Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeits-/Erwerbsunfähigkeitsrente. Anwartschaftserhaltung. versicherungsrechtliche Voraussetzungen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nachsichtgewährung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Beratungsverpflichtung. sachkundige Beratung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein konkreter Anlaß, den versicherten auf die Notwendigkeit einer Aufrechterhaltung der Anwartschaft auf eine Erwerbs-/Berufsunfähigkeitsrente, insbesondere durch Entrichtung freiwilliger Beiträge (Art. 2 § 6 Abs. 2 S 1 ArVNG), hinzuweisen, kann sich für den Versicherungsträger nach erfolglosem Abschluß eines Rechtsstreits über eine solche Rente ergeben.
2. Auch bei Vertretung des Versicherten durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten ist der Versicherungsträger verpflichtet, auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, wenn sich der Versicherte evident unzweckmäßig verhalten hat oder wenn die ihm erkennbar drohenden Nachteile besonders schwerwiegend sind.
Normenkette
RVO §§ 1246-1247; ArVNG Art. 2 § 6 Abs. 2; SGB I § 14
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 05.05.1992; Aktenzeichen L 9 J 1956/90) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 02.08.1990; Aktenzeichen S 9 J 245/90) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Mai 1992 aufgehoben, soweit es den Anspruch der Klägerin auf Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, nach ordnungsgemäßer Nachentrichtung der erforderlichen freiwilligen Beiträge und die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens betrifft.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision der Klägerin als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise Berufsunfähigkeit (BU). Streitig ist vornehmlich, ob sie auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs berechtigt ist, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Art. 2 § 6 Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) durch Beitragsnachentrichtung zu erfüllen.
Die 1934 in Jugoslawien geborene Klägerin, die seit 1965 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, war in der Bundesrepublik Deutschland bis 1972 und von April bis Dezember 1982 versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 23. November 1982 bis 30. September 1983 erhielt sie von der Beklagten eine EU-Rente auf Zeit. Anschließend war sie bis 10. Februar 1985 (als Ausfallzeit anerkannt) und dann wieder vom 15. November 1985 bis 2. März 1987 arbeitslos.
Nachdem zuvor zwei Rentenanträge der Klägerin abgelehnt worden waren und ihr dann bis September 1983 EU-Rente auf Zeit gewährt worden war, lehnte die Beklagte einen erneuten Rentenantrag mit Bescheid vom 14. September 1983 (Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1983) ab. Die hiergegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage ließ die Klägerin nach Kenntnis eines in diesem Verfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens durch ihre bevollmächtigten Rechtsanwälte am 29. April 1985 zurücknehmen. Am 31. Oktober 1986 beantragte sie erneut erfolglos Rente wegen EU oder BU (Bescheid vom 6. Mai 1987). Die wiederum beim SG Stuttgart erhobene Klage ließ die Klägerin im Dezember 1987 durch ihre damaligen Prozeßbevollmächtigten weder die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der 5 § 1246 Abs. 2 a, 1247 Abs. 2 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) noch die nach Art. 2 § 6 Abs. 2 ArVNG erfülle.
Den am 27. April 1989 gestellten – hier streitbefangenen – Rentenantrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15. Januar 1990 erneut mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung. Das SG hat die auf Gewährung einer EU-Rente gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 2. August 1990).
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von EU- oder BU-Rente, hilfsweise nach Nachentrichtung freiwilliger Beiträge, begehrt hatte, zurückgewiesen (Urteil vom 5. Mai 1992). Diese Entscheidung ist im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Für den Rentenanspruch der Klägerin sei das ab 1. Januar 1984 geltende Recht maßgeblich; denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne nicht festgestellt werden, daß die Klägerin vor dem 1. Juli 1984 berufs- oder erwerbsunfähig geworden sei. Unabhängig davon, ob der Versicherungsfall der BU oder EU erst im September 1989 oder zu einem anderen Zeitpunkt zwischen dem 1. Juli 1984 und September 1989 eingetreten sei, erfülle sie nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der seit 1. Januar 1984 geltenden Regelung in § 1246 Abs. 2 a RVO, weil sie nur noch zwischen dem 1. April und dem 31. Dezember 1982 insgesamt neun Monate mit Pflichtbeiträgen belegt habe. Auch über Art. 2 § 6 Abs. 2 ArVNG lasse sich ein Anspruch der Klägerin nicht herleiten. Zwar sei sie nach dem 1. Januar 1984 überwiegend arbeitslos gewesen, in der Zeit vom 11. Februar bis 14. November 1985 sei sie jedoch nicht beim Arbeitsamt (AA) arbeitslos gemeldet gewesen und habe dementsprechend dort keine Leistungen bezogen. In diesem Zeitraum sei sie auch nicht durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Damit seien nicht – wie erforderlich – alle Monate seit dem 1. Januar 1984 durchgehend mit Zeiten nach Art. 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArVNG iVm § 1246 Abs. 2 a RVO belegt. Sie könne die Voraussetzungen des Art. 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArVNG auch nicht mehr durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge erfüllen. Eine Nachentrichtung von Beiträgen für die in den Jahren 1985 bis 1988 bestehenden Lücken im Versicherungsverlauf sei bei Antragstellung (April 1989) weder nach der 1985 geltenden Rechtslage noch nach dem neuen Recht des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) möglich gewesen. Auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne die Klägerin zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nicht zugelassen werden. Sie habe selbst nicht um Beratung nachgesucht. Die Beklagte habe auch nicht damit rechnen müssen, daß die Klägerin sich vorübergehend nicht beim AA arbeitslos melden würde. Die jüngste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 7. November 1991 – 12 RK 22/91 –) lege es zwar in solchen Fällen nahe, eine Informationspflicht nach Klagerücknahme anzunehmen; anderes müsse aber dann gelten, wenn die prozeßbeendigende Erklärung – wie hier im April 1985 – von einem Rechtsanwalt abgegeben worden sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 1246, 1247 RVO in der ab 1. Januar 1984 geltenden Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S 1532), des Art. 2 § 6 Abs. 2 ArVNG und des § 14 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I). Sie sei bereits seit 1982 nicht mehr in der Lage gewesen, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen; insoweit sehe sie sich durch das Sachverständigengutachten der Dres R. und M. bestätigt. Vom 11. Februar bis 14. November 1985 sei sie mithin dauernd arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Jedenfalls müsse ihr auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für diesen Zeitraum und vorsorglich auch für den von April 1987 bis Dezember 1988 zugestanden und dann die begehrte Versichertenrente gewährt werden. Die Beklagte habe sie schon im Ablehnungsbescheid vom 14. September 1983 bzw im Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1983 auf die bevorstehende Rechtsänderung hinweisen müssen. Ein konkreter Anlaß zur Beratung über die nach Art. 2 § 6 Abs. 2 ArVNG erforderliche Beitragsnachentrichtung habe auch nach Beschluß des von ihr erfolglos geführten Rechtsstreits bestanden. Eine anwaltliche Vertretung ändere an dieser Verpflichtung nichts. Außerdem habe sie durch das AA über die Folgen der Unterbrechung ihrer Arbeitslosigkeit auch hinsichtlich der Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung einer Rentenanwartschaft aufgeklärt werden müssen; dies sei der Beklagten als eigene Verletzung der Beratungspflicht zuzurechnen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 5. Mai 1992 sowie das Urteil des SG Stuttgart vom 2. August 1990 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Januar 1990 zu verurteilen, ihr Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, ab dem 1. April 1989 zu gewähren,
hilfsweise,
sie zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit von März bis Oktober 1985 und von April 1987 bis Dezember 1988 zuzulassen.
Die Beklagte, die keinen Antrag gestellt hat, hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, die Klägerin habe durch ihren Schriftsatz vom 6. November 1987 Kenntnis davon gehabt, daß die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Daraufhin habe der Bevollmächtigte der Klägerin die Klage zurückgenommen, ohne den Antrag zu stellen, freiwillige Beiträge nachentrichten zu dürfen. Dieses Verschulden des Bevollmächtigten sei der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 1418 Abs. 3 RVO zuzurechnen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin ist hinsichtlich des Hauptantrages unzulässig, hinsichtlich des Hilfsantrages zulässig und iS der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens (§§ 123, 153 Abs. 1, 165 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1990. Die Klägerin macht einen Anspruch auf Versichertenrente wegen EU, hilfsweise wegen BU, ab 1. April 1989 geltend, der im Hauptantrag auf Verurteilung der Beklagten zur (unbedingten) Rentengewährung, im Hilfsantrag zur Gewährung von Rente unter der Bedingung fristgemäßer Nachentrichtung freiwilliger Beiträge in der gesetzlichen Mindesthöhe (vgl. dazu BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 3; SozR 5750 Art. 2 § 6 Nr. 4) gerichtet ist. Entgegen dem Wortlaut des Antrags erstrebt die Klägerin mit dem Hilfsantrag nicht ausschließlich eine Entscheidung über die Zulassung zur Beitragsnachentrichtung. Für die Auslegung von Prozeßhandlungen einschließlich der Klageanträge ist die ist (vgl. BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr. 65; BSG SozR 3-7140 § 90 a Nr. 1). Aus dem Gesamtzusammenhang ihres Vorbringens im Berufungs- und Revisionsverfahren ergibt sich, daß ihr prozessuales Begehren insoweit ersichtlich auf die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente wegen EU, hilfsweise BU, nach Beitragsnachentrichtung gerichtet ist.
Die Revision der Klägerin ist hinsichtlich der mit dem Hauptantrag begehrten Verurteilung der Beklagten zur (unbedingten) Rentengewährung nicht formgerecht begründet und daher insoweit als unzulässig zu verwerfen. Die Begründung muß gern § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm, bei Verfahrensrügen außerdem die den Mangel ergebenden Tatsachen bezeichnen. Aufzuzeigen sind die Gründe, die nach Auffassung des Revisionsklägers das Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Hierzu bedarf es einer zumindest kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl. BSG SozR 1500 § 164 Nrn 5, 12, 20 und 25). Bei einer Mehrheit von selbständigen Streitgegenständen ist die Begründung für jeden von ihnen erforderlich, bei einem teilbaren Streitgegenstand für alle Teile (vgl. BSGE 7, 35, 38; BSG SozR 1500 § 164 Nr. 22; BSGE 65, 8, 11 = SozR 1300 § 48 Nr. 55; BVerwG Buchholz 442.03 § 9 GüKG Nr. 10). Dies gilt entsprechend, wenn das Urteil des Berufungsgerichts auf mehrere voneinander unabhängige und damit den Urteilsspruch selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt ist (BVerwG NJW 1980, 2268; vgl. auch BGH NJW 1990, 1184). Diesen Anforderungen entspricht die Revisionsbegründung nicht.
Das LSG hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils den rechtlichen Obersatz aufgestellt, die Klägerin könne ohne Beitragsnachentrichtung die begehrte Rente nur erhalten, wenn der Versicherungsfall der EU bzw BU vor dem 1. Juli 1984 eingetreten sei; dies hat es für nicht erwiesen erachtet. Die Klägerin hat weder dargelegt, daß und aus welchen Gründen dieser rechtliche Obersatz unzutreffend ist, noch die Feststellung über den Nichteintritt des Versicherungsfalls bis zu diesem Zeitpunkt mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen. Soweit sie unter Bezugnahme auf das Gutachten der Dres R. M. vorträgt, sie sei bereits seit 1982 nicht mehr in der Lage gewesen, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, setzt sie lediglich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der des LSG und bezeichnet diese als die überlegene, ohne Verfahrensmängel aufzuzeigen.
Dagegen genügt die Revisionsbegründung in bezug auf den Hilfsantrag der gesetzlichen Vorschrift. Sie läßt insbesondere den nach § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG erforderlichen „bestimmten Antrag” erkennen. Einer weiteren Konkretisierung des Hilfsantrages in bezug auf das Ende des Entrichtungszeitraumes bedurfte es nicht, weil Feststellungen des LSG zum genauen Zeitpunkt eines nach dem 30. Juni 1984 eingetretenen Versicherungsfalls der EU bzw BU fehlen.
Die Revisionsbegründung zum Hilfsantrag setzt sich auch mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hinreichend auseinander. Zwar bezieht sie sich lediglich auf die nach Auffassung der Klägerin zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zuzulassende Beitragsnachentrichtung für die Zeit ab März 1985, während etwa Darlegungen zum Eintritt des Versicherungsfalles nach dem 30. Juni 1984 fehlen. Hierauf mußte die Klägerin jedoch nicht eingehen, denn das LSG hat lediglich einen Versicherungsfall vor dem 1. Juli 1984 nicht für erwiesen erachtet, jedoch keine positiven Feststellungen zu einem Zeitpunkt des Eintritts der EU oder BU in der Zeit danach getroffen. Fehlen aber klare Feststellungen des Vordergerichts zu einem streiterheblichen Punkt, so bedarf es insoweit in der Revisionsbegründung keiner entsprechenden Rügen (vgl. dazu BSG SozR Nr. 6 zu § 163 SGG).
Die hinsichtlich des Hilfsantrages zulässige Revision ist iS der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet. Die berufungsgerichtlichen Feststellungen reichen nämlich nicht aus, um beurteilen zu können, ob und ggf ab wann die Klägerin die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Versichertenrente wegen EU oder BU beanspruchen kann. Das LSG muß zu den Voraussetzungen des geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auf Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen und zum Zeitpunkt des Eintritts von EU bzw BU weitere Feststellungen treffen.
Die Klage ist zulässig; dies ist im Revisionsverfahren auch ohne eine der Form des § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG entsprechende Rüge von Amts wegen zu prüfen (vgl. BSG SozR 1500 § 87 Nr. 6; BSGE 65, 272, 273 = SozR 4100 § 78 Nr. 8; BSG, Urteil vom 23. März 1993 – 4 RA 39/91 –; Urteil des Senats vom 31. März 1993 – 13 RJ 33/91 –). Der im Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen EU bzw BU, der die Bereitschaft zur Beitragsnachentrichtung zur Bedingung hat, ist von der Klägerin zwar erstmals mit der Berufungsbegründung geltend gemacht worden, während im Verfahren vor dem SG noch allein wegen der Gewährung einer EU-Rente ohne Beitragsnachentrichtung gestritten wurde. Eine Klageänderung (§ 99 Abs. 1 SGG) liegt insoweit aber weder hinsichtlich der im Berufungsverfahren geltend gemachten BU-Rente noch der für beide Rentenarten erstrebten Verurteilung zur Leistung nach fristgerechter Beitragsnachentrichtung vor; die Klägerin hat ihre Klage vielmehr lediglich erweitert. Eine Änderung des Klagegrundes ist nicht eingetreten, denn der Lebenssachverhalt – Rentengewährung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit – ist unverändert geblieben (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 18. Dezember 1979 – 2 RU 61/77 –). Es bedurfte hierüber auch keiner vorherigen Verwaltungsentscheidung (vgl. zur Klageerweiterung BSGE 65, 272, 275; vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Mai 1983 – 7 RAr 13/82 –).
Bei einem angenommenen Eintritt des Versicherungsfalls der EU bzw BU nach dem 31. Dezember 1985 wäre der Hilfsantrag seinem Wortlaut nach allerdings unschlüssig, da die Klägerin das Klageziel der Rentengewährung nicht schon durch Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit von März bis Oktober 1985 und ggf dann wieder für die Zeit von April 1987 bis Dezember 1988 zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Art. 2 § 6 Abs. 2 ArVNG erreichen könnte. Die Zeit der Arbeitslosigkeit ab 15. November 1985 könnte nämlich – ausgehend von den bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG, die Klägerin sei vom 11. Februar bis 14. November 1985 weder arbeitslos gemeldet noch durchgehend arbeitsunfähig gewesen – keine der in § 1246 Abs. 2 a Satz 2 RVO genannten Aufschubzeiten darstellen, weil die Arbeitslosigkeit weder eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen hätte und damit keine Ausfallzeit (§ 1246 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 iVm § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO) begründen könnte noch die 6-Monats-Grenze des § 1246 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 6 RVO eingehalten wäre. Falls der Versicherungsfall der EU oder BU erst nach dem 31. Dezember 1985 eingetreten ist, müßten zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente im Hinblick auf die unangegriffenen Feststellungen des LSG, daß die Klägerin letztmals im Zeitraum von April bis Dezember 1982 Pflichtbeiträge entrichtet, vom 23. November 1982 bis 30. September 1983 EU-Rente auf Zeit (vgl. dazu Art. 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArVNG iVm § 1246 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 3 RVO) bezogen hat und anschließend unter Meldung beim AA Stuttgart bis 10. Februar 1985 arbeitslos war, durchgehend von März 1985 bis zum Ablauf des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles freiwillige Monatsbeiträge entrichtet sein. Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellte Hilfsantrag ist aber bei verständiger Würdigung dahin auszulegen, daß sie die Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung ab 1. April 1989 nach der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge in dem erforderlichen Umfange, dh für die Zeit von März 1985 bis zum Ablauf des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles, erstrebt; dies gilt um so mehr, als dieser Antrag offenbar auf eine Anregung des LSG zurückgeht.
Maßgeblich ist das bis 31. Dezember 1991 geltende Recht, denn der Rentenantrag ist bereits im April 1989 – also bis zum 31. März 1992 – gestellt worden und bezieht sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs. 2 SGB VI; vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 29; SozR 3-1200 § 14 Nr. 6). Da der Versicherungsfall der BU oder EU nach den bindenden Feststellungen des LSG nicht vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist, sind grundsätzlich die ab diesem Stichtag geltenden §§ 1246 und 1247 RVO in der Fassung des HBegleitG 1984 anzuwenden. Diese Vorschriften setzen voraus, daß der berufs- bzw erwerbsunfähige Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt und zuletzt vor Eintritt der BU bzw EU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat. Unter welchen Voraussetzungen das letztgenannte Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, regelt § 1246 Abs. 2 a RVO, auf den § 1247 Abs. 2 a RVO verweist. Grundsätzlich fordert § 1246 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 1 RVO, daß von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der BU mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind. Bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach Satz 1 werden bestimmte, im Gesetz abschließend (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 157) aufgeführte Aufschubzeiten, ua Ausfallzeiten. Rentenbezugszeiten und unter bestimmten Voraussetzungen auch Zeiten der Arbeitslosigkeit, nicht mitgezählt (Satz 2 aaO). Nach der Übergangsregelung in Art. 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 ArVNG gelten die §§ 1246 Abs. 1, 1247 Abs. 1 RVO in der am 31. Dezember 1983 geltenden Fassung, die noch kein Belegungserfordernis im vorgenannten Sinne enthielten, auch für Versicherungsfälle nach diesem Zeitpunkt, wenn der Versicherte vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt (Nr. 1 aaO) und jeden Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beitragszeiten oder mit Aufschubzeiten nach § 1246 Abs. 2 a RVO belegt hat (Nr. 2 aaO). Auf eine Beitragsentrichtung für 1984 kommt es hingegen nach Art. 2 § 6 Abs. 2 Satz 2 ArVNG nicht an, wenn eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt worden und der Versicherungsfall bis 30. Juni 1984 eingetreten ist. Für in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1984 eingetretene Versicherungsfälle gilt Satz 1 auch, wenn die Voraussetzungen der Nr. 2 im ersten Kalenderhalbjahr 1984 vorliegen (Art. 2 § 6 Abs. 2 Satz 3 ArVNG).
Ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die ab 1. April 1989 mit dem Hilfsantrag begehrte Rente wegen EU, hilfsweise BU, nach Beitragsnachentrichtung vorliegen, kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden. Mit den Pflichtbeitragszeiten von April bis Dezember 1982 erfüllt die Klägerin unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles die nach § 1246 Abs. 2 a RVO vorausgesetzten 36 Kalendermonate einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nicht. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die strittige Rente könnten nur unter Beachtung der Übergangsregelung des Art. 256 Abs. 2 ArVNG gegeben sein. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des LSG bereits vor dem 1. Januar 1984 die erforderliche Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt. Da der Versicherungsfall, wie das LSG für den Senat bindend festgestellt hat, erst nach dem 30. Juni 1984 eingetreten ist, könnte die Klägerin die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift durch Beitragsnachentrichtung erfüllen, soweit die Kalendermonate ab Januar 1984 nicht bereits mit Zeiten nach § 1246 Abs. 2 a Satz 2 RVO (Arbeitslosigkeit bis Februar 1985) belegt sind.
Die Klägerin kann allerdings die erforderlichen Beiträge wegen § 1418 Abs. 1 RVO schon für das Jahr 1985 grundsätzlich nicht mehr wirksam entrichten, weil nach dieser Vorschrift freiwillige Beiträge unwirksam sind, wenn sie nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollten, entrichtet werden. Zwar war die Frist zur Beitragsentrichtung im Hinblick auf den Antrag auf wiederholte Gewährung einer Rente vom 9. Mai 1983 bis zur Klagerücknahme am 29. April 1985 zunächst gern § 1420 Abs. 2 RVO gehemmt; diese Vorschrift kommt der Klägerin aufgrund der fehlenden späteren fristgemäßen Beitragsentrichtung jedoch nicht zugute. § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO greift nicht ein, denn eine rechtzeitige Bereiterklärung zur Beitragsentrichtung liegt nicht vor. Nach den bindenden Feststellungen des LSG kann vielmehr eine solche Bereitschaft allenfalls dem im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 18. Oktober 1990 entnommen werden; einer wirksamen Beitragsnachentrichtung steht daher auch § 1419 Abs. 1 RVO entgegen (vgl. dazu BSG SozR 5750 Art. 2 § 6 Nr. 5).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen ist nach § 27 Abs. 5 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) unzulässig, weil sie nach Sinn und Zweck des § 1418 RVO ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift enthält eine detaillierte Regelung, unter welchen Voraussetzungen eine spätere Entrichtung von Beiträgen noch in Betracht kommt, wenn die Versicherte die Frist ohne ihr Verschulden versäumt hat (BSG SozR 2200 § 1418 Nr. 8). Die abgestufte Regelung des § 1418 Abs. 2 und 3 RVO bezieht sich zwar nur auf Pflichtbeiträge; daraus ist aber zu schließen, daß eine Wiedereinsetzung für die Entrichtung freiwilliger Beiträge ausgeschlossen sein soll.
Eine sogenannte Nachsichtgewährung kommt grundsätzlich nicht mehr in Betracht, weil derartige Erwägungen nunmehr in § 27 SGB X gesetzlich konkretisiert und deshalb bei Versäumung materiell-rechtlicher Ausschlußfristen nur noch ausnahmsweise anzuwenden sind (vgl. BSGE 64, 153, 157).
Es kommt mithin allein darauf an, ob der Klägerin ein Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eingeräumt werden muß. § 1418 RVO steht einem solchen Anspruch nicht entgegen; das BSG hat diese Vorschrift zwar als spezialgesetzliche Regelung angesehen, dies aber ausdrücklich auf die Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen beschränkt (BSG SozR 2200 § 1418 Nr. 8 S 17 f; SozR 3-1200 § 14 Nr. 7 S 10). Der von der Rechtsprechung entwickelte Herstellungsanspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenden Pflichten, insbesondere zur Betreuung und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (ständige Rechtsprechung; vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 9; SozR 1300 § 44 Nr. 13; Urteil des Senats vom 29. Oktober 1991 – 13/5 RJ 38/89 –). Grundlage der Beratungspflicht ist § 14 Satz 1 SGB I. Danach hat jeder Anspruch auf Beratung und Belehrung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz. In der Regel wird die Beratungspflicht durch ein entsprechendes Begehren ausgelöst. Aber auch wenn ein Beratungsbegehren – wie hier – nicht vorliegt, ist der Versicherungsträger gehalten, die Versicherte bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jeder verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden (so schon BSG SozR Nr. 3 zu § 1233 RVO; vgl. ferner BSG SozR 1200 § 14 Nrn 15 und 25; SozR 3-1200 § 14 Nrn 5 und 6). Ein solcher konkreter Anlaß kann sich nach der Rechtsprechung des BSG aus einem laufenden Rentenfeststellungsverfahren (vgl. BSGE 46, 124, 126 = SozR 2200 § 1290 Nr. 11; BSG SozR 5750 Art. 2 § 6 Nr. 4) oder nach dem erfolglosen Abschluß eines Rentenverfahrens bzw eines Rechtsstreits über die beanspruchte Rente ergeben (vgl. BSGE 41, 126, 128 = SozR 7610 § 242 Nr. 5; Urteil vom 23. April 1990 – 5 RJ 65/89 –).
Hier hat sich eine Pflicht zur Beratung in bezug auf die durch das HBegleitG 1984 zum 1. Januar 1984 in Kraft getretenen Rechtsänderungen für die Beklagte – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht bereits mit Abschluß des Verwaltungs- und Vorverfahrens über den Rentenantrag vom 9. Mai 1983 ergeben, denn die Beklagte konnte weder zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 14. September 1983 noch des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 1983 die erst am 22. Dezember 1983 vom Bundestag beschlossenen gesetzlichen Neuregelungen in ihrer konkreten Gestalt kennen. Auf nur mögliche Rechtsänderungen – auch soweit sie bereits in Gesetzesentwürfen und Beratungen in Bundestag und Bundesrat Gestalt angenommen haben – bezieht sich die Beratungspflicht allenfalls dann, wenn diese mit dem geplanten Inkrafttreten eine zuvor bestehende Rechtsposition nachteilig zu beeinflussen drohen und diese Folgen nur durch eine vor Inkrafttreten der Neuregelung vorzunehmende Rechtshandlung zu vermeiden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn die Anwartschaft für eine Rente wegen EU oder BU konnte auch nach dem 1. Januar 1984 noch durch Entrichtung freiwilliger Beiträge aufrechterhalten werden.
Ob hier jedoch Umstände vorgelegen haben, die der Beklagten hätten Veranlassung geben müssen, die Klägerin nach Abschluß des Klageverfahrens vor dem SG Stuttgart (Az: S 9 J 3949/83), also im Anschluß an die Klagerücknahme vom 29. April 1985, darauf hinzuweisen, daß sie zur Erhaltung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen EU oder BU lückenlos seit 1. Januar 1984 Beitragszeiten bzw Aufschubzeiten vorweisen müsse (Art. 2 § 6 Abs. 2 ArVNG), läßt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch bereits deswegen verneint, weil eine Notwendigkeit zu spontaner Beratung angesichts der durch Anwaltsschriftsatz erklärten Klagerücknahme nicht bestanden habe. Diesen Erwägungen vermag sich der erkennende Senat jedoch nicht anzuschließen.
Zwar mag der Rahmen einer spontanen und aktuellen Beratung bei Vertretung der Versicherten durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten eingeschränkt sein (vgl. BSG, Urteil vom 23. Oktober 1987 – 12 RK 59/85 –). Dies kann jedoch nur gelten, wenn für den Versicherungsträger erkennbar ist, daß die Versicherte auch tatsächlich sachkundig beraten wurde (vgl. BSGE 50, 88, 93 = SozR 5750 Art. 2 § 51 a Nr. 39; vgl. auch BSG SozR 1200 § 14 Nrn 16 und 25; offengelassen in SozR 1200 § 14 Nr. 11); hiervon kann allein aufgrund der Prozeßvertretung durch einen Rechtsanwalt nicht ausgegangen werden. Auch in einem solchen Fall ist der Versicherungsträger vielmehr verpflichtet, auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, wenn die Versicherte evident unzweckmäßig gehandelt hat und ihr dies auf den ersten Blick erkennbare Nachteile bringt (vgl. BSGE 50, 88, 93 f). Entsprechendes gilt, wenn die der Versicherten durch Unterlassung bestimmter Gestaltungsmöglichkeiten erkennbar drohenden Nachteile besonders schwerwiegend sind. Dies könnte hier der Fall sein. Die Unterlassung rechtzeitiger Leistung monatlicher Mindestbeiträge hat den Verlust der durch eigene Beitragsleistung erworbenen Invaliditätssicherung zur Folge, ist also für die typischerweise auf diesen Versicherungsschutz angewiesenen Versicherten in der Arbeiterrentenversicherung von existentieller Bedeutung. Es bestand generell auch Handlungsbedarf, weil nach Abschluß eines Klageverfahrens die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes nicht mehr eindeutig gesichert oder jederzeit möglich war.
Der Rechtsstreit war mithin zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das LSG wird weitere Ermittlungen, insbesondere auch zum seinerzeitigen Erkenntnisstand der Beklagten (vgl. dazu BSG SozR 1200 § 14 Nr. 16 S 30 f), anzustellen haben. Sollte es hierbei zu dem Ergebnis gelangen, daß die Beklagte ihre Beratungs- und Betreuungspflichten verletzt hat, wird jedoch weiter zu beachten sein, daß dieser Verstoß nur dann zu einen Herstellungsanspruch führen kann, wenn er ursächlich dafür gewesen ist, daß die Klägerin eine Beitragsentrichtung unterlassen hat (vgl. BSG SozR 5070 § 10 Nr. 30). Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin bei rechtzeitiger zutreffender Beratung bereit und in der Lage gewesen wäre, die erforderlichen freiwilligen Beiträge zu entrichten. Die Kausalität zwischen Beratungsunterlassung und Nichtentrichtung der Beiträge wäre auch dann zu verneinen, wenn die Klägerin oder ihr Rechtsvertreter die Möglichkeiten zur Klärung bestehender Zweifel in grob fahrlässiger Weise nicht genutzt hätte (vgl. BSGE 34, 124, 128 f = SozR Nr. 25 zu § 29 RVO; BSG SozR 1200 § 14 Nr. 16 S 31; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 6). Insoweit ist aufzuklären, welche Beratung die Klägerin ggf von den sie vertretenden Rechtsanwälten im Verfahren vor dem SG Stuttgart (Az: S 9 J 3949/83) erfahren hat; unter Umständen könnten sich weitere Aufschlüsse auch aus dem Petitionsverfahren vor dem Landtag des Freistaates Bayern (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 13. April 1992, Blatt 157 der LSG-Akten) sowie aus den späteren Klageverfahren vor dem SG Stuttgart (Az: S 9 J 1586/87), in dem die Klägerin gleichfalls durch Prozeßbevollmächtigte vertreten war, ergeben.
Falls die Klägerin danach unzureichend beraten worden und dies ursächlich für das Unterlassen rechtzeitiger Beitragsentrichtung gewesen ist, kann sie von der Beklagten die Herstellung des Zustandes verlangen, der bestehen würde, wenn diese sich pflichtgemäß verhalten hätte. Die Beklagte muß der Klägerin dann zum Zwecke der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Versichertenrente Gelegenheit zur Beitragsnachentrichtung für die nicht belegten Monate im Jahre 1985 – aber auch für die Folgejahre bis zum Ablauf des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles – geben. Auf die Feststellung des genauen Zeitpunktes des Versicherungsfalles kann nicht verzichtet werden, weil hiervon der Umfang des Zeitraums für die Beitragsnachentrichtung abhängt. Das Berufungsgericht hat bisher lediglich festgestellt, der Eintritt von EU bzw BU vor dem 1. Juli 1984 lasse sich nicht nachweisen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen