Verfahrensgang
SG Köln (Urteil vom 02.02.1990) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 2. Februar 1990 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid vom 21. Januar 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 1988 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung von Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 nach Art 2 § 61 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG).
Die 1903 in St. Petersburg geborene Klägerin, eine geborene H. … und verwitwete R. …, seit 1928 deutsche Staatsangehörige, ist anerkannte Verfolgte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft iS von § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Von September 1928 bis April 1934 entrichtete sie Beiträge zur Angestelltenversicherung, die ihr mit Bescheid vom 20. November 1934 erstattet wurden, nachdem sie verfolgungsbedingt ihrem gleichfalls verfolgten Verlobten im Mai 1934 nach Südafrika nachgezogen war und ihn dort geheiratet hatte. In Südafrika gebar sie am 12. September 1935 den Sohn Daniel, am 20. Oktober 1936 die Tochter Elisabeth und am 25. September 1947 die Tochter Stephanie. Ihr erster Ehemann verstarb 1951. Im Juni 1962 kehrte sie mit ihrer jüngsten Tochter nach Deutschland zurück. Seit August 1963 ist sie wieder verheiratet. Nachdem sie gemäß § 8 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) Beiträge zur Angestelltenversicherung für die Zeiten von September 1928 bis April 1934 und von Januar 1950 bis Dezember 1951 nachentrichtet hatte, gewährte ihr die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Bescheid vom 5. August 1971 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (ARG) ab 1. Februar 1971. Dabei berücksichtigte die BfA ua die Zeiten vom 1. Mai 1934 bis zum 31. Dezember 1949 als Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes (§ 28 Abs 1 Nr 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes – AVG) mit dem monatlichen Wert von 13,88.
Durch den streitigen Bescheid vom 21. Januar 1988, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 1988, lehnte die BfA den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindererziehungsleistungen ab, weil die Kinder entgegen Art 2 § 61 Abs 1 und Abs 3 AnVNG nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze oder in Berlin vor dem 1. Februar 1949 geboren worden seien, die Klägerin im Zeitpunkt der Geburt der Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in den vorgenannten Geltungsbereichen gehabt habe und auch die Voraussetzungen nicht vorlägen, unter denen die Kindererziehungsleistung für außerhalb der vorgenannten Geltungsbereiche geborene Kinder zu gewähren sei. Die verfolgungsbedingten Nachteile beim Aufbau einer deutschen Rentenanwartschaft infolge der Zwangsauswanderung seien durch die Anrechnung von Ersatzzeiten entschädigt worden.
Das Sozialgericht Köln (SG) hat durch Urteil vom 2. Februar 1990 die Beklagte unter Aufhebung der streitigen Verwaltungsentscheidungen verurteilt, der Klägerin Leistungen für die Erziehung ihrer Kinder Daniel, Elisabeth und Stephanie ab 1. Oktober 1987 zu zahlen. Das SG ist der Auffassung, die Klägerin habe im Zeitpunkt der Geburten dieser Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt, weil sie Deutschland unfreiwillig habe verlassen müssen, ihren Aufenthalt in Südafrika als nur vorübergehend gedacht und durch ihre Rückkehr im Jahre 1962 zu erkennen gegeben habe, daß sich ihre Bindungen zu Südafrika nicht derartig verfestigt hätten, daß von einem gewöhnlichen Aufenthalt dort gesprochen werden könne. Das SG hat die (Sprung-)Revision durch Beschluß vom 23. März 1990 zugelassen.
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von Art 2 § 61 AnVNG. Sie meint, die Klägerin habe während ihres verfolgungsbedingten Aufenthalts in Südafrika keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gehabt. Das SG habe den Begriff des „vorübergehenden” Verweilens in § 30 Abs 3 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) in unerträglicher Weise ausgedehnt. Der Gesetzgeber habe den Personenkreis der Verfolgten, die vor dem nationalsozialistischen Regime ins Ausland geflohen seien, bei der Ausgestaltung der Regelungen über die Kindererziehungsleistung vor Augen gehabt, wie sich aus Art 2 § 61 Abs 4 AnVNG und § 28b Abs 2 des Fremdrentengesetzes (FRG) ergebe. Er habe aber auch unter Gesichtspunkten der Finanzierbarkeit und des Fehlens geeigneter Abgrenzungskriterien und Nachprüfungsmöglichkeiten davon Abstand genommen, allen Deutschen oder Verfolgten, die ihre Kinder außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze geboren haben, Leistungen für Kindererziehung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 2. Februar 1990 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 2. Februar 1990 zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Beklagte beachte nicht, daß die Kindererziehungsleistung für Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 strikt von den rentenrechtlichen Ansprüchen wegen Kindererziehung getrennt werden müsse, weil sie eine Leistung des Familienlastenausgleichs, keine sozialversicherungsrechtliche Leistung sei. Deswegen habe die Kindererziehungsleistung nichts mit der rentenrechtlichen Frage zu tun, ob und in welchem Umfang ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt der Mutter als Ersatzzeit in der Rentenversicherung anzurechnen sei. Im Zeitpunkt der Geburt ihrer Kinder (1935, 1936 und 1947) habe sie – wie eine Würdigung der damals gegebenen Gesamtumstände ergebe – ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in Deutschland gehabt. Ihre damalige Situation müsse tatsächlich und rechtlich wie diejenige einer Evakuierten gewürdigt werden. Falls jedoch Art 2 § 61 AnVNG ihr als rassisch Verfolgter mit dadurch bedingten Auslandsgeburten die Kindererziehungsleistung verwehre, sei die Verfassungswidrigkeit der Norm zu rügen. Das Übergehen der zu einer Auslandsgeburt gezwungenen rassisch Verfolgten des Nationalsozialismus verstoße gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG), zumal kein sachgerechter oder auch nur einleuchtender Grund dafür ersichtlich sei, daß Auslandsgeburten Vertriebener und vertriebener Verfolgter nach § 28b Abs 2 FRG und § 20 WGSVG der Gewährung der Kindererziehungsleistung nicht entgegenstehen. Außerdem seien das Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG und Art 6 Abs 4 GG verletzt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige (Sprung-)Revision der Beklagten ist begründet. Der Klägerin stehen die begehrten Leistungen für die Erziehung ihrer drei Kinder nicht zu.
Beurteilungsmaßstab für den geltend gemachten Anspruch ist ausschließlich Art 2 § 61 Abs 1 bis 3 AnVNG (eingefügt mit Wirkung vom 17. Juli 1987 durch Art 3 Nr 2 des Kindererziehungsleistungs-Gesetzes ≪KLG≫ vom 12. Juli 1987 – BGBl I S 1585, jetzt nach Art 85 Abs 3 des Rentenreformgesetzes 1992 ≪RRG 1992≫ in der mit Wirkung vom 17. Juli 1987 in Kraft gesetzten Fassung des Art 8 Nr 1 RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 – BGBl I S 2261), nicht – wie jedoch die Klägerin meint – Abs 4 aaO.
Nach letztgenannter Vorschrift finden die §§ 18 und 19 WGSVG auf die Leistung für Kindererziehung entsprechende Anwendung. Der Ansicht, durch die Verweisung auf diese Bestimmungen des WGSVG, nach denen – unter weiteren Voraussetzungen – Verfolgten und vertriebenen Verfolgten Renten ins Ausland gezahlt werden, seien diese Personengruppen als anspruchsberechtigt in den durch Art 2 § 61 AnVNG begünstigten Personenkreis einbezogen worden, ist nicht beizupflichten. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 30. Oktober 1990 (4 RA 44/89, zur Veröffentlichung vorgesehen) im einzelnen dargelegt hat, sprechen Wortlaut, Konzept und systematischer Aufbau des Art 2 § 61 AnVNG gegen diese Rechtsauffassung. Während in den Abs 1 bis 3 aaO der anspruchsberechtigte Personenkreis, die Höhe und der Beginn der Leistung geregelt sind, setzt Abs 4 die Erfüllung der anspruchsbegründenden Merkmale (Lebensalter, grundsätzlich Lebendgeburt im „Inland”) voraus. Abs 4 aaO begünstigt Verfolgte und vertriebene Verfolgte – in Abweichung von allgemeinen Regeln (§ 30 Abs 1 SGB I) – insoweit, daß ihnen die Kindererziehungsleistung auch ins Ausland gezahlt wird, falls sie die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nach Abs 1 bis 3 aaO erfüllen. Das ist bei der Klägerin jedoch nicht der Fall.
Nach Art 2 § 61 Abs 1 Satz 1 AnVNG erhalten Mütter, die – wie die Klägerin – vor dem 1. Januar 1921 geboren sind, für jedes Kind, das sie im Geltungsbereich dieses Gesetzes lebend geboren haben, eine Leistung für Kindererziehung. Nach Satz 2 aaO steht der Geburt im Geltungsbereich dieses Gesetzes (vorbehaltlich des Abs 3a aaO) die Geburt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze oder in Berlin vor dem 1. Februar 1949 gleich. Es bedarf keiner Darlegung, daß die Klägerin ihre Kinder 1935, 1936 und 1947 in Südafrika und damit außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze „Inland”) geboren hat.
Jedoch erstreckt Art 2 § 61 Abs 3 Nrn 1 bis 3 AnVNG den anspruchsberechtigten Personenkreis – unter weiteren Voraussetzungen – auch auf Mütter, die ihr Kind nicht im „Inland” geboren haben. Aber auch hierzu gehört die Klägerin nicht: Es liegen weder nach dem Vorbringen der Klägerin noch nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts Anhaltspunkte dafür vor, die Klägerin selbst oder ihr erster Ehemann könnten im Zeitpunkt oder unmittelbar vor der Geburt der Kinder wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in Südafrika Pflichtbeitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung haben oder nur deshalb nicht haben, weil sie zu den in § 6 AVG oder entsprechenden früheren Regelungen genannten Personen gehörten oder von der Versicherungspflicht befreit waren (Nrn 2 und 3 aaO).
Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen von Abs 3 Nr 1 aaO. Danach ist auch anspruchsberechtigt eine Mutter, die – wie die Klägerin – ihr Kind nicht im „Inland” lebend geboren hat, wenn sie im Zeitpunkt der Geburt des Kindes ihren gewöhnlichen Aufenthalt im „Inland” hatte. Diese Bestimmung soll Zufälligkeitsergebnissen vorbeugen, wenn zB das Kind urlaubsbedingt im Ausland geboren wurde (vgl Regierungsentwurf zum Kindererziehungsleistungs-Gesetz, BT-Drucks 11/197, Allg. Teil, S 9 und Besonderer Teil zu § 62 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes ≪ArVNG≫, S 11). Darüber hinaus ist hier eine Anlehnung an das Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeitengesetz (HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl I S 1450) zu erkennen, das in den neu geschaffenen §§ 2a und 28a AVG auf Erziehungszeiten – ebenfalls im maßgeblichen Geltungsbereich –, und – anders als Art 2 § 61 AnVNG – nicht nur auf einen Zeitpunkt abhebt. Indessen hatte die Klägerin 1935, 1936 und 1947 ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch bei weiter Auslegung dieses Begriffes nicht (mehr) im damaligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn sie – worauf zurückzukommen ist – den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Geburt ihrer Kinder im „Inland” gehabt hätte. Nach den tatsächlichen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) und dem eigenen Vorbringen der Klägerin, die zu Recht betont, es komme auf die Gegebenheiten im jeweiligen Zeitpunkt der Geburten, nicht auf eine rückschauende Betrachtungsweise an, hielt sie sich 1935, 1936 und 1947 ausschließlich in Südafrika, jedenfalls aber überhaupt nicht im „Inland” auf. Schon deswegen fehlt es an dem für einen „gewöhnlichen Aufenthalt” erforderlichen räumlichen Bezug zum Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze. Daher bedarf keiner näheren Erörterung, inwieweit in diesem Zusammenhang der Verweilwille als subjektives Element eine Rolle spielt, und ob bei bestimmten Personengruppen der erzwungene Auslandsaufenthalt das Fortbestehen eines gewönlichen Aufenthalts im „Inland” nicht ausschließt (vgl zB VDR-Komm, Stand 1. Juli 1988, Anm 13 zu Art 2 § 62 ArVNG: Evakuierte während der Evakuierung; Flüchtlinge, solange sie in Drittstaaten interniert und festgehalten wurden; in das Ausland verschleppte Frauen), insbesondere ob – wie nach dem Vorbringen der Beklagten deren Verwaltungsübung ist – bei Verfolgten eine Beibehaltung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Verfolgungsgebiet zu fingieren ist, falls sie – anders als die Klägerin – bis zum 31. Dezember 1949 in das „Inland” zurückgekehrt sind. Nicht einzugehen ist daher auch auf die Rechtsprechung, die von einer längeren tatsächlichen Verweildauer an einem Ort (hier: Südafrika) regelmäßig auf die Begründung eines dortigen gewöhnlichen Aufenthaltes geschlossen hat (BGSE 27, 88, 89; 57, 93, 95; 60, 262, 263).
Der erkennende Senat (BSGE 67, 243 = SozR 3-7833 § 1 Nr 3) hat dazu dargelegt, daß der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts iS von § 30 Abs 1 und 3 SGB I jeweils nach Sinn und Zweck derjenigen Norm „einzufärben”, dh in den Sinnzusammenhang einzufügen ist, der sich aus dem Gesetz, das ihn verwendet, ergibt (ebenso zuletzt der 11. Senat des BSG, Urteil vom 12. Dezember 1990, 11 RAr 141/90, zur Veröffentlichung vorgesehen). Da es aber – wie gesagt – Zweck von Art 2 § 61 Abs 3 Nr 1 AnVNG ist, Zufallsergebnisse zu vermeiden, die sich nur daraus ergeben, daß sich die Mutter, die zum Zeitpunkt der Geburt den Mittelpunkt ihrer persönlichen Lebensverhältnisse tatsächlich und dauernd im „Inland” hatte, gerade im „Ausland” befand, kommt es hier entscheidend darauf an, ob im Zeitpunkt der Geburt der Kinder der Schwerpunkt der persönlichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse der Mutter tatsächlich im „Inland” lag. Dies war auch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht der Fall.
Entgegen der Auffassung der Revisionsbeklagten enthält das Gesetz im Blick auf Fälle der vorliegenden Art keine planwidrige, durch die Rechtsprechung ausfüllbare Regelungslüke, sei es in Art 2 § 61 AnVNG, im WGSVG, im Zusammenwirken beider Komplexe oder im Blick auf § 28b Abs 2 FRG. Den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Staatsorganen hat die Problematik des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts vor Augen gestanden, wie sich aus der besonderen Auszahlungsregelung für Verfolgte in Art 2 § 61 Abs 4 AnVNG und dessen Verweisung auf §§ 18, 19 WGSVG ergibt. Weiter folgt dies daraus, daß in demselben Gesetzgebungsgang (Art 5 KLG) dem § 28b FRG ua ein Abs 2 angefügt wurde, wonach für den Anspruch auf eine Leistung für Kindererziehung ua nach Art 2 § 61 AnVNG bei dem in § 28b Abs 1 FRG genannten Personenkreis (dh die in § 1 FRG bezeichneten Personen, insbesondere den Vertriebenen, sowie den Deutschen im Gebiet der früheren DDR) die Geburt eines Kindes in den dort genannten Gebieten der Geburt im Geltungsbereich des FRG gleichsteht; hiermit war gemäß § 20 WGSVG auch eine Besserstellung vertriebener Verfolgter verbunden. Außerdem ist – worauf der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hingewiesen hat (Urteil vom 27. Februar 1991 – 5 RJ 51/89, zur Veröffentlichung vorgesehen) – im Blick auf Kindererziehungszeiten die Frage Gegenstand parlamentarischer Erörterung gewesen (BT-Drucks 11/758 S 9), ob Verfolgten, die ihr Kind verfolgungsbedingt im Ausland geboren und erzogen haben, Kindererziehungszeiten anerkannt werden sollten; gleichwohl ist durch das RRG 1992 nicht nur in § 56 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine dem bisherigen Recht entsprechende Regelung erneut getroffen, sondern auch Art 2 § 61 AnVNG geändert worden, ohne daß eine von der Klägerin angenommene Lücke geschlossen worden wäre. Angesichts dessen kann allenfalls fraglich sein, ob das gesetzliche Gesamtkonzept insoweit in sich widersprüchlich und in diesem Sinne lückenhaft ist, als bei Geburten während eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts außerhalb der Vertreibungsgebiete bis zum 31. Dezember 1949, dem Endzeitpunkt der wiedergutmachungsrechtlich auszugleichenden Schadensfälle, uU eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts iS von § 28 Abs 1 Nr 4 AVG gemäß Abs 2 aaO nicht angerechnet oder trotz § 32a Abs 2 AVG und §§ 13, 14 WGSVG iVm § 22 FRG nur mit einem Wert berücksichtigt werden kann, der im wirtschaftlichen Ergebnis hinter dem bei Anrechnung der Kindererziehungszeiten bzw der Gewährung der Kindererziehungsleistung zurückbleibt (vgl BSGE 63, 282 = SozR 2200 § 1251a Nr 2; BSGE 65, 8 = SozR 1700 § 48 Nr 55). Hierauf ist nicht einzugehen, weil der Wert der bei der Rente der Klägerin angerechneten Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts mit 13,88 erheblich über dem Wert der begehrten Kindererziehungsleistung (Art 2 § 61 Abs 1 Satz 3 AnVNG) liegt.
Der Senat ist nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, daß Art 2 § 61 AnVNG verfassungswidrig ist. Es ist nicht wilkürlich iS von Art 3 Abs 1 GG und verletzt keinen der Schutzbereiche des Art 6 Abs 1 und Abs 4 GG und auch nicht das Sozialstaatsprinzip, daß der Anspruch auf Leistungen für Kindererziehung grundsätzlich an die „Inlandsgeburt” geknüpft ist. Die Leistung für Kindererziehung mußte vor allem deswegen als Sozialleistung eigener Art ausgestaltet werden, weil einer Regelung im Rahmen der Rentenversicherung der Eintritt des (abgesehen von § 25 Abs 6 AVG) letzten Versicherungsfalls (Vollendung des 65. Lebensjahres) entgegenstand. Es ist deshalb nicht sachlich unvertretbar, daß der berechtigte Personenkreis in Art 2 § 61 Abs 1 und 3 AnVNG in gleicher Weise abgegrenzt worden ist wie derjenige, dem Versicherungszeiten wegen Kindererziehung angerechnet werden können. Die Gründe, die den Senat (BSGE 63, 282, 290 ff; Urteil vom 30. Oktober 1990 – 4 RA 44/89, zur Veröffentlichung vorgesehen) bewogen haben, von der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises auszugehen, treffen auch für die vorliegende Fallgestaltung zu.
Nach alledem mußte die Revision der Beklagten Erfolg haben und die Klage unter Aufhebung des Urteils des SG abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen