Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG). Begriff des .Arbeitnehmers. Von vornherein auf einen kurzen Zeitraum befristetes Arbeitsverhältnis. Aufrechterhaltung der Rechtsstellung eines .Arbeitnehmers nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Voraussetzungen der Gewährung sozialer Vergünstigungen im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68. Studienförderung
Beteiligte
Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst |
Tenor
1. Eine zeitlich befristete Beschäftigung von zweieinhalb Monaten, die ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausübt, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, kann seine Arbeitnehmereigenschaft nach Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) begründen, sofern die ausgeübte unselbständige Tätigkeit nicht völlig untergeordnet und unwesentlich ist.
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die erforderlichen tatsächlichen Prüfungen vorzunehmen, um zu beurteilen, ob dies in der bei ihm anhängig gemachten Rechtssache der Fall ist. Umstände aus der Zeit vor oder nach dem Beschäftigungszeitraum wie etwa die, dass der Betreffende
- erst einige Jahre nach seiner Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat diese Beschäftigung aufgenommen hat,
- erst kurz nach Beendigung seines auf einen kurzen Zeitraum befristeten Beschäftigungsverhältnisses durch einen Schulabschluss in seinem Heimatland die Befähigung für den Zugang zu einem Universitätsstudium im Aufnahmemitgliedstaat erworben hat oder
sich in zeitlichem Anschluss an das auf einen kurzen Zeitraum befristete Beschäftigungsverhältnis bis zur Aufnahme seines Studiums um eine neuerliche Beschäftigung bemüht hat,
sind insoweit nicht erheblich.
2. Ein Gemeinschaftsbürger wie die Beschwerdeführerin ist, sofern er Wanderarbeitnehmer im Sinne von Artikel 48 EG-Vertrag ist, nicht unbedingt allein deshalb im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes freiwillig arbeitslos, weil sein von vornherein befristeter Arbeitsvertrag endet.
Tatbestand
In der Rechtssache C-413/01
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Franca Ninni-Orasche
gegen
Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet, der Richter C. Gulmann und V. Skouris (Berichterstatter) sowie der Richterinnen F. Macken und N. Colneric,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: R. Grass,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,
- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und M. Lumma als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von C. Lewis, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Martin und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Februar 2003
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. September 2001, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 17. Oktober 2001, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Ninni-Orasche und dem Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst über dessen Ablehnung eines Antrags von Frau Ninni-Orasche auf eine Studienbeihilfe nach den Bestimmungen des Studienförderungsgesetzes (BGBl. 1992/305).
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrechtliche Regelung
3.
Artikel 48 EG-Vertrag bestimmt, dass innerhalb der Gemeinschaft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet ist und dass diese Freizügigkeit die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen umfasst.
4.
Artikel 7 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 (ABl. L 245, S. 1, im Folgenden: Verordnung Nr. 1612/68) sieht vor:
(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls ...