig beizulegen.
II. Die Klagen sind begründet. Der Anspruch der Klägerinnen auf anteilige Berücksichtigung der für vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte vorgesehenen Pflichtstundenermäßigung folgt aus § 2 Abs. 1 BeschFG.
1. Auf § 2 VO unmittelbar vermögen die Klägerinnen ihr Begehren nicht zu stützen. Die Vorschrift sieht als begünstigte Personengruppe ausschließlich „vollbeschäftigte Lehrkräfte” vor. Dies sind die Klägerinnen nicht. Beide haben vertraglich nur 12 von zunächst 23, mittlerweile 25 Pflichtstunden wöchentlich Unterricht zu erteilen.
2. Gemäß § 2 Abs. 1 BeschFG darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Die Vorschrift findet seit dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1. Mai 1985 auch auf Arbeitsverhältnisse Anwendung, die – wie die der Klägerinnen – bereits vor diesem Zeitpunkt begründet wurden. Das Gebot der Gleichbehandlung erstreckt sich sowohl auf einseitige Maßnahmen als auch auf vertragliche Vereinbarungen (vgl. BAG Urteil vom 25. Januar 1989 – 5 AZR 161/88 – BAGE 61, 43, 46 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985; BAG Urteil vom 13. März 1997 – 2 AZR 175/96 – BAGE 85, 257, 260 = AP Nr. 54 zu § 2 BeschFG 1985). § 2 Abs. 1 BeschFG bindet als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG für das Gebiet der Teilzeitarbeit von Arbeitnehmern auch den untergesetzlichen Normgeber, etwa den Verordnungsgeber oder die Tarifvertragsparteien. Rechtsverordnungen sind unwirksam, wenn sie gegen bestehende Gesetze verstoßen. Der Verordnungsgeber ist außerdem durch den Gleichheitssatz unter Umständen an Differenzierungen gehindert, die durch Wortlaut und Inhalt der Ermächtigung an sich noch gedeckt wären (BVerfGE 6, 273, 281 ff.; 13, 248, 253 ff.; 58, 68; Maunz in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 80, Anm. 34; Schmidt-Bleibtreu/ Klein, Kommentar zum GG, 8. Aufl., Art. 80, Anm. 13; zur Problematik der Ermessensbindung des Verordnungsgebers auch Ramsauer in: Alternativkommentar zum GG, 2. Aufl., Art. 80 Rz 71, m.w.N.). Unabhängig davon, ob § 2 VO und seine gesetzliche Grundlage unmittelbar auch für Arbeitnehmer gelten oder ob sie erst über Nr. 3 der Sonderregelungen 2 l I zum BAT Eingang in Arbeitsverhältnisse angestellter Lehrer finden, vermag sich darum der öffentliche Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG nicht darauf zu berufen, er vollziehe lediglich die betreffende Norm. Er hat vielmehr die betreffende Vergünstigung – anteilig – auch den Teilzeitbeschäftigten zu gewähren. Dies gilt zumindest dann, wenn nach dem Willen des Normgebers die Vergünstigung den Vollzeitbeschäftigten auf jeden Fall zugute kommen soll (ähnlich Raab, Anm. zu BAG Urteil vom 29. Januar 1992 – 5 AZR 518/90 – EzA § 2 BeschFG 1985 Nr. 19, unter 5.a.E., dort bezogen auf eine Tarifregelung).
3. Die Beklagte behandelt die Klägerinnen „wegen der Teilzeitarbeit” unterschiedlich gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit liegt immer dann vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an welches die unterschiedliche Behandlung bei den Arbeitsbedingungen anknüpft (BAG Urteil vom 29. Januar 1992 – 5 AZR 518/90 – AP Nr. 18 zu § 2 BeschFG 1985, m.w.N.). Hätten die Klägerinnen bis zur Vollendung ihres 55. Lebensjahres die volle gesetzliche Unterrichtsverpflichtung von (seinerzeit) 23 Stunden je Woche zu erfüllen gehabt, hätten sie gem. § 2 Satz 1 VO vom darauffolgenden Schuljahr an bei gleicher Vergütung nur noch 21 Wochenstunden unterrichten müssen. Mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß ihre vertragliche Unterrichtsverpflichtung geringer als die vollzeitbeschäftigter Lehrer sei und sie deshalb von § 2 VO nicht erfaßt würden, hat die Beklagte die Klägerinnen von der betreffenden Vergünstigung ausgenommen. Sie hat sowohl die Alternative einer anteiligen Ermäßigung der Unterrichtsstunden als auch die einer entsprechenden Erhöhung der Vergütung abgelehnt. Das ihrem Verhalten zugrunde liegende Differenzierungskriterium ist allein die Dauer der Arbeitszeit: Bei angestellten Lehrern wie bei Beamten ist der zeitliche Umfang der Unterrichtsverpflichtung die Größe, an der sich – erweitert um pauschal bemessene Vor- und Nachbearbeitungsstunden – die Dauer der Arbeitszeit bemißt. § 15 BAT findet gem. Nr. 3 SR 2 l I BAT keine Anwendung.
Eine Ungleichbehandlung der Klägerinnen wegen Teilzeitarbeit ist trotz § 2 Satz 2 VO gegeben. Zwar erhalten danach Lehrkräfte, bei denen die volle gesetzliche Unterrichtsverpflichtung schon aus anderen als Altersgründen um mindestens zwei Stunden reduziert ist, die Ermäßigung nach § 2 Satz 1 VO ebenfalls nicht. Dieser Personenkreis ist jedoch nicht die maßgebliche Vergleichsgruppe. Die Klägerinnen müssen im Umfang ihrer vertraglich vereinbarten Pflichtstundenzahl tatsächlich Unterricht erteilen. Ihre Unterrichtsverpflichtung ist nicht bereits aus anderen Gründen reduziert. Zu vergleichen sind sie deshalb mit den vollbeschäftigten Lehrkräften des § 2 Satz 1 VO, die im ungeschmälerten gesetzlichen Umfang Unterricht geben. An der für diese vorgesehenen Pflichtstundenermäßigung nehmen sie allein wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung nicht teil.
Hinzukommt, daß § 2 Satz 3 VO bis zum 30. Juli 1997 die Möglichkeit vorsah, unter bestimmten Voraussetzungen von der Einschränkung des Satzes 2 abzuweichen. Das bedeutet, daß auch Vollzeitkräfte mit reduzierter Unterrichtsstundenzahl ggf. in den Genuß der Altersermäßigung kommen konnten.
4. Die Ungleichbehandlung der teilzeitbeschäftigten Klägerinnen gegenüber den vergleichbaren Vollzeitlehrkräften wirkt sich aus im Bereich der Vergütung. Die Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit unter Beibehaltung der bisherigen Monatsvergütung führt zu einer Erhöhung des Arbeitsentgelts pro Arbeitsstunde (BAG Urteil vom 29. Januar 1992, aaO; Wildschütz, NZA 1991, 925). Die Unterrichtsermäßigung für Vollzeitkräfte gem. § 2 Satz 1 VO hat zur Folge, daß sich deren Vergütung pro Unterrichtsstunde erhöht. Die teilzeitbeschäftigten Klägerinnen, denen diese Ermäßigung vorenthalten wird, ohne daß ihr Monatsgehalt entsprechend angehoben wäre, erhalten damit eine geringere Vergütung pro geleisteter Unterrichtsstunde als ihre gleichalten vollbeschäftigten Kollegen.
Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber angenommen, die betreffenden teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte erhielten trotz § 2 Satz 1 VO die gleiche Vergütung wie Vollbeschäftigte für ihre ersten 12 Unterrichtsstunden. Erst dann, wenn Vollzeitkräfte 21 Stunden unterrichtet hätten, würden ihnen weitere zwei Stunden vergütet. Bis zur 20. Stunde sei die Vergütung gleich. Dem kann nicht gefolgt werden. Es ist willkürlich anzunehmen, die ersten 20 – mittlerweile 22 – Unterrichtsstunden von Lehrkräften, die unter § 2 Satz 1 VO fallen, würden wie bisher und die 21. bzw. 23. Stunde werde nunmehr dreifach vergütet. Durch § 2 Satz 1 VO wird statt dessen die Vergütung für jede der verbleibenden 21 – mittlerweile 23 – Unterrichtsstunden gleichmäßig um 2/21 bzw. 2/23 erhöht. Daß sämtliche Unterrichtsstunden gleich vergütet werden, zeigt u.a. die Regelung in § 36 Abs. 2 Satz 3 BAT. Danach ist zur Ermittlung des auf eine Arbeitsstunde entfallenden Vergütungsanteils die monatliche Vergütung „durch das 4,348fache der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit” zu teilen.
§ 2 BeschFG gilt auch im Bereich der Vergütung. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Entgelt, das dem Verhältnis seiner Arbeitsleistung zu derjenigen eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. An einer Vergütungserhöhung für vergleichbare Vollzeitkräfte, worauf immer diese beruht, nimmt deshalb der Teilzeitbeschäftigte unmittelbar teil. Die finanzielle Besserstellung muß auch ihm anteilig zugute kommen (BAG Urteil vom 3. März 1993 – 5 AZR 170/92 – BAGE 72, 305, 309 = AP Nr. 97 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten).
5. Ein sachlicher Grund, der die Ungleichbehandlung der Klägerinnen rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Allein das unterschiedliche Arbeitspensum berechtigt zu einer unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften nicht. Entsprechende Sachgründe müssen anderer Art sein. Sie können etwa auf unterschiedlicher Arbeitsbelastung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (so die Amtliche Begründung für den Regierungsentwurf zum BeschFG 1985, BT-Drucks. 10/2102, S. 24). Eine Ungleichbehandlung kann auch aus Gründen des Arbeitsschutzes, insbesondere aus arbeitsmedizinischen Gründen gerechtfertigt sein (BAG Urteil vom 9. Februar 1989 – 6 AZR 174/87 – BAGE 61, 77 = AP Nr. 4 zu § 2 BeschFG 1985). Wirkt sie sich im Bereich der Vergütung und damit unmittelbar auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus, kommt eine Ungleichbehandlung nur in Betracht, wenn etwa die besonderen Anforderungen oder Erschwernisse, um deren Ausgleich es geht, bei den vergleichbaren Teilzeitkräften selbst anteilig nicht gegeben sind. Der behauptete Differenzierungsgrund muß objektiv vorhanden sein. Die bloße Einschätzung des Arbeitgebers, bestimmte Belastungen träten nur bei vollbeschäftigten Arbeitnehmern ein, reicht nicht aus, auch dann nicht, wenn diese Einschätzung vertretbar erscheint. Die Darlegungs- und Beweislast für das objektive Vorliegen eines diesen Anforderungen genügenden Sachgrundes liegt beim Arbeitgeber (BAG Urteil vom 29. Januar 1992, aaO, m.w.N.).
a) Die Beklagte hat vorgetragen, § 2 Satz 1 VO wolle lediglich von der Spitzenbelastung durch den Unterricht jenseits einer bestimmten Pflichtstundenzahl befreien. Nur ältere Lehrkräfte, die im vollen gesetzlichen Umfang von 23, neuerdings 25 Wochenstunden Unterricht zu erteilen hätten, bedürften einer Entlastung. Das Landesarbeitsgericht hat sich dem angeschlossen. Es hat ausgeführt, es entspreche einer verbreiteten Überzeugung, daß mit zunehmendem Alter nicht die Fähigkeit abnehme, mit Erfolg zu arbeiten, sondern nur die Fähigkeit, dies über den gesamten Zeitraum eines Vollzeitarbeitsverhältnisses zu tun, und daß dies nicht proportional oder linear zur zurückgelegten Arbeitszeit, sondern sprunghaft geschehe. Die Beklagte habe daher annehmen dürfen, daß ab der 21. Stunde für den Unterricht erheblich mehr Kraft benötigt würde als im Durchschnitt.
b) Dem folgt der Senat nicht. Er ist durch tatrichterliche Feststellungen in diesem Zusammenhang nicht gebunden. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur altersbedingten, sprunghaften Abnahme der Leistungsfähigkeit am Ende eines längeren Arbeitszeitraums beruhen nicht auf eigenen Feststellungen i.S.d. § 561 Abs. 2 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat nur festgestellt, die betreffenden Annahmen widersprächen „keineswegs allgemein verbreiteter Überzeugung”. Darin liegt möglicherweise die Feststellung des Bestehens einer solchen Überzeugung, darin liegt dagegen keine tatricherliche Feststellung der Richtigkeit der Annahmen selbst. Um diese aber geht es.
aa) Daß die Belastung durch Unterrichtsstunden mit zunehmenden Umfang exponentiell ansteigt, steht nicht fest. Die Klägerinnen haben die betreffende Behauptung der Beklagten stets bestritten. Von einem entsprechenden Erfahrungssatz kann ebenfalls nicht ausgegangen werden (BAG Urteil vom 29. Januar 1992, aaO). Zumindest steht nicht fest, von welcher absoluten Pflichtstundenzahl an ein möglicher exponentieller Belastungsanstieg einsetzt. Es ist durchaus denkbar, daß auch Teilzeitbeschäftigte wegen vermehrter außerdienstlicher Zusatzaufgaben durch die letzten Stunden ihrer vertraglichen Unterrichtszeit besonders belastet werden. Es besteht insoweit auch keine von den Gerichten hinzunehmende Einschätzungsprärogative des untergesetzlichen Normgebers. § 2 BeschFG verlangt nach objektiv vorhandenen Differenzierungsgründen. Diese hat der Arbeitgeber zu beweisen. Die Plausibiliät der Einschätzung des Verordnungsgebers leidet im Streitfall zusätzlich darunter, daß die festgelegte Belastungsgrenzen ohne erkennbaren Sachgrund nicht unerheblich schwanken. So belief sich das Pflichtstundenpensum der betreffenden Vollzeitkräfte ursprünglich auf 23 Unterrichtsstunden und ist seit August 1997 auf 25 Stunden gestiegen. Ferner beträgt die Altersermäßigung seit dem 31. Juli 1997 zunächst nur eine und erweitert sich erst ab Vollendung des 58. Lebensjahres auf insgesamt zwei Stunden.
bb) Es wäre deshalb Sache der Beklagten gewesen, für einen exponentiellen Belastungsanstieg in den Tatsacheninstanzen Beweis anzutreten oder in der Revisionsinstanz zu rügen, das Landesarbeitsgericht habe § 139 ZPO verletzt, indem es die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zumindest angeregt habe. Letzteres wäre ihr als Revisionsbeklagter bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – auch vorsorglich – möglich gewesen. Die Beklagte hat beides unterlassen. Eine Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgerichts, um die erforderlichen Feststellungen nachzuholen, scheidet unter diesen Umständen aus.
Folglich kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, daß den besonderen Belastungen, die durch die Unterrichtsermäßigung nach § 2 Satz 1 VO ausgeglichen werden sollen, anteilig auch die teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte ausgesetzt sind. Die Beklagte hat den teilzeitbeschäftigten Klägerinnen darum die in § 2 Satz 1 VO vorgesehene Unterrichtsermäßigung gem. § 2 BeschFG anteilig zu gewähren. Anders kann sie eine Gleichbehandlung nicht herbeiführen, da Vollzeitkräften die Ermäßigung weiterhin zugute kommt.
6. Dieses Ergebnis steht zu der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zur Gewährung von Überstundenzuschlägen an Teilzeitbeschäftigte nicht in Widerspruch. Beide Gerichte haben es zwar als zulässig angesehen, daß der Anspruch von Teilzeitbeschäftigten auf Überstundenzuschläge tarifvertraglich von einer Überschreitung der für Vollzeitkräfte geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abhängig gemacht wird (EuGH Urteil vom 15. Dezember 1994 – Rs C – 399/92 – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Teilzeit; BAG Urteil vom 20. Juni 1995 – 3 AZR 539/93 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Nährmittelindustrie). Dies beruht jedoch darauf, daß Teilzeitbeschäftigte trotz der betreffenden tariflichen Regelung für die gleiche Anzahl von Arbeitsstunden die gleiche Vergütung wie Vollzeitkräfte erhalten und daß anderenfalls – so in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall – der mit der Gewährung von Überstundenzuschlägen durch den konkreten Tarifvertrag verfolgte Leistungszweck verfälscht worden wäre. Demgegenüber führt im Streitfall die Altersermäßigung für Vollzeitkräfte nach § 2 Satz 1 VO zu einer finanziellen Ungleichbehandlung und Schlechterstellung der Teilzeitbeschäftigten. Auch vermochte die Beklagte gerade nicht darzulegen, daß der Zweck der Vergünstigung durch eine Berücksichtigung der Teilzeitkräfte verfehlt würde.
7. Für die Vergangenheit ist eine anteilige zeitliche Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerinnen nicht mehr möglich. Die Beklagte hat ihnen darum – der Klägerin zu 1) bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Schuldienst – durch entsprechende Erhöhung ihrer Vergütung einen Ausgleich in Geld zu gewähren. Vom Schuljahr 1999/2000 an hat die Beklagte dem Gebot der Gleichbehandlung aus § 2 BeschFG in der Weise zu genügen, daß sie die Unterrichtsverpflichtung der Klägerin zu 2) faktisch um zwei 12/25 Unterrichtsstunden ermäßigt.
8. Ob § 2 Satz 1 VO und das Verhalten der Beklagten auch gegen das Gebot der Lohngleichheit in Art. 119 Abs. 1 EG-Vertrag (Art. 141 Abs. 1 EG-Vertrag Amsterdam Fassung), das Diskriminierungsverbot in Art. 3 Abs. 3 GG oder den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, kann dahinstehen.
Unterschriften
Griebeling, Reinecke, Kreft, Sappa, Dittrich
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 30.09.1998 durch Clobes, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436161 |
BB 1999, 910 |
DB 1999, 1171 |
NWB 1999, 1790 |
ARST 1999, 212 |
FA 1999, 167 |
JR 1999, 484 |
NZA 1999, 774 |
RdA 1999, 357 |
SAE 1999, 249 |
ZTR 1999, 275 |
AP, 0 |
SchuR 2002, 112 |