2.2.1 Vorbemerkung
Beschäftigungszeit ist im allgemeinen Arbeitsrecht – dort üblicherweise "Betriebszugehörigkeit" genannt – die bei demselben Arbeitgeber verbrachte Zeit. Dem entspricht auch die Regelung in Satz 1 des § 34 Abs. 3 TV-L. Eines der großen Ziele der Neugestaltung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst war die Lösung des Tarifrechts für die Beschäftigten von den beamtenrechtlichen Regelungen und der Anknüpfung an den Begriff des "öffentlichen Dienstes". Insoweit konsequent hat man auch den Begriff der "Dienstzeit", der in dem bis 31.10.2006 im Tarifgebiet West gültigen BAT für bestimmte Ansprüche maßgebend war, nicht in den TV-L übernommen.
Im Rahmen der Tarifeinigung über die Einführung des TV-L wurde jedoch von den Tarifvertragsparteien für bestimmte tarifliche Leistungen erneut eine Regelung zur Anrechnung von Vorzeiten bei anderen Arbeitgebern in die Beschäftigungszeit-Regelung aufgenommen. Angerechnet werden bei einem Arbeitgeberwechsel
- Zeiten bei einem anderen vom TV-L erfassten Arbeitgeber sowie
- Zeiten bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber.
Die Zeiten bei den genannten und nachfolgend näher erläuterten anderen Arbeitgebern werden jedoch nur hinsichtlich des Anspruchs auf Krankengeldzuschuss sowie der Zahlung des Jubiläumsgelds als Beschäftigungszeit angerechnet. Für die Bemessung der Kündigungsfristen sowie – im Tarifgebiet West – den Ausschluss der ordentlichen Kündigung sind allein die bei demselben Arbeitgeber verbrachten Zeiten maßgebend (Einzelheiten hierzu unten, Ziffer 3).
Man könnte auch von der
- sog. "Beschäftigungszeit I" – Beschäftigungszeit im Sinne des § 34 Abs. 3 Sätze 1 und 2 – maßgebend für die Kündigung, und
- sog. "Beschäftigungszeit II" – Beschäftigungszeit im Sinne des § 34 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 – maßgebend für Krankengeldzuschuss und Jubiläumsgeld,
sprechen, wobei diese Bezeichnungen jedoch keinen Einfluss in den Tariftext gefunden haben.
Sind die tariflichen Voraussetzungen erfüllt, so muss die Vorbeschäftigung auf die Beschäftigungszeit angerechnet werden. Dem Arbeitgeber steht bei seiner Entscheidung kein Ermessensspielraum zu.
2.2.2 Wechsel zwischen TV-L-Arbeitgebern
Wechseln Beschäftigte "zwischen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrags erfasst werden", werden die Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber als Beschäftigungszeit anerkannt (§ 34 Abs. 3 Satz 3 TV-L).
2.2.2.1 Vom TV-L erfasste Arbeitgeber
Nach § 1 TV-L gilt dieser Tarifvertrag nur für Beschäftigte, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) oder eines Mitgliedsverbandes der TdL ist.
Nicht dem Geltungsbereich des TV-L unterliegen z. B.
- Einrichtungen, die sog. "TV-L-ähnliche" Tarifverträge anwenden, wie z. B. TVöD (für Bund und Kommunen) den DRK-TV, den Tarifvertrag für die Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken (TV-VBGK),
- Einrichtungen, die sog. Allgemeinen Vertragsrichtlinien unterliegen, wie z. B. der AVR Caritas, AVR Diakonie, der Kirchlichen Ordnung über die Anwendung des BAT (BAT-Kirchliche Fassung, BAT-KF).
Vorzeiten bei solchen Arbeitgebern werden nicht als Beschäftigungszeit anerkannt!
Privilegiert sind damit zunächst Zeiten bei den Bundesländern, die Mitglied in der TdL sind.
Bei einem Wechsel von einer Einrichtung des Lands oder einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber zu einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ist jedoch die Regelung in § 34 Abs. 3 Satz 4 TV-L zu beachten (Einzelheiten siehe unten, Ziffer 2.2.3).
Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Vorzeiten bei sog. TV-L-Anwendern anzurechnen.
Das BAG hat in anderem Zusammenhang (zur Sperrwirkung von Tarifverträgen nach § 77 Abs. 3 BetrVG) zum Geltungsbereich von Tarifverträgen entschieden:
Bestimmt sich der fachliche Geltungsbereich eines Tarifvertrags – wie im TV-L – durch die Mitgliedschaft im tarifschließenden Arbeitgeberverband, so reicht die Möglichkeit, dem Arbeitgeberverband beitreten zu können, aus, um vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst zu sein. Der Geltungsbereich eines Tarifvertrags ist somit nicht auf die aktuellen Mitglieder des Verbands beschränkt, sondern erfasst auch "potenzielle Mitglieder des tarifschließenden Verbands".
Begründet wird dies wie folgt: Sinn und Zweck der mitgliedschaftsbezogenen Beschreibung des Geltungsbereichs ist es, Abgrenzungsprobleme und Streitigkeiten zu vermeiden, die sich bei einer branchenbezogenen Festlegung insbesondere für Mischbetriebe und beim Herauswachsen eines Betriebs aus dem bisherigen Wirtschaftszweig ergeben können. So fallen sämtliche Betriebe eines Mitgliedsunternehmens in den Geltungsbereich des betreffenden Tarifvertrags, unabhängig davon, welcher Branche sie inhaltlich zuzuordnen sind. Mit der mitgliedschaftsbezogenen Bestimmung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags ist in der Regel nicht nur eine Präzisierung, sondern auch "eine Erweiterung des Geltungsbereichs des Tarifvertrags" verbunden.
Somit ist für die Prüfung, ob Vorzeiten bei anderen Arbeitgebern auf die "Beschäftigungszeit II" anzur...