Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. schlüssige Darlegung. Verfahrensfehler

 

Orientierungssatz

Um sich im Beschwerdeverfahren auf einen (nicht protokollierten) Beweisantrag berufen zu können, hätte der Beschwerdeführer vortragen müssen, er habe bezüglich dieses Vorbringens einen Antrag auf Berichtigung der Sitzungsniederschrift gemäß § 164 ZPO iVm § 122 SGG gestellt.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, §§ 103, 122; ZPO § 164

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 29.09.1997; Aktenzeichen L 6 U 98/96)

SG Osnabrück (Entscheidung vom 17.01.1996; Aktenzeichen S 8 U 268/94)

 

Gründe

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil gerichtete Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht sowie Verfahrensmängel rügt, ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend Rechnung getragen.

Der Beschwerdeführer hält für grundsätzlich bedeutsam die vom Landessozialgericht (LSG) offengelassene Frage, "ob für die tatsächlichen Feststellungen, die zur Beurteilung dieses sachlichen Zusammenhangs die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt oder ob sie voll bewiesen sein müssen". Die hierzu gegebene Begründung des Beschwerdeführers kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht- ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 sowie Beschluß des Senats vom 16. Oktober 1997- 2 BU 149/97 -). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX RdNrn 65 und 66; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Beschwerdeführer hat nicht schlüssig dargelegt, daß die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Er meint, daß das von ihm zitierte Urteil des Senats vom 5. Mai 1994- 2 RU 16/93 - (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 8 = NZS 1994, 520) lediglich die Unterbrechung des Heimwegs bei einem Wegeunfall betreffe und die von ihm für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage nicht entschieden habe. Dabei hat der Kläger aber übersehen, daß sich diese Entscheidung gerade mit der Frage befaßte, ob der für den Versicherungsschutz erforderliche innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit- durch eine mehr als zwei Stunden eigenwirtschaftlichen Zwecken dienende Verrichtung - unterbrochen wurde. Dabei hat sich das BSG auch mit den Beweisanforderungen, insbesondere an die Tatsachenfeststellungen auseinandergesetzt und ausgeführt, daß bezüglich des Heimwegs die betriebsbedingte Ursache, die versicherte Tätigkeit, sicher feststehen müsse. Nur für die Ursächlichkeit reiche die Wahrscheinlichkeit aus. Nicht anders verhalte es sich mit den anderen Ursachen. Auch sie müßten erwiesen sein, um bei der Abwägung mit anderen Ursachen berücksichtigt werden zu können. Kann ein in Betracht zu ziehender Faktor entweder selber oder wenigstens in seinen Grundvoraussetzungen nicht festgestellt werden, so stelle sich nicht einmal die Frage, ob er im konkreten Einzelfall auch nur als Ursache im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn in Betracht zu ziehen sei. In die rechtliche Wertung dürfe nur das einbezogen werden, was feststehe. Damit hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit nicht schlüssig dargelegt. Eine Rechtsfrage ist grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich beantwortet ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; § 160a Nrn 13, 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsfrage im übrigen überhaupt entscheidungserheblich ist, nachdem das LSG zugunsten des Klägers im Hinblick auf seine Beweisschwierigkeiten davon ausgegangen ist, daß es ausreiche, wenn eine im sachlichen Zusammenhang mit dem Zurücklegen des Weges stehende Unfallursache, insbesondere ein Verkehrsunfall, wahrscheinlich sei.

Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Beschwerdeführer trägt zwar vor, er habe bereits in der Klagebegründung mit Schriftsatz vom 4. Oktober 1994, der durch die Berufung voll umfänglich Inhalt der zweiten Instanz geworden sei, beantragt, im Hinblick auf die von ihm im einzelnen geltend gemachte Unfallhergangsmöglichkeit von Amts wegen ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, daß ein Verkehrsunfall hinreichend wahrscheinlich sei und andere Unfallhergangsmöglichkeiten eher auszuschließen seien. Es fehlen für die Zulassung einer Revision wegen des gerügten Verfahrensmangels jedoch schlüssige Ausführungen des Beschwerdeführers, daß dieser Beweisantrag zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG auch noch berücksichtigungsfähig war. Dazu hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten obliegt, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (vgl ua Beschlüsse des Senats vom 11. Dezember 1996- 2 BU 232/96 - und vom 7. Januar 1997- 2 BU 286/96 - sowie Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 1992- 1 BvR 1935/91 - = SozR 3-1500 § 160 Nr 6). Es ist der Sinn der erneuten Antragstellung, zum Schluß der mündlichen Verhandlung auch darzustellen, welche Anträge nach dem Ergebnis der für die Entscheidung maßgebenden mündlichen Verhandlung noch abschließend gestellt werden, mit denen sich das LSG dann im Urteil befassen muß, wenn es ihnen nicht folgt. Der Kläger hätte deshalb in der mündlichen Verhandlung vom 29. September 1997 einen entsprechenden Beweisantrag zumindest hilfsweise stellen müssen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 29. September 1997 ist dies nicht geschehen.

Der Beschwerdeführer trägt allerdings in der Beschwerdebegründung vor, er habe den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 29. September 1997 wiederholt. Aber auch dieser Vortrag reicht für die schlüssige Darlegung eines im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde berücksichtigungsfähigen Beweisantrags nicht aus. Dazu hätte der Beschwerdeführer zumindest vortragen müssen, er habe bezüglich dieses- nicht protokollierten - Vorbringens einen Antrag auf Berichtigung der Sitzungsniederschrift (§ 164 der Zivilprozeßordnung iVm § 122 SGG) gestellt, um sich im Beschwerdeverfahren auf diesen Antrag berufen zu können (s Beschlüsse des Senats vom 1. August 1996- 2 BU 144/96 - und vom 7. Januar 1997- 2 BU 286/96 - sowie BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9; Krasney/Udsching, aaO, IX RdNr 129 mwN). Auch im Urteil des LSG ist dieser Beweisantrag nicht aufgeführt.

Die übrigen Ausführungen des Beschwerdeführers, insbesondere daß das LSG sich bei seiner Entscheidung nicht auf das- nach Ansicht des Klägers unverwertbare - Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. hätte stützen dürfen, betreffen die Beweiswürdigung durch das LSG. Solche gegen die Beweiswürdigung des LSG gerichteten Rügen können jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen, weil § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG es ausdrücklich ausschließt, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen. Dieser Hinweis soll allerdings keinesfalls Zweifel an der Rechtmäßigkeit der freien richterlichen Beweiswürdigung durch das LSG andeuten.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175461

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