Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvorbehalt

 

Leitsatz (amtlich)

In § 15 Nr. 1 Abs. 2 des MTV für den Groß- und Außenhandel des Landes Hessen i.d.F. vom 23. März 1990 ist abschließend geregelt, daß der Arbeitgeber erst bei einer Erkrankung, die länger als drei Tage dauert, ein ärztliches Attest verlangen kann. Ein Mitbestimmungsrecht bei der Vorlage eines Attests vor Ablauf der drei Tage scheidet daher aus. Es wird auch nicht dadurch eröffnet, daß sich der Arbeitgeber tarifwidrig verhält.

 

Normenkette

MTV für den Groß- und Außenhandel des Landes Hessen § 87 Abs. 1, § 15 Nr. 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 28.11.1990; Aktenzeichen 3 BV 20/90)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 05.05.1992; Aktenzeichen 1 ABR 69/91)

 

Tenor

Die Beschwerde des antragstellenden Betriebsrates gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Offenbach vom 28. November 1990 – 3 BV 20/90 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um ein Mitbestimmungsrecht in Zusammenhang mit der Vorlage von ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch einzelne Arbeitnehmer.

Der Arbeitgeber betreibt die deutsche Niederlassung eines japanischen Automobilkonzerns in Offenbach. Antragsteller dieses Verfahrens ist der in Offenbach gebildete Betriebsrat. Der Arbeitgeber unterliegt dem fachlichen und räumlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für den Groß- und Außenhandel des Landes Hessen in der Fassung vom 23. März 1990.

§ 15 des Manteltarif Vertrages lautet wie folgt:

„§ 15 Arbeitsversäumnis, Freistellung, Tod

Der Anspruch auf Vergütung für zeitweiliges Arbeitsversäumnis eines vorübergehend an der Arbeit verhinderten Arbeitnehmers regelt sich in Erläuterung der gesetzlichen Bestimmungen wie folgt:

1. Ist der Arbeitnehmer durch Krankheit oder sonstige unvorhergesehene Ereignisse an der Arbeitsleistung verhindert, so hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglich unter Angabe der Gründe mitzuteilen.

Bei Erkrankung, die länger als 3 Tage dauert, ist unverzüglich eine Bescheinigung vorzulegen, aus der die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer ersichtlich sind.

Ferner ist während der Krankheit auf Verlangen des Arbeitgebers eine Bescheinigung über die Fortdauer und bei Wiederaufnahme der Tätigkeit eine Bescheinigung über das Ende der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen.

Wird ohne wichtigen Grund die Benachrichtigung bzw. die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung trotz Aufforderung unterlassen, kann der Arbeitgeber das Vertragsverhältnis fristlos lösen.

Der Arbeitgeber kann auf seine Kosten die Vorlage einer Bescheinigung des vertrauensärztlichen Dienstes verlangen.”

Der Arbeitgeber forderte in der Vergangenheit bei einzelnen häufiger erkrankten Arbeitnehmern über deren unmittelbare Vorgesetzte bereits für den 1. Krankheitstag eine ärztliche Bescheinigung. Er hält sich hierzu auch weiter für berechtigt.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, dieses Vorgehen, das nicht mit ihm abgesprochen werde, stelle eine Verletzung seines Mitbestimmungsrechts gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG dar.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, ohne Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Antragstellers Arbeitnehmer anzuweisen, bereits ab dem ersten Krankheitstag eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, aus der die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer ersichtlich sind;
  2. der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber hat ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verneint.

Das Arbeitsgericht hat mit seinem am 28. November 1990 verkündeten Beschluß die Anträge zurückgewiesen. Es hat ein Mitbestimmungsrecht angesichts der tarifvertraglichen Regelung in § 15 Ziff. 1 2. Satz des Manteltarifvertrages für den Groß- und Außenhandel des Landes Hessen in der Fassung vom 23. März 1990 für ausgeschlossen gehalten, da diese Regelung abschließend sei und einen Gestaltungsfreiraum nicht ermögliche. Danach dürfe erst ab dem 4. Tag der Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefordert werden. Ein mitzubestimmender Gestaltungsspielraum bestehe nicht. Das Arbeitsgericht hat im übrigen Bezug genommen auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 27.06.1990 – 5 AZR 314/89 – DB 1990, S. 2327 ff. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Beschlusses wird auf die Gründe (Bl. 16–19 d.A.) Bezug genommen.

Gegen diesen ihm am 13.02.1991 zugestellten Beschluß hat der Betriebsrat am 03.12.1990 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Eine weitere Begründung hat er am 05.02.1991 eingereicht.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, bei der Aufforderung an bestimmte Arbeitnehmer, bereits ab dem 1. Krankheitstag eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, handele es sich um eine Maßnahme gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da das Verhalten der Arbeitnehmer und die betriebliche Ordnung betroffen sei. § 1...

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