Verfahrensgang

SG Duisburg (Entscheidung vom 19.02.2016; Aktenzeichen S 9 KR 10/13)

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 20.03.2019; Aktenzeichen L 10 KR 227/16)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. März 2019 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X über die Versicherungspflicht des Klägers in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS) für die Zeit vom 1.10.2008 bis zum 14.11.2013. Der am 1977 geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger und absolvierte von 1994 bis 1999 ein Studium an einer Militärhochschule. Hierfür hatte er sich verpflichtet, anschließend fünf Jahre beim Militär zu arbeiten. Nach seiner Ausreise nach Deutschland im November 2001 nahm er zum Wintersemester 2008 das Studium der Rechtswissenschaften auf. Seinen Antrag auf Rücknahme der Ablehnung der Aufnahme in die KVdS (Bescheid vom 9.1.2009) lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17.7.2012, Widerspruchsbescheid vom 5.12.2012). Das SG Duisburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.2.2016). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung zurückgewiesen. Ein für die Aufnahme des Studiums nach Vollendung des 30. Lebensjahres ursächlicher rechtfertigender Hinderungsgrund liege nicht vor. Jedenfalls in der Zeit seit Vollendung des 19. bzw 20. Lebensjahres bis Oktober 2001 sei er an der Aufnahme eines Studiums nicht gehindert gewesen (Urteil vom 20.3.2019). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG). Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (BSG

Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger misst den Fragen,

"ob auch rechtliche (und nicht nur tatsächliche) Hinderungsgründe für das Hinausschieben der Aufnahme eines Studiums bei der Aufnahme in die Krankenversicherung der Studenten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V zu berücksichtigen sind",

und

"ob eine vor der Vollendung des 20. Lebensjahres gesetzte Ursache, die jedoch zum Zeitpunkt der Vollendung des 20. Lebensjahres rechtlich weiter wirkt, bei der Aufnahme in die Krankenversicherung der Studenten zu berücksichtigen ist",

eine grundsätzliche Bedeutung bei. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden sind. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160a RdNr 97). Selbst wenn Rechtsfragen als aufgeworfen unterstellt würden, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt.

Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Überschreiten der Altersgrenze des § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 1 SGB V nur durch solche Hinderungsgründe iS von § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V gerechtfertigt sein, die vor Erreichen dieser Grenze vorgelegen haben. Dabei kommen als Hinderungsgründe nur Sachverhalte in Betracht, die sich in der Zeit zwischen dem regelmäßigen Erwerb einer Studienzugangsberechtigung durch den Betroffenen im Alter von etwa 17 bis 19 Jahren einerseits und der Vollendung des 30. Lebensjahres andererseits ereignen (BSG Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 17/12 R - BSGE 117, 117 = SozR 4-2500 § 5 Nr 24, RdNr 14, 18). Mit dieser, auch vom LSG zitierten Entscheidung setzt sich der Kläger nicht auseinander. Weshalb sich anhand dieser Rechtsprechung die vom Kläger aufgeworfenen Fragen nicht beantworten lassen sollen, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.

Darüber hinaus ist auch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht hinreichend dargetan. Eine Rechtsfrage ist nur dann klärungsfähig, wenn das Revisionsgericht über die betreffende Frage konkret-individuell sachlich entscheiden kann. Das setzt voraus, dass sie sich dem Revisionsgericht auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz überhaupt stellt (BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 8 mwN). Aufgrund der Bindung des Revisionsgerichts an die vom LSG festgestellten Tatsachen (§ 163 SGG) sind Fragen, die sich entscheidungserheblich nur dann stellen, wenn die Vorinstanz andere oder weitere tatsächliche Feststellungen getroffen hätte, nicht klärungsfähig (BSG Beschluss vom 7.8.2013 - B 5 R 222/13 B - BeckRS 2013, 72460 RdNr 10). Dass das LSG eine Sanktionierung des Klägers für den Fall des vorzeitigen Abbruchs der Ausbildung oder des Militärdienstes festgestellt hätte, ist der Beschwerdebegründung indes nicht zu entnehmen. Ungeachtet dessen, dass der Kläger bis 1999 studiert hat und bereits 2001 ausgereist ist, weist er vielmehr nur auf die Feststellung des LSG hin, dass er sich verpflichtet hätte, für fünf Jahre beim Militär zu arbeiten.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13372311

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