Kommt es zur Überzahlung von Entgelt, so kann der Arbeitgeber vom Beschäftigten Rückerstattung des zu viel gezahlten Entgelts verlangen. Anspruchsgrundlage bilden tarifvertragliche Rückzahlungsklauseln oder die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB). Tarifvertragliche Ausschlussfristen (z. B. § 37 TV-L) sind materielle Ausschlussfristen und stehen auch ohne Einrede einer Rückforderung entgegen (vgl. Stichwort Ausschlussfrist). Entgelt sind alle Geldleistungen, die der Arbeitgeber erbracht hat (z. B. Tabellenentgelt, Zulagen, Zuschläge, Entgeltfortzahlung, Krankengeldzuschuss, Trennungsgeld, Reise-/Umzugskostenvergütung, Einmalzahlungen, Zuschüsse).
Überzahlung, Ausschlussfrist, Zurechnung von Wissen bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts
Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation hat sicherzustellen, dass rechtserhebliche Information von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass die Aufspaltung von Zuständigkeiten nicht dazu führen darf, dass ein Vertragspartner einer juristischen Person schlechter gestellt wird als der Vertragspartner einer natürlichen Person. Auch wenn zwischen verschiedenen Behörden grundsätzlich keine Zurechnung von Kenntnissen erfolgt, so gilt dies dann nicht, wenn eine Behörde eine andere mit der Erledigung ihrer Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut (hier: Aufspaltung der Personalsachbearbeitung und der Bezügezahlung). Die Risiken einer Wissensaufteilung hat derjenige zu tragen, der sie veranlasst hat und durch zweckmäßige Organisation beherrschen kann. Ein Bundesland muss sich daher die Kenntnisse der verantwortlichen Beschäftigten in der Beschäftigungsbehörde und der Bezügestelle hinsichtlich einer fehlerhaften Eingruppierung zurechnen lassen.
Überzahlung: Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs
Der Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Entgelts entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Überzahlung und wird sofort fällig, berechnet der Arbeitgeber die Vergütung fehlerhaft, obwohl ihm die maßgeblichen Berechnungsgrundlagen bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Auf die Kenntnis des Arbeitgebers von seinem Rückzahlungsanspruch kommt es in einem solchen Fall nicht an. Sind ihm die Grundlagen der Berechnung bekannt, fallen Fehler bei der Berechnung grundsätzlich in seine Sphäre, weil sie von ihm eher durch Kontrollmaßnahmen entdeckt werden können als von dem Empfänger der Leistung. Im Übrigen teilt das LAG die o. a. Rechtsauffassung der LAG Berlin-Brandenburg zur Zusammenrechnung von Wissen bei juristischen Personen.
Dem Anspruch des Arbeitgebers aus § 812 BGB kann der Beschäftigte die Einrede des Wegfalls der Bereicherung (Entreicherung, § 818 Abs. 3 BGB) entgegensetzen. Eine Rückzahlungspflicht besteht dann nicht mehr, wenn der Beschäftigte zum Zeitpunkt des Rückzahlungsverlangens nicht mehr um den überzahlten Betrag bereichert ist. Hierfür ist der Beschäftigte grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig. Beruft sich der Beschäftigte auf Entreicherung, so hat die Rechtsprechung zu seinen Gunsten Beweiserleichterungen anerkannt. Eine Entreicherung ist z. B. gegeben, wenn der Beschäftigte das Entgelt für Ausgaben verwendet hat, die er sonst nicht getätigt hätte. Die Bereicherung besteht hingegen fort, wenn der Beschäftigte mit dem Entgelt Schulden getilgt hat, da er sich hierdurch von Verbindlichkeiten befreit.
Beruft sich ein Beschäftigter bei geringen Überzahlungen auf eine Entreicherung, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das überzahlte Entgelt für den laufenden Lebensunterhalt verbraucht wurde. Als geringe Überzahlungen werden Zahlungen angesehen, die das tariflich zustehende Entgelt geringfügig überschreiten. Nach den Durchführungshinweisen der einzelnen Länder wird eine geringfügige Überzahlung angenommen, wenn das überzahlte Entgelt 10 % des insgesamt zustehenden Betrages höchstens aber 150,00 Euro nicht übersteigt.
Anscheinsbeweis Entreicherung – Geringfügigkeit
Der Höchstbetrag wurde – anders als in der Besoldung – seit 1997 nicht angepasst und im Jahr 2006 "nur" auf den Euro-Betrag umgestellt. Daher liegt der Höchstwert von 150 EUR mittlerweile in jeder Entgeltgruppe unter 10 % des Tabellenbruttoentgelts. Der Höchstbetrag sollte daher im Einzelfall im Lichte der BAG-Rechtsprechung kritisch gewürdigt werden:
Der Anscheinsbeweis kommt bei Arbeitnehmern mit geringem oder mittlerem Einkommen zum Tragen, sie über keine weiteren Einkünfte (bspw. aus Vermietung oder Verpachtung) verfügen, sodass sie die Nettobezüge aus ihrem Arbeitsverhältnis verwenden, um den laufenden Lebensunterhalt für sich und evtl. ihre Familie zu bestreiten. Zu den weiteren Einkünften kann eine dienstliche Erklärung abgegeben werden.
Die Grundsätze finden keine Anwendung auf Besserverdienende, da bei dieser Personengruppe nicht davon ausgegangen werden kann, dass höhere Einkünfte im o. a. Sinne in der Regel ausgegeben werden. Jedenfalls dürften Bes...