Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Feststellungsverfahren nach § 8 AAÜG. Zulässigkeit von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage

 

Orientierungssatz

1. Soweit ein Kläger sich in dem mit der Nichtzulassungsbeschwerde erstrebten Revisionsverfahren gegen eine im Feststellungsverfahren gem § 8 AAÜG ergangene Maßnahme des Versorgungsträgers wendet, indem er die Verpflichtung des Versorgungsträgers zur Feststellung von Arbeitsverdiensten bis zu den benannten Höchstgrenzen unter Aufhebung der von ihm beanstandeten Mitteilung begehrt, macht er damit deutlich, dass er sein Begehren im Hauptverfahren mit einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgen will. Dazu muss er zunächst die Zulässigkeit dieser Klagen aufzeigen.

2. Zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage muss der Kläger geltend machen, dass er durch einen "Verwaltungsakt" belastet wird.

3. Zur Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage gegen den Versorgungsträger ist die Darlegung erforderlich, dass die ständige Rechtsprechung des Senats, wonach in Fällen der vorliegenden Art eine Verpflichtungsklage mangels Klagebefugnis unzulässig ist (vgl BSG vom 14.6.1995 - 4 RA 98/94, vom 18.7.1996 - 4 RA 7/95 = SozR 3-8570 § 8 Nr 2, vom 4.8.1998 - B 4 RA 74/96 R, vom 10.11.1998 - B 4 RA 30/98 R und vom 20.12.2001 - B 4 RA 6/01 R = SozR 3-8570 § 8 Nr 7) keine Anwendung finden kann.

 

Normenkette

AAÜG § 8; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 22.04.2002; Aktenzeichen L 16 RA 183/94 W 99)

SG Berlin (Entscheidung vom 14.11.1994; Aktenzeichen S 16 An 4576/94)

 

Gründe

Die Klägerin begehrt im Hauptverfahren ua, die Beklagte in ihrer gesetzlichen Funktion als Versorgungsträger zu verpflichten, für Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des MfS/AfNS als maßgebende Arbeitsentgelte 80 vH des tatsächlich erzielten Jahresbruttoarbeitsentgeltes, höchstens die Werte der Anlage 3 zum AAÜG, hilfsweise, 80 vH des tatsächlich erzielten Jahresbruttoarbeitsentgeltes bis zu höchstens 150 vH des jeweiligen Durchschnittseinkommens im Beitrittsgebiet mit der Maßgabe festzustellen, dass die insgesamt zu zahlende Rentenleistung höchstens einer Rentenleistung aus 128 vH des im gleichen Zeitraum im Beitrittsgebiet erzielten Durchschnittsentgeltes entspricht; zugleich begehrt sie, die beigeladene BfA in ihrer gesetzlichen Funktion als Rentenversicherungsträger zu verpflichten, entsprechend diesen Arbeitsverdiensten den monatlichen Rentenhöchstwert neu festzusetzen.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 22. April 2002.

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und eines Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), nicht in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

1. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert zunächst, dass ein Beschwerdeführer die im angestrebten Revisionsverfahren vom Revisionsgericht zu entscheidende Rechtsfrage klar und unmissverständlich bezeichnet. Darüber hinaus ist darzutun, dass die Rechtsfrage klärungsfähig und klärungsbedürftig ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59 und 65).

Die Klägerin hat folgende Frage aufgeworfen:

"War der Gesetzgeber nach der Klärung des tatsächlichen Verhältnisses des Einkommensniveaus im MfS/AfNS gegenüber dem Einkommensniveau der Bevölkerung der DDR durch das Urteil des BVerfG vom 28. April 1999 - 1 BvL 22/95, 1 BvL 34/95 - gebunden, ex tunc eine Regelung des § 7 Abs 1 iVm Anlage 6 AAÜG zu treffen, der Kriterien bei der Bestimmung der Überhöhungstatbestände zu Grunde liegen, die in den tatsächlichen Verhältnissen eine Entsprechung finden?"

Es kann dahin stehen, ob die von der Klägerin formulierte Frage eine "Rechtsfrage" beinhaltet. Dies unterstellt, hat sie nicht deren Klärungsfähigkeit aufgezeigt.

Um die Klärungsfähigkeit einer aufgeworfenen Rechtsfrage, dh deren konkrete Entscheidungserheblichkeit, vorzutragen, muss ein Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils - im angestrebten Revisionsverfahren - und insbesondere den Schritt darstellen, der die Entscheidung der von ihm als grundsätzlich angesehenen Frage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass nach Zulassung der Revision über die von ihr formulierte Frage entschieden werden müsste; denn sie hat nicht dargelegt, dass das Revisionsgericht überhaupt zu einer Sachentscheidung hierüber befugt sein würde (vgl insoweit auch Beschluss des Senats vom 2. Dezember 2002 in dem Parallelverfahren B 4 RA 110/02 B).

a) Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung angekündigt hat, sie begehre im angestrebten Revisionsverfahren, die Beklagte (in ihrer Funktion als Versorgungsträger) unter Aufhebung der beanstandeten Mitteilung im Bescheid vom 1. Oktober 1999 zu verpflichten, Arbeitsverdienste bis zu den benannten Höchstgrenzen festzustellen, wendet sie sich gegen eine im Feststellungsverfahren nach § 8 AAÜG ergangene Maßnahme des Versorgungsträgers. Insoweit macht sie deutlich, dass sie im Hauptverfahren ihr Begehren mit einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgen will. Sie hätte daher zunächst die Zulässigkeit dieser Klagen aufzeigen müssen. Denn nur in einem solchen Fall wäre das Revisionsgericht im späteren Revisionsverfahren befugt, ggf sachlich über die von ihr formulierte Frage zu befinden.

Zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage hätte die Klägerin geltend machen müssen, dass sie durch einen "Verwaltungsakt" belastet wird. Im Hinblick auf die aufgeworfene Frage hätte sie daher aufzeigen müssen, welche Regelung die Beklagte bzgl der hier relevanten Arbeitsverdienste getroffen hat, insbesondere ob die Mitteilungen tatsächlich erzielter Verdienste bis zur Höhe von 70 vH des Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet Verwaltungsakte sind.

Zu einem solchen Vortrag bestand schon deshalb Anlass, weil nach der stRspr des Senats der hier maßgebliche § 8 AAÜG nur die Kompetenz und Befugnis des Versorgungsträgers begründet, durch Verwaltungsakt ua die aus einer vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung tatsächlich erzielten Verdienste und die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der besonderen Beitragsbemessungsgrenzen iS des § 6 Abs 2 und 3 AAÜG sowie des § 7 Abs 1 AAÜG festzustellen, also über versorgungsrechtliche Vorfragen tatsächlicher Natur ("Daten") zu entscheiden. Demgegenüber ist die Entscheidung über die rentenversicherungsrechtlichen Fragen allein dem Rentenversicherungsträger vorbehalten. Hierzu gehört insbesondere die Frage, welche Beitragsbemessungsgrenze für welche Zeiträume und Arbeitsverdienste maßgeblich ist (so schon Teilurteile und Vorlagebeschlüsse des Senats vom 14. Juni 1995, stellv 4 RA 98/94; ebenso Urteile vom 18. Juli 1996, SozR 3-8570 § 8 Nr 2; vom 4. August 1998, B 4 RA 74/96 R; vom 10. November 1998, B 4 RA 30/98 R; vom 20. Dezember 2001, B 4 RA 6/01 R, SozR 3-8570 § 8 Nr 7).

Da der Erlass eines Verwaltungsaktes mit (belastender) Regelung von Rechtspositionen eines Bürgers auf Grund der Gesetzesvorbehalte (vgl § 31 SGB I) eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erfordert, bedurfte es besonderer Ausführungen dazu, dass der an Gesetz und Recht gebundene Versorgungsträger eine Einzelfallregelung über die im rentenversicherungsrechtlichen Verhältnis zwischen dem Rentenversicherungsträger und der Klägerin maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze getroffen haben könnte. Läge kein Verwaltungsakt vor, wäre die Anfechtungsklage unzulässig.

Hätte - was der Darlegung bedurft hätte - die Beklagte - entgegen der Gesetzeslage - dennoch eine solche Entscheidung getroffen oder bloß formelle Verwaltungsakte mit dem Anschein solcher Regelungen erlassen, wären Anfechtungsklagen zwar zulässig. Sie würden ggf auch im Sinne der Aufhebung dieser Entscheidungen des Versorgungsträgers über das Rentenversicherungsrecht begründet sein. Damit wäre aber keine Prüfung der aufgeworfenen Frage verbunden, weil diese nur bei einer Verpflichtungs- oder Leistungsklage gegen den Rentenversicherungsträger entscheidungserheblich werden kann. Eine Verpflichtungsklage gegen den Versorgungsträger wäre hingegen unzulässig.

Die Klägerin hat aber auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Verpflichtungsklagen gegen den Versorgungsträger nicht dargelegt. Nach der bereits zitierten stRspr des Senats ist in Fällen der vorliegenden Art die Verpflichtungsklage mangels Klagebefugnis (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG) unzulässig. Die Klägerin hätte aufzeigen müssen, dass die genannte Rechtsprechung keine Anwendung finden kann, soweit sie darauf abstellt, dass Ansprüche des Versorgungsberechtigten gegen den beklagten Versorgungsträger auf Feststellungen, welche Beitragsbemessungsgrenzen rentenversicherungsrechtlich maßgeblich sind, nach positivem Recht schlechthin nicht bestehen können und dass insbesondere § 8 Abs 1 und Abs 3 AAÜG solche Feststellungsansprüche nicht gibt.

Die Klägerin hat zwar diese Rechtsprechung (insbesondere in ihrer nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangenen ergänzenden Beschwerdebegründung das Urteil des Senats vom 20. Dezember 2001, aaO) zum Anlass genommen, Ausführungen zur Zulässigkeit der Verpflichtungsklage zu machen, sie hat jedoch nicht aufgezeigt, warum diese Rechtsprechung keine Beachtung mehr finden könnte. Soweit sie die Neufassung des § 8 Abs 2 AAÜG durch das 2. AAÜG-ÄndG anspricht, trägt sie selbst vor, dass der Gesetzgeber unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats eine "Klarstellung" zu § 8 Abs 2 AAÜG vorgenommen und nach den Worten "... Arbeitseinkommen" das bisherige Wort "sowie" durch "oder" und nach den Worten "... nach Anwendung" die Normen "§ 6 und 7" durch " 6 Abs 2 und 3 sowie 7" ersetzt habe. Sie hat nicht aufgezeigt, der Gesetzgeber habe an irgendeiner Stelle zu erkennen gegeben, er wolle durch die an die Rechtsprechung des Senats anknüpfende "Klarstellung" in § 8 Abs 2 AAÜG der Norm im Vergleich zur vorhergehenden Fassung eine andere inhaltliche Bedeutung geben, also nicht nur eine "klarstellende" redaktionelle Änderung vornehmen. Insbesondere wurde nicht darauf eingegangen, dass die Kompetenz- und Befugnisnorm des § 8 Abs 1 AAÜG, der das Versorgungsrechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsträger und dem (früher) Versorgungsberechtigten betrifft und die Befugnisse des Versorgungsträgers zu Datenfeststellungen abschließend regelt, nicht geändert worden ist.

Soweit die Klägerin meint, es sei auch im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG (Urteil vom 28. April 1999, 1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95 und 1 BvR 1560/97) zweifelhaft, ob die Feststellungsbefugnis des Versorgungsträgers im Rahmen des § 8 AAÜG - wie vom erkennenden Senat entschieden - beschränkt sei, hat sie nicht dargelegt, dass und an welcher Stelle das BVerfG (aus verfassungsrechtlichen Gründen und entgegen seiner eigenen bisherigen Rechtsprechung) eine von der Rechtsprechung des für das einfache Gesetzesrecht zuständigen Obersten Gerichtshofs abweichende Feststellungsbefugnis des Versorgungsträgers statuiert haben könnte.

b) Soweit die Klägerin in der Beschwerdebegründung sinngemäß vorträgt, sie werde im angestrebten Revisionsverfahren auch beantragen, die Beigeladene, also die BfA in ihrer Funktion als Rentenversicherungsträger, zu verpflichten, auf der Grundlage der durch Erhöhung der Bemessungsgrenzen zu berücksichtigenden höheren Verdienste einen höheren monatlichen Rentenwert festzustellen, hat sie es wiederum unterlassen, die Klärungsfähigkeit ihrer Frage aufzuzeigen. Sie hat nicht dargelegt, dass eine solche "Verurteilung" der Beigeladenen im Rahmen einer Verpflichtungsklage überhaupt zulässig ist. Hierzu hätte sie ua ausführen müssen, dass die Voraussetzungen des § 75 Abs 5 SGG für den begehrten Ausspruch des Gerichts vorliegen. Hierzu fehlen jegliche Ausführungen. Auf weitere nicht dargelegte Sachurteilsvoraussetzungen ist daher nicht mehr einzugehen.

2. Die Klägerin hat auch keinen Verfahrensmangel bezeichnet, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG).

Mit ihrem Vortrag, sie habe mit Schriftsatz vom 4. April 2002 beantragt, gutachterlich klären zu lassen, welches Arbeitsentgelt sie erzielt hätte, wenn sie die im MfS ausgeübte Tätigkeit zivilberuflich ausgeübt hätte, hat sie einen Verfahrensmangel nicht dargetan. Sie hat bereits nicht vorgetragen, dass sie diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 22. April 2002 aufrechterhalten hat. Darüber hinaus hat sie ua nicht dargelegt, weshalb das LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - sich zur Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen.

3. Die Beschwerdebegründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Beschwerde ist deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2347558

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