Beteiligte
1. Bundesanstalt für Arbeit |
Deutsche Angestellten Krankenkasse |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 3. Dezember 1997 und das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 28. Juni 1996 sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. April 1994 und 29. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 1995 geändert.
Es wird festgestellt, daß der Kläger vom 1. Januar bis 31. Dezember 1992 beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit war.
Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) haben als Gesamtschuldner dem Kläger und der Beigeladenen zu 2) ein Sechstel ihrer außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA).
Der 1942 geborene Kläger ist seit dem 17. März 1991 ordentliches Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft (AG), die 1991 in Laußig/Sachsen errichtet worden und aus früheren landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGen) hervorgegangen ist. Gegenstand dieses Unternehmens ist die Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten, deren Weiterverarbeitung und der Handel hiermit sowie die Erbringung aller damit verbundenen Dienstleistungen. Nach dem Dienstvertrag der AG mit dem Kläger vom 20. Juni 1991 obliegt ihm die Geschäftsführung, insbesondere im kaufmännischen Bereich. Als Tätigkeitsvergütung erhielt der Kläger zunächst 39.000 DM brutto jährlich. Seit 1992 tritt eine Tantieme hinzu. Die Tätigkeitsvergütung beläuft sich gegenwärtig auf jährlich etwa 60.000 DM. Der Kläger ist inzwischen erneut bis zum 31. Dezember 1999 zum Vorstandsmitglied bestellt worden.
Die beklagte Krankenkasse, deren Mitglied der Kläger ist, teilte ihm als Einzugsstelle durch Bescheid vom 21. April 1994 mit, er unterliege gemäß § 1 Satz 3 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) als Vorstandsmitglied einer AG nicht der Rentenversicherungspflicht und gemäß § 168 Abs 6 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nicht der Beitragspflicht zur BA. Mit Bescheid vom 29. August 1994 nahm die Beklagte ihre Entscheidung zur Rentenversicherung zurück und stellte insoweit das Fortbestehen der Versicherungspflicht über den 31. Dezember 1991 nach §§ 229, 229a SGB VI fest. Sie hielt jedoch daran fest, daß der Kläger seit dem 1. Januar 1992 nicht beitragspflichtig zur BA sei. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er das Fortbestehen der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung geltend machte, wies die Beklagte mit Bescheid vom 10. Februar 1995 zurück.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) nach Beiladung der BA (Beigeladene zu 1) und der AG (jetzt Beigeladene zu 2) abgewiesen (Urteil vom 28. Juni 1996). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 3. Dezember 1997). Das Nichtbestehen der Beitragspflicht zur BA ergebe sich für das Jahr 1992 aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), für die Folgezeit aus § 168 Abs 6 AFG. Diese Regelung verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG).
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des Art 3 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG). Für ihn wie für ungefähr 150 bis 200 weitere Vorstandsmitglieder landwirtschaftlicher AGen in den neuen Bundesländern werde wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der ehemaligen LPGen, die sich in andere Unternehmensformen hätten umwandeln müssen, eine ausreichende soziale Absicherung nicht gewährleistet. Es liege eine Diskriminierung der Vorstandsmitglieder dieser AGen vor, weil sie nicht das Recht hätten, sich sozialversicherungsrechtlich so zu stellen, wie dieses bei Weiterbestehen der LPG möglich gewesen wäre. Er erhalte eine Tätigkeitsvergütung unter der Pflichtversicherungsgrenze. Bei einem solchen Entgelt gehe der Gesetzgeber davon aus, daß die Beschäftigten nicht in der Lage seien, ausreichende Rücklagen für den Fall einer Arbeitslosigkeit zu bilden. Damit verstoße der Ausschluß von der Arbeitslosenversicherung gegen das Sozialstaatsprinzip. Er (der Kläger) werde bei Ablauf seines Dienstvertrages im Jahre 1999 57 Jahre alt sein. Aufgrund seiner derzeitigen gesundheitlichen Lage sei es nicht sicher, ob er erneut zum Vorstand bestellt werde. Trete das nicht ein, müsse er damit rechnen, aufgrund seines Alters und der hohen Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern keine neue Stelle zu finden, andererseits aber auch keine Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu erhalten. Es stehe zu befürchten, daß er zum Sozialfall werde. Zudem sei das Fortbestehen der beigeladenen AG nach dem Jahr 2000 aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage des Unternehmens und der heraufziehenden Agenda 2000 der Kommission der Europäischen Gemeinschaft nicht voraussehbar. Während bei dem Vorstand einer AG in den alten Bundesländern davon ausgegangen werden könne, daß eine privatversicherungsrechtliche Absicherung gegeben sei, treffe dieses aus den dargelegten Gründen in den neuen Bundesländern nicht zu.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG vom 3. Dezember 1997 und des SG vom 28. Juni 1996 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. April 1994 und 29. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 1995 zu ändern und festzustellen, daß der Kläger auch seit dem 1. Januar 1992 beitragspflichtig zur BA ist.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene zu 2) ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
II
Die Revision des Klägers ist nur teilweise begründet.
1. Die Aufhebungsklage ist zulässig. Das gilt auch für die Klage auf Feststellung der Beitragspflicht zur BA für die Zeit ab 1. Januar 1992 (§ 55 Abs 1 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, weil bei Erfolg der Klage für die Dauer eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) derzeit noch die auf sieben Jahre erweiterte Rahmenfrist nach § 106 Abs 1 Satz 2 AFG in der bis zum 31. März 1997 geltenden Fassung maßgebend wäre (§ 427 Abs 6 des Sozialgesetzbuchs – Arbeitsförderung ≪SGB III≫ iVm § 242x Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG; vgl Niesel, SGB III, § 427 RdNr 12). Diese Rahmenfrist würde den Zeitraum ab Januar 1992 erfassen.
2. Die Revision ist für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1992 begründet. Der Kläger war in dieser Zeit noch beitragspflichtig zur BA.
a) Nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG, der mit dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 auch für das Beitrittsgebiet Geltung hatte (Art 8 iVm Art 3 des Einigungsvertrages ≪EinigVtr≫) und erst mit Wirkung zum 1. Januar 1998 aufgehoben worden ist (Art 82 Abs 1 Nr 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 ≪BGBl I 594≫), sind Personen beitragspflichtig, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt beschäftigt sind (Arbeitnehmer). Mitglieder des Vorstands einer AG gehören grundsätzlich nicht zu dem Personenkreis der Arbeitnehmer iS dieser Bestimmung. Das ergab sich zunächst nach der ständigen Rechtsprechung des BSG aus dem Rentenversicherungsrecht, wo dies ausdrücklich geregelt ist (vgl BSGE 49, 22 = SozR 4100 § 168 Nr 10; BSG SozR 4100 § 168 Nr 17; BSG SozR 4100 § 141a Nr 8; BSG USK 9210). Nach dem mit Wirkung vom 1. Januar 1968 in das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) eingefügten § 3 Abs 1a gehören Mitglieder des Vorstands einer AG nicht zu den Angestellten (Art 1 § 2 Nr 2 des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 28. Juli 1969 ≪BGBl I 956≫). Diese unmittelbar für die Angestelltenversicherung geltende Vorschrift schloß nach § 2 Abs 1a AVG die Versicherungspflicht in anderen gesetzlichen Rentenversicherungen ebenfalls aus. Mit Inkrafttreten des SGB VI am 1. Januar 1992 sind die Vorschriften zwar aufgehoben worden (Art 6 Nr 24 iVm Art 85 Abs 1 des Rentenreformgesetzes 1992 ≪RRG 1992≫ vom 18. Dezember 1989 ≪BGBl I 2261≫). Der § 1 Satz 3 SGB VI aF (seit 29. Juli 1995: § 1 Satz 4 SGB VI nF) trifft jedoch eine inhaltsgleiche Regelung, indem er Mitglieder des Vorstands einer AG von der Versicherungspflicht der gegen Entgelt Beschäftigten nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI ausnimmt. Die Regelungen des Rentenversicherungsrechts enthielten nach der Rechtsprechung des BSG einen Grundsatz, der auch für die Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung zu beachten war, weil Besonderheiten dieses Versicherungszweiges ihrer Übernahme nicht entgegenstanden (BSGE 49, 22, 24 ff = SozR 4100 § 168 Nr 10 S 14). An dieser Rechtsprechung, der sich der Senat schon früher angeschlossen hat (BSG SozR 2400 § 3 Nr 4 und SozR 4100 § 168 Nr 17), ist für die Zeit bis zum 31. Dezember 1992 festzuhalten.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 ist durch Art 1 Nr 48 des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2044) dem § 168 AFG ein Abs 6 angefügt worden, der nunmehr in Satz 1 bestimmte, daß Mitglieder des Vorstands einer AG in Beschäftigungen für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht beitragspflichtig waren. Die Regelung ist mit Wirkung vom 1. Januar 1998 aufgehoben, jedoch inhaltlich unverändert in den seither geltenden § 27 Abs 1 Nr 5 Satz 1 SGB III übernommen worden. Die Vorschrift schließt nunmehr entsprechend der geänderten Rechtssystematik des SGB III („Versicherungspflicht” statt „Beitragspflicht”) Vorstandsmitglieder einer AG in dieser Tätigkeit von der Versicherungspflicht aus.
Die Rechtslage ist seit dem 1. Januar 1992 insofern unverändert geblieben, als Vorstandsmitglieder einer AG in dieser Tätigkeit nicht der Beitragspflicht zur BA unterlagen und nunmehr nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen.
b) Hiervon werden Personen wie der Kläger, die noch im Jahre 1991 im Beitrittsgebiet zum Mitglied des Vorstands einer AG bestellt worden sind, jedoch erst seit Inkrafttreten des § 168 Abs 6 AFG am 1. Januar 1993 erfaßt. Für die Zeit davor bestand Beitragspflicht zur BA. Denn in dieser Zeit knüpfte die beitragsrechtliche Beurteilung in der Arbeitslosenversicherung ausschließlich an die Regelung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung an. Vorstandsmitglieder einer AG im Beitrittsgebiet wie der Kläger waren bis zum 31. Dezember 1991 versicherungspflichtig in der Rentenversicherung und sind dies über diesen Zeitpunkt hinaus zunächst geblieben.
Dies hat die Beklagte für die Zeit der Vorstandsmitgliedschaft des Klägers bis zum 31. Dezember 1991 bereits in Anknüpfung an die Durchführungsanweisung der Beigeladenen zu 1) zu dem nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG beitragspflichtigen Personenkreis vom 30. Dezember 1991 (DBl-Runderlaß 176/91) festgestellt und ist hier nicht im Streit. Die Bescheide vom 21. April 1994 und 29. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 1995 sind insoweit bindend geworden. Die Feststellung stützt sich zutreffend darauf, daß die eine Versicherungspflicht von Vorstandsmitgliedern einer AG in der Rentenversicherung ausschließenden Vorschriften des § 3 Abs 1a, § 2 Abs 1a AVG im Beitrittsgebiet nicht in Kraft gesetzt worden sind und die entsprechende Vorschrift des § 1 Satz 3 SGB VI aF auch dort erst seit 1. Januar 1992 galt. Bis zum 31. Dezember 1991 bestand nach dem insoweit weitergeltenden Recht der DDR auch für die als Vorstandsmitglieder einer AG im Beitrittsgebiet Beschäftigten Versicherungspflicht in der Rentenversicherung (§ 10 Abs 1 des Gesetzes über die Sozialversicherung ≪SVG/DDR≫ vom 28. Juni 1990 ≪GBl I 486≫ iVm Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 2 Buchst b Satz 1 EinigVtr) und dementsprechend Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung.
Nichts anderes gilt auch für das Folgejahr bis zum 31. Dezember 1992. Im Jahre 1992 bestand für den Kläger weiterhin Rentenversicherungspflicht. Nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI bleiben Personen, die am 31. Dezember 1991 als Mitglied des Vorstands einer AG versicherungspflichtig waren, in dieser Tätigkeit versicherungspflichtig. Die seit Verkündung des RRG 1992 am 28. Dezember 1989 unverändert gebliebene Vorschrift bezog sich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers allerdings nur auf Vorstandsmitglieder, die vor Einfügung des § 2 Abs 1a und des § 3 Abs 1a in das AVG im Jahre 1969 mit Wirkung zum 1. Januar 1968 Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet hatten und für die Zeit nach dem 31. Juli 1969 nach Art 2 § 5b des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes und Art 2 § 3a Abs 1 Satz 2 des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes als versicherungspflichtig galten (vgl Begründung zum Entwurf eines RRG 1992, BT-Drucks 11/4124 S 196). Bei der Verabschiedung des RRG 1992 war nicht voraussehbar, daß die Vorschrift auch für Versicherte Geltung erlangen könnte, die nach dem Recht der früheren DDR sozialversicherungspflichtig geworden waren (§ 10 SVG/DDR) und deren Versicherungspflicht nach diesen Vorschriften, soweit sie die Rentenversicherung betraf, durch den EinigVtr bis zum 31. Dezember 1991 fortbestanden hatte. Wortlaut und Sinn des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI stehen seiner Anwendung auf diesen Sachverhalt jedoch nicht entgegen. Dies entspricht auch der durch Art 1 Nr 47 des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 eingefügten Regelung des § 229a Abs 1 Satz 1 SGB VI. Danach bleiben allgemein Personen, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig waren und nicht nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig sind, in der jeweiligen Tätigkeit versicherungspflichtig. Die Vorschrift soll dem Umstand Rechnung tragen, daß die Versicherungspflicht im Beitrittsgebiet weiter reichte als im übrigen Bundesgebiet (vgl BT-Drucks 12/405 S 122 zu Nr 45 ≪§ 229a≫). Es entspricht dem Zweck der Überleitungsvorschrift des § 229a SGB VI, auch den Personenkreis des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, der nach Bundesrecht grundsätzlich nicht versicherungspflichtig ist, in der Versicherungspflicht zu belassen, wenn sie nach dem Recht im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 1991 gegeben war.
Bei den §§ 229, 229a SGB VI handelt es sich um Sonderregelungen zu dem grundsätzlich in den §§ 1 ff SGB VI geregelten versicherten Personenkreis. § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI schließt für Vorstandsmitglieder einer AG im Beitrittsgebiet, die wie der Kläger am 31. Dezember 1991 versicherungspflichtig waren, die Versicherungsfreiheit aufgrund des § 1 Satz 3 SGB VI aF (§ 1 Satz 4 SGB VI nF) aus. Besteht somit Rentenversicherungspflicht, entspricht es der Rechtsprechung des BSG zur Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung vor Inkrafttreten des § 168 Abs 6 AFG am 1. Januar 1993 und der Verwaltungspraxis der Beigeladenen zu 1), dann auch Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung über den 31. Dezember 1991 hinaus anzunehmen. Es ist kein Grund dafür erkennbar, die Anbindung der Beitragspflicht zur BA an das Rentenversicherungsrecht insofern aufzugeben.
3. Die Revision ist unbegründet, soweit sie die Zeit ab 1. Januar 1993 betrifft. Mit Inkrafttreten des § 168 Abs 6 AFG zum 1. Januar 1993 hat sich die Rechtslage für Vorstandsmitglieder einer AG im Beitrittsgebiet wie den Kläger geändert. Die Vorschrift regelt das Nichtbestehen der Beitragspflicht für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts eigenständig. § 168 Abs 6 AFG (jetzt § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III) weicht insofern von § 1 Satz 3 SGB VI aF (§ 1 Satz 4 SGB VI nF) ab, als er den Ausschluß von der Beitragspflicht für Mitglieder des Vorstands einer AG ausdrücklich beschränkt auf Beschäftigungen für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören; dabei gelten Konzernunternehmen iS des § 18 des Aktiengesetzes als ein Unternehmen. Beschäftigungen außerhalb der AG und des Konzerns unterliegen demgegenüber der Beitragspflicht nach den allgemeinen Regelungen des Arbeitsförderungsrechts. Die Beitragsfreiheit nach § 168 Abs 6 AFG gilt ausnahmslos. Eine Übergangsvorschrift, nach der die am 31. Dezember 1992 beitragspflichtigen Vorstandsmitglieder es weiterhin bleiben, ist in das AFG nicht aufgenommen worden. Eine entsprechende Anwendung der Überleitungsvorschriften des Rentenversicherungsrechts (§ 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 229a Abs 1 Satz 1 SGB VI) ist ausgeschlossen. Eine Gesetzeslücke, die von der Rechtsprechung ausgefüllt werden könnte, liegt nicht vor.
Gegen eine Unvollständigkeit des Arbeitsförderungsrechts spricht, daß der Gesetzgeber die eigenständige Vorschrift des § 168 Abs 6 AFG in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des BSG und der Verwaltungspraxis der Beigeladenen zu 1) geschaffen hat, die bisher an die Regelungen zum Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung anknüpften. Hätte der Gesetzgeber ergänzend einen Rückgriff auf das Rentenversicherungsrecht zulassen wollen, hätte dies geregelt werden müssen. Gegen eine Gesetzeslücke sprechen ferner die Gründe, die den Gesetzgeber zu der Regelung des § 168 Abs 6 AFG bewogen haben. Er sah sich zur Ergänzung des AFG durch die Rechtsprechung veranlaßt (vgl Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks 12/3211 S 2). In diesem Zusammenhang dürfte er sich auf das Urteil des 11. Senats des BSG vom 26. März 1992 (USK 9210) bezogen haben, nach dem Vorstandsmitglieder von AGen in einer neben der Vorstandstätigkeit ausgeübten Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber selbst dann nicht beitragspflichtig zur BA waren, wenn diese anderweitige Beschäftigung den Schwerpunkt bildete. Der Gesetzgeber hat daraufhin die sich zwar an § 1 Satz 3 SGB VI aF anlehnende, demgegenüber aber eingeschränkte Regelung des § 168 Abs 6 AFG getroffen, weil – so die Gesetzesbegründung – nach der Zielsetzung des AFG grundsätzlich nur solche Arbeitnehmer von der Beitragspflicht ausgenommen werden, deren Tätigkeit sich außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarktes vollzieht oder deren Bindung an den Arbeitsmarkt wegen des Umfangs ihrer Beschäftigung gering ist (BT-Drucks 12/3211 S 28 zu § 168).
Der Gesetzgeber hat bei der Regelung im AFG nicht auf die herausragende und starke wirtschaftliche Stellung der Vorstandsmitglieder einer AG abgestellt, deren wirtschaftlicher und sozialer Status es erlaubt, sie vom Schutz der Sozialversicherung auszunehmen, wie es für die Regelung in der Rentenversicherung bestimmend gewesen ist (vgl BSGE 36, 164, 167 = SozR Nr 23 zu § 3 AVG; BSGE 36, 258, 260 = SozR Nr 24 zu § 3 AVG; BSGE 49, 22, 26 = SozR 4100 § 168 Nr 10; BSG SozR 4100 § 168 Nr 17; BSG USK 9210 S 58). Ausgehend von den Aufgaben der Arbeitsförderung, die auf den Arbeitsmarkt bezogen sind (vgl jetzt § 1 Abs 1 SGB III), hat der Gesetzgeber vielmehr die fehlende Verfügbarkeit der Arbeitsplätze von Vorstandsmitgliedern einer AG auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und die mangelnde Verbindung der Tätigkeit hierzu als maßgebend angesehen. Er hat dabei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zugrunde gelegt, nach der sich die Beitragspflicht oder Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung danach zu richten hat, ob sich die Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarktes vollzieht (BVerfGE 53, 313, 330 = SozR 4100 § 168 Nr 12 S 25/26). Das Motiv des Gesetzgebers für die Regelung des § 168 Abs 6 AFG hat im Gesetz durch die Beschränkung der Beitragsfreiheit auf die Vorstandstätigkeit und die weiteren Beschäftigungen im Unternehmen seinen Niederschlag gefunden. Beschäftigungen des allgemeinen Arbeitsmarktes außerhalb dieses Bereichs werden von dem Ausschluß auch dann nicht erfaßt, wenn sie vom Mitglied des Vorstands einer AG ausgeübt werden. Die vom Gesetzgeber angenommene Arbeitsmarktferne trifft jedoch auf jede Vorstandstätigkeit in einer AG zu, unabhängig davon, ob sie bisher wie für den Kläger beitragspflichtig zur BA war oder nicht. Mit diesem Regelungsgrund wäre es daher unvereinbar, entsprechend dem Übergangsrecht in der Rentenversicherung die Tätigkeit von Vorstandsmitgliedern im Beitrittsgebiet in den Schutz des Arbeitsförderungsrechts einzubeziehen.
Die Anwendung des § 168 Abs 6 AFG auf Vorstandsmitglieder einer AG im Beitrittsgebiet, die wie der Kläger bis zum 31. Dezember 1992 beitragspflichtig waren, führt nicht zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG). Vielmehr werden alle Mitglieder des Vorstands einer AG im Bundesgebiet nunmehr gleich behandelt. Die vom Kläger für eine Sonderregelung angeführten sozialen Gründe haben kein solches Gewicht, daß die Gleichbehandlung als sachwidrig angesehen werden muß.
Die Tatsache, daß die wirtschaftliche Stellung der Vorstandsmitglieder landwirtschaftlicher AGen im Beitrittsgebiet nach der Wiedervereinigung noch nicht so stark war wie typischerweise in den alten Bundesländern, brauchte den Gesetzgeber nicht zu einer Sonderregelung zu veranlassen. Er konnte von einer sozialen Sicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit in den ersten Jahren nach Umwandlung von LPGen in eine AG ausgehen, zumal diese bis zum 1. Januar 1992 vollzogen sein mußte (vgl § 69 Abs 3 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes vom 29. Juni 1990 ≪GBl I 642≫). Denn für Versicherte wie den Kläger bestand aufgrund der Beitragspflicht zur BA bis zum Jahresende 1992 für eine gewisse Zeit der Schutz der Arbeitslosenversicherung weiter. Es konnte davon ausgegangen werden, daß bei einem Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit nach dem 31. Dezember 1992 die Anwartschaftszeit auf Alg von 360 Kalendertagen einer beitragspflichtigen Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren (§ 104 Abs 1 Satz 1, Abs 3 AFG) erfüllt war. Die Dauer des Schutzes hing allerdings im Einzelfall davon ab, welches Lebensalter das (frühere) Vorstandsmitglied bei Eintritt der Arbeitslosigkeit erreicht und welche Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung es zu diesem Zeitpunkt in der auf sieben Jahre erweiterten Rahmenfrist zurückgelegt hatte (vgl § 106 Abs 1 Satz 2 und 3 AFG). Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß Mitglieder einer Genossenschaft im Beitrittsgebiet bis zum 2. Oktober 1990 nach § 168 Abs 1a AFG/DDR vom 22. Juni 1990 (GBl I 403) beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung waren und, soweit sie für die Genossenschaft arbeiteten, auch weiterhin nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG iVm § 249c Abs 22 AFG beitragspflichtig blieben. Beide Zeiten sowie die Zeiten einer Beschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden, die vor dem 1. Juli 1990 im späteren Beitrittsgebiet ausgeübt wurde (vgl § 249b Abs 5 AFG/DDR), standen einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nach § 107 iVm § 249c Abs 8 Satz 1 Buchst a und b AFG gleich und wirkten sich, soweit sie noch in die siebenjährige Rahmenfrist fielen, auf die Anspruchsdauer aus. Die Vorschriften des § 249c Abs 8 und Abs 22 sind durch Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt II 1e EinigVtr in das AFG eingefügt worden. Sollte zB der Kläger im Beitrittsgebiet schon vor dem 17. März 1991 (Aufnahme der Vorstandstätigkeit) versicherungspflichtig gewesen sein, hätte ihm bei Eintritt von Arbeitslosigkeit bis Januar 1995 ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zugestanden, dessen Dauer sich nach § 106 Abs 1 Satz 3 AFG in der bis zum 31. März 1997 geltenden Fassung bestimmt und über 156 Tage hinausgegangen wäre.
Die besondere Lage des Klägers, der ohne erneute Bestellung in den Vorstand der Beigeladenen zu 2) ab dem Jahr 2000 im Alter von 57 Jahren nur mit Schwierigkeiten einen neuen Arbeitsplatz finden dürfte, macht es verständlich, daß er einen fortdauernden Schutz in der Arbeitslosenversicherung erstrebt. Der Gesetzgeber ist jedoch verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, insofern eine differenzierende Regelung zu treffen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sich für landwirtschaftliche AGen im Beitrittsgebiet mehrere Jahre nach der Wiedervereinigung – für die Beigeladene zu 2) nach dem Vortrag des Klägers möglicherweise ab dem Jahr 2000 – ergeben können, brauchte der Gesetzgeber weder Ende 1992 in seine Überlegungen einzubeziehen noch sind sie heute ein ausreichender Grund, die geltende Regelung verfassungsrechtlich zu beanstanden.
4. Da die Revision zum Teil Erfolg hat, waren die Urteile des LSG und des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu ändern. Es war festzustellen, daß der Kläger noch vom 1. Januar bis 31. Dezember 1992 beitragspflichtig zur BA war. Im übrigen war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 542747 |
AuA 1999, 573 |
NZS 1999, 259 |
SGb 1999, 130 |
SozSi 1999, 373 |