Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.03.1992)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. März 1992 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin nach Beendigung eines unbezahlten Sonderurlaubs wieder Pflichtmitglied der beklagten Krankenkasse geworden ist.

Die 1959 geborene Klägerin ist seit Juni 1979 als Verwaltungsangestellte im Bundesministerium des Innern in Bonn beschäftigt. Von Juli 1984 bis April 1989 war sie bei der Beklagten als Pflichtmitglied versichert. Vom 1. April 1989 bis zum 31. März 1990 erhielt sie unbezahlten Sonderurlaub zur Betreuung ihrer 1987 geborenen Tochter. Als sie Anfang April 1990 ihre Beschäftigung wieder aufnehmen sollte, war sie schwanger und für die zwei Tage bis zum Beginn der Mutterschutzfrist am 4. April 1990 arbeitsunfähig geschrieben worden.

Nachdem wegen des vorzeitigen tatsächlichen Entbindungszeitspunkts die Mutterschutzfrist auf den 29. März 1990 vorverlegt worden war, erhielt die Klägerin von ihrem Arbeitgeber für die Zeit vom 1. April bis zum 5. Juli 1990 anstelle des Gehalts einen Zuschuß in Höhe des kalendertäglichen Arbeitsentgelts von 60,85 DM abzüglich des täglichen Mutterschaftsgelds von 25,00 DM.

Den Antrag der Klägerin, sie ab 1. April 1990 wieder als Pflichtmitglied zu führen, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 27. Juni 1990 und Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 1991 ab, weil die Klägerin von dem Tage der vereinbarten Wiederaufnahme der Arbeit ab arbeitsunfähig gewesen und deshalb nicht im Sinne des § 186 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in die Beschäftigung eingetreten sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Juli 1991), das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 19. März 1992). Eine Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten habe gemäß § 192 Abs 1 Nr 1 SGB V für einen Monat nach Beginn des Sonderurlaubs, nämlich bis zum 30. April 1989, fortbestanden. Ein Fortbestehen der Mitgliedschaft nach § 192 Abs 2 scheide hier aus, weil diese Vorschrift hierfür voraussetze, daß die Pflichtmitgliedschaft zu Beginn der Schwangerschaft noch bestand. Die Klägerin sei aber erst im August 1989 wieder schwanger geworden. Ihre Mitgliedschaft habe auch nicht gemäß § 186 Abs 1 SGB V im April 1990 neu begonnen. Diese Vorschrift setze nämlich die tatsächliche Arbeitsaufnahme voraus. Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn bereits seit dem 29. März 1990 Mutterschutz bestanden habe.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 186 Abs 1 SGB V.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG vom 11. Juli 1991 und das Urteil des LSG vom 19. März 1992 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 1991 aufzuheben und festzustellen, daß die Klägerin seit dem 1. April 1990 Pflichtmitglied der Beklagten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält in der Sache das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen, weil dieses die notwendige Beiladung des Arbeitgebers der Klägerin, der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister des Innern, unterlassen hat.

Nach § 75 Abs 2 Alternative 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind Dritte zum Rechtsstreit beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn die zu erwartende Entscheidung zugleich in die Rechtssphäre des Dritten unmittelbar eingreift (BSG SozR 3-1500 § 75 Nr 2 mwN). Würde dieser nicht am Rechtsstreit beteiligt werden, so würde die Rechtskraft der Entscheidung ihn nicht binden (§ 141 Abs 1 SGG) und es könnte ihm gegenüber später anders entschieden werden. Um dies zu vermeiden, ist er zum Rechtsstreit beizuladen.

Im vorliegenden Rechtsstreit erfüllt die Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung. Die Klage auf Feststellung der Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten ist allein darauf gestützt, daß die Klägerin in der fraglichen Zeit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Bundesrepublik Deutschland gestanden habe. Somit wird mit der angestrebten Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses entschieden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), insbesondere des erkennenden Senats, muß in einem solchen Rechtsstreit der Arbeitgeber nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG beigeladen werden, weil über die Bejahung oder Verneinung der Versicherungspflicht des Arbeitnehmers auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nur einheitlich entschieden werden kann (BSGE 25, 34, 35; SozR 1500 § 75 Nr 36 und Nr 56).

Das Fehlen einer notwendigen Beiladung ist bei zulässiger Revision von Amts wegen zu beachten (BSG SozR 3-1500 § 75 Nr 3 mwN). Da die unterbliebene Beiladung nach geltendem Recht im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden kann (§ 168 SGG) müssen das Urteil des LSG aufgehoben und der Rechtsstreit gemäß § 170 Abs 2 SGG an dieses Gericht zurückverwiesen werden, damit es die Beiladung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister des Innern, nunmehr nachholt. Ein ausnahmsweiser Verzicht auf die Zurückverweisung (vgl BSGE 66, 144 = SozR 3-5795 § 6 Nr 1) kommt nicht in Betracht, weil aus der Sicht des Revisionsgerichts die Klage nicht in jedem Fall abgewiesen werden muß.

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173004

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