Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungszeit einer Freundschaftspionierleiterin. Beschäftigungszeit – Freundschaftspionierleiterin – Vordienstzeit. Unzulässigkeit der Zurückverweisung an das Arbeitsgericht wegen Verfahrensmangel (hier: verspätet abgesetztes Urteil)
Orientierungssatz
1. Nach Nr. 4 Buchst. c Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O sind Zeiten einer Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen, weil diese Tätigkeit auf Grund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.
2. Die vor einer Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter in einem Beschäftigungsverhältnis zurückgelegte Zeit (Vordienstzeit) scheidet nach Nr. 4 letzter Satz Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O von der Anrechnung als Beschäftigungszeit aus. Diese Bestimmung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz erfordert keine Auslegung der Vorschrift dahingehend, daß die Vordienstzeit nur dann von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen ist, wenn der Angestellte die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter freiwillig oder auf eigenen Wunsch übernommen hat.
3. Ist ein arbeitsgerichtliches Urteil erst nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung von allen Richtern unterzeichnet zur Geschäftsstelle gelangt, gilt dieses zwar als Urteil ohne Gründe (§ 551 Nr. 7 ZPO). Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht wegen dieses Verfahrensmangels steht jedoch § 68 ArbGG entgegen.
Normenkette
BAT-O § 19; Übergangsvorschriften zu § 19 Nr. 4 Buchst. c Nr. 4 letzter Satz; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 17. Dezember 1999 – 3 Sa 266/99 – teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 31. August 1998 – 5 Ca 8792/97 – 19 – wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlußrevision der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revisionen zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anrechnung von Beschäftigungszeiten nach § 19 BAT-O.
Die Klägerin absolvierte am Sorbischen Institut für Lehrerbildung „Karl Jannack” in Bautzen ein vierjähriges Fachstudium für Lehrer an unteren Klassen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sorbisch, das sie am 1. Dezember 1976 abschloß. Durch „Einweisungsbeschluß” des Ministeriums für Volksbildung vom 29. September 1975 wurde sie für die Zeit nach Abschluß des Studiums als Freundschaftspionierleiterin in den Kreis Hoyerswerda eingewiesen. Die Klägerin nahm am 1. August 1976 zunächst eine Tätigkeit als Lehrerin an der Polytechnischen Oberschule (POS) Bröthen auf. Dies geschah laut Schreiben der Abteilung Volksbildung vom 2. November 1976 „bis zur Inbetriebnahme der neuen Schule”. Danach sollte die Klägerin entsprechend dem Einweisungsbeschluß als Freundschaftspionierleiterin eingesetzt werden. Mit Wirkung vom 1. August 1978 wurde die Klägerin von der FDJ-Kreisleitung Hoyerswerda zur Freundschaftspionierleiterin an der POS Laubusch, Siedlung, berufen. In der Folgezeit – erstmals mit Schreiben vom 15. Oktober 1980 – bat die Klägerin mehrfach wegen familiärer Probleme um Abberufung als Freundschaftspionierleiterin. In einem „Kadergespräch” am 28. Januar 1981 mit dem Schuldirektor, dem Vertreter des Kreisschulrats und dem Sekretär der FDJ-Kreisleitung Hoyerswerda wurde vereinbart, daß die Tätigkeit der Klägerin als Freundschaftspionierleiterin am 31. Juli 1982 enden sollte. Die Klägerin wurde jedoch über diesen Zeitpunkt hinaus als Freundschaftspionierleiterin weiterbeschäftigt. Erst auf ihren nochmaligen Antrag vom 9. Oktober 1984 wurde sie zum 1. August 1985 als Freundschaftspionierleiterin abberufen und seitdem ausschließlich als Lehrerin eingesetzt.
Seit dem 1. Januar 1991 ist die Klägerin bei dem Beklagten als Lehrerin beschäftigt. Auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung findet auf das Arbeitsverhältnis der BAT-O Anwendung. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
„Abschnitt V Beschäftigungszeit
§ 19 Beschäftigungszeit
(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.
…
Ist der Angestellte aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, so gilt die vor dem Ausscheiden liegende Zeit nicht als Beschäftigungszeit, es sei denn, daß er das Arbeitsverhältnis wegen eines mit Sicherheit erwarteten Personalabbaues oder wegen Unfähigkeit zur Fortsetzung der Arbeit infolge einer Körperbeschädigung oder einer in Ausübung oder infolge seiner Arbeit erlittenen Gesundheitsbeschädigung aufgelöst hat oder die Nichtanrechnung der Beschäftigungszeit aus sonstigen Gründen eine unbillige Härte darstellen würde.
…
Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991:
…
(4) Von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit sind ausgeschlossen
…
c) Zeiten einer Tätigkeit, die auf Grund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.
Die Übertragung der Tätigkeit auf Grund einer besonderen persönlichen Systemnähe wird insbesondere vermutet, wenn der Angestellte
- vor oder bei Übertragung der Tätigkeit eine hauptamtliche oder hervorgehobene ehrenamtliche Funktion in der SED, dem FDGB, der FDJ oder einer vergleichbar systemunterstützenden Partei oder Organisation innehatte,
- als mittlere oder obere Führungskraft in zentralen Staatsorganen, als obere Führungskraft beim Rat eines Bezirkes, als Vorsitzender des Rates eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt (Oberbürgermeister) oder in einer vergleichbaren Funktion tätig war,
- hauptamtlich Lehrender an den Bildungseinrichtungen der staatstragenden Parteien oder einer massen- oder gesellschaftlichen Organisation war oder
- Absolvent der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung war.
Der Angestellte kann die Vermutung widerlegen.
Von einer Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen sind auch die Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a bis c zurückgelegt worden sind.
…
§ 39 Jubiläumszuwendungen
(1) Der Angestellte erhält als Jubiläumszuwendung bei Vollendung einer Beschäftigungszeit (§ 19)
von 25 Jahren |
600,00 DM |
von 40 Jahren |
800,00 DM |
von 50 Jahren |
1.000,00 DM |
…”
Das staatliche Schulamt Hoyerswerda setzte mit Schreiben vom 30. Oktober 1992 den Beginn der Beschäftigungszeit der Klägerin gemäß §§ 19, 39 BAT-O auf den 1. Juni 1977 fest. Mit Schreiben vom 6. Mai 1996 änderte das Oberschulamt Dresden den Beginn der Beschäftigungszeit auf den 1. August 1985 ab.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auch die Zeit ab dem 1. August 1976 bis zum 31. Juli 1985 sei als Beschäftigungszeit anzurechnen. Zeiten einer Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter seien nicht grundsätzlich von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen. Die Voraussetzungen von Nr. 4 der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O (im folgenden: Übergangsvorschriften) lägen nicht vor. Die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin sei ihr nicht wegen besonderer persönlicher Systemnähe übertragen worden. Sie sei auf untypische Weise zur Freundschaftspionierleiterin berufen worden und habe sich jahrelang darum bemüht, von dieser Funktion entbunden zu werden. Außerdem habe sie während der gesamten Zeit der Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin wöchentlich 15 Stunden Unterricht in sorbischer Sprache erteilt. Ein so hoher Unterrichtsanteil habe nicht dem üblichen Berufsbild eines Freundschaftspionierleiters entsprochen. Zumindest sei die Zeit vor der Berufung zur Freundschaftspionierleiterin vom 1. August 1976 bis zum 31. Juli 1978 als Beschäftigungszeit anzurechnen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die zwischen dem 1. August 1976 und dem 31. Juli 1985 zurückgelegte Zeit der Beschäftigung als Beschäftigungszeit der Klägerin im Sinne der §§ 19 und 39 BAT-O anzuerkennen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin sei der Klägerin wegen besonderer persönlicher Systemnähe übertragen worden. Bei der Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter habe es sich um eine hauptamtliche Funktion in der FDJ gehandelt. Diese Tätigkeit habe eine besondere Systemnähe vorausgesetzt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin in Bezug auf die Zeit der Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin zurückgewiesen. Hinsichtlich der zuvor zurückgelegten Zeit als Lehrerin hat es das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die vollständige Zurückweisung der Berufung. Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen. Mit der Anschlußrevision begehrt sie die Anrechnung auch der Zeit ihrer Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des die Klage insgesamt abweisenden erstinstanzlichen Urteils. Die Anschlußrevision der Klägerin ist dagegen unbegründet.
I. Das angefochtene Urteil leidet nicht an einem Verfahrensmangel, der auf die Rüge der Klägerin ohne weiteres zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht führen würde. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Auffassung der Klägerin zu Recht eine Sachentscheidung getroffen und den Rechtsstreit nicht an das Arbeitsgericht zurückverwiesen. Zwar ist das Urteil des Arbeitsgerichts erst nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung von sämtlichen Richtern unterzeichnet zur Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts gelangt und gilt daher nach § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen(GemS OGB 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 – BVerwGE 92, 367; BAG 16. Dezember 1993 – 8 AZR 114/93 – nv.; 24. November 1993 – 10 AZR 372/93 – nv.; 7. Oktober 1993 – 2 AZR 293/93 – nv.; 8. Februar 1994 – 9 AZR 591/93 – BAGE 75, 355). Dennoch war das Landesarbeitsgericht nicht gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden.
Nach § 68 ArbGG ist eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht wegen eines Verfahrensmangels unzulässig. Um einen solchen handelt es sich auch, wenn ein Urteil verspätet abgesetzt wurde. Zwar geht den Parteien durch den Ausschluß der Zurückverweisung eine Instanz verloren. Dies ist jedoch wegen des für das arbeitsgerichtliche Verfahren besonders bedeutsamen Gebots der Beschleunigung hinzunehmen(BAG 24. April 1996 – 5 AZN 970/95 – AP ArbGG 1979 § 68 Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 68 Nr. 2 mwN). Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch einen Verfassungsverstoß verneint, weil das Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) keinen Instanzenzug gewährleistet. Im übrigen ist das Berufungsgericht – anders als das Revisionsgericht – nicht gehindert, die für seine Entscheidung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen selbst zu treffen. Dazu ist es sogar nach § 525 ZPO, § 67 ArbGG verpflichtet. Eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht wegen unzureichender tatsächlicher Entscheidungsgrundlagen ist daher im Berufungsverfahren nicht geboten.
Daß der Vorsitzende der Kammer, die die erstinstanzliche Entscheidung getroffen hat, zum Zeitpunkt der Übergabe des vollständig abgesetzten Urteils an die Geschäftsstelle dem Arbeitsgericht Dresden nicht mehr angehörte, worin die Klägerin offenbar einen weiteren Verfahrensverstoß (vgl. § 551 Nr. 1 ZPO) sieht, ändert daran nichts. Auch ein Richter, der, wie hier, an ein anderes Gericht versetzt worden ist, ist berechtigt, die Urteilsgründe abzufassen und zu unterschreiben(vgl. Musielak ZPO 2. Aufl. § 315 Rn. 6 mwN).
II. In der Sache selbst hält das angefochtene Urteil der revisionsrechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Zeit vom 1. August 1978 bis zum 31. Juli 1985 sei nach Nr. 4 Buchst. c Übergangsvorschriften von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen. Die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin sei der Klägerin auf Grund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden. Freundschaftspionierleiter seien hauptamtliche Funktionäre der FDJ gewesen. Die Funktion des Freundschaftspionierleiters begründe nach Nr. 4 Buchst. c Doppelbuchst. aa Übergangsvorschriften bei der nachfolgenden Übertragung einer anderen Tätigkeit die Vermutung, daß diese auf Grund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen wurde. Deshalb sei die besondere persönliche Systemnähe erst Recht für Zeiten der Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter selbst anzunehmen. Der Anrechnungsausschluß stehe auch im Einklang mit der Systematik des § 19 BAT-O. Trotz des Arbeitsvertrags mit der Abteilung Volksbildung sei der Freundschaftspionierleiter für die FDJ tätig gewesen. Zeiten einer Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber seien aber bereits nach der Grundnorm des § 19 BAT-O grundsätzlich nicht als Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Daß die Klägerin die Tätigkeit einer Freundschaftspionierleiterin nur widerstrebend verrichtet habe, sei ebenso unerheblich wie die Frage, ob und in welchem Umfang sie in dieser Zeit auch Unterricht erteilt habe. Die vor dem 1. August 1978 zurückgelegte Zeit als Lehrerin sei hingegen als Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Zwar schließe Nr. 4 letzter Satz Übergangsvorschriften auch Zeiten von der Anrechnung als Beschäftigungszeit aus, die vor der Übertragung einer Tätigkeit wegen besonderer persönlicher Systemnähe zurückgelegt wurden. Diese Bestimmung sei jedoch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG dahingehend auszulegen, daß der Anrechnungsausschluß nur dann eingreife, wenn der Angestellte die nachfolgende, wegen besonderer persönlicher Systemnähe übertragene Tätigkeit freiwillig oder auf eigenen Wunsch übernommen habe. Dies sei jedoch bei der Klägerin nicht der Fall.
2. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen, soweit das Landesarbeitsgericht einen Anspruch auf Anrechnung der Tätigkeitszeit als Freundschaftspionierleiterin verneint hat. Diese Zeit scheidet nach Nr. 4 Buchst. c Übergangsvorschriften von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit aus. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist jedoch auch die davor liegende Zeit seit dem 1. August 1976 nach Nr. 4 letzter Satz Übergangsvorschriften von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen. Diese Bestimmung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Nach Nr. 4 Buchst. c Übergangsvorschriften sind von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen Zeiten einer Tätigkeit, die auf Grund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war. Dies trifft nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats auf die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter zu(vgl. BAG 19. Januar 1995 – 6 AZR 560/94 – BAGE 79, 143; 19. Januar 1995 – 6 AZR 561/94 – nv.; 16. Oktober 1997 – 6 AZR 188/96 – nv.; 29. Januar 1998 – 6 AZR 333/96 – nv.; 5. August 1999 – 6 AZR 46/98 – nv.). Auch auf den Fall der Klägerin sind die bisherigen Grundsätze der Senatsrechtsprechung anzuwenden.
Die Verwendung der Klägerin als Freundschaftspionierleiterin ist nach der Richtlinie zur Auswahl, zur Delegierung, zum Einsatz und zur Tätigkeit der hauptberuflich tätigen Freundschaftspionierleiter vom 5. April 1976 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung 1976 S 23) – im folgenden: Richtlinie 76 – und nach der Richtlinie zur Tätigkeit der hauptamtlichen Freundschaftspionierleiter (Arbeitsrichtlinie) und Regelungen für die Leitungen der FDJ zur Auswahl, zur Delegierung und zum Einsatz der Freundschaftspionierleiter vom 17. April 1984 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung 1984 S 77) – im folgenden: Richtlinie 84 – zu beurteilen. Aus beiden Richtlinien ergibt sich, daß die Tätigkeit des Freundschaftspionierleiters eine besondere persönliche Systemnähe erforderte.
Der Freundschaftspionierleiter war sowohl nach der Richtlinie 76 als auch nach Abschn. I Nr. 1 der Richtlinie 84 hauptamtlicher Funktionär der FDJ. Nach 6.1 der Richtlinie 76 und Abschn. I Nr. 2.1 der Richtlinie 84 war er beauftragt, die Pionierfreundschaft auf der Grundlage der Beschlüsse der SED und der FDJ in Übereinstimmung mit den Bildungs- und Erziehungsaufgaben der Schule politisch-pädagogisch zu führen. Nach Nr. 7.1 der Richtlinie 76 war der Freundschaftspionierleiter „in enger Zusammenarbeit mit dem Pädagogenkollektiv für die kommunistische Erziehung aller Pioniere seiner Pionierfreundschaft auf der Grundlage des Statuts der Pionierorganisation „Ernst Thälmann” und der Beschlüsse des Zentralrates der FDJ verantwortlich.” Er hatte „die Pioniere zur leidenschaftlichen Parteinahme für den Sozialismus” zu erziehen und darum zu ringen, „sie aktiv an der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu beteiligen.” Er hatte sich dafür einzusetzen, „daß die Jungen Pioniere am Vorbild Ernst Thälmanns und aller Kommunisten erzogen” wurden „und im Sinne der Weltanschauung und Moral der Arbeiterklasse zu klugen, lebensfrohen und selbstbewußten jungen Menschen” heranwuchsen, „die den Idealen des Sozialismus treu ergeben” waren „und stets im Geiste des sozialistischen Patriotismus und proletarischen Internationalismus” fühlten und handelten. Nach Abschn. I Nr. 2.2 der Richtlinie 84 stützte sich der Freundschaftspionierleiter in seiner Tätigkeit auf die Kraft der Schulparteiorganisation der SED und legte vor ihr Rechenschaft für die Erfüllung seiner Aufgaben ab. Nach Abschn. I Nr. 3 der Richtlinie 84 war es die grundlegende Aufgabe des Freundschaftspionierleiters, „den Jungen Pionieren die Politik der SED, die Weltanschauung und Moral der Arbeiterklasse zu vermitteln und sie aktiv in den Kampf des werktätigen Volkes für die Stärkung und den Schutz des sozialistischen Vaterlandes, der Deutschen Demokratischen Republik, einzubeziehen”. Bereits aus dieser Stellung und Aufgabenbeschreibung des Freundschaftspionierleiters ergibt sich, ebenso wie aus seiner Berufung durch das Sekretariat der Kreisleitung der FDJ (Nr. 4 der Richtlinie 76, Abschn. I Nr. 4.1 der Richtlinie 84), daß die Übertragung der Tätigkeit eines Freundschaftspionierleiters eine besondere persönliche Systemnähe voraussetzte.
Auch aus Nr. 4 Buchst. c Doppelbuchst. aa Übergangsvorschriften ist zu entnehmen, daß die Tätigkeit des Freundschaftspionierleiters aus Sicht der Tarifvertragsparteien zu den Tätigkeiten gehörte, die auf Grund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden waren. Nach dieser Bestimmung wird vermutet, daß eine Tätigkeit auf Grund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war, wenn der Angestellte vor oder bei ihrer Übertragung eine hauptamtliche oder hervorgehobene ehrenamtliche Funktion in der SED, dem FDGB, der FDJ oder einer vergleichbar systemunterstützenden Partei oder Organisation innehatte. Ginge es um eine andere der Klägerin übertragene Tätigkeit, würde somit die hauptamtliche Funktion in der FDJ, die die Klägerin als Freundschaftspionierleiterin vor oder bei Übertragung jener Tätigkeit innehatte, zu Lasten der Klägerin den Vermutungstatbestand in Nr. 4 Buchst. c Doppelbuchst. aa Übergangsvorschriften begründen. Daraus ergibt sich, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich die Frage stellt, ob die Ausübung der Funktion selbst von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen ist, eine hauptamtliche Funktion in der FDJ und damit die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter im Sinne der Nr. 4 Buchst. c Übergangsvorschriften als auf Grund einer besonderen Systemnähe übertragen anzusehen ist.
Das Vorbringen der Klägerin, Freundschaftspionierleiter seien lediglich Vorgaben ausführende, nicht jedoch Politik planende und gestaltende Funktionäre gewesen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Anhaltspunkte dafür, daß von dem Anrechnungsausschluß nach Nr. 4 Buchst. c Übergangsvorschriften nur Funktionäre erfaßt werden, die über besondere Einflußmöglichkeiten verfügten, ergeben sich aus dem Tarifvertrag nicht. Eine Differenzierung nach Hierarchieebenen findet sich zwar in Nr. 4 Buchst. c Doppelbuchst. bb Übergangsvorschriften. Der Anrechnungsausschluß nach dieser Bestimmung betrifft nur mittlere und obere Führungskräfte in zentralen Staatsorganen und obere Führungskräfte beim Rat eines Bezirks sowie Vorsitzende des Rates eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt (Oberbürgermeister) und Tätigkeiten in vergleichbaren Funktionen. Demgegenüber stellt die Regelung in Nr. 4 Buchst. c Doppelbuchst. aa Übergangsvorschriften bei hauptamtlichen Funktionen in der SED, dem FDGB, der FDJ oder einer vergleichbar systemunterstützenden Partei oder Organisation gerade nicht auf bestimmte Hierarchieebenen ab. Daraus ergibt sich, daß die Tarifvertragsparteien jede hauptamtliche Tätigkeit für die genannten Organisationen im Hinblick auf ihre systemunterstützende Funktion als anrechnungsschädlich angesehen haben.
Auch der Einwand der Klägerin, bei Freundschaftspionierleitern habe es sich um atypische Funktionäre der FDJ gehandelt, weil neben dem Anstellungsverhältnis zur FDJ auch ein Arbeitsverhältnis zum Rat des Kreises – Abteilung Volksbildung – bestand und Freundschaftspionierleiter oft in erheblichem Umfang mit Unterrichtstätigkeit befaßt waren, ist nicht von Belang. Durch diese „Doppelstellung” entfällt nicht die Bewertung der Stellung eines Freundschaftspionierleiters als hauptamtlicher Funktionär der FDJ mit dem Arbeitsplatz Schule (Abschn. I Nr. 2.1 Richtlinie 84, Nr. 6.1 Richtlinie 76) und damit auch nicht die daraus folgende rechtliche Konsequenz nach den Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O(BAG 19. Januar 1995 – 6 AZR 560/94 – aaO S 151; 16. Oktober 1997 – 6 AZR 188/96 – nv.; 5. August 1999 – 6 AZR 46/98 – nv.).
Auf die Frage, ob die Klägerin widerlegt hat, daß ihr die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin auf Grund besonderer persönlicher Systemnähe übertragen wurde (Nr. 4 Satz 3 Übergangsvorschriften), kommt es nicht an. Die in Nr. 4 Buchst. c Doppelbuchst. aa Übergangsvorschriften geregelte Fallgestaltung, die für die Vermutung einer besonderen persönlichen Systemnähe voraussetzt, daß die Tätigkeit, deren Anrechnung der Angestellte begehrt, nicht mit einer hauptamtlichen Funktion in der FDJ identisch ist, liegt nicht vor. Deshalb ist hier auch für die Widerlegung einer solchen Vermutung nach Nr. 4 Satz 3 Übergangsvorschriften kein Raum(st. Rspr. des erkennenden Senats, vgl. BAG 19. Januar 1995 – 6 AZR 560/94 – BAGE 79, 143; 19. Januar 1995 – 6 AZR 561/94 – nv.; 16. Oktober 1997 – 6 AZR 188/96 – nv.; 29. Januar 1998 – 6 AZR 333/96 – nv.; 5. August 1999 – 6 AZR 46/98 – nv.).
Dem steht Nr. 4 Buchst. c Doppelbuchst. cc Übergangsvorschriften nicht entgegen. Danach kann ein Angestellter, der hauptamtlich Lehrender an den Bildungseinrichtungen der staatstragenden Parteien oder einer Massen- oder gesellschaftlichen Organisation war, die Vermutung, daß ihm diese Tätigkeit wegen besonderer persönlicher Systemnähe übertragen wurde, im Gegensatz zum Freundschaftspionierleiter widerlegen, obwohl auch er – ebenso wie ein Freundschaftspionierleiter – hauptamtlich für eine staatstragende Organisation tätig war. Darin liegt entgegen der Auffassung der Klägerin kein Wertungswiderspruch. Es ist nicht ersichtlich, daß an den in Nr. 4 Buchst. c Doppelbuchst. cc Übergangsvorschriften genannten Bildungseinrichtungen ausschließlich ideologisch geprägte Fachgebiete gelehrt wurden und deshalb jegliche Lehrtätigkeit an einer solchen Bildungseinrichtung eine besondere persönliche Systemnähe voraussetzte. Demgegenüber war es stets Gegenstand der Tätigkeit eines Freundschaftspionierleiters, den Jungen Pionieren die Politik der SED zu vermitteln. Dies erforderte regelmäßig eine besondere persönliche Systemnähe. Deshalb ist es konsequent, bei hauptamtlich Lehrenden an den in Nr. 4 Buchst. c Doppelbuchst. cc Übergangsvorschriften genannten Bildungseinrichtungen nur widerlegbar zu vermuten, daß ihnen diese Tätigkeit auf Grund besonderer persönlicher Systemnähe übertragen wurde, bei Freundschaftspionierleitern hingegen wegen des systemunterstützenden Charakters dieser Tätigkeit die besondere persönliche Systemnähe als stets gegeben zu erachten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Frage, ob eine Tätigkeit wegen besonderer persönlicher Systemnähe übertragen wurde, nicht nach den Grundsätzen zu beurteilen, die das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen vom 8. Juli 1997(– 1 BvR 1243/95 ua. – BVerfGE 96, 152) bei Kündigungen wegen mangelnder persönlicher Eignung nach dem Einigungsvertrag angewandt hat. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht angenommen, im Lichte der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und Art. 33 Abs. 2 GG müsse die persönliche Eignung eines Mitarbeiters für eine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Prognose festgestellt werden, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung seiner gesamten Persönlichkeit voraussetze. Positionen in Staat und Partei, die der Mitarbeiter in der ehemaligen DDR innegehabt habe, könnten nach Maßgabe ihres Ranges und des mit ihnen verbundenen Einflusses Anhaltspunkte für einen besonders hohen Identifikationsgrad mit dem Herrschaftssystem der DDR sein, machten aber eine Würdigung seines gesamten Verhaltens einschließlich seiner Entwicklung nach dem Beitritt nicht entbehrlich. Die verfassungsrechtlich gebotene Gesamtwürdigung dürfe nicht dadurch verkürzt werden, daß der vom Mitarbeiter früher innegehabten Position das Gewicht einer gesetzlichen Vermutung beigemessen werde, die einen Eignungsmangel begründe, wenn sie nicht widerlegt werde.
Diese Erwägungen spielen für die Frage, ob Zeiten von Tätigkeiten, die der Angestellte im öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR zurückgelegt hat, als Beschäftigungszeit gemäß § 19 BAT-O anzurechnen sind, keine Rolle. Durch die Nichtanrechnung von Beschäftigungszeiten werden weder die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG noch das Grundrecht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt. Es geht nicht um die Erstellung einer zukunftsgerichteten Prognose über die Eignung eines Angestellten für die Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland, sondern allein um die rückblickende Bewertung seiner früheren in der ehemaligen DDR geleisteten Tätigkeit im Hinblick auf die Frage, ob diese mit Zeiten einer Tätigkeit in der rechtsstaatlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland gleichgestellt werden soll.
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist auch die Zeit vom 1. August 1976 bis zum 31. Juli 1978, in der die Klägerin ausschließlich als Lehrerin tätig war, von der Anrechnung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen.
Nach Nr. 4 letzter Satz Übergangsvorschriften sind auch Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Nr. 4 Buchst. a bis c Übergangsvorschriften zurückgelegt worden sind (Vordienstzeiten), von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Tätigkeit vom 1. August 1976 bis zum 31. Juli 1978 erfüllt, da der Klägerin die anschließende Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin auf Grund besonderer persönlicher Systemnähe übertragen worden war. Nr. 4 letzter Satz Übergangsvorschriften verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit dadurch Vordienstzeiten vor einer Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter von der Anrechnung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen werden. Durch diese Regelung werden die betroffenen Angestellten gegenüber Angestellten, die die Voraussetzungen von Nr. 4 Buchst. a bis c Übergangsvorschriften nicht erfüllen, nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats(vgl. Urteil vom 30. Mai 1996 – 6 AZR 632/95 – BAGE 83, 149) durften die Tarifvertragsparteien Angestellte, bei denen Zeiten einer Tätigkeit nach Nr. 4 Buchst. a bis c Übergangsvorschriften nicht als Beschäftigungszeit zu berücksichtigen sind, mit Angestellten gleichbehandeln, bei denen das Arbeitsverhältnis unterbrochen war. Bei diesen Angestellten ist zwar grundsätzlich auch die vor der Unterbrechung zurückgelegte Zeit als Beschäftigungszeit anzurechnen (§ 19 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT-O). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Angestellte auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist (§ 19 Abs. 1 Unterabs. 3 BAT-O). Für diese Differenzierung besteht ein sachlicher Grund, weil der Angestellte, der aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, selbst die Ursache für die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses geschaffen hat.
Einen vergleichbaren Sachverhalt haben die Tarifvertragsparteien in Nr. 4 letzter Satz Übergangsvorschriften geregelt. Der Ausschluß der Vordienstzeiten beruht in diesem Fall darauf, daß der Angestellte in der ehemaligen DDR systemunterstützend tätig war. Auch hier liegt die Ursache für die Nichtberücksichtigung der Tätigkeit als Beschäftigungszeit stets in dem Verhalten des Arbeitnehmers, nämlich seiner hervorgehobenen persönlichen Identifizierung mit dem Staatsapparat der DDR, die in solchen Fällen erfahrungsgemäß bereits längere Zeit vor der Übertragung der Tätigkeit begonnen haben dürfte. Durch diese typisierende, die Würdigung des konkreten Einzelfalles ausschließende Regelung haben die Tarifvertragsparteien ihren normativen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
Die Tarifvertragsparteien sind, ebenso wie der Gesetzgeber, insbesondere bei Massenerscheinungen befugt, zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren, ohne allein wegen damit verbundener Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Eine zulässige Typisierung setzt voraus, daß mit ihr verbundene Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, daß sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen treffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Die Gestaltungsfreiheit ist im übrigen bei bevorzugender Typisierung weiter gespannt als bei benachteiligender Typisierung(vgl. BVerfG 4. April 2001 – 2 BvL 7/98 – NJ 2001, 474, zu B I 2 b der Gründe).
Daran gemessen verstößt die Regelung in Nr. 4 letzter Satz Übergangsvorschriften nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Bei Inkrafttreten des BAT am 1. Januar 1991 war eine Anrechnung von Zeiten, die vor dem 1. Januar 1991 im öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR zurückgelegt worden waren, nicht vorgesehen. Die Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O sind erst durch § 1 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 2 zum BAT-O vom 12. November 1991 mit Wirkung zum 1. Dezember 1991 in den BAT-O eingefügt worden. Dabei hatten die Tarifvertragsparteien Tätigkeiten im öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR zu bewerten, die sich wegen des grundlegend anderen Herrschafts- und Gesellschaftssystems von denjenigen des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik Deutschland erheblich unterschieden. Daher bestand ein besonders starkes Typisierungsbedürfnis und eine entsprechende Typisierungsbefugnis(vgl. BVerfG 4. April 2001, aaO zur Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Vordienstzeiten vor einer Tätigkeit für das MfS in § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG). Dabei durften die Tarifvertragsparteien generalisierend davon ausgehen, daß auch Vordienstzeiten vor der Übertragung einer Tätigkeit auf Grund einer besonderen persönlichen Systemnähe von einer besonderen Nähe zum damaligen Herrschaftssystem geprägt waren. Die Entscheidung, eine hauptamtliche Tätigkeit für eine systemunterstützende Organisation zu übernehmen, durften die Tarifvertragsparteien als Ausdruck einer schon zuvor bestehenden besonderen persönlichen Identifikation mit dem System der ehemaligen DDR bewerten und deshalb auch die Vordienstzeiten von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausnehmen. Dadurch entstehende Härten im Einzelfall durften sie hinnehmen. Eine Regelung, die die Bewertung der Besonderheiten jedes konkreten Einzelfalles ermöglicht hätte, wäre nicht nur – gemessen an der Vielzahl der aus dem Beitrittsgebiet in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland übernommenen Angestellten – unpraktikabel gewesen, sondern hätte wegen der teilweise lange zurückliegenden, nicht oder nur schwer aufklärbaren Vorgänge zu zweifelhaften und unbefriedigenden Ergebnissen geführt(BVerfG 4. April 2001 aaO). Diese Schwierigkeiten durften die Tarifvertragsparteien durch die getroffene typisierende Regelung vermeiden, zumal sich die Dauer der Beschäftigungszeit unmittelbar lediglich auf die Länge der Kündigungsfrist (§ 53 BAT-O), die Bezugsdauer des Krankengeldzuschusses (§ 37 BAT-O) die Jubiläumszuwendung (§ 39 BAT-O) und die Berechnung der für die Grundvergütung maßgeblichen Lebensaltersstufe (§ 27 BAT-O) auswirkt und die dadurch entstehenden Nachteile für die betroffenen Angestellten relativ geringfügig sind. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gebietet es Art. 3 Abs. 1 GG daher auch nicht, die Bestimmung in Nr. 4 letzter Satz Übergangsvorschriften dahingehend auszulegen, daß Vordienstzeiten nur dann von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen sind, wenn im Einzelfall festgestellt wird, ob der Angestellte die nachfolgende systemunterstützende Tätigkeit im Sinne von Nr. 4 Buchst. c Übergangsvorschriften freiwillig oder auf eigenen Wunsch übernommen hat.
Dies steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des erkennenden Senats vom 28. Mai 1998(– 6 AZR 585/96 – BAGE 89, 57). Dort hat der Senat hinsichtlich der Anrechnung von Vordienstzeiten eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Grundwehrdienstleistenden bei den Grenztruppen der ehemaligen DDR gegenüber Grundwehrdienstleistenden bei anderen Einheiten der NVA angenommen, weil sich die Grundwehrdienstleistenden der Einberufung zu den Grenztruppen wegen der bestehenden Wehrpflicht im Regelfall nicht entziehen konnten. Eine solche Zwangslage bestand jedoch bei der Übernahme der systemunterstützenden Tätigkeit eines Freundschaftspionierleiters in der Regel nicht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, R. Kamm, Beus
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 31.05.2001 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 706955 |
NZA 2002, 584 |
ZTR 2002, 176 |
NJOZ 2002, 1235 |