Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.06.1994) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 1994 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die am 5. Juni 1925 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Sie ist die Witwe des am 27. März 1906 als Deutscher geborenen F. … M. …, der am 23. November 1982 in Polen verstarb. Die Klägerin war von 1963 bis 1974, ihr Ehemann von 1921 bis 1982 im polnischen Steinkohlenbergbau beschäftigt.
Mit einem bis 24. Juni 1989 befristeten Besuchervisum war die Klägerin am 29. März 1989 in die Bundesrepublik Deutschland zu ihrem hier seit Oktober 1981 lebenden Sohn G. … eingereist, der als vertriebener Deutscher anerkannt ist. Er hatte für seine Mutter bereits am 26. Januar 1989 Antrag auf Familienzusammenführung nach § 94 Abs 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) gestellt, dem das Bundesverwaltungsamt am 7. September 1989 stattgab. Auf Antrag vom 18. Mai 1989 erteilte der Oberstadtdirektor der Stadt D. … eine zunächst bis zum 15. August 1990 befristete Aufenthaltserlaubnis, die dann jeweils im Jahresturnus verlängert wurde, zuletzt bis zum 21. September 1995. Die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wurde der Klägerin dagegen bestandskräftig verweigert; das aus § 94 BVFG resultierende Recht der Klägerin auf Daueraufenthalt in der Bundesrepublik sei zwar unbestritten, sie könne aber nach fünf Jahren Aufenthalt mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis rechnen.
Anträge der Klägerin vom 10. April 1989 auf Witwenrente sowie vom 5. Februar 1990 auf Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs 5 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) aus der eigenen Versicherung lehnte die Beklagte mit den Bescheiden vom 2. November 1990 und 4. Dezember 1990 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 9. März 1992 ab: das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (Abk Polen RV/UV) vom 9. Oktober 1975 (BGBl II 1976, 396) sei nicht zugunsten der Klägerin anwendbar. Aus polnischen Versicherungszeiten sei nach Art 4 Abs 1 und 3 Abk Polen RV/UV nur dann eine Rente zu zahlen, wenn der Berechtigte in der Bundesrepublik Deutschland „wohne”. Der Begriff sei nach Art 1 Nr 2 Abk Polen RV/UV in Verbindung mit dem durch Art 20 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261, 2375) in das Zustimmungsgesetz vom 12. März 1976 eingefügten und am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen (Art 85 Abs 6 RRG 1992) Art 1a dahingehend auszulegen, daß im Sinne des Art 1 Nr 2 Abk Polen RV/UV nur derjenige seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes habe, der sich dort unbefristet rechtmäßig aufhalte. Der Klägerin sei jedoch nur eine jeweils zeitlich befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen mit den Urteilen vom 21. April 1993 abgewiesen und sich dabei im wesentlichen den Rechtsstandpunkt der Beklagten zu eigen gemacht. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Berufungen der Klägerin nach Verbindung der Berufungsverfahren mit Urteil vom 23. Juni 1994 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Mai 1989 Witwenrente aus der Versicherung des F. … M. … und ab 1. Juli 1990 Knappschaftsruhegeld aus der eigenen Versicherung zu gewähren. Zur Begründung hat es im Anschluß an das Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. September 1993 (SozR 3-6710 Art 1 Nr 1) im wesentlichen ausgeführt, der in § 30 Abs 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) definierte Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts, an den das Abk Polen RV/UV anknüpfe, setze voraus, daß der Ausländer den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland habe und sein Aufenthalt „zukunftsoffen”, dh nicht auf Beendigung angelegt sei. Dies wäre dann der Fall, wenn der Ausländer zur Ausreise wegen fehlender Aufenthaltserlaubnis verpflichtet wäre oder eine bindende Entscheidung der Ausländerbehörde vorläge, die den Aufenthalt auflösend befristet oder an einen vorübergehenden Zweck bindet. Nach den Entscheidungen der Ausländerbehörde sei der Aufenthalt der Klägerin nicht auflösend befristet gewesen, im Gegenteil, nach Ablauf von fünf Jahren werde sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten. Auch der durch das RRG 1992 in das Zustimmungsgesetz zum Abk Polen RV/UV eingefügte Art 1a gebiete keine andere Beurteilung, denn es handle sich nur um eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage, so daß die Formulierung „unbefristet rechtmäßig” im dargelegten Sinne zu verstehen sei. Eine andere Interpretation des ohne Abstimmung mit der polnischen Seite eingefügten Art 1a des Zustimmungsgesetzes wäre vertragsbrüchig und würde bedeuten, daß in der Regel Renten erst fünf Jahre nach der Einreise mit Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gezahlt werden könnten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 48 Abs 5, 49 Abs 1 und Abs 3 Satz 3, 63 Abs 2, 64 Abs 1, 69 Abs 2 RKG, der Art 1 Nr 2, 4 Abs 1 und 2, 5 Abs 1 und 2 des Abk Polen RV/UV, des Art 1a des Zustimmungsgesetzes zum Abk Polen RV/UV, des Art 27 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit (DPSVA) vom 8. Dezember 1990 (BGBl II 1990, 743), des § 30 SGB I sowie des § 42 des Ausländergesetzes (AuslG) vom 9. Juli 1990 (BGBl I S 1354). Art 1a des Zustimmungsgesetzes zum Abk Polen RV/UV sei auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten am 1. Juli 1990 anwendbar, da nur die bisherige Rechtslage interpretiert und keine Änderung des Vertragsinhalts vorgenommen werde. Die Abkommensregelungen gingen der allgemeinen Regelung des § 30 Abs 3 SGB I vor, und der „gewöhnliche Aufenthalt” sei deshalb allein nach Abkommenskriterien zu bestimmen. Dies sei dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) vom 3. November 1989 (BT-Drucks 11/5530 S 69) zu entnehmen. Er habe klargestellt, daß nur ein Recht auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bzw eine Aufenthaltsberechtigung nach dem AuslG einen „gewöhnlichen Aufenthalt” im Sinne des Abk Polen RV/UV begründen könnten. Der 4. Senat des BSG und das LSG setzten sich über den eindeutigen politischen Willen des Gesetzgebers hinweg. Nach dem AuslG werde in den ersten fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis immer zeitlich befristet erteilt, ohne daß in der Regel gleichzeitig eine Entscheidung über das endgültige Ende getroffen werde. Träfe die Ansicht des 4. Senats des BSG und des LSG zu, hätte es der Einfügung des Art 1a des Zustimmungsgesetzes nicht bedurft.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 1994 aufzuheben und die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des SG Dortmund vom 21. April 1993 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Rechtsansicht des 4. Senats des BSG sowie des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente aus der Versicherung ihres am 23. November 1982 verstorbenen Ehemannes sowie der Anspruch auf Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus der eigenen Rentenversicherung richten sich noch nach den §§ 63 Abs 2, 64 Abs 1, 69 Abs 2, 48 Abs 5 und 49 Abs 3 Satz 3 RKG, denn die Rentenanträge waren vor dem 1. April 1992 gestellt worden, und der angestrebte Leistungsbeginn liegt jeweils vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB VI≫; BSG vom 8. Oktober 1992, SozR 3-2200 § 1246 Nr 29). Die Klägerin ist die Witwe des am 23. November 1982 verstorbenen F. … M. …. Sie hat am 5. Juni 1990 das 65. Lebensjahr vollendet. Da weder von ihr noch von ihrem verstorbenen Ehemann deutsche Versicherungszeiten zurückgelegt wurden, kann die erforderliche Mindestversicherungszeit von jeweils 60 Kalendermonaten für beide begehrten Rentenarten (§§ 63 Abs 2, 48 Abs 5, 49 Abs 3 Satz 3 RKG) nur unter Berücksichtigung polnischer Versicherungszeiten erfüllt werden.
Einschlägig ist das Abk Polen RV/UV vom 9. Oktober 1975 nebst der Regierungsvereinbarung hierzu vom gleichen Tag (BGBl II 1976, 401), in Bundesrecht transformiert durch Zustimmungsgesetz vom 12. März 1976 (BGBl II 1976, 393), in Kraft getreten am 1. Mai 1976 (BGBl II 1976, 463). Das DPSVA vom 8. Dezember 1990 gilt nach seinem Art 27 Abs 1 Satz 2 nur für die Ansprüche der Personen, die nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnort in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats verlegen, dort erneut begründen oder in einem Drittstaat haben. Bereits nach dem Abk Polen RV/UV erworbene Ansprüche bleiben dagegen unberührt, wenn der Berechtigte nach dem 31. Dezember 1990 seinen Wohnort in der Bundesrepublik beibehält (Art 27 Abs 2 Satz 1). Wohnort im Sinne der Übergangsregelung ist nach dem Wortlaut „beibehält”) weiterhin der in Art 1 Nr 2 Abk Polen RV/UV definierte. Nur so können nach dem Abk Polen RV/UV erworbene Ansprüche fortgeführt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die durch Art 1 Nr 10 des DPSVA in bezug auf die Bundesrepublik Deutschland vorgenommene Einschränkung der Begriffe „Wohnort” und „wohnen” „Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder sich gewöhnlich aufhalten, wobei es sich um einen unbefristeten rechtmäßigen Aufenthalt handeln muß”) nur die bereits nach dem Abk Polen RV/UV bestehende Rechtslage beschreibt oder eine Neuregelung darstellt.
Die Klägerin ist nach den Feststellungen des LSG polnische Staatsangehörige. Sie ist am 29. März 1989 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Die polnische Witwenrente der Klägerin wurde nach Art 5 Abs 1 Abk Polen RV/UV mit Ende des Monats April 1989 eingestellt. Die Beklagte hatte deshalb nach Art 4 Abs 1 und 2, Art 5 Abs 2 Abk Polen RV/UV nach den für sie geltenden Vorschriften über den Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes Franz Myrda zu entscheiden und dabei Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten in Polen so zu berücksichtigen, als ob sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt worden wären. Der Anspruch auf Knappschaftsruhegeld aus der eigenen Rentenversicherung der Klägerin richtet sich dagegen allein nach Art 4 des Abk Polen RV/UV.
Voraussetzung für die Gewährung beider Rentenarten nach dem Abk Polen RV/UV ist, daß der Berechtigte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland „wohnt” (Art 4 Abs 1) bzw hier seinen „gewöhnlichen Aufenthalt” (Art 5 Abs 2) hat. Nach Art 1 Nr 2 des Abk Polen RV/UV bedeuten die Begriffe „Wohnort” oder „wohnen” für die Bundesrepublik Deutschland den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder „sich gewöhnlich aufhalten”, für die Volksrepublik Polen dagegen den Ort des ständigen Wohnsitzes oder „ständig wohnen”. Die Vertragsschließenden haben bewußt an unterschiedliche innerstaatliche Rechtsbegriffe angeknüpft. Für die Bundesrepublik Deutschland ist für alle Sozialleistungsbereiche der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I umschrieben (vgl mwN BSG vom 18. Februar 1992, SozR 3-6710 Art 4 Nr 5; BSG vom 29. Mai 1991, SozR 3-1200 § 30 Nr 5; BSG vom 30. September 1993, SozR 3-6710 Art 1 Nr 1). Den gewöhnlichen Aufenthalt hat danach jemand dort, „wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt”.
Allerdings können in den besonderen Teilen des Sozialgesetzbuches abweichende Regelungen getroffen werden (§ 37 Satz 1 SGB I). Zudem bewirken Besonderheiten der einzelgesetzlichen Materie eine „Einfärbung” des Begriffs (BSG vom 27. September 1990 SozR 3-7833 § 1 Nr 2 mwN), so daß die Rechtsprechung zB für die Bereiche der gesetzlichen Krankenversicherung oder den Geltungsbereich des Bundeserziehungsgeldgesetzes den Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts” nicht einheitlich interpretiert (BSG vom 27. Januar 1994, SozR 3-2600 § 56 Nr 7 mwN).
Zutreffend ist das LSG im Anschluß an das Urteil des 4. Senats vom 30. September 1993 (SozR 3-6710 Art 1 Nr 1), dem der Senat nach eigener Prüfung beitritt, für den Bereich des Abk Polen RV/UV davon ausgegangen, daß ein Pole nur dann seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, wenn hier faktisch auf Dauer der Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse liegt. Von Dauer kann sein Aufenthalt nur dann sein, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, sondern vielmehr zukunftsoffen ist. Es kommt dabei nicht allein auf seine subjektive Sicht an (sog Domizilwille), sondern auf die Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Tatsachen, die zu Beginn und während der Dauer des streitigen Leistungszeitraums vorgelegen hatten.
Entscheidend ist allein der ausländerrechtliche Status im Leistungszeitraum, denn ein grundsätzlich kraft Gesetzes (§ 12 Abs 1 AuslG vom 28. April 1965 ≪AuslG aF≫, BGBl I 353; § 42 Abs 1 AuslG vom 9. Juli 1990, BGBl I 1354) zur Ausreise in sein Heimatland verpflichteter Ausländer kann überhaupt nur dann im Inland einen „gewöhnlichen Aufenthalt” innehaben, solange er sich hier berechtigterweise aufhält (BSG vom 14. September 1989, BSGE 65, 261 = SozR 7833 § 1 Nr 7). Dabei ist weiter zu fragen, ob der Aufenthalt von der Ausländerbehörde als rechtlich beständig oder nur vorübergehend, zB für die Durchführung von Statusverfahren (zur Feststellung der Asylberechtigung, der Vertriebeneneigenschaft, der deutschen Staatsangehörigkeit) geduldet wurde. So haben der 4. Senat des BSG im Urteil vom 27. September 1990 (BSGE 67, 243 = SozR 3-7833 § 1 Nr 2; bestätigt durch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1991, SozR 3-7833 § 1 Nr 4) und der 5. Senat des BSG im Urteil vom 28. Juli 1992 (SozR 3-2600 § 56 Nr 2) entschieden, daß Bundeserziehungsgeld und Kindererziehungszeiten dann nicht gewährt werden können, wenn dem Ausländer zwar später eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde (§ 5 AuslG aF), bis dahin jedoch für die Dauer der Statusverfahren der Aufenthalt nur geduldet war (§ 17 AuslG aF). Wenn die Ausländerbehörde den Aufenthalt des Ausländers endgültig befristet und dies bereits im Bescheid zum Ausdruck kommt (Aufenthaltserlaubnis für eine von vornherein bestimmte Zeit) oder die Aufenthaltserlaubnis nur für einen bestimmten Zweck erteilt, kann die erforderliche Dauerhaftigkeit im Sinne der Zukunftsoffenheit nicht festgestellt werden. Die befristete Aufenthaltserlaubnis, die keine Einzelfallentscheidung über das endgültige Ende des Aufenthalts enthält (§§ 2, 7 Abs 2 AuslG aF, § 15 AuslG) und im Gegenteil die Option auf Verlängerung und (fünf Jahre nach dem Erteilen der ersten befristeten Aufenthaltserlaubnis, § 8 Abs 1 AuslG aF, § 24 AuslG) letztlich auf die unbefristete Aufenthaltserlaubnis offenläßt, steht dagegen der Dauerhaftigkeit des Aufenthalts des Ausländers im Sinne der Zukunftsoffenheit nicht entgegen.
Der erkennende Senat folgt, wie bereits der 5. Senat im Urteil vom 14. September 1994 – 5 RJ 10/94 –, der Rechtsauffassung des 4. Senats des BSG im Urteil vom 30. September 1993 (SozR 3-6710 Art 1 Nr 1), wonach sich an dieser Rechtslage durch den mit Wirkung ab 1. Juli 1990 in das Zustimmungsgesetz vom 13. März 1976 zum Abk Polen RV/UV eingefügten Art 1a (Art 20 Nr 1, Art 85 Abs 6 RRG 1992) nichts geändert hat. Hier heißt es zwar, daß einen gewöhnlichen Aufenthalt iS des Art 1 Nr 2 des Abk Polen RV/UV im Geltungsbereich des Gesetzes nur hat, wer sich dort „unbefristet rechtsmäßig” aufhält. Diese Bestimmung ist jedoch (einschränkend) so auszulegen, daß sich „unbefristet” rechtmäßig im Inland aufhält, wem eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, in der nicht bestimmt ist, daß das Recht zum Verweilen im Inland bei Erreichen eines bestimmten Zwecks oder zu einem bestimmten Zeitpunkt erlöschen soll. Jede andere Interpretation würde eine einseitige und einschneidende Abänderung des mit der Volksrepublik Polen im Abk Polen RV/UV vereinbarten Vertragsinhalts bedeuten. Denn in der Praxis wären Leistungen an polnische Staatsangehörige, die sich hier berechtigt und letztlich auf Dauer angelegt – insbesondere bei einer Familienzusammenführung – aufhalten, in den ersten fünf Jahren bis zum Erteilen der endgültigen Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Das am Abk Polen RV/UV zugrundeliegende Integrationsprinzip würde unterlaufen und damit einer seiner Ecksteine entfernt werden.
Diese Auslegung des Art 1a des Zustimmungsgesetzes zum Abk Polen RV/UV ergibt sich nicht zwingend aus Art 25 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes (GG). Der Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda” ist zwar als allgemeine Regel des Völkerrechts anzusehen, jedoch werden die einzelnen Normen völkerrechtlicher Verträge damit nicht ihrerseits zu allgemeinen Regeln des Völkerrechts (BVerfGE 6, 309, 363; 31, 145, 177 f; 41, 88, 120 f; 73, 339, 375). Unabhängig davon besteht aber eine Auslegungsregel dahingehend, daß unter mehreren Möglichkeiten diejenige heranzuziehen ist, die am ehesten mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland im Einklang steht – selbst wenn die auszulegende Rechtsnorm später erlassen wurde als der geltende völkerrechtliche Vertrag. Denn es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet hat, von den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik abweichen oder eine Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will (BVerfGE 74, 358, 370).
Die Gesetzesmaterialien sind widersprüchlich (Bericht des 11. Ausschusses vom 3. November 1989, BT-Drucks 11/5530 S 29 f, 69). Einerseits wird davon gesprochen, man wolle die bisherige Rechtlage klarstellen, andererseits ist der Revision einzuräumen, daß der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung auf die ausländerrechtlichen Begriffe der Aufenthaltsberechtigung und der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (iS des AuslG aF) abgestellt hat. Dies steht aber einer einschränkenden Auslegung des objektiven Erklärungswertes des Art 1a des Zustimmungsgesetzes nicht entgegen, zumal im folgenden Gesetzgebungsverfahren (Erklärung der Senatorin Prof. Dr. Limbach in der 607. Sitzung des Bundesrates vom 1. De-zember 1989, Plenarprotokoll S 549) die Frage gestellt wurde, ob man nicht mit dem polnischen Partner hätte verhandeln müssen, und ob es zur Bekämpfung des Leistungsmißbrauchs des Abk Polen RV/UV durch polnische Asylbewerber (die auch nach der bisherigen Rechtslage und der Rechtsprechung des BSG nicht gedeckt war) überhaupt der Einfügung des „mit heißer Nadel genähten” Art 1a in das Zustimmungsgesetz bedurft hätte.
Nach diesen rechtlichen Kriterien, die auch das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist unter Übernahme der tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist, die Sachentscheidung des LSG nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat danach aufgrund der vom LSG aufgeführten und gewürdigten Einzelumstände (Familienzusammenführung, Auflösung des Hausstandes in Polen, Begründung eines Hausstandes in Deutschland, Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse, Beendigung der Rentenzahlung in Polen) zumindest seit der Rentenantragstellung ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen