Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 4. Dezember 1990 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beigeladenen zu 1) bis 3) der beklagten Ersatzkasse wirksam beigetreten oder weiterhin Mitglied der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse geblieben sind. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 28. September 1989 abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 1990 durch ein am selben Tage verkündetes Urteil zurückgewiesen. Das Urteil des LSG, in dem die Revision zugelassen worden ist, ist nur vom Berichterstatter unterschrieben, der zugleich die Unterschriften des Senatsvorsitzenden und des weiteren Berufsrichters wegen deren dienstlicher Verhinderung ersetzt hat. Das Urteil ist den Beteiligten am 3. Dezember 1991 zugestellt worden.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 517 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung, des Art 2 § 4 Abs 1 der Zwölften Aufbauverordnung und des § 168 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 4. Dezember 1990 und das Urteil des SG vom 28. September 1989 aufzuheben sowie festzustellen, daß die Beigeladenen zu 1) bis 3) weiterhin ihre Mitglieder sind.
Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen war. Denn das Urteil des LSG ist iS des § 551 Nr 7 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist (§ 202 des Sozialgerichtsgesetzes), nicht mit Gründen versehen.
Nach § 551 Nr 7 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, wenn sie nicht mit Gründen versehen ist. Dann liegt ein unbedingter oder absoluter Revisionsgrund vor. Dieses ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch der Fall, wenn zwischen der Entscheidung und ihrer Zustellung ein Jahr liegt (BSGE 51, 122, 124 = SozR 1750 § 551 Nr 9; SozR aaO Nr 12). Dann ist nicht mehr gewährleistet, daß die schriftliche Begründung mit hinreichender Sicherheit das Beratungsergebnis wiedergibt und seiner diesbezüglichen Beurkundungsfunktion noch gerecht wird.
Im vorliegenden Verfahren lag zwischen der Verkündung des Urteils am 4. Dezember 1990 und seiner Zustellung am 3. Dezember 1991 fast genau ein Jahr. Ob auch in einem derartigen Fall der reine Zeitablauf für die Annahme eines Urteils ohne Gründe genügt, kann aus der bisherigen Rechtsprechung nicht sicher abgeleitet werden. In dem Urteil BSGE 51, 122 = SozR 1750 § 551 Nr 9 war die Zustellung an einen Beteiligten ebenfalls am Tag vor dem Jahrestag der Verkündung des Urteils und an den zweiten Beteiligten drei Tage später erfolgt. In diesem Urteil heißt es auch lediglich (BSGE 51, 122, 124), daß „etwa” ein Jahr zu lang sei. Auf der anderen Seite hat das BSG in SozR 1750 § 551 Nr 12 eine Zustellung nach elfeinhalb Monaten in einem Fall noch als unschädlich angesehen, in dem nicht festgestellt werden konnte, daß das schriftliche Urteil infolge der Verzögerung der Absetzung die Verhandlungs- und Beratungsergebnisse nicht mehr zutreffend wiedergibt.
Im vorliegenden Verfahren ist das Urteil des LSG jedenfalls deswegen nicht mit Gründen versehen, weil nicht nur die Zustellung erst am Tag vor dem Jahrestag der Verkündung erfolgt ist, sondern das Urteil außerdem nur vom Berichterstatter unterschrieben ist, der die Unterschriften des Senatsvorsitzenden und des weiteren Berufsrichters ersetzt hat. Einem solchen Umstand hat schon das BVerwG bei der Beurteilung der Frage, ob das mit erheblicher Verzögerung abgefaßte und zugestellte schriftliche Urteil seine Beurkundungsfunktion noch erfüllt, mitentscheidende Bedeutung beigemessen. Denn gerade bei verspäteter Absetzung eines Urteils könne auf die Unterstützung und Kontrolle der Urteilsabsetzung im Richterkollegium nicht verzichtet werden (vgl BVerwGE 85, 280/281). Dem schließt sich der erkennende Senat an und gelangt zu dem Ergebnis, daß jedenfalls unter den hier vorliegenden Umständen ein im Rechtssinne mit Gründen versehenes Urteil nicht vorliegt.
Die bezeichnete Rechtsverletzung ist bei einer zulässigen Revision, wie sie hier vorliegt, von Amts wegen zu beachten (BSGE 51, 122, 125 = SozR 1750 § 551 Nr 9; BSGE 53, 186, 188 = SozR aaO Nr 10; SozR aaO Nr 12) und führt zur Aufhebung des angefochtenen Teils des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.
Über die Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Revisionsverfahren hat das LSG in seiner abschließenden Entscheidung zu befinden.
Fundstellen
Haufe-Index 1172976 |
NZA 1993, 140 |