Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Mai 1994 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm wegen der Folgen eines Nabelbruchs Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 1988; zusprechendes Urteil des Sozialgerichts vom 23. September 1992; die Klage abweisendes Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 5. Mai 1994). Das LSG hat den rechtlich wesentlichen Zusammenhang zwischen dem Heben zusammen mit drei Arbeitskollegen eines ca 200 kg schweren Modellstückes von einer Fräsmaschine auf einen Werkstattwagen und dem Nabelbruch bei seiner beruflichen Tätigkeit am 27. August 1987 verneint. Das LSG hat sich dabei auf die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. S. … und Prof. Dr. J. … gestützt und ausgeführt, bei dem am 4. September 1987 erfolgten operativen Eingriff hätten sich keine Einblutungen und Gewebszerreißungen gefunden. Auch habe der Kläger unmittelbar nach dem angeschuldigten Ereignis nur geringe Beschwerden gehabt und sich am darauffolgenden Tag noch in der Lage gesehen, seine Arbeit auszuüben. In seiner Klagebegründung habe er vorgetragen, daß am Abend des 27. August 1987 keine besonderen Schmerzen aufgetreten seien. Gegen einen Zusammenhang spreche auch, daß nach der medizinischen Literatur ein Unfall für die Entstehung eines Nabelbruchs nur äußerst selten in Betracht komme. Hinzu komme, daß bereits vor dem angeschuldigten Ereignis ein Nabelbruch bestanden habe, der dem Kläger allerdings keine Beschwerden bereitet habe.
Mit seiner hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, die Revision sei zuzulassen, weil das Urteil des LSG auf Verfahrensfehlern beruhe. Außerdem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verlangen diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Daran fehlt es der Beschwerde.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs. Das LSG hätte auf den rechtlichen Gesichtspunkt hinweisen müssen, daß es gedenke, für die bei ihm vorliegende Verletzung nicht von einem Arbeitsunfall, sondern von einer Gelegenheitsursache auszugehen. Er habe keine Gelegenheit gehabt, zu dieser Annahme des LSG Stellung zu nehmen.
Diese auf § 62 SGG, Art 103 des Grundgesetzes gestützte Rüge ist nicht schlüssig dargelegt. Die genannten Vorschriften sollen verhindern, daß die Prozeßbeteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf einer Rechtsauffassung beruht, zu der sie sich nicht äußern konnten. Der sich hieraus ergebende Anspruch auf rechtliches Gehör und die dementsprechenden Hinweispflichten des Gerichts beziehen sich jedoch nur auf erhebliche Tatsachen, die den Betroffenen bislang unbekannt waren, und auf neue rechtliche Gesichtspunkte (Beschluß des Senats vom 31. August 1993 – 2 BU 61/93 –). Solche hat das LSG im vorliegenden Fall nicht in das Verfahren eingebracht. Die Frage, ob das angeschuldigte Ereignis vom 27. August 1987 den Nabelbruch rechtlich wesentlich verursacht hat, oder ob eine rechtlich unerhebliche sog Gelegenheitsursache vorliegt, war von Anfang an Gegenstand des Verfahrens. So heißt es bereits in der Begründung des angefochtenen Bescheides vom 15. Dezember 1988 (Bl 35 f der Verwaltungsakten), dem Unfallhergang komme nur die Bedeutung einer rechtlich nicht beachtlichen Gelegenheitsursache zu mit der Folge, daß das Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne des Gesetzes zu verneinen sei. Ebenso hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung vom 11. Februar 1993, Seite 4 unter Buchstabe g zu diesem Fragenkomplex Stellung genommen. Der Kläger hatte ausreichende Gelegenheit, sich zu dieser Kausalitätsfrage zu äußern. Das LSG hat die vorliegenden Gutachten lediglich anders gewürdigt, als der Kläger dies erhofft oder erwartet hat. Es gibt aber keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Angesichts des in § 128 Abs 1 Satz 1 SGG verankerten Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung und des Verbots einer vorweggenommenen Beweiswürdigung durch einzelne Mitglieder des Spruchkörpers vor der Beratung des Gerichts müssen die Beteiligten deshalb damit rechnen, daß das Gericht eine andere als die erwartete Überzeugung gewinnt (Beschluß des Senats vom 31. August 1993 – aaO –).
Die weiteren Rügen des Klägers in diesem Zusammenhang richten sich im Kern gegen die Beweiswürdigung durch das LSG. Dies kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen, da § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG es ausschließt, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung des LSG iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen.
Aus diesen Gründen kann auch die Rüge, das LSG habe die mündliche Verhandlung vor genügender Erörterung der Sach- und Rechtslage geschlossen, nicht zur Zulassung der Revision führen. Das vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angeführte Urteil des BSG vom 21. April 1966 (SozR Nr 1 zu § 121 SGG) trifft einen anders gelagerten Sachverhalt. In dieser Entscheidung hat das BSG die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung für geboten erachtet, wenn das Gericht nach Verhandlungsschluß erkennt, daß der Kläger einen anderen Antrag im Wege der Anschlußberufung stellen will, und wenn es außerdem aus den Umständen entnehmen muß, daß offenbar vor Verhandlungsschluß ein Mißverständnis beim Kläger vorlag, das möglicherweise durch eine unklare Fragestellung des Gerichts oder eine überhastete Schließung der mündlichen Verhandlung hervorgerufen worden ist. Derartige Umstände hat der Beschwerdeführer für den vorliegenden Fall nicht dargelegt.
Der Kläger rügt ferner, das LSG habe wesentliches Vorbringen nicht berücksichtigt. Die hierzu gegebene Begründung reicht für die Schlüssigkeit einer auf Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützten Verfahrensrüge nicht aus. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 65, 293, 295). Insofern müssen zwar die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl BVerfGE 47, 182, 189); jedoch ist nicht jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (BSG Beschluß vom 3. März 1994 – 2 BU 203/93 – mwN). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so läßt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich war (BVerfGE 86, 133, 146). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat das LSG durchaus bei seiner Beweiswürdigung berücksichtigt, daß der Kläger wegen eines im Jahre 1984 festgestellten erbsengroßen Nabelbruchs keine Beschwerden hatte. So heißt es im angefochtenen Urteil auf Seite 10 am Ende des zweiten Absatzes: „Hinzu kommt, daß bereits vor dem angeschuldigten Ereignis vom 27. August 1987 ein Nabelbruch bestand, der dem Kläger allerdings keine Beschwerden bereitete”.
Die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen zielen wiederum im Kern auf eine falsche Beweiswürdigung durch das Gericht, auf die – wie bereits dargelegt – die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden kann.
Der Kläger rügt ferner, er habe nach Ablehnung seines Befangenheitsantrags durch Beschluß des LSG vom 13. Mai 1993 in der mündlichen Verhandlung am 5. Mai 1994 erklärt, daß er den Befangenheitsantrag gegen Prof. Dr. J. … aufrechterhalte. Hierin sei ein erneutes Ablehnungsgesuch zu sehen, über das das LSG ausweislich des Urteils nicht entschieden habe, da das Gericht nicht von einem erneuten Ablehnungsgesuch ausgegangen sei. Bei diesem Vortrag übersieht der Beschwerdeführer, daß er nach den bindenden Feststellungen des LSG (Seite 7 vorletzter Absatz) erklärt hat, er halte – ohne ein erneutes Ablehnungsgesuch zu stellen – an der Besorgnis der Befangenheit fest. Davon abgesehen hat der Beschwerdeführer keine ihm erst in der Zeit nach dem 13. Mai 1993 bekannt gewordenen Gründe dargelegt, die eine Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. J. … rechtfertigen könnten. Die Vorwürfe des Klägers über Äußerungen des Sachverständigen im Untersuchungstermin, die nach seiner Ansicht die Befangenheit rechtfertigten, sind bereits im Beschluß des LSG vom 13. Mai 1993 gewürdigt worden.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNrn 65, 66; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Beschwerdeführer setzt sich nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung (s ua BSG SozR 3-2200 § 548 Nrn 11 und 13 sowie die Nachweise bei Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 548 RdNr 3.2) auseinander. Er legt auch nicht dar, inwieweit diese in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze insbesondere zu der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Frage des Unfallschutzes bei einem mit einem „Körperschaden vorbelasteten Versicherten” (s die Nachweise bei Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens aaO § 548 RdNr 3.2 unter dem Stichwort Gelegenheits(-Anlaß-)Ursache sowie in KassKomm-Ricke, § 548 RVO, RdNrn 11 ff). Die weitere vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, „ob nicht ein Nabelbruch als unfallbedingt angesehen werden kann”, zielt auf einen Fehler in der Beweiswürdigung durch das LSG. Wie bereits dargelegt, kann dies nicht zur Zulassung der Revision führen.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen