Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Aufhebung. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Änderung der Verhältnisse. gebundene Entscheidung. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz
Leitsatz (amtlich)
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß eine Aufhebungsentscheidung gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 iVm § 152 Abs 3 AFG mit Wirkung ab 1.1.1994 nur noch als gebundene Entscheidung zu ergehen hat.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; AFG § 152 Abs. 3 Fassung: 1993-12-21; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1; AFG § 117 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 7. März 1996 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 14. August bis 30. September 1993 und die damit verbundene Erstattungsforderung in Höhe von 2.578,90 DM.
Er ist von Beruf Bankkaufmann und war seit dem 1. Juni 1983 für die S.-Bank tätig. Nach der Arbeitsbescheinigung betrug die Kündigungsfrist der Arbeitgeberin vier Monate zum Vierteljahresschluß. Nach § 3 Abs 1 des Arbeitsvertrages (vom 18./20. Mai 1983) war das Dienstverhältnis beiderseits mit einer Frist von sechs Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahres kündbar; unberührt blieben die verlängerten Kündigungsfristen aufgrund des Gesetzes über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 (RGBl I 399, 412). Nachdem die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis am 21. Mai 1993 fristlos gekündigt hatte, meldete sich der Kläger am 24. Mai 1993 arbeitslos und beantragte Alg. Im Kündigungsschutz vor dem Arbeitsgericht (ArbG) kam es zwischen ihm und seiner Arbeitgeberin am 21. Juli 1993 zu einem Vergleich. Danach bestand Einigkeit darüber, daß das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Arbeitgeberin fristgemäß im Hinblick auf die Erkrankung des Klägers mit dem 30. Juni 1993 endete; die Arbeitgeberin verpflichtete sich, dem Kläger als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung in Höhe von 50.000,– DM gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz iVm § 3 Nr 9 Einkommensteuergesetz zu zahlen. Das Gehalt bis 30. Juni 1993 wurde – neben der Abfindungssumme – erbracht. Die Beklagte, die von dem Vergleich am 9. August 1993 Kenntnis erhielt, hatte bereits zuvor Alg ab 14. August 1993 für 240 (312 – 72) Wochentage – unter Berücksichtigung einer Nettolohnersatzquote von 63 vH, eines Bemessungsentgelts von 970,– DM und der Leistungsgruppe A – in Höhe von wöchentlich 377,40 DM bewilligt (Bescheid vom 18. Juni 1993). Ferner hatte sie den Eintritt einer 12wöchigen Sperrzeit (22. Mai bis 13. August 1993) gemäß § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm § 119a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) mit dem Hinweis festgestellt, der Kläger habe am 21. Mai 1993 seine Stelle bei der S.-Bank verloren, weil er der Arbeit in der Zeit vom 10. bis 14. Mai 1993 unentschuldigt ferngeblieben sei; die Sperrzeit, während der der Anspruch auf Alg ruhe, mindere die Dauer des Anspruchs um 72 Tage (§ 110 Satz 1 Nr 2 AFG); der nachträglich abgeschlossene Vergleich vor dem ArbG könne den Eintritt der Sperrzeit nicht rückwirkend aufheben (Bescheid vom 23. Juni 1993; Widerspruchsbescheid vom 26. August 1993).
Während des Klageverfahrens hob die Beklagte den Sperrzeitbescheid auf (Bescheid vom 28. April 1994). Des weiteren hob sie – nach Anhörung des Klägers – die Alg-Bewilligung (vom 18. Juni 1993) für die Zeit vom 14. August bis 30. September 1993 gemäß § 45 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) iVm § 152 Abs 2 AFG mit der Begründung auf, der Alg-Anspruch ruhe aufgrund der Abfindung in Höhe von 50.000,– DM in der genannten Zeit, weil das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei; gleichzeitig forderte die Beklagte die Erstattung von Alg für die genannte Zeit (41 Wochentage) in Höhe von 2.578,90 DM (Bescheid vom 20. Juni 1994). Später berichtigte sie diesen Bescheid in dem Sinne, daß die Aufhebung der Leistungsbewilligung auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 3 und 4 SGB X iVm § 152 Abs 3 AFG gestützt werde; der Kläger habe nach Erlaß des Bewilligungsbescheides Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt habe; überdies habe er wissen müssen, daß der sich aus dem Bewilligungsbescheid ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen kommen werde (Schriftsatz vom 24. August 1994). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 20. Juni 1994 sowie die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen ab 22. Mai 1993 begehrte, abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 10. Februar 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers, mit der dieser (lediglich noch) die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG vom 10. Februar 1995 sowie des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 20. Juni 1994 (idF des Schriftsatzes vom 24. August 1994) erstrebte, zurückgewiesen (Urteil vom 7. März 1996).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt: Rechtsgrundlage der Aufhebung der Alg-Bewilligung vom 14. August bis 30. September 1993 sei § 48 SGB X iVm § 152 Abs 3 AFG. Durch die Abfindung von 50.000,– DM sei in bezug auf die Alg-Bewilligung ab 14. August 1993 eine wesentliche Änderung eingetreten (§ 48 Abs 1 Sätze 1 und 3 AFG). Der Alg-Anspruch habe deshalb vom Ende des Arbeitsverhältnisses an (1. Juli 1993) bis zu dem Tage geruht, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist geendet hätte (30. September 1993). Insoweit könne offenbleiben, ob die Kündigungsfrist der Arbeitgeberin vier Monate oder sechs Wochen zum Quartalsende betragen habe. Der arbeitsgerichtliche Vergleich habe die ab 21. Mai 1993 zu berechnende ordentliche Kündigungsfrist nicht verkürzen können. Die Aufhebung der Alg-Bewilligung ab 14. August 1993 rechtfertige sich aus § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X, weil das Ruhen des Anspruchs dem Wegfall des Anspruchs gleichstehe (BSG SozR 1300 § 48 Nrn 22 und 26). Allerdings sei ein sog atypischer Fall gegeben, da die Beklagte, die von der Abfindung am 9. August 1993 Kenntnis erlangt habe, die Überzahlung für die Zeit vom 14. August bis 30. September 1993 hätte abwenden können. Gleichwohl sei die Ausübung von Ermessen nicht erforderlich gewesen. Das ergebe sich aus § 152 Abs 3 AFG nF. Diese Vorschrift sei, obwohl am 1. Januar 1994 in Kraft getreten, auf vergangenheitsbezogene Sachverhalte anwendbar. Darin liege kein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (Art 20 Abs 3 Grundgesetz ≪GG≫); denn die Rückwirkung beschränke sich auf Fälle, in denen das Vertrauen nicht schutzwürdig sei. Im übrigen sei Vertrauen auf ein aus der Ausübung von Ermessen hervorgehendes Ergebnis spekulativer Natur und schon deshalb nicht schützenswert. Die Rückforderung von 2.578,90 DM schließlich ergebe sich aus § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X.
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung der §§ 117 Abs 2, 152 Abs 3 AFG, des § 48 Abs 1 Satz 2 und Abs 4 Satz 1 SGB X sowie des Art 20 Abs 3 GG. Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm § 152 Abs 3 AFG seien nicht erfüllt. Die durch den Vergleich vom 21. Juli 1993 vereinbarte Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende sei Rechtens, da die Rechtslage hinsichtlich der Kündigungsfristen seinerzeit unklar gewesen sei. Selbst wenn § 117 Abs 2 AFG gegeben sei, fehle es an den Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X; denn dem Kläger könne nicht der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gemacht werden. Keinesfalls sei § 152 AFG nF verwirklicht. Abs 2 dieser Bestimmung sei nicht einschlägig; Abs 3 sei verfassungswidrig, soweit er die Aufhebung von Leistungsbewilligungen für die Zeit vor dem 1. Januar 1994 betreffe. Anzuwenden sei mithin § 152 AFG aF. Danach müsse bei Vorliegen eines atypischen Falles Ermessen ausgeübt werden. Das sei hier nicht geschehen. Schließlich sei der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid verfristet (§§ 48 Abs 4 Satz 1, 45 Abs 4 Satz 2 SGB X).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 20. Juni 1994 (in der Fassung des Schriftsatzes vom 23. August 1994) aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert: Rechtsgrundlage der Aufhebung der Alg-Bewilligung sei nicht Nr 4, sondern Nr 3 des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm § 152 Abs 3 AFG nF. Durch die Anwendung des § 152 Abs 3 AFG nF werde in keine grundrechtsrelevante Position des Klägers eingegriffen. Die Einjahresfrist sei gewahrt, weil Kenntnis der zur Aufhebung berechtigenden Tatsachen frühestens nach Anhörung des Betroffenen eintreten könne.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 20. Juni 1994, durch den die Beklagte die ab 14. August 1993 in Höhe von wöchentlich 377,40 DM erfolgte Alg-Bewilligung (Bescheid vom 18. Juni 1993) für die Zeit vom 14. August bis 30. September 1993 aufgehoben und die Erstattung der für diesen Zeitraum erbrachten Leistungen in Höhe von 2.578,90 DM verlangt hat. Dieser Bescheid war Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden (§ 96 SGG); er hat den Bewilligungsbescheid vom 18. Juni 1993 insofern geändert, als die Alg-Bewilligung ab 14. August 1993 aufgehoben worden ist; dabei ist, was den ursprünglichen Klagegegenstand betrifft (Zeitraum vom 22. Mai bis 13. August 1993), eine zeitliche Überschneidung insoweit eingetreten, als sich das Ruhen des Alg-Anspruchs nach § 117 Abs 2 AFG auch auf einen Zeitraum (1. Juli bis 13. August 1993) erstreckt, der Gegenstand der Klage war. Demgegenüber ist nicht Verfahrensgegenstand die Gewährung von Alg für die Zeit vom 22. Mai (bzw 1. Juli) bis 13. August 1993; ein entsprechendes Leistungsbegehren ist vom Kläger schon in der Berufungsinstanz nicht mehr weiterverfolgt worden.
Die Aufhebung der Alg-Bewilligung für die Zeit vom 14. August bis 30. September 1993 steht mit der Rechtslage in Einklang. Rechtsgrundlage ist § 48 SGB X iVm § 152 Abs 3 AFG (idF des Art 1 Nr 50 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms ≪1. SKWPG≫ vom 21. Dezember 1993 – BGBl I 2353). Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Satz 2 Nr 3), oder der Betroffene wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Satz 2 Nr 4). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (Satz 3). Die Bestimmung des § 152 Abs 3 AFG modifiziert § 48 SGB X wie folgt: Liegen die in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.
Die Bewilligung des Alg ab 14. August 1993 erfolgte durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BSG SozR 4100 § 138 Nr 25; BSGE 66, 134, 136 = SozR 3-4100 § 138 Nr 1; BSG, Urteile vom 14. März 1996 – 7 RAr 38/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, und 12. September 1996 – 7 RAr 54/95 –, unveröffentlicht). Die erforderliche wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlaß des Bewilligungsbescheides (vom 18. Juni 1993) vorgelegen haben, ist darin zu erblicken, daß der Alg-Anspruch in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1993 geruht hat, weshalb die Alg-Bewilligung hier nicht für die Zeit vom 14. August bis 30. September 1993 hätte ergehen dürfen. Das ergibt sich aus § 117 AFG (in der hier maßgebenden Fassung des Art 11 Nr 11 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms ≪FKPG≫ vom 23. Juni 1993 – BGBl I 944). Diese Vorschrift bestimmt: Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (Abs 2 Satz 1). Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Abs 2 Satz 2). Der Anspruch auf Alg ruht nicht über den Tag hinaus, bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 70 vH der Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung als Arbeitsentgelt verdient hätte (Abs 3 Satz 2 Nr 1). Dieser zu berücksichtigende Anteil der Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 vH; er beträgt nicht weniger als 30 vH der Leistung (Abs 3 Satz 3). Letzte Beschäftigungszeit (iS des Abs 3 Satz 2 Nr 1) sind die am Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate; § 112 Abs 2 Satz 2 und 3 AFG gilt entsprechend (Abs 3 Satz 4).
Diese Regelungen rechtfertigen den angefochtenen Bescheid. Der Kläger hat wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 50.000,– DM erhalten. Eine Abfindung wird wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erbracht, wenn zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ein ursächlicher Zusammenhang besteht (BSG SozR 3-4100 § 117 Nrn 5, 6 und 10; BSGE 76, 294, 296 = SozR 3-4100 § 117 Nr 12). Das ist hier der Fall. Der Kläger hat die Abfindung von 50.000,– DM nur erhalten, weil sein Arbeitsverhältnis beendet wurde, nicht etwa als Erfüllung für noch ausstehendes Arbeitsentgelt oder aus sonstigen Rechtsgründen (vgl dazu BSG SozR 3-4100 § 117 Nrn 5 und 11); die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 22. Mai bis 30. Juni 1993 erfolgte gesondert und ist auch tatsächlich durchgeführt worden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist ferner ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist, mithin vorzeitig, beendet worden; es wurde am 21. Mai 1993 durch die Arbeitgeberin fristlos gekündigt und später (im Vergleich vor dem ArbG vom 21. Juli 1993) bis zum 30. Juni 1993 verlängert. Hierbei wurde die für die Arbeitgeberin bestehende ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten. Diese begann mit dem Tag der fristlosen Kündigung (21. Mai 1993), nicht etwa mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (21. Juli 1993), weil die Kündigung Anlaß für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war und der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben ist (vgl dazu BSG SozR 4100 § 117 Nr 25). Bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist hätte das Arbeitsverhältnis des Klägers, jedenfalls nicht vor dem 30. September 1993 geendet. Insoweit kann offenbleiben, ob die vertraglich vereinbarte beiderseitige Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahres (§ 3 Abs 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages vom 18./20. Mai 1983) oder die verlängerten Kündigungsfristen aufgrund des Gesetzes über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 (RGBl I 399, 412) anzuwenden waren, die nach § 3 Abs 1 Satz 2 des Arbeitsvertrages des Klägers unberührt blieben und die – wie hier – nach einer Beschäftigungsdauer von neun Jahren eine Erhöhung der Kündigungsfrist auf vier Monate für den Schluß des Kalendervierteljahres vorsahen (§ 2 Abs 1 Satz 2); denn im einen wie im anderen Fall hätte das Arbeitsverhältnis fristgerecht keinesfalls vor dem 30. September 1993 beendet werden können.
Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, vorliegend sei die durch den Vergleich vom 21. Juli 1993 vereinbarte Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende maßgebend, da die Rechtslage hinsichtlich der Kündigungsfristen für Angestellte aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. Mai 1990 – 1 BvL 2/83 ua – (NJW 1990, 2246) unklar gewesen sei. Das BVerfG hat in der besagten Entscheidung lediglich die in § 622 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aF enthaltenen Kündigungsfristen für Arbeiter mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) für unvereinbar erklärt, soweit sie kürzer waren als für Angestellte, und dem Gesetzgeber für eine Neuregelung eine Frist bis zum 30. Juni 1993 gesetzt; nicht hingegen hat es die (längeren) Kündigungsfristen für Angestellte für verfassungswidrig erachtet; ein entsprechender Eingriff in bereits „ins Werk gesetzte” Verträge wäre überdies kaum möglich gewesen. Aus § 622 Abs 2 Nr 3 BGB nF, eingefügt durch Art 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (Kündigungsfristengesetz – KündFG) vom 7. Oktober 1993 (BGBl I 1668) und seit dem 15. Oktober 1993 in Kraft (Art 7), läßt sich kein dem Kläger günstigeres Ergebnis herleiten. Zwar beträgt danach die Kündigungsfrist für eine Kündigung durch den Arbeitgeber, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen neun Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats, was hier auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 1993 hinausliefe. Jedoch kommt diese Regelung vorliegend nicht zur Anwendung, weil keiner der in der Übergangsvorschrift (Art 2 KündFG) aufgeführten Sonderfälle gegeben ist. Im übrigen muß sich der Kläger vorhalten lassen, daß auch bei (subjektiver) Ungewißheit über die Dauer der Kündigungsfrist eine vergleichsweise Einigung der Parteien über eine bestimmte Dauer der Kündigungsfrist im Hinblick auf den Zweck des § 117 Abs 2 AFG jedenfalls dann unerheblich ist, wenn – wie hier – die Einigung erst im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach der Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers erfolgt. Maßgeblich ist vielmehr auch in diesen Fällen die „richtige” ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers, wie sie sich aus Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag ergibt (BSG SozR 4100 § 117 Nr 26; vgl auch KR-Wolff, 4. Aufl 1996, § 117 AFG Rz 37).
Sind sonach die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs auf Alg nach § 117 Abs 2 AFG verwirklicht, so ist auch die Annahme der Beklagten nicht zu beanstanden, der Alg-Anspruch habe vom 1. Juli (und damit vom 14. August) bis 30. September 1993 geruht. Im Hinblick auf die Dauer der Zugehörigkeit zum Betrieb (neun Jahre) und das Lebensalter des Klägers (38 Jahre) waren 65 vH, der Abfindung (mithin 32.500,– DM) anzurechnen. Da der Kläger im maßgebenden Bemessungszeitraum (Februar bis April 1993) abgerechnete 12.579,– DM erzielt hatte, dem ein tägliches Arbeitsentgelt von 139,77 DM (12.579,– DM: 90 Tage) bzw 141,33 DM (12.579 DM: 89 Tage) entsprach (vgl hierzu BSG, Urteil vom 14. März 1996 – 7 RAr 24/95 –, unveröffentlicht), hätte der Alg-Anspruch weit über den 30. September 1993 hinaus geruht (32.500,– DM: 139,77 DM bzw 141,33 DM = 232 bzw 229 Tage). Allerdings wird das Ruhen, wie ausgeführt, auf die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist beschränkt.
Damit hängt die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20. Juni 1994 davon ab, ob die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X erfüllt sind. Dahinstehen kann, ob dem Kläger, wie von der Beklagten angenommen, ein Schuldvorwurf iS der Nr 4 des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X gemacht werden kann. Denn auf jeden Fall sind die Voraussetzungen der Nr 3 des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X verwirklicht. Zwar ist diese Vorschrift im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, weil in ihr der Fall, daß das erzielte Einkommen oder Vermögen nicht zum Wegfall oder zur Minderung, sondern zum Ruhen des Anspruchs führt, nicht erwähnt ist. Jedoch findet sie auf Fälle des Ruhens entsprechende Anwendung. Sie beruht nämlich auf der Erwägung, daß die bewilligte Leistung dem Betroffenen nicht belassen werden soll, soweit Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das an die Stelle der Leistung treten kann. Von daher ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung wegen anspruchsvernichtender Einkünfte zuzulassen, sie aber zu versagen bzw nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 oder 4 SGB X zu ermöglichen, wenn der Anspruch infolge der nachträglich erzielten Einkünfte lediglich zum Ruhen gekommen ist. Ausdrücklich ist dies vom erkennenden Senat bislang für Fälle der rückwirkenden Rentengewährung (§ 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 3 und 4 AFG) entschieden worden (BSG SozR 1300 § 48 Nrn 22 und 26; BSG SozR 3-4100 § 118 Nr 2; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1991 – 7 RAr 46/90 –, unveröffentlicht; zum Doppelbezug von Krankengeld und Arbeitsentgelt: BSGE 74, 287, 291 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33). Indes greifen dieselben Überlegungen Platz, wenn eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung gemäß § 117 Abs 2 AFG nachträglich zum Ruhen eines bewilligten Alg-Anspruchs geführt hat.
Ob, wie das LSG und der Kläger meinen, ein sog atypischer Fall vorliegt, der die Beklagte (vor dem 1. Januar 1994) zur Ausübung von Ermessen verpflichtete (BSGE 59, 111, 114 ff = SozR 1300 § 48 Nr 19; BSGE 66, 103, 108 f = SozR 4100 § 103 Nr 47; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 9), kann dahinstehen; denn § 152 Abs 3 AFG nF verpflichtet die Beklagte (seit dem 1. Januar 1994) im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X zur Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ohne die Ausübung von Ermessen. Dies gilt für alle Aufhebungsbescheide, die ab 1. Januar 1994, dem Inkrafttreten des § 152 AFG nF (Art 14 des 1. SKWPG), ergangen sind bzw ergehen. Das folgt aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Rechtssystematik der Neuregelung.
Der Wortlaut des § 152 Abs 3 AFG nF ist eindeutig. Die Wendung „Liegen die in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben” kann iVm dem Inkrafttreten der Vorschrift nur in dem Sinne verstanden werden: Stichtag für die ggf erforderliche bzw nicht mehr erforderliche Ausübung von Ermessen bei einem Aufhebungsbescheid ist der 1. Januar 1994. Die Motive zu § 152 AFG nF sind ebenfalls unmißverständlich; denn es heißt dort: „Die Bundesanstalt hat die meisten Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz kurzfristig zu erbringen. Sie sind vielfach ebenso kurzfristig wieder zu beenden, wenn z.B. ein Empfänger von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe eine Arbeit aufnimmt. Überzahlungen sind dabei praktisch nicht zu vermeiden. … Die Absätze 1 bis 3 sollen diesen Besonderheiten Rechnung tragen. Sie sehen vor, daß für die in § 45 Abs. 2 Satz 3, § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X geregelten Fallgestaltungen an die Stelle einer Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung tritt” (BT-Drucks 12/5502 S 37 zu Nr 43). In rechtssytematischer Hinsicht schließlich ist nicht zu übersehen, daß zu § 152 AFG nF keine Übergangsvorschrift geschaffen wurde. Das bedeutet nach allgemeinem juristischen Sprachgebrauch: Eine Aufhebungsentscheidung gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X hat mit Wirkung ab 1. Januar 1994 nur noch als gebundene Entscheidung zu ergehen (so im Ergebnis auch BSG, Urteile vom 1. August 1996 – 11 RAr 9/96 und 15/96 –, unveröffentlicht).
Gegen diese Auslegung des § 152 Abs 3 AFG nF greifen verfassungsrechtliche Bedenken nicht durch. Prüfungsmaßstab ist insoweit nicht Art 14 GG, sondern das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3, 28 Abs 1 Satz 1 GG), weil der durch § 152 Abs 3 AFG modifizierte § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X selbst weniger materiell-rechtliche, sondern vorrangig verfahrensrechtliche Bedeutung hat. Denn mit dieser Regelung wird der Verwaltung in erster Linie das verfahrensrechtliche Instrumentarium zur Verfügung gestellt, mit dem eine durch Verwaltungsakt eingeräumte materiell-rechtliche Position verfahrensrechtlich an geänderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse angepaßt werden kann. Hinsichtlich dieser durch § 152 Abs 3 AFG mit Wirkung ab 1. Januar 1994 geänderten verfahrensrechtlichen Lage haben die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes iVm Art 2 Abs 1 GG Anwendung zu finden. Diese sind indes vorliegend nicht verletzt.
Allgemein gilt: Grundsätzlich ist das Vertrauen in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen weniger geschützt als das Vertrauen in die Aufrechterhaltung materieller Rechtspositionen. Doch können verfahrensrechtliche Regelungen im Einzelfall ihrer Bedeutung und ihres Gewichtes wegen in gleichem Maße schutzwürdig sein wie Besitzstände des materiellen Rechts (BVerfGE 63, 343, 359). So bleibt ein bereits eingelegtes Rechtsmittel – trotz gesetzlich (neu) festgelegten Rechtsmittelausschlusses – zulässig, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (BVerfGE 87, 48, 62 ff). Aus denselben Erwägungen findet die zum 1. Januar 1993 in Kraft getretene Neuregelung über die Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen der Behörden sowie der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (§ 193 Abs 4 Satz 2 SGG) nur auf solche Klagen bzw Rechtsmittel Anwendung, die nach dem 31. Dezember 1992 erhoben bzw eingelegt worden sind (BSGE 72, 148, 156 ff = SozR 3-2500 § 15 Nr 1). Auf der anderen Seite verstößt die Verlängerung von (nicht abgelaufenen) Verjährungsfristen für die Verfolgung von Verbrechen, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (BVerfGE 25, 269, 291). Ebenso verletzt ein Rechtshilfevertrag, der die Vollstreckungsmöglichkeit auch für solche (ausländischen) Abgabenbescheide vorsieht, die vor seinem Inkrafttreten bestandskräftig geworden sind, nicht die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes iVm Art 2 Abs 1 GG (BVerfGE 63, 343, 357 f).
Der vorliegende Fall steht den beiden letztgenannten Fällen nahe. Die Vorschrift des § 152 Abs 3 AFG nF wirkt in Fällen der vorliegenden Art zwar auf eine bereits vor ihrem Inkrafttreten vorhandene verfahrensrechtliche Lage ein. Doch kann nicht von einem Eingriff in eine einer materiell-rechtlichen Gewährleistung gleichwertige Position gesprochen werden. Das folgt schon daraus, daß der durch § 152 Abs 3 AFG nF ua modifzierte § 48 Abs 2 Nr 3 SGB X grundsätzlich einen Doppelbezug von Leistungen verhindern und es lediglich in Ausnahmefällen dem Ermessen der Behörde überlassen will, ob der Verwaltungsakt ganz oder teilweise aufgehoben oder von der Aufhebung abgesehen werden soll (BSGE 49, 111, 114 ff = SozR 1300 § 48 Nr 19). Insoweit ist dem Vertrauensschutz des Betroffenen hinsichtlich der Beibehaltung dieser Ausnahmeregelung kein besonderes Gewicht beizumessen, denn der Arbeitslose hat beim Zusammentreffen von Einkommen oder Vermögen mit Lohnersatzleistungen grundsätzlich von einer (vollständigen oder teilweisen) Anrechnung auszugehen (vgl §§ 100 Abs 1, 101, 115, 117, 134 Abs 4 Satz 1 AFG), weshalb den Mitwirkungspflichten (zB § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – ≪SGB I≫) vom Gesetzgeber ein hoher Stellenwert beigemessen worden ist (zB § 231 Abs 1 Nr 4 AFG). Auch kann der Betroffene in sog atypischen Fällen nicht ohne weiteres darauf bauen, daß die Beklagte von einer Aufhebung bzw Rückforderung absehen wird, zumal sie im Rahmen ihres Ermessens auch die Besonderheiten des AFG-Bereichs berücksichtigen darf, in dem wegen der gebotenen Sofortleistungen Überzahlungen häufig unvermeidbar sind. Schließlich war die verfahrensrechtliche Rechtsposition des Klägers vorliegend nicht in dem Sinne abgeschlossen oder verfestigt, daß er bereits sicher sein konnte, die Behörde werde die rechtsfehlerhafte Leistungsbewilligung nicht mehr revidieren. Davon könnte allenfalls dann die Rede sein, wenn die Einjahresfrist (§§ 45 Abs 4 Satz 2, 48 Abs 4 Satz 1 SGB X) bereits abgelaufen gewesen wäre. Ob in derartigen Fällen eine Vergleichbarkeit mit einem Besitzstand des materiellen Rechts anzunehmen wäre, der in bezug auf rückwirkende Gesetzesänderungen strengeren verfassungsrechtlichen Kriterien unterliegt (vgl zum Rückwirkungsverbot Jarass/Pieroth, GG, Art 20 Rz 47 ff), braucht nicht entschieden zu werden; denn die Einjahresfrist war hier, worauf zurückzukommen ist, bis zum Erlaß des Bescheides vom 20. Juni 1994 noch nicht abgelaufen.
Im übrigen mag sich durch die Anwendung des § 152 Abs 3 AFG nF in Fällen der vorliegenden Art im Einzelfall eine Härte ergeben. Ihr kann jedoch durch die Vorschriften über die Stundung und Niederschlagung von Rückforderungen sowie die Einstellung des Einziehungsverfahrens Rechnung getragen werden (§ 152 Abs 5 AFG iVm §§ 1 ff der Niederschlagungs-Anordnung vom 18. Dezember 1969 – ANBA 1970 S 220). Insoweit ist die Rechtslage für den Betroffenen nicht ungünstiger als bei Sachverhalten, die vollständig in die Zeit nach dem 31. Dezember 1993 fallen.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte auch nicht die Einjahresfrist der §§ 48 Abs 4 Satz 1, 45 Abs 4 Satz 2 SGB X versäumt. Diese Frist, die der Rechtssicherheit dient (BSGE 66, 204, 209 = SozR 3-1300 § 45 Nr 1), beginnt erst zu laufen, wenn die Rücknahme bzw Aufhebung keine weiteren Ermittlungen mehr erfordert; erst dann darf der Leistungsempfänger davon ausgehen, daß die Behörde den rechtsfehlerhaften Bescheid innerhalb eines Jahres nicht mehr revidiert (BSGE 74, 20, 26 = SozR 3-1300 § 48 Nr 32). Dies ist regelmäßig erst nach der gemäß § 24 SGB X durchgeführten Anhörung des Betroffenen der Fall (BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 27). Im vorliegenden Fall ist die Anhörung des Klägers unter dem 24. April 1994 erfolgt; der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist unter dem 20. Juni 1994 ergangen. Der dazwischenliegende Zeitraum beläuft sich auf weit weniger als ein Jahr. Die Einjahresfrist ist aber selbst dann eingehalten, wenn man die Kenntnisnahme der Beklagten vom arbeitsgerichtlichen Vergleich für maßgebend hielte. Sie erfolgte am 12. August 1993; der angefochtene Bescheid ist dem Kläger nachweislich der Gerichtsakten vor dem 5. August 1994 zugegangen. Auch zwischen diesen beiden Daten liegt eine Zeitspanne von weniger als einem Jahr.
Schließlich ist die von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung der Höhe nach richtig berechnet worden. Sie entspricht mit 2.578,90 DM den von der Beklagten für die Zeit vom 14. August bis 30. September 1993 erbrachten Leistungen (62,90 DM × 41 Wochentage = 2.578,90 DM).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NWB 1997, 164 |
SozR 3-4100 § 117, Nr.13 |
SozSi 1997, 358 |