Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 11.12.1990) |
SG Hannover (Urteil vom 03.01.1990) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Dezember 1990 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 3. Januar 1990 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) die Förderung einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) nach den §§ 91 ff des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) für ein weiteres Jahr, das inzwischen abgelaufen ist.
Die klagende kreisangehörige Gemeinde im Lande Niedersachsen betreibt fünf allgemeine Kindergärten (Regelkindergärten). Für geistig und mehrfach behinderte Kinder werden in Niedersachsen flächendeckend Sonderkindergärten vorgehalten. Diese werden in der Regel von privaten Trägern betrieben. Die notwendigen Aufwendungen der freien Träger ersetzt das Land als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (Landessozialamt) nach den §§ 39, 40 und 100 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG).
Für die übrigen Kinder sind allgemeine Kindergärten (Regelkindergärten) eingerichtet. Diese werden wie im gesamten Bundesgebiet in der Regel in kommunaler, kirchlicher oder in privater Trägerschaft betrieben.
Die Klägerin nahm in ihre kommunalen allgemeinen Kindergärten ab 1. August 1987 versuchsweise behinderte Kinder unabhängig vom Schweregrad und der Art der Behinderung auf. Das erforderte die zusätzliche Einstellung eines sogenannten Stützpädagogen für die fünf Kindergärten der Klägerin. Dessen Aufgabe ist es, den pädagogischen und therapeutischen Bedarf eines jeden Behinderten bzw von Behinderung bedrohten Kindes umfassend festzustellen,
die daraus resultierenden Erfordernisse in die Planung der Gruppenarbeit einzubringen, spezifische Hilfen selbst zu geben, das Personal des Kindergartens in der Gewährung dieser Hilfen anzuleiten und in Kooperation mit anderen Fachkräften und Institutionen die weitere Entwicklung eines Kindes abzusichern.
Die Klägerin hatte im März 1987 die Förderung der als „Integration behinderter Kinder im Kindergartenbereich” bezeichneten Maßnahme mit der Einstellung des „Stützpädagogen” als vom Arbeitsamt zuzuweisenden Arbeitnehmer beantragt mit einer mutmaßlichen Maßnahmedauer von zwei Jahren. Wenn das Landessozialamt sich bereit fände, für die behinderten Kinder während der anschließenden Zeit einen ausreichenden Pflegesatz zu zahlen, werde ein Dauerarbeitsplatz geschaffen. Die BA hat im Mai 1987 die Maßnahme mit einem Förderungssatz von 100 vH anerkannt, aber „um eine planmäßige Auslastung des Haushalts zu gewähren” nur für ein Jahr mit der Auflage, in der Maßnahme ausschließlich eine schwer vermittelbare arbeitslose Vollzeitkraft zu beschäftigen, da anderenfalls nur ein Zuschuß in Höhe von 80 vH gewährt werde. Die Klägerin nahm den gegen die Auflage und Teilablehnung eingelegten Widerspruch wieder zurück. Sie beschäftigte den von der BA vermittelten Arbeitslosen G. vom 15. August 1987 bis zum 14. August 1988 und erhielt hierfür einen Förderungssatz in Höhe von 80 vH.
Im März 1988 wurde die Klägerin Träger eines der ausgewählten 16 Erprobungsprojekte des Landes Niedersachsen, in denen für die Dauer von drei Jahren die gemeinsame Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern in Regelkindergärten erprobt werden sollte.
Den Antrag der Klägerin, die ABM für ein weiteres Jahr (vom 15. August 1988 bis zum 14. August 1989) zu fördern, lehnte die BA ab (Bescheid vom 18. Mai 1988; Widerspruchsbescheid vom 24. August 1988).
Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht (SG) beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide zu verurteilen, entsprechend dem Antrag Förderungsleistungen für die Zeit vom 15. August 1988 bis zum 14. August 1989 zu gewähren. In der Zeit vom 15. August 1988 bis zum 14. August 1989 sei die Arbeitskraft, für die Leistungen beantragt würden, tatsächlich beschäftigt worden.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. Januar 1990). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die Beklagte verurteilt, den Antrag der Klägerin auf Förderung für den Zeitraum vom 15. August 1988 bis zum 14. August 1989 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzung der §§ 91 Abs 1, 2 Satz 1, 95 Abs 3 Satz 1 AFG iVm § 6 der Anordnung über die Förderung von allgemeinen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung aus Mitteln der Bundesanstalt (ABMAnO).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Dezember 1990 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 3. Januar 1990 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beteiligten wurden zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung schriftlich auf den bisher nicht erörterten Gesichtspunkt der Kostenerstattung für eine vor Erlaß des Anerkennungsbescheides eigenmächtig betriebenen ABM hingewiesen. Nach Auffassung der Klägerin kann das streitige Jahr, in dem G. von ihr ohne Zuweisung durch die BA beschäftigt wurde, nachträglich als ABM anerkannt werden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der BA ist begründet. Die Berufung der klagenden Gemeinde war als unbegründet zurückzuweisen.
Berufungsausschließungsgründe nach den §§ 144 bis 149 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) greifen nicht ein. Die Klägerin erstrebt eine Ermessensentscheidung über die Übernahme der an die ABM-Kraft gezahlten Arbeitsentgelte für ein Jahr, eine Ermessensleistung, die bei rechtzeitiger Erfüllung monatlich nachträglich hätte erfolgen müssen (§ 15 ABMAnO). Wird mit der Berufung ein Anspruch auf Förderung einer ABM für ein weiteres Jahr verfolgt, so betrifft die Berufung einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen, so daß der Berufungsausschließungsgrund des § 144 SGG nicht eingreift (BSGE 59, 219 = SozR 4100 § 92 Nr 1; BSGE 65, 189, 190 = SozR 4100 § 91 Nr 4). Der Gegenstand der Berufung wird nicht dadurch gekennzeichnet, daß die Erteilung des Anerkennungsbescheides in einer einmaligen Handlung besteht, oder daß bei Ablauf des streitigen Zeitraums die Zahlung in einer einmaligen Summe erfolgt.
Die Klägerin hat die am 9. Februar 1990, einem Freitag, endende Berufungsfrist gewahrt. Ihre – unterschriebene – Berufungsschrift ist per Telefax am 8. Februar 1990 in der „gemeinsamen Telefax-Annahmestelle der Justizbehörden in Hannover” eingegangen, an die auch das SG Hannover angeschlossen ist. Das Telefax ist ausweislich des Eingangsstempels des SG vom 12. Februar 1990 erst nach Fristablauf zu den Gerichtsakten gelangt. Die Übermittlung von ordnungsgemäß unterzeichneten Rechtsmitteleinlegungsschriftsätzen im Wege des Telebriefverfahrens (Telefax, Telekopie) ist zulässig (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 53; BSG Urteil vom 20. Dezember 1990 – 4 REg 41/89 -SozSich 1991, 222). Bei einer gemeinsamen Telefax-Annahmestelle mehrerer Gerichte kann diese zwar entgegen der Auffassung der BA nicht schlechthin als Geschäftsstelle iS des § 151 SGG angesehen werden. Mit dem Eingang der Rechtsmittelschrift bei der Telefax-Annahmestelle erhält aber jedenfalls dasjenige angeschlossene Gericht, an das die Rechtsmittelschrift gerichtet ist, iS des Zugangserfordernisses die tatsächliche Verfügung über diese Rechtsmittelschrift. Vorliegend war das Telefax zutreffend an das SG gerichtet. Die Formulierung im Begleitbrief, „über das Amtsgericht Hannover an das Sozialgericht Hannover”, ist keine unrichtige Adressierung. Es bedarf daher keiner Erörterung der Rechtsprechung, daß beim Eingang einer Rechtsmittelschrift bei einer gemeinsamen Einlaufstelle für mehrere Gerichte die Rechtsmittelfrist nicht gewahrt ist, wenn diese nicht an das für die Einlegung zutreffende Gericht gerichtet ist, sondern an ein anderes, ebenfalls der Einlaufstelle zugeordnetes Gericht (vgl hierzu BGH Urteil vom 10. Januar 1990 NJW 1990, 990).
Die Klägerin ist als Maßnahmeträger auch klagebefugt. Die Mittel zur Arbeitsbeschaffung werden auch im Interesse des Maßnahmeträgers vergeben (BSGE 59, 219, 220 = SozR 4100 § 92 Nr 1). Der Einwand, die ABM-Regelung komme dem Individualinteresse des Maßnahmeträgers nur rein tatsächlich zugute, ohne daß den Vorschriften der §§ 91 ff AFG die Absicht dieses Zugutekommens zugrunde läge (Ketelsen in Knigge ua, Komm zum Arbeitsförderungsgesetz, § 91 RdNr 4) enthält lediglich eine andere Bewertung der schon in der Rechtsprechung berücksichtigten Umstände (BSG SozR 4100 § 91 Nr 5). An dieser Rechtsprechung ist auch nach Auffassung des erkennenden Senats festzuhalten.
Das LSG hat die BA verurteilt, den Antrag der Klägerin auf Förderung für den Zeitraum vom 15. August 1988 bis zum 14. August 1989 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Hierzu haben die Beteiligten im Revisionsverfahren übereinstimmend vorgetragen, daß sich die Verurteilung auf die tatsächlich erfolgte Beschäftigung des G. im Streitjahr bezieht und daß G. für die streitige Zeit nicht von der BA zugewiesen war. Der Senat trägt keine Bedenken, hiervon auszugehen (zur Befugnis des Revisionsgerichts, unstreitige Tatsachen festzustellen vgl BSGE 58, 49 = SozR 1300 § 45 Nr 15).
Danach ist die Berufung der klagenden Gemeinde schon deswegen unbegründet, weil die ABM vor ihrer Anerkennung durchgeführt wurde. Das streitige Beschäftigungsjahr war schon bei Erlaß des Berufungsurteils (11. Dezember 1990) abgelaufen.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Ablauf der zunächst bezeichneten Förderungszeit hat sich bisher nicht mit Fällen einer vor Erlaß des Anerkennungsbescheides eigenmächtig betriebenen ABM befaßt. Sie geht zur Erledigung eines ABM-Antrags durch Zeitablauf davon aus, daß die im Antrag bezeichnete Maßnahme im Zweifel zu einem späteren Zeitpunkt nach ihrer Bewilligung durchgeführt werden soll, daß also die ABM nicht für einen bestimmten Zeitraum beantragt wird (BSGE 65, 189, 190 = SozR 4100 § 91 Nr 4). Will der Arbeitgeber infolge des Zeitablaufs die Maßnahme nicht mehr durchführen, so kann er zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergehen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, daß die Behörde verpflichtet war, den abgelehnten Antrag anderweitig zu bescheiden, etwa wegen der Wiederholungsgefahr gleichartiger Verwaltungsakte (BSG SozR 4100 § 91 Nr 5).
Mit der Frage, ob der Arbeitgeber bei Zeitablauf neben der Möglichkeit, bei der Bescheidungsklage zu verbleiben und die streitige Maßnahme in die Zukunft zu verschieben, und der weiteren Möglichkeit, von der Maßnahme Abstand zu nehmen und im Hinblick auf beabsichtigte ähnliche Maßnahmen zur Fortsetzungsfeststellungsklage überzugehen, auch die Möglichkeit hat, vor dem Anerkennungsbescheid eigenmächtig die ABM durchzuführen und Kostenerstattung als Ermessensleistung zu fordern, hat sich das BSG noch nicht befaßt. Sie ist zu verneinen.
Allerdings ist weder im Gesetz noch in der aufgrund der Ermächtigung in § 95 AFG erlassenen ABMAnO ausdrücklich bestimmt, daß der Anerkennungsbescheid vor Beginn der Maßnahme vorliegen muß und nach deren Beendigung nicht mehr erlassen werden darf.
Die ABM-Regelung geht jedoch nach ihrem Zusammenhang davon aus, daß eine ABM zunächst als förderungswürdig anerkannt wird, daß dem Arbeitgeber sodann bestimmte Arbeitnehmer zugewiesen werden und daß erst dann der Zuschuß zu den Lohnkosten dieser Arbeitnehmer erfolgt. Die Förderung ist nach § 95 AFG von dem Träger vor Beginn der Maßnahme zu beantragen. Die Förderung wird nach § 93 Abs 1 AFG nur für Arbeitnehmer gewährt, die vom Arbeitsamt zugewiesen sind. Deren Arbeitsverhältnis kann nach § 93 Abs 2 AFG ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn das Arbeitsamt den Arbeitnehmer abberuft.
Dementsprechend ist das Verfahren in der ABMAnO vom 13. Dezember 1984, die hier auf die am 15. August 1988 begonnene ABM idF durch die erste Änderungsanordnung vom 7. Oktober 1987 (AN 1987, 1561) anzuwenden ist, zweistufig geregelt. Im Anerkennungsbescheid (§ 14 Abs 7 ABMAnO) wird über die Förderungsfähigkeit der Maßnahme entschieden. Die spätere Entscheidung über Auszahlung und Abrechnung der Zuschüsse ist in § 15 ABMAnO geregelt.
Nach § 9 Abs 1 Satz 1 ABMAnO sind für die Förderung einer Maßnahme Förderungsdauer und der „voraussichtliche Beginn” festzusetzen. Nach den Durchführungsanweisungen (DA) der BA zu der ABMAnO idF vom 16. März 1988 können Arbeiten, die schon vor der Erteilung des Anerkennungsbescheides durchgeführt werden sollen, nur gefördert werden, wenn das Arbeitsamt dem vorzeitigen Beginn der Arbeiten schriftlich zugestimmt hat (unter 14.51). Ob ein solcher Dispens vom Verbot des vorzeitigen Maßnahmebeginns mit § 9 ABMAnO zu vereinbaren ist, wofür erhebliche Gründe der Praktikabilität sprechen, kann hier offen bleiben. Denn ein solcher Dispens ist der klagenden Gemeinde nicht erteilt worden.
Ein Anspruch auf nachträgliche Förderung kann auch nicht in Fortführung der Rechtsprechung zum Sachleistungsprinzip der Krankenversicherung und zu Leistungen der Rehabilitation begründet werden.
Nach dieser Rechtsprechung wandelt sich der Rechtsanspruch auf Sachleistungen in einen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn der Krankenversicherungsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und der Versicherte deshalb gezwungen war, sich die Leistung anderweitig zu beschaffen (vgl BSG SozR 2200 § 182b Nr 37, § 182 Nr 86; § 199 Nr 3 und Urteil vom 9. September 1981 – 3 RK 20/80 – Die Leistungen 1982, 305 ff; Urteil vom 26. Februar 1991 – 8 RKn 13/90 – SozR 3-2500 § 33 Nr 3).
Ebenso kann ein Versicherter sein Begehren auf geldliche Förderung einer im Ermessen des Versicherungsträgers stehenden Rehabilitation grundsätzlich auch dann weiter verfolgen, wenn er nach der Antragstellung ohne Zutun des Versicherungsträgers seine Rehabilitation selbst betrieben hat (SozR 2200 § 1236 Nrn 14, 15, 16, 24; § 1237a Nrn 10 und 15). In einem solchen Fall ist der Versicherte bei begründetem Antrag so zu stellen, als ob er die beantragten Leistungen rechtzeitig erhalten hätte; geldliche Leistungen sind dann noch im nachhinein zu gewähren. Die Selbsthilfe darf weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen; sie läßt den Ermessensspielraum des Versicherungsträgers grundsätzlich unberührt (BSGE 54, 54, 56 f = SozR 2200 § 1237 Nr 18; vgl auch BSGE 58, 263, 270 = SozR 2200 § 1237 Nr 20).
Auf den Anspruch des Maßnahmeträgers auf Förderung einer ABM kann diese Rechtsprechung indes nicht erstreckt werden. Denn sie trägt der besonderen Bedeutung Rechnung, die den Ansprüchen gegen den Krankenversicherungsträger und den Rehabilitationsträger für den Versicherten nicht zuletzt im Hinblick auf den Sozialstaatsgedanken (Art 20 Grundgesetz) zukommt. Dieser Gedanke rechtfertigt es im Hinblick auf einen effektiven Rechtsschutz und unter Berücksichtigung des dem Herstellungsanspruch zugrundeliegenden Rechtsgedankens, geldliche Leistungen nachträglich zu gewähren, soweit der Ermessensspielraum des Versicherungsträgers hierdurch nicht eingeschränkt wird. Bei der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme erscheint eine solche Regelung nicht gerechtfertigt. Das berechtigte Interesse des Maßnahmeträgers ist nur schwach ausgebildet, das Ermessen des Leistungsträgers dagegen besonders stark ausgeformt. Er hat nicht nur ein Auswahlrecht bei der Zuweisung des Arbeitnehmers, sondern er kann diesen auch wieder abberufen. Die Rechtsfigur einer selbstbetriebenen ABM ist deshalb abzulehnen. Die Möglichkeiten der Fortsetzungsfeststellungsklage und des einstweiligen Rechtsschutzes erscheinen ausreichend.
Eine Ausnahme von dem Erfordernis, daß die Maßnahme vor ihrem Beginn anerkannt sein muß, kann nicht damit begründet werden, daß die BA auch bei der Förderung des ersten Maßnahmejahres nur mehrere Arbeitslose zur Vorstellung bei der klagenden Gemeinde aufgefordert und von einer förmlichen Zuweisung gegenüber dem Arbeitgeber abgesehen hat. Auch ist unerheblich, ob die BA im Falle der Anerkennung der Maßnahme für ein weiteres Jahr wiederum den G. zugewiesen hätte. Desgleichen erlaubt der Umstand, daß die BA das erste Jahr der Maßnahme gefördert hat, keine Ausnahme von der Erforderlichkeit vorheriger Anerkennung.
Das Erfordernis vorheriger Anerkennung stellt sicher, daß die Zusätzlichkeit der Maßnahme vor Maßnahmebeginn abschließend beurteilt wird. Vor Beginn der Maßnahme steht es dem Maßnahmeträger frei, die Maßnahme ohne Anerkennung nicht durchzuführen. Sein diesbezügliches Verhalten erlaubt weit sicherere Rückschlüsse auf die Zusätzlichkeit der Maßnahme als seine nachträgliche Behauptung, ohne Anerkennung als ABM wäre die Maßnahme unterblieben. Diese Funktion der vorherigen Anerkennung ist unabhängig davon, ob die Zuweisung des Arbeitnehmers formalisiert durch Verwaltungsakt gegenüber dem Maßnahmeträger erfolgt oder durch eine interne Verfügung. Aus dem Fehlen einer förmlichen Zuweisung folgt daher nicht, daß die BA ihr insoweit bestehendes Ermessen nicht ausgeübt hat. Die Funktion der vorherigen Anerkennung ist auch bei mehrjährigen Maßnahmen zu beachten. Bei mehrjährigen Maßnahmen wird zwar häufig ein besonderes Interesse des Maßnahmeträgers daran anzuerkennen sein, daß ein zweites oder drittes Jahr in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem ersten Förderungsjahr abläuft. Diesen Interessen kann indes auch ohne Ausnahme von dem Erfordernis vorheriger Anerkennung Rechnung getragen werden. Nach § 9 Abs 2 ABMAnO soll die Förderungsdauer zwar in der Regel ein Jahr nicht überschreiten; sie kann jedoch auf bis zu zwei, bei der Schaffung von Dauerarbeitsplätzen bis zu drei Jahre bemessen werden. Ob hierzu haushaltsrechtlich eine Verpflichtungsermächtigung nötig ist, kann dahinstehen, da das Haushaltsrecht als reines Binnenrecht die Förderung mehrjähriger Maßnahmen nach § 9 ABMAnO unberührt läßt. Will der Maßnahmeträger eine Unterbrechung der Förderungsdauer ausschließen, so muß er auf vorheriger Anerkennung der gesamten Förderungszeit bestehen.
Im Hinblick auf die Möglichkeit der Klärung vor Beginn des ersten Maßnahmeabschnitts kann eine Ausnahme vom Erfordernis vorheriger Anerkennung auch nicht damit begründet werden, daß unter den gegebenen besonderen Umständen ein Rechtsschutz in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht in Betracht kommt. Die Zusätzlichkeit der ABM ist nach Auffassung der Klägerin nur für die Erprobungsphase, und damit nur für die konkrete Maßnahme, nicht aber für ähnliche zukünftige Maßnahmen zu bejahen. Das schließt eine Wiederholungsgefahr aus. Gleichwohl war es der Klägerin möglich, den Beginn der Maßnahme solange zurückzustellen, bis über die Gesamtförderung in ihrem Sinne abschließend entschieden war.
Die Kostentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 274 |
BB 1992, 500 |
NZA 1992, 571 |