Entscheidungsstichwort (Thema)
Sprungrevision. Zustimmung des Gegners. Zustimmung zur Einlegung der Revision. Eindeutigkeit. Rechtsfolgen der Zustimmung. Unzulässigkeit des Rechtsmittels
Leitsatz (amtlich)
Erteilt der Rechtsmittelgegner schon vor der Zulassung der Sprungrevision seine Zustimmung zu diesem Rechtsmittel, dann muß sich aus seiner Erklärung eindeutig ergeben, daß er auch mit der Einlegung der Sprungrevision einverstanden ist (Anschluß an BSG SozR 1500 § 161 Nr. 29).
Normenkette
SGG § 161
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Juli 1992 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zu gewährenden Krankengeldes.
Der Kläger ist freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Diese gewählte ihm für die Zeit vom 28. Oktober bis 27. November 1990 Krankengeld in Höhe von 91,19 DM täglich (Nettobetrag). Mit Schreiben vom 18. November 1990 machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, daß der Berechnung seines Krankengeldes ein Nettoarbeitsentgelt von 3.347,81 DM zugrunde gelegt werden müsse. Abzüglich der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ergäbe sich ein tägliches Nettokrankengeld von 98,76 DM. Mit Bescheid vom 28. Januar 1991 lehnte die Beklagte die Berechnung auf der Basis eines Nettoarbeitsentgelts in Höhe von 3.347,81 DM mit der Begründung ab, daß von dem Nettoarbeitsentgelt noch der freiwillige Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe des Arbeitnehmeranteils von 200,81 DM abzuziehen sei und somit als Höchstgrenze für den Krankengeldbezug von einem Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 3.147,00 DM ausgegangen werden müsse. Der hiergegen erhobene Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 4. April 1991).
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Bescheide vom 28. Januar 1991 und 4. April 1991 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 28. Oktober bis 27. November 1990 ein höheres Krankengeld unter Berücksichtigung eines Nettoarbeitsentgelts von 3.347,81 DM zu gewähren. Außerdem hat es die Sprungrevision zugelassen.
Mit der Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung der Vorschrift des § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB V und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Juli 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist zur Stützung seiner Rechtsauffassung insbesondere auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. Februar 1991 – 3 RK 3/89 – (Ersk 1993, 119).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unzulässig.
Da das SG die Revision im Urteil zugelassen hat, war der Revisionsschrift die Zustimmung des Gegners, hier des Klägers, beizufügen (§ 161 Abs. 1 Satz 3 Alternative 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Die Beklagte ist hierauf in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils hingewiesen worden (vgl. hierzu BSG SozR 1500 § 66 Nr. 10).
Sie hat zum Nachweis der Zustimmung des Klägers eine Ausfertigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG vom 28. Juli 1992 der Revisionsschrift beigefügt. Darin heißt es ua wörtlich:
„Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen und für den Fall, daß der Klage stattgegeben wird, die Sprungrevision zuzulassen.
Der Vertreter des Klägers stimmt der Sprungrevision zu.”
Aus dem Protokoll ergibt sich, daß der Kläger auf jeden Fall mit der Zulassung der Sprungrevision einverstanden war. Dies genügt aber nicht. Wenn – wie hier – die Zustimmung bereits vor der Zulassungsentscheidung des SG in einer Erklärung erteilt wird, dann muß diese auch eindeutig erkennen lassen, daß der Rechtsmittelgegner mit der Einlegung der Sprungrevision einverstanden ist (BSG SozR 1500 § 161 Nr. 29), Denn zwischen der Erklärung des Einverständnisses zur Zulassung der Sprungrevision und der Erklärung des Einverständnisses zur Einlegung der Sprungrevision besteht aus der Sicht des Rechtsmittelgegners ein wesentlicher Unterschied. Während die Zulassung der Sprungrevision auch für den Rechtsmittelgegner die Rechtsmittelmöglichkeiten erweitert, ihm also ausschließlich Vorteile bringt, liegt in der Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision ein Rechtsverzicht. Das schließt es nach der Rechtsprechung des 3., 12. und 11. Senats des BSG in der Regel aus, eine Erklärung zur Zulassung der Sprungrevision, jedenfalls sofern sie – wie hier – vor deren Zulassung abgegeben wurde, als Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision auszulegen (vgl. dazu auch BSG SozR 1500 § 161 Nrn. 3, 5 und 29). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Die in der vorgelegten Verhandlungsniederschrift beurkundete Zustimmungserklärung des Klägers läßt – bei Berücksichtigung des Zusammenhangs, in den sie gestellt ist – offen, ob sie sich nur auf die Zulassung der Sprungrevision oder auch ihre Einlegung beziehen sollte.
Die Revision war daher gemäß § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen